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OGH 23.03.2018, 8Ob3/18a

OGH 23.03.2018, 8Ob3/18a

Rechtssätze


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Normen
ABGB §140
ABGB idF KindNamRÄG 2013 §231 Abs2
RS0047525
Der vom Unterhaltsschuldner zu bestreitende Sonderbedarf des Unterhaltsberechtigten muss dann streng geprüft werden, wenn ersterer ohnehin Unterhaltsleistungen erbringt, die den Regelbedarf beträchtlich übersteigen. Eine solche Prüfung führt dazu, dass der Unterhaltspflichtige zur Deckung eines Sonderbedarfes nur dann verhalten werden darf, wenn der Unterhaltsberechtigte dartut, dass er trotz der den Regelbedarf erheblich überschreitenden Unterhaltsbeträge außerstande wäre, diese Kosten auf sich zu nehmen. Ein solcher Beweis gelänge dem Unterhaltsberechtigten etwa dann, wenn er nachweisen kann, dass der Überhang der regelmäßigen Unterhaltsleistungen durch die Bestreitung anderen anerkennenswerten Sonderbedarfes bereits aufgezehrt ist.
Normen
ABGB §140 Be
ABGB idF KindNamRÄG 2013 §231 Abs2 Be
RS0117791
Sonderbedarf ist jener Bedarf, der sich aus der Berücksichtigung der beim Regelbedarf bewusst außer Acht gelassenen Umstände des Einzelfalles ergibt.
Normen
RS0057284
Es soll zwar nicht ein mathematisch exakter Prozentsatz der Unterhaltsbemessungsgrundlage als Unterhalt errechnet werden, die Prozentsätze dienen - als maßgebende Orientierungshilfe für die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen - jedoch ungeachtet der Pauschalierung dazu, vergleichbare Fälle annähernd gleich zu behandeln.
Norm
RS0107180
Der Sonderbedarf betrifft inhaltlich hauptsächlich die Erhaltung der (gefährdeten) Gesundheit, die Heilung einer Krankheit und die Persönlichkeitsentwicklung (insbesondere Ausbildung, Talentförderung und Erziehung) des Kindes; eine generelle Aufzählung all dessen, was als Sonderbedarf anzuerkennen ist, ist kaum möglich.
Normen
ABGB §140 Be
ABGB idF KindNamRÄG 2013 §231 Abs2 Be
RS0109908
Erwächst einem unterhaltsberechtigten Kind ein Mehrbedarf, der über den allgemeinen Durchschnittsbedarf („Regelbedarf") eines gleichaltrigen Kindes in Österreich ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensverhältnisse seiner Eltern hinausgeht, bilden diese Kosten einen Sonderbedarf (SZ 63/81). Auch Ausbildungskosten können als Sonderbedarf anerkannt werden.
Normen
ABGB aF §140
ABGB idF KindNamRÄG 2013 §231
AußStrG §14 Abs1
AußStrG 2005 §62 Abs1
RS0007138
Bei einem überdurchschnittlichen Einkommen des Unterhaltspflichtigen ist nach ständiger Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz die Prozentkomponente nicht voll auszuschöpfen; es sind den Kindern Unterhaltsbeträge zuzusprechen, die zur Deckung ihrer - an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen orientierten - Lebensbedürfnisse erforderlich sind. Ob jedoch ein "Unterhaltsstop" im Einzelfall bei Kindern im Alter von 10 und 12 Jahren beim Zweieinhalbfachen des Regelbedarfes oder schon beim (rund) Zweifachen davon liegt, ist keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG idF der WGN 1989.
Norm
RS0047539
Über den durchschnittlichen Bedarf hinaus kann ein Unterhaltsberechtigter noch Sonderbedarf oder Individualbedarf haben. Solche Mehrkosten sind insbesondere durch die Momente der Außergewöhnlichkeit und Dringlichkeit bestimmt.
Normen
ABGB §140 Be
ABGB idF KindNamRÄG 2013 §231 Abs2 Be
RS0047564
Sonderbedarf ist der - den Regelbedarf übersteigende - Bedarf, der dem Unterhaltsberechtigten infolge Berücksichtigung der bei der Ermittlung des Regelbedarfes bewusst außer acht gelassenen Umstände erwächst.
Normen
ABGB §140 Be
SchUG §13 Abs3
RS0047543
Der Unterhalt hat sich auch bei Berücksichtigung eines Sonderbedarfs im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu halten. Ist eine weitere Belastung des Unterhaltspflichtigen nicht mehr zumutbar, kann ihm ein zusätzlicher Unterhaltsbeitrag zur Finanzierung einer Sprachwoche im Ausland nicht aufgelastet werden, zumal keine Verpflichtung des Minderjährigen bestand, an dieser Projektwoche teilzunehmen.
Normen
RS0079248
Der Anspruch auf Bezahlung von Geldunterhalt steht dem Kind zu und der Elternteil, der das Kind betreut, kann ihn nicht im eigenen Namen geltend machen. Wird das Begehren vom Vater oder von der Mutter des Kindes bei Gericht eingebracht, so ist aber mangels eindeutiger gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass dies im Namen und als Vertreter des Kindes geschieht.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann-Prentner, Mag. Korn, Dr. Stefula und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj C*, vertreten durch seine Mutter M*, diese vertreten durch Stipanitz-Schreiner & Partner Rechtsanwälte GbR in Graz, gegen den Antragsgegner D*, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 4 R 139/17h-21, mit dem dem Rekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom , GZ 2 Pu 193/16y-16, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Minderjährige ist der Sohn von Mag. S* und dem Antragsgegner. Die Obsorge kommt der Mutter zu.

Der Minderjährige forderte von seinem Vater Geldunterhalt in der Höhe von (zuletzt) 450 EUR monatlich rückwirkend ab .

Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner zur Zahlung monatlicher Unterhaltsbeträge von 400 EUR ab und wies das Mehrbegehren ab. Ausgehend vom Einkommen des Vaters ergebe sich rechnerisch ein Unterhaltsbetrag von 360 EUR. Ein allfälliger durch diätische Ernährung begründeter Mehraufwand finde im vom Vater anerkannten darüberliegenden Unterhaltsbetrag Deckung, weshalb das Mehrbegehren nicht berechtigt sei.

Das Rekursgericht gab dem gegen die Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens erhobenen Rekurs des Minderjährigen nicht Folge. Ein Sonderbedarf sei nur bei Deckungsmangel zu ersetzen. Hier übersteige der festgesetzte Unterhaltsbeitrag den Regelbedarf erheblich, weshalb der Sonderbedarf aus den Unterhaltszahlungen zu bestreiten sei.

Rechtliche Beurteilung

Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht über Antrag des Minderjährigen nachträglich zu, weil der Frage, ob eine Differenzierung zwischen erhöhtem allgemeinen Bedarf und Sonderbedarf zu erfolgen habe, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Minderjährigen, mit dem Antrag, den Unterhalt mit monatlich 450 EUR festzusetzen.

Der Vater beteiligte sich nicht am Revisionsrekursverfahren.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden nachträglichen Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

1. Voranzustellen ist, dass die Mutter in „ihrem“ Rekurs nicht offenlegt, ob sie das Rechtsmittel im eigenen Namen oder im Namen des Minderjährigen erhebt. Da der Mutter aber ein eigenes Rekursrecht im Verfahren über den Kindesunterhalt nicht zusteht (2 Ob 92/12m mwN), ist mangels eindeutiger gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass sie namens des Minderjährigen tätig werden wollte (RIS-Justiz RS0079248).

2. Der Revisionsrekurs macht geltend, dass die Vorinstanzen den diätischen Mehraufwand des Minderjährigen aufgrund seiner Erkrankung zu Unrecht als Sonderbedarf angesehen hätten, es handle sich vielmehr um einen Mehrbedarf aufgrund der Bedürfnisse eines behinderten Kindes.

3. Sonderbedarf ist jener Bedarf, der sich aus der Berücksichtigung der beim Regelbedarf bewusst außer Acht gelassenen Umstände des Einzelfalls ergibt (RIS-Justiz RS0117791; vgl auch RS0047564; RS0109908). Gernerell kann gesagt werden, dass er durch Momente der Außergewöhnlichkeit, Dringlichkeit und Individualität bestimmt wird (RIS-Justiz RS0047539), also nicht mit weitgehender Regelmäßigkeit für die Mehrzahl der unterhaltsberechtigten Kinder anfällt. Der Sonderbedarf betrifft inhaltlich hauptsächlich die Erhaltung der (gefährdeten) Gesundheit, die Heilung einer Krankheit und die Persönlichkeitsentwicklung (insbesondere Ausbildung, Talentförderung und Erziehung) des Kindes; eine generelle Aufzählung all dessen, was als Sonderbedarf anzuerkennen ist, ist kaum möglich (RIS-Justiz RS0107180).

Richtig sind die Vorinstanzen daher davon ausgegangen, dass es sich bei den aufgrund der Behinderung des Minderjährigen ausschließlich geltend gemachten diätischen Mehraufwendungen um einen Sonderbedarf handelt. Das entspricht letztlich auch der vom Revisionsrekurs zitierten Entscheidung 2 Ob 514/94, die von einem „krankheitsbedingten sachbezogenen Sonderaufwand“ spricht.

Auch der Revisionsrekurs verweist nur darauf, dass die Mehraufwendungen der Befriedigung der individuellen, aus der Behinderung resultierenden Bedürfnisse des Minderjährigen entspricht, geht also inhaltlich ebenfalls von einem Sonderbedarf aus.

4. Ob ein Sonderbedarf vom Unterhaltspflichtigen zu decken ist, hängt davon ab, ob es dem Unterhaltspflichtigen angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse zumutbar ist (vgl RIS-Justiz RS0047543 [T1]). Erbringt der Unterhaltsschuldner ohnedies Unterhaltsleistungen, die den Regelbedarf beträchtlich übersteigen, ist im Rahmen der Unterhaltsbemessung Sonderbedarf nur dann zu ersetzen, wenn dessen Aufwendungen höher sind als die Differenz zwischen dem Regelbedarf und der laufenden monatlichen Unterhaltsverpflichtung (RIS-Justiz RS0047525 [T9]).

Erhält jedoch der Unterhaltsberechtigte lediglich deshalb Unterhaltsbeiträge, die nicht der vollen Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen entsprechen, weil er schon die Luxusgrenze erreicht hat, muss der Sonderbedarf nach neuerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 230/08d mwH; RS0047525 [T8]) zusätzlich zugesprochen werden, weil bei einer solchen Konstellation das Argument der nicht zu billigenden Überalimentierung des Unterhaltsberechtigten ins Leere ginge. Leistungen aus dem Titel des Sonderbedarfs sind nämlich zweckbestimmt und stehen nicht zur freien Verfügung des Unterhaltsberechtigten (8 Ob 50/10a).

6. Im vorliegenden Fall erzielt der Vater ein überdurchschnittlich hohes Einkommen, weshalb die Vorinstanzen davon ausgegangen sind, dass die Prozentkomponente bei Ausmessung des Kindesunterhalts nicht voll auszuschöpfen ist. Diese „Luxusgrenze“ wird im Allgemeinen als im Bereich des Zwei- bis Zweieinhalbfachen des Regelbedarfs liegend angenommen (RIS-Justiz RS0007138 [T14, T15]). Das Erstgericht hat diese Grenze im konkreten Fall bei 360 EUR angenommen (doppelter Regelbedarf abzüglich Transferleistungen), womit es sich im Rahmen der Judikatur hält. Auch der Revisionsrekurs wendet sich inhaltlich nicht gegen diese Berechnung. Durch die Festsetzung eines darüber hinausgehenden Unterhalts von 400 EUR hat das Erstgericht den Sonderbedarf des Minderjährigen mit 40 EUR berücksichtigt. Davon ausgehend, dass der Sonderbedarf im Revisionsrekurs selbst mit durchschnittlich 50 EUR angegeben wurde, ist diese Entscheidung nicht als unvertretbar anzusehen. Der Unterhalt wird nicht exakt mathematisch berechnet, sondern im Rahmen einer Ermessensentscheidung bemessen (vgl RIS-Justiz RS0057284). Eine Überschreitung dieses Ermessens im Sinn einer aufzugreifenden groben Fehlbeurteilung liegt nicht vor.

7. Dem Revisionsrekurswerber gelingt es daher nicht, eine Rechtsfrage der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung zu bringen, sodass der Revisionsrekurs zurückzuweisen war.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2018:E121735
Datenquelle

Fundstelle(n):
AAAAD-99364