OGH vom 11.05.2010, 9ObA154/09a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva Pernt und Mag. KR Michaela Haydter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B***** KG, *****, vertreten durch die Advokaturbüro Jelenik Partner AG, Landstraße 60, FL 9490 Vaduz (Zustellungsbevollmächtigter gemäß § 6 EIRAG: Mag. Norbert Wanker, Wasenweg 23, 6800 Feldkirch), gegen die beklagte Partei J***** S*****, vertreten durch Mag. Bernhard Graf, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen 10.650 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 15 Ra 6/09h 20, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , GZ 15 Ra 6/09h 24, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 33 Cga 55/08g 16, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 768,24 EUR (darin 128,04 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Berufungsgericht ließ (aufgrund des Berichtigungsbeschlusses vom ) die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass zum Entgeltbegriff des § 36 Abs 2 AngG idF BGBl I 2006/35 noch keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege. Die Klägerin schloss sich zur Zulässigkeit ihrer Revision der Begründung des berufungsgerichtlichen Zulassungsausspruchs an. Demgegenüber bestritt der Beklagte ausdrücklich die Zulässigkeit der Revision der Klägerin und beantragte deren Zurückweisung.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision der Klägerin kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Die Vorinstanzen haben das auf eine Konventionalstrafe wegen Verletzung der vereinbarten Konkurrenzklausel durch den Beklagten gerichtete Klagebegehren der Klägerin wegen Unwirksamkeit der Konkurrenzklausel nach § 36 Abs 2 AngG infolge Nichterreichens der Entgeltgrenze im Sinne dieser Gesetzesstelle abgewiesen. Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits zu 8 ObA 16/09z ( Burger-Ehrnhofer , Endlich Rechtsprechung zur Frage der Berücksichtigung von Sonderzahlungen bei der Berechnung der Entgeltgrenze für Konkurrenzklauseln, RdW 2009/768, 761; Schrank , Ausgewähltes Judikatur-Update, ZAS 2010, 125 [133]; siehe auch Eypeltauer , Einbeziehung der Sonderzahlungen in die Entgeltgrenze für Konkurrenzklauseln, ecolex 2006, 678; gegen die Berücksichtigung von Sonderzahlungen für die Entgeltgrenze: Heilegger , Neuregelung von Konkurrenzklausel und Ausbildungskostenrückersatz, RdW 2006, 287; Schindler in Mazal/Risak , Arbeitsrecht Kap XX Rz 175; Theuer , Entgeltgrenze und Entgeltbegriff bei der Konkurrenzklausel [§ 36 AngG,§ 2c AVRAG], JBl 2010, 9 ua) mit der mit AngG-Novelle BGBl I 2006/35 in § 36 Abs 2 AngG eingeführten Entgeltgrenze und der Frage der Berücksichtigung von Sonderzahlungen bei Berechnung dieser Entgeltgrenze auseinandergesetzt. Die Annahme des Berufungsgerichts und der Revisionswerberin, es fehle an Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 36 Abs 2 AngG, trifft daher nicht zu.
Das Berufungsgericht hielt sich in der Sache bei Ermittlung des „für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelts“ zu Recht an die von der Lehre gebilligte ständige Rechtsprechung zu § 23 Abs 1 AngG. Danach entspricht es herrschender Auffassung, dass nach § 23 Abs 1 AngG das für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt die Basis der Berechnung des Abfertigungsanspruchs darstellt. Schwankt jedoch die Höhe des Entgelts innerhalb des letzten Jahres vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ist ein Zwölftel des gesamten Entgelts dieses Jahres als Bemessungsgrundlage der Abfertigung zu Grunde zu legen. Damit soll eine gewisse Kontinuität des zuletzt bezogenen Durchschnittsverdienstes gesichert werden (RIS-Justiz RS0028943 ua). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Schwankungen durch variable Prämien, Zulagen, Provisionen, Sonderzahlungen oder Überstundenentgelte bewirkt werden ( Mayr in ZellKomm § 23 AngG Rz 25 mwN; Reissner in ZellKomm § 36 AngG Rz 89; 8 ObA 16/09z; RIS-Justiz RS0043295; vgl auch RS0028581 ua).
Dadurch, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Ermittlung der Entgeltgrenze des § 36 Abs 2 AngG ebenfalls von dem „für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelt“ ausgeht, das wortgleich die Basis für die Ermittlung der Abfertigung nach § 23 Abs 1 AngG darstellt, brachte er hinreichend klar zum Ausdruck, dass diese identen Begriffe in den unterschiedlichen Gesetzesstellen desselben Gesetzes auch ident zu verstehen sind ( Burger Ehrnhofer , RdW 2009/768, 761 [763] ua). Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach „das für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt“ nicht die gesamte in diesem Monat fällig gewordene Weihnachtsremuneration umfasst, sondern lediglich die aliquoten Sonderzahlungen (inklusive anteiligem Urlaubsentgelt) zu berücksichtigen sind, ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht der Rechtsprechung zu § 23 AngG (RIS-Justiz RS0028581 ua), deren Anwendung auf § 36 Abs 2 AngG vom Obersten Gerichtshof in 8 ObA 16/09z gebilligt wurde.
Die Revisionswerberin wiederholt in ihrer Revision den Standpunkt, dass der Wortlaut des § 36 Abs 2 AngG eben auf das für den „letzten Monat“ des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt (ohne Aliquotierung) abstelle. Auf die Argumentation des Berufungsgerichts geht sie nicht näher ein. Sie setzt sich auch weder mit der ständigen Rechtsprechung zu § 23 AngG, noch mit der vom Obersten Gerichtshof bereits gebilligten Anwendung dieser Rechtsprechung auf § 36 Abs 2 AngG auseinander. Wenn die Revisionswerberin ihre Auffassung damit bekräftigt, dass es ihr nicht darum gegangen sei, den Beklagten durch die Konkurrenzklausel an ihr Unternehmen zu binden, und dass es dem Beklagten ein Leichtes gewesen wäre, die Konkurrenzklausel einzuhalten, dann argumentiert sie am gegenständlichen Problem vorbei.
Nach § 36 Abs 2 AngG ist die Vereinbarung einer Konkurrenzklausel nach § 36 Abs 1 AngG unwirksam, wenn sie im Rahmen eines Dienstverhältnisses getroffen wird, bei dem das für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt das Siebzehnfache der Höchstbeitragsgrundlage nach § 45 ASVG nicht übersteigt. Der Beklagte war für die Klägerin im Zeitraum August bis November 2007 als Provisionsvertreter tätig und bezog in dieser Zeit ein schwankendes Entgelt. Das Berufungsgericht ermittelte in diesem Beschäftigungszeitraum unter Aliquotierung der Sonderzahlungen (Weihnachtsremuneration und Urlaubsbeihilfe) das monatliche Durchschnittsentgelt des Beklagten mit 1.811,47 EUR. Dieses liegt deutlich unter dem für November 2007, dem letzten Beschäftigungsmonat des Beklagten bei der Klägerin, geltenden Siebzehnfachen der Höchstbeitragsgrundlage nach den §§ 45, 108 ASVG iVm Art I § 1 Z 2 der Kundmachung BGBl II 2006/532 in der Höhe von 2.176 EUR (unstrittig).
Die Klägerin scheitert somit mit der von ihr wegen Verletzung der Konkurrenzklausel begehrten Konventionalstrafe an der Entgeltgrenze des § 36 Abs 2 AngG. Auf das künftig (nach November 2007) mögliche Einkommen des Beklagten kommt es bei der Entgeltgrenze nicht an; auch nicht auf die Frage, was der Vorgänger des Beklagten bei der Klägerin an Provisionen erzielt hat. Maßgeblich ist das dem Beklagten „gebührende Entgelt“.
Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Klägerin, ungeachtet ihrer Zulassung durch das Berufungsgericht, zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung ausdrücklich auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen (vgl RIS-Justiz RS0035979 ua).