OGH vom 26.11.1997, 9ObA153/97h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr.Edith Söllner und Dr.Klaus Hajek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Michaela S*****, Volksschullehrerin, ***** vertreten durch Mag. Dagmar Armitter, Sekretärin der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, 1010 Wien, Teinfaltstraße 7, diese vertreten durch Dr. Walter Riedl ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Bundesland Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Heufler, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 9.092,- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 372/96v-22, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 25 Cga 95/95p- 8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, S 3.600,- an Aufwandersatz für das Berufungsverfahren zu zahlen und der klagenden Partei die mit S 2.436,48 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 406,08 Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin, die bereits vom bis als teilbeschäftigte Volksschullehrerin in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur beklagten Partei gestanden war, wurde von dieser mit Vertrag vom "ab nach Bedarf auf die jeweilige Dauer der Dienstverhinderung des vertretenen Lehrers, längstens aber bis " als vertragliche Volksschullehrerin an Volksschulen in den Dienst gestellt. Die Klägerin wurde in das Entlohnungsschema II L, Entlohnungsgruppe 1 2 a 2 eingereiht. Sie wurde der Volksschule Wien, Irenäusgasse 2, für die Dauer der Dienstverhinderung zweier Lehrerinnen mit 23 Wochenstunden zugewiesen. Mit Dienstvertrag vom wurde die Klägerin mit Wirkung ab für den Bereich des Stadtschulrates für Wien als vollbeschäftigte vertragliche Volksschullehrerin auf unbestimmte Zeit aufgenommen. Sie wurde in das Entlohnungsschema I L, Entlohnungsgruppe 1 2 a 2, Entlohnungsstufe 2, eingestuft. Das Monatsentgelt nach dem Entlohnungsschema II L, in dem die Klägerin bisher eingereiht war, war 1994 um S 1.077,- und 1995 um S 368 höher als das Monatsentgelt nach dem Entlohnungsschema I L. Das Vollbeschäftigungsausmaß für nach dem Entlohnungsschema I L entlohnte Volksschullehrer betrug 1994 23 Stunden.
Die Klägerin begehrt von der beklagten Partei S 9.092 brutto sA. Nach den §§ 15 und 42 VBG 1948 gebühre dem Vertragslehrer im Falle einer Überstellung vom Entlohnungsschema II L in ein anderes (in der Regel I L) eine Ergänzungszulage auf das bisherige Monatsentgelt, wenn - wie bei der Klägerin - das Monatsentgelt in der neuen Entlohnungsgruppe niedriger sei, als jenes in der bisherigen. Diese Zulage werde ihr von der beklagten Partei zu Unrecht verweigert.
Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Eine Überstellung iS der zitierten Bestimmungen des VBG liege nicht vor, weil mit der Klägerin zwei völlig verschiedene Dienstverhältnisse bestanden hätten. Die zunächst erfolgte Beschäftigung aufgrund eines befristeten Teildienstvertrages sei nur für die Zeit der Dienstverhinderung anderer Lehrer eingegangen worden. Nach Beendigung der Dienstverhinderung der vertretenen Lehrer sei ein neuer Dienstvertrag mit Vollbeschäftigung eingegangen worden. Der Klägerin gebühre daher keine Ergänzungszulage.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Gemäß § 15 Abs 8 VBG gebühre dem Vertragsbediensteten eine Ergänzungszulage, wenn das jeweilige Monatsentgelt in der neuen Entlohnungsgruppe niedriger als das Monatsentgelt sei, das dem Vertragsbediensteten in seiner bisherigen Entlohnungsgruppe zukäme. Die Anwendung dieser Bestimmung werde durch die Sonderbestimmungen für Vertragslehrer (§§ 37 ff VBG) nicht ausgeschlossen. Das VBG enthalte Regelungen für befristete Dienstverhältnisse, auf die jedoch in den §§ 15 und 39 VBG nicht Bezug genommen werde. Befristete wie unbefristete Dienstverhältnisse seien daher im Rahmen der Definition des Begriffes "Überstellung" iS § 15 VBG gleichzuhalten. Auch den seit in Kraft stehenden Bestimmungen der §§ 42 g Abs 4 und 49 Abs 4 VBG seien Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, ein zunächst befristetes Dienstverhältnis und ein darauf folgendes unbefristetes Dienstverhältnis als Einheit zu betrachten und den Anspruch auf Ergänzungszulage zu bejahen.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil in Stattgebung der Berufung der beklagten Partei im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß eine Überstellung nach § 15 VBG begrifflich nur dann vorliegen könne, wenn in ein laufendes Dienstverhältnis eingegriffen und der Dienstnehmer während der Dauer dieses Dienstverhältnisses in eine andere Verwendung überstellt werde. Hingegen könne der Begriff der Überstellung nicht auf den Neuabschluß eines Dienstvertrages nach Ablauf eines befristeten und nur für den Vertretungsfall abgeschlossenen Dienstverhältnisses angewendet werden, weshalb in Stattgebung der Berufung die Klage abzuweisen sei. Die Revision sei zuzulassen, weil es zur Lösung der über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Rechtsfrage an einer Rechtsprechung fehle.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung iS der Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig. Sie ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 39 Abs 1 VBG 1948 in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl Nr. 522/1995 sind Vertragslehrer, "sofern im Abs 2 nicht anderes bestimmt ist, in das Entlohnungsschema I L einzureihen." Abs 2 der genannten Bestimmung normiert, daß ua Vertragslehrer, die - wie zunächst die Klägerin - "nur zur Vertretung oder sonst für eine vorübergehende Verwendung aufgenommen werden (§ 38 Abs 3)", in das Entlohnungsschema II L aufgenommen werden. Daß die Klägerin nach Ablauf des zunächst begründeten befristeten Dienstverhältnisses mit dem nunmehr abgeschlossenen Dienstvertrag nicht mehr "nur zur Vertretung oder sonst für eine vorübergehende Verwendung" aufgenommen wurde, hatte daher zwangsläufig die Änderung ihrer Einstufung vom Schema II L in das Schema I L zur Folge.
§ 42 VBG regelt die Überstellung des Vertragslehrers aus dem Entlohnungsschema II L "in ein anderes Entlohnungsschema", und verweist in seinem Abs 2 im Zusammenhang mit der hier interessierenden Überstellung aus dem Schema II L in das Schema I L auf die Bestimmung des § 15 Abs 8 VBG, mit der die von der Klägerin begehrte Zulage normiert wird. Es kann daher nicht zweifelhaft sein, daß die im vorliegenden Fall erfolgte Änderung der Verwendung eines Vertragslehrers vom Gesetzgeber als Fall der Überstellung betrachtet wird.
Die Meinung des Berufungsgerichtes, dies gelte nur dann, wenn die Änderung der Verwendung im Verlauf ein und desselben Dienstverhältnisses erfolge, nicht aber dann, wenn - wie hier - zwei "voneinander unabhängige" Dienstverhältnisses nahtlos aufeinander folgen, läßt sich weder aus dem Wortlaut des Gesetzes, noch aus dessen Zweck ableiten. Sie läßt außer acht, daß die hier zu beurteilenden Dienstverhältnisse zwischen denselben Personen begründet wurden, nahtlos aufeinander folgten und jeweils die Verwendung der Klägerin als Volksschullehrerin zum Gegenstand hatten bzw. haben. Der einzige - in der Revisionsbeantwortung mit Nachdruck hervorgehobene - Unterschied zwischen den beiden Dienstverhältnissen besteht in der Tatsache, daß die Klägerin zunächst nur "zur Vertretung oder sonst für eine vorübergehende Verwendung" iS § 38 Abs 3 VBG aufgenommen wurde, während diese Einschränkung mit dem zweiten Dienstvertrag weggefallen ist. Dieser Unterschied spricht aber nicht gegen die Annahme einer "Überstellung", sondern ist vielmehr die Grundvoraussetzung für diese Annahme.
Die beklagte Partei kann sich daher nur darauf berufen, daß der zweite Dienstvertrag, aufgrund dessen die Klägerin nunmehr ohne die Einschränkung des § 38 Abs 3 VBG verwendet wird, nicht ausdrücklich als "Umwandlung" oder "Verlängerung" des unmittelbar vorangegangenen Vertrages bezeichnet wurde. Dabei handelt es sich aber um einen für die Gestaltung der hier maßgebenden Rechtsbeziehungen der Streitteile bedeutungslosen Formalismus, der am Anspruch der Klägerin auf die vom Gesetzgeber gerade für den hier zu beurteilenden Fall vorgesehene Zulage des § 15 Abs 8 VBG nichts ändert.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, jene über die Kosten des Berufungsverfahrens überdies auf § 58 a ASGG.