OGH vom 30.06.2022, 9ObA33/22a

OGH vom 30.06.2022, 9ObA33/22a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Veronika Bogojevic (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei * B*, vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, *, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 3.430 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 117/21f-17, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 24 Cga 154/20x13, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen der beklagten Partei die mit 348,98 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger stand im Zeitraum vom bis als Vertragsbediensteter mit Sondervertrag (Polizeischüler) in einem privatrechtlichen Vertragsbedienstetenverhältnis zur Beklagten. In dessen Rahmen war er dem Dienstort Klagenfurt zugewiesen und absolvierte die beiden Theorieteile der Polizeigrundausbildung im Bildungszentrum der Sicherheitsakademie Krumpendorf sowie die „Praxisphase I“ vom bis im Bereich des Stadtpolizeikommandos Innere Stadt an der Dienststelle einer Polizeiinspektion in 1010 Wien.

[2] Soweit revisionsgegenständlich, verfügte die Landespolizeidirektion Wien am für die auch den Kläger betreffenden Ausbildungsklassen:

„Zuweisung von 85 männlichen und 37 weiblichen EB zu den Stadtpolizeikommanden mit Wirksamkeit vom zur Absolvierung des Praxisteils im Rahmen der Grundausbildung sowie ständige Zuweisung nach Beendigung der Grundausbildung mit Wirksamkeit vom

I.

Mit Wirksamkeit vom werden die VB/S der Ausbildungsklassen … zur Absolvierung des Praxisteils II im Rahmen der Grundausbildung den nachstehenden Stadtpolizeikommanden bis einschließlich zur vorübergehenden Dienstleistung und mit Wirksamkeit vom als Insp/prDV zur ständigen Dienstleistung zugewiesen.“

[3] Der Kläger absolvierte die Praxisphase II im Zeitraum vom bis im Bereich des Stadtpolizeikommandos Meidling an der Dienststelle einer Polizeiinspektion in 1120 Wien. Seit steht er infolge seiner mit Wirksamkeit zu diesem Tag erfolgten Ernennung auf die Planstelle eines Inspektors im Planstellenbereich des Bundesministeriums für Inneres, Sicherheitsexekutive der Verwendungsgruppe E/2b, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis als Beamter zur Beklagten. Auch im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses ist der Kläger seit dem Stadtpolizeikommando Meidling zugewiesen und wird seit an jener Polizeiinspektion in 1120 Wien verwendet.

[4] Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klagedie Zahlung von 3.430,20 EUR aus dem Titel der Zuteilungsgebühren für den Zeitraum vom bis , weil es sich bei der in diesem Zeitraum erfolgten Verwendung an der Polizeiinspektion um eine Dienstzuteilung gehandelt habe. Er habe beginnend mit einen befristeten Sondervertrag auf 24 Monate gehabt. Eine darüber hinausgehende Dienstzuteilung sei zum Zeitpunkt der Zuweisung nicht zu beurteilen. Er sei erst mit ernannt worden, dementsprechend habe der Sondervertrag erst zum geendet.

[5] Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte zusammengefasst ein, die Praxisphase II sei reisegebührenrechtlich bereits als Versetzung zu qualifizieren, aus der für Vertragsbedienstete keine Ansprüche resultierten. Die der dienstrechtlichen Zuweisung unmittelbar vorangehende Praxisphase II sei ohnehin bereits an jener Dienststelle zu absolvieren, an der der Teilnehmer nach Abschluss der Grundausbildung dauernd verwendet werde. Aus der Zuweisung der Landespolizeidirektion Wien vom ergebe sich klar, dass die Aspiranten – und damit auch der Kläger – im Anschluss an den Praxisteil II dem selben Stadtpolizeikommando (unbefristet) zur ständigen Dienstleistung zugewiesen sein würden. Es habe sich inhaltlich um eine durchgehende ständige Zuweisung gehandelt.

[6] Das Erstgericht folgte dem Standpunkt der Beklagten und wies das Klagebegehren ab. Gemäß § 22 RGV bestehe ein Anspruch auf Zuteilungsgebühr (nur) im Fall einer Dienstzuteilung, die nach der Legaldefinition des § 2 Abs 3 RGV nicht vorliege.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge und bestätigte diese Beurteilung. Die Revision sei aber mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 2 Abs 3 und 4 RGV zulässig.

[8] In seiner dagegen gerichteten Revision beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[9] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

1. Folgende Bestimmungen der Reisegebührenvorschrift 1955 (RGV) sind hier maßgeblich:

[11] Gemäß § 2 Abs 3 RGV liegt eine Dienstzuteilung im Sinne dieser Verordnung vor, wenn ein Beamter an einem anderen Ort als dem Dienstort einer Dienststelle zur vorübergehenden Dienstleistung zugewiesen wird und für die Dauer dieser Verwendung entweder der Dienstaufsicht des Leiters dieser Dienststelle unterliegt oder mit der Leitung der zugewiesenen Dienststelle betraut wird.

[12] Gemäß § 2 Abs 4 RGV liegt eine Versetzung im Sinne dieser Verordnung vor, wenn der Beamte in einem neuen Dienstort einer Dienststelle zur dauernden Dienstleistung zugewiesen wird. Als Versetzung gilt auch der mit der Aufnahme eines Vertragsbediensteten des Bundes in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis verbundene Wechsel des Dienstortes.

[13] Gemäß § 22 Abs 1 erster HS RGV erhält der Beamte bei einer Dienstzuteilung eine Zuteilungsgebühr.

[14] Gemäß § 27 Abs 1 RGV hat der Beamte, der an einen anderen Dienstort versetzt wird, nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnitts Anspruch auf Ersatz der Kosten, die mit der Übersiedlung vom bisherigen Wohnort in den neuen Wohnort verbunden sind (Übersiedlungsgebühren).

[15] Gemäß § 27 Abs 2 RGV ist eine Versetzung, wenn sie von Amts wegen erfolgt, während der ersten drei Monate reisegebührenrechtlich wie eine Dienstzuteilung zu behandeln.

[16] Gemäß § 74 Abs 1 ist die Reisegebührenvorschrift – mit Ausnahme des § 27 Abs 2 – auch auf die Vertragsbediensteten nach § 1 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 anzuwenden.

2.Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH sind die Begriffe „Dienstzuteilung“ und „Versetzung“ nach § 2 RGV "im Sinne dieser Verordnung" auszulegen, sodass der festzustellende Begriffsinhalt nur aufgrund der Bestimmungen der RGV selbst zu ermitteln ist und nicht unter Heranziehung anderer dienstrechtlicher Begriffe (VwGH 2010/09/0200 RS 2; VwGH 99/12/0045 RS 1; VwGH Ra 2020/12/0084 RS 1; Traumüller, RGV12 § 2 Anm 2 mwN).

[18] Der Zweck der RGV ist nach § 1 Abs 1 RGV der Ersatz des Mehraufwands, welcher Bundesbeamten durch auswärtige Dienstverrichtung erwächst. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist dabei primär auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht auf rechtliche Konstruktionen abzustellen. Maßgebend für die Beurteilung der Qualifikation „Versetzung oder Dienstzuteilung“ im Sinne der RGV sind die konkreten Verhältnisse und die dienstlichen Umstände, welche zur auswärtigen Dienstverrichtung geführt haben sowie dem betroffenen Beamten erkennbar gewesen sein müssen (VwGH 2010/09/0200 RS 2; s auch Germ/Zach, Die ReisegebührenVorschrift19. Erg § 2 Anm 13).

3. Für die Unterscheidung zwischen Dienstzuteilung und Versetzung ist die zeitliche Komponente relevant. Während bei der Dienstzuteilung ein Beamter einem anderen Ort zur vorübergehenden Dienstleistung zugewiesen wird, wird bei der Versetzung ein Beamter einem neuen Dienstort zur dauernden Dienstleistung zugewiesen. Dabei ist der Begriff „Dienststelle“ in der RGV im Gegensatz zu seinem Verständnis in sonstigen Bereichen des Dienstrechts nicht organisatorisch, sondern mit örtlichem Bezug zu sehen (VwGH 2010/09/0200 RS 1). Die für das Vorliegen einer Dienstzuteilung erforderliche zeitliche Begrenzung muss zwar nicht datumsmäßig konkretisiert, zumindest aber nach dem Wortlaut der betreffenden Anordnung oder nach den Umständen des jeweiligen Falles erkennbar sein. Unter der „erforderlichen zeitlichen Begrenzung“ ist deren „Absehbarkeit“ zu verstehen. Sie setzt daher zwar keine datumsmäßig konkretisierte zeitliche Begrenzung, wohl aber eine Erkennbarkeit, dass es sich lediglich um eine Zuteilung für einen absehbaren (also nicht für einen zwar endlichen, aber unabsehbar langen) Zeitraum handeln werde, voraus (VwGH 2013/12/0009 RS 1). Eine Versetzung ist dann anzunehmen, wenn der die Zuweisung des Beamten zur Dienstleistung an einen bestimmten Ort maßgebende Bedarf im Zeitpunkt der Zuweisung nicht nur ein vorübergehender, sondern schon damals die Dienstleistung auf nicht absehbare Zeit geplant gewesen ist (VwGH 2010/09/0200 RS 3).

4.1. Im vorliegenden Fall ist danach für die gebührenrechtliche Betrachtungsweise zunächst irrelevant, dass ein privatrechtliches Dienstverhältnis vor der Ernennung des Klägers in den öffentlichen Dienst als Beamter vorlag, weil im Hinblick auf den Zweck der Regelung, den Mehraufwand einer Dienstzuteilung abzugelten, rechtliche Konstruktionen nicht ausschlaggebend sind. Maßgeblich ist vielmehr, ob die betreffende dienstrechtliche Verfügung von vornherein auf Dauer angelegt war, ob also schon im Zeitpunkt der Zuweisung des Bediensteten erkennbar war, dass die Dienstleistung nicht nur auf absehbare Zeit an dem bestimmten Ort erfolgen sollte.

[21] 4.2. Hier war aufgrund der Zuweisung vom in ihrer Gesamtheit objektiv erkennbar, dass es sich mit Wirksamkeit ab um eine nicht bloß vorübergehende Verwendung des Klägers an jener Polizeiinspektion in Wien 12 handeln sollte, weil zugleich mit der Zuweisung für den Zeitraum vom bis die unmittelbar darauffolgende Zuweisung mit Wirksamkeit ab „zur ständigen Dienstleistung“ für denselben Dienstort ausgesprochen wurde. Wenngleich der Sondervertrag des Klägers als Vertragsbediensteter befristet war, war damit bereits mit offengelegt, dass es sich um eine auf nicht absehbare Zeit angelegte Verwendung des Klägers an jenem Dienstort in Wien handeln würde. Wie bereits das Erst- und das Berufungsgericht zutreffend dargelegt haben, lag damit für den klagsgegenständlichen Zeitraum keine vorübergehende Dienstzuteilung nach § 2 Abs 3 RGV, sondern eine Versetzung nach § 2 Abs 4 RGV vor.

[22] 5. Dass die Regelung des § 27 Abs 2 RGV auf Vertragsbedienstete nicht anzuwenden ist (§ 74 Abs 1 RGV), gesteht auch der Kläger zu.

[23] 6. Ein Anspruch des Klägers auf die geltend gemachten Zuteilungsgebühren besteht danach nicht. Seiner Revision war daher keine Folge zu geben.

[24] 7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00033.22A.0630.000

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