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OGH vom 14.06.2016, 11Os39/16v

OGH vom 14.06.2016, 11Os39/16v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Nordmeyer, Mag. Michel und Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Jülg, BSc, als Schriftführer in der Strafsache gegen Marco J***** und einen weiteren Angeklagten wegen Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Z 2 und Z 3, Abs 4 erster Fall FPG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Marco J***** und Aleksandar R***** gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom , GZ 605 Hv 11/15w 36, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das Einzi ehungserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Marco J***** zu I und II und Aleksandar R***** zu I und III/A mehrerer Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Z 2 und Z 3, Abs 4 erster Fall FPG, Letzterer zu „III) B“ und III) C auch mehrerer Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Abs 4 erster Fall FPG schuldig erkannt.

Danach haben in S***** und andernorts im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit weitere Schlepperfahrzeuge lenkenden Mittätern als Mitglied einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig (§ 70 StGB aF) die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem

I) Marco J***** als Lenker des PKWs der Marke Chrysler Voyager mit ausgebauten hinteren Sitzreihen und Aleksandar R***** als Lenker des Begleit bzw Vorausfahrzeugs PKW Volvo V40 am an der ungarisch serbischen Grenze etwa 45 illegal eingereiste Fremde syrischer, irakischer und unbekannter Staatsangehörigkeit übernahmen und diese nach Österreich verbrachten, wobei sie für ihre Dienste jeweils 300 Euro erhalten sollten, die Fremden jeweils 1.500 Euro für die Fahrt von Belgrad nach Wien an einen Mittäter bezahlten und sie die Tat auf eine Art und Weise begingen, durch die die Fremden, insbesondere während der Beförderung, längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden, weil zumindest 16 Fremde im erstgenannten PKW zusammengepfercht wurden und hockend bzw am Boden sitzend und liegend die ca vierstündige Fahrt ohne Pause bei mangelnder Versorgung an Nahrungsmitteln und Hygienemöglichkeiten ausharren mussten;

II) Marco J***** gegen einen Fuhrlohn von 300 Euro als Lenker des zu I./ bezeichneten PKWs sowie eines PKW Fiat Bravo mit ausgebauten Sitzreihen (US 9) im Zusammenwirken mit Aleksandar R***** in der Zeit von bis , in vier (weiteren) Angriffen an der ungarisch serbischen Grenze insgesamt etwa 180, pro Fahrt etwa 45 illegal eingereiste Fremde syrischer, irakischer und unbekannter Staatsangehörigkeit übernahmen und nach Österreich verbrachten, wobei die Fremden einen nicht mehr festzustellenden Betrag für die Fahrt von Ungarn nach Österreich an einen Mittäter bezahlten und sie die Tat auf die zu I./ geschilderte Art und Weise begingen, also eine solche, durch die die Fremden, insbesondere während der Beförderung, längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden;

III) Aleksandar R*****

A./ gegen einen Fuhrlohn von 300 Euro als Lenker des Begleit bzw Vorausfahrzeugs des PKWs Volvo V40 mit drei weiteren unbekannt gebliebenen Tätern, zum Teil auch mit Marco J*****, auf die zu I./ geschilderte Art und Weise, also eine solche, durch die die Fremden, insbesondere während der Beförderung, längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden, in der Zeit von bis in zumindest zehn Angriffen, beispielsweise am , und , an der ungarisch serbischen Grenze insgesamt etwa 450, pro Fahrt etwa 45 illegal eingereiste Fremde syrischer, irakischer und unbekannter Staatsangehörigkeit übernahmen und nach Österreich verbrachten, wobei die Fremden jeweils 1.500 Euro an einen Mittäter bezahlten;

B./ ab zumindest Anfang Juni 2015 in zumindest zehn Angriffen gegen Entgelt kleine Reparaturen an nicht mehr feststellbaren Schlepperfahrzeugen durchführte, mit denen eine nicht mehr feststellbare Anzahl illegal eingereister Fremder syrischer, irakischer und unbekannter Staatsangehörigkeit gegen ein das angemessene Entgelt um ein Vielfaches übersteigender Höhe (US 9) durch Ungarn und nach Österreich verbracht wurden;

C./ ab zumindest Anfang Juni 2015 mehrfach (US 6) gegen ein Entgelt von 350 Euro nicht mehr feststellbare defekte „Schlepperfahrzeuge“ von Wien nach Ungarn schleppte, mit denen eine nicht mehr feststellbare Anzahl illegal eingereister Fremder syrischer, irakischer und unbekannter Staatsangehörigkeit gegen ein das angemessene um ein Vielfaches übersteigende Entgelt (US 9) durch Ungarn und nach Österreich verbracht wurden.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die jeweils undifferenziert aus Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten.

Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen (RIS Justiz RS0115902).

Das aus „§ 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO“ erstattete (inhaltlich übereinstimmende) Vorbringen der Rügen genügt diesen Anforderungen nicht.

Gegen die Qualifikation des § 114 Abs 3 Z 3 FPG gerichtet behaupten die Beschwerdeführer ohne Bezugnahme auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe, dass sie die Festellungen nicht überzeugen, diese mit „den Beweisergebnissen“ in Widerspruch stünden und darin keine Deckung fänden. Dadurch wird kein Begründungsfehler im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO prozessförmig aufgezeigt.

Die rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts, im Rahmen derer auch auf den abstrakten Fall der „klirrenden Kälte“ Bezug genommen wurde (US 12), sind kein Gegenstand der Mängelrüge.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

Der nicht an der Gesamtheit des Urteilssachverhalts (US 8) orientierte Einwand, Stickigkeit und Hitze würden noch keinen qualvollen Zustand „im Sinn des § 114 FPG“ (dSn Z 10) bedeuten, verfehlt diese Kriterien.

Indem die Rügen die in subjektiver Hinsicht zur Qualifikation getroffenen Feststellungen (US 10, 11 ff) durch Anstellen eigener Erwägungen bestreiten, verfehlen sie die prozessförmige Darstellung des der Sache nach geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (Z 10) ein weiteres Mal.

Mit dem Vorbringen, „Da im Übrigen zu § 114 Abs 3 Z 1 und 2 FPG ohnehin ein Geständnis vorliegt, wirkt sich die weitere Qualifikation der Z 3 nicht auf den anzuwendenden Strafsatz aus, sodass zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zur Strafberufung verwiesen wird“, wird kein Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt bezeichnet.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Aufgrund der zu III/B und III/C ergangenen Schuldsprüche des Aleksandar R***** wegen mehrerer Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Abs 4 erster Fall FPG sei lediglich klargestellt, dass Schlepperei nach jüngerer Rechtsprechung kein Erfolgsdelikt, sondern ein schlichtes Tätigkeitsdelikt darstellt. Auf die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden (in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs) kommt es für die Tatbestandsverwirklichung nicht an. Vielmehr sind auch Verhaltensweisen im Vorfeld einer angestrebten rechtswidrigen Migration, wie hier das Reparieren von Schlepperfahrzeugen durch den serbischen Staatsangehörigen R*****, vom Tatbestand erfasst (vgl 13 Os 4/13g; RIS Justiz RS0127813, RS0128534). Nach § 62 StGB gelten die österreichischen Strafgesetze für alle Taten, die im Inland begangen worden sind. Wo die zu III/B festgestellten Reparaturen der Schlepperfahrzeuge erfolgten, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen, sodass ein diesbezüglicher Anknüpfungspunkt ausscheidet. Schlepperei wird im Katalog der strafbaren Handlungen im Ausland, die ohne Rücksicht auf die Gesetze des Tatorts bestraft werden (§ 64 StGB), nicht genannt. Vorliegend handelt es sich auch um keinen Fall der Tatbegehung durch einen Österreicher oder der stellvertretenden Strafrechtspflege (§ 65 Abs 1 StGB), sodass die Geltung der österreichischen Gesetze für die in der Reparatur von Fahrzeugen bestehenden Tathandlungen nicht abschließend beurteilt werden kann. Da die zu III/C getroffenen Feststellungen (US 6, 8 iVm US 4) die Schuldsprüche wegen mehrerer Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Abs 4 erster Fall FPG aber ohnehin tragen, bestand zu amtswegigem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO keine Notwendigkeit.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof von nicht geltend gemachter, dem Angeklagten zum Nachteil gereichender Nichtigkeit ( § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall, § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) überzeugt.

Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB setzt voraus, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an (RIS Justiz RS0121298).

Welche besondere Gefährlichkeit das von der Einziehung umfasste Fahrzeug der Marke Volvo V40, das bei den Taten als Begleitfahrzeug eingesetzt wurde, aufweist, ist dem Urteil (US 15) nicht zu entnehmen. Damit erweist sich die Kassation des Einziehungserkenntnisses als unumgänglich (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Auf die Konfiskationsbestimmung des § 19a StGB sei verwiesen.

Über die Berufungen der Angeklagten hat vorerst das Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht, die die amtswegige Maßnahme nicht umfasst, gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0110OS00039.16V.0614.000