OGH vom 19.04.2021, 11Os38/21d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. BachnerForegger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Stefan S***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 146 Hv 48/20d33, weiters über die Beschwerde des Genannten gegen einen zugleich gefassten Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGHGeo 2019) den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Stefan S***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./), des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach § 127, 129 Abs 1 Z 1 und Z 3, 15 StGB (II./), des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs 1, 15 StGB (III./), mehrerer Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (IV./), des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (V./) und mehrerer Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Fall StGB (VI./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz – in W*****
I./ mit Gewalt gegen eine Person und mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, nachgenannten Personen fremde bewegliche Sachen weggenommen, und zwar
A./ am Rosa M*****, indem er sie von hinten niederstieß und ihr die Handtasche entriss, diese Handtasche samt Geldbörse und 105 Euro an Bargeld;
B./ ...;
II./ mit dem Vorsatz, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, anderen fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt 5.000 Euro nicht übersteigenden Wert weggenommen oder wegzunehmen versucht, nämlich
A./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Mykola A***** als Mittäter (§ 12 StGB) durch Einbruch in Kraftfahrzeuge, indem S***** jeweils die große vordere Seitenscheibe der PKW-Fahrerseite mittels eines Notfallhammers einschlug,
1./ weggenommen, und zwar am David W***** dessen Geldbörse samt Inhalt und Bargeld in Höhe von 50 Euro;
2./ ...;
B./ …;
C./ ...;
III./ ...;
IV./ Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, und zwar
A./ am durch die zu I./A./ beschriebene Tat die „Sozialversicherungskarte“ (US 9, 15: e-card) der Rosa M*****;
B./ am durch die zu II./A./1./ beschriebene Tat die „Sozialversicherungskarte“ (im Gesamtkontext erkennbar gemeint: e-card), den Führerschein und „die Befundkarte“ des David W*****;
V./ ...;
VI./ ....
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Soweit die nur gegen den Schuldspruch zu IV./ ausgeführte Beschwerde mit dem auf gänzliche Aufhebung des Schuldspruchs gerichteten Rechtsmittelantrag auch die übrigen Punkte des Schuldspruchs erfasst, blieb sie mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umständen unausgeführt (§§ 285d Abs 1, 285a Z 2 StPO).
[5] Dem Einwand der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben die Tatrichter bei der Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu IV./ die Verantwortung des Angeklagten (ON 32 S 5 f, 8 f) hinreichend berücksichtigt (US 18 f). Dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend waren sie dabei nicht gehalten, die Aussage in allen Details wiederzugeben. Mit eigenständigen Erwägungen zu diesen Angaben und den aktuellen Lebensumständen des Angeklagten unternimmt die Beschwerde bloß einen Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld zu bekämpfen.
[6] Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist die Ableitung des Unterdrückungsvorsatzes aus der allgemeinen Lebenserfahrung (allgemeine Üblichkeit der Verwahrung von diversen, häufig scheckkartenförmigen Dokumenten in Geldbörsen) und dem Zugeständnis des Angeklagten, selbst (zumindest) ua eine ecard in seiner Geldbörse mitzuführen (US 18 f), nicht zu beanstanden.
[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
[8] Bleibt anzumerken, dass die Feststellungen keine näheren Angaben über die Ausgestaltung und Funktion der im Zuge des Einbruchsdiebstahls zu II./A./1./ unterdrückten und deshalb von IV./B./ miterfassten „Befundkarte“ enthalten, sodass deren allfällige Urkundenqualität im Sinn des § 229 Abs 1 StGB (vgl § 74 Abs 1 Z 7 StGB; Jerabek in WK2 StGB § 74 Rz 46, 54; Leukauf/Steininger/Tipold StGB4§ 74 Rz 30 und § 223 Rz 1 ff) nicht beurteilt werden kann. Da die (hier substratlos gebliebene) Aufnahme (auch) der „Befundkarte“ in den Schuldspruch zu IV./B./ im Hinblick auf die Strafzumessungsgründe (US 25) mit keinem konkreten Nachteil für den Angeklagten verbunden ist, besteht fallkonkret kein Anlass zu einem Vorgehen nach § 290 StPO. An die insoweit fehlerhafte Subsumtion ist das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung angesichts dieser Klarstellung nicht gebunden (RIS-Justiz RS0118870).
[9] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2021:0110OS00038.21D.0419.000 |
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