OGH vom 18.04.2007, 8Ob3/07k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Alexander P*****, wider die beklagte Partei Dr. Kurt F*****, vertreten durch Dr. Hans Rant, Dr. Kurt Freyler Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen 7.341,50 EUR sA, über die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 37 R 118/06m-18, womit über Berufung des Beklagten das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , GZ 30 C 1011/04g-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 665,66 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 110,94 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die A***** GmbH (in der Folge immer: Händlerin) schloss mit der M***** GmbH (in der Folge immer: Generalimporteurin) am 10. 6./ einen unbefristeten Händler- und Werkstättenvertrag, der den erstmals im Jänner 1984 eingegangenen und später mehrmals erneuerten Vertrag ersetzte.
Mit Schreiben vom kündigte die Generalimporteurin diesen Vertrag wegen stark rückläufiger Verkaufszahlen auf. Mit Anwaltschreiben vom erklärte die Importeurin den sofortigen Rücktritt vom Vertrag, da sie von der Händlerin bei Vertragsabschluss über eine wesentliche Voraussetzung und Geschäftsgrundlage, nämlich das Verfügungsrecht über eine zur Erbringung von Kundendienstleistungen erforderliche Reparaturwerkstätte an einem Standort in ***** W*****, bewusst in Irrtum geführt worden sei.
Die mittlerweile in Liquidation befindliche Händlerin brachte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G*****, zu 27 Cg 26/98x des Landesgerichtes Klagenfurt Klage gegen die Generalimporteurin wegen 9,124.712,16 ATS sA ein. Das Klagebegehren umfasste einerseits einen geltend gemachten Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG in Höhe von 2,653.865,36 ATS und andererseits einen Schadenersatzanspruch in Höhe von 6,470.846,80 ATS. Die Händlerin brachte vor, sowohl die ordentliche Kündigung als auch der spätere sofortige Rücktritt seien vertragswidrig erfolgt. Die Generalimporteurin habe gewusst, dass die Händlerin eine Autoreparatur GmbH als Reparaturwerkstätte vertraglich eng an sich gebunden habe.
Die Generalimporteurin wendete im Verfahren ein, bewusst darüber in die Irre geführt worden zu sein, dass die Händlerin weder über eine eigene Reparaturwerkstätte noch über eine diesbezügliche Gewerbeberechtigung verfügt habe. Beides habe die Gültigkeit des Vertrages in der Wurzel betroffen. Das bewusste Verschweigen der wahren Umstände führe zur Anfechtbarkeit nach §§ 870 f ABGB und bewirke überdies Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen EU-Normen. Nach Durchführung eines umfangreichen Beweisverfahrens - im Zuge dessen der nunmehrige Kläger nach Ableben des früheren Rechtsvertreters im März 1999 die Vertretung der Händlerin übernahm - wies das Landesgericht Klagenfurt mit Urteil vom das Klagebegehren ab. Den Feststellungen dieses Urteiles zufolge erlangte die Geschäftsführung der Generalimporteurin erstmals im Oktober 1997 Kenntnis davon, dass die Händlerin entgegen den Vereinbarungen in den Händler- und Werkstättenverträgen über keine eigene Reparaturwerkstätte verfügte, obwohl dies für die Generalimporteurin aufgrund einschlägiger Normen unerlässlich war. Die Händlerin ließ nach den Urteilsfeststellungen die Reparaturen von einer GmbH durchführen und sich die Kosten fakturieren sowie das Zubehör/Ersatzteillager treuhändig übertragen. Nach außen hin (gegenüber der Generalimporteurin und den Kunden) trat nur die Händlerin in Erscheinung. Dabei war die Händlerin in Kenntnis dessen, dass der Vertrag mit der GmbH nicht ausreichte, um einen Händler- und Werkstättenvertrag mit der Generalimporteurin (für den Geschäftsgrundlage das Verfügungsrecht über eine entsprechende Reparaturwerkstätte war) zu erlangen.
Rechtlich kam das Landesgericht Klagenfurt zum Ergebnis, dass die Händlerin die Generalimporteurin über eine wesentliche Vertragsvoraussetzung und Geschäftsgrundlage, nämlich das genannte Verfügungsrecht über eine zur Erbringung von Kundendienstleistungen unbedingt erforderliche Reparaturwerkstätte, bewusst in die Irre geführt habe. Die Vertragsauflösung sei daher mit sofortiger Wirkung (auch im Hinblick auf § 870 ABGB) berechtigt gewesen. Ein Ausgleichs- und Schadenersatzanspruch bestehe nicht zu Recht.
Der von der Händlerin dagegen erhobenen Berufung wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom nicht Folge gegeben. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass die Händlerin - bereits vor dem erstmaligen Abschluss eines Händler- und Werkstättenvertrages im Jänner 1984 - im April 1983 mitgeteilt habe, dass sie eine Werkstätte übernehmen und diese unter ihrer Firma führen werde. Die Händlerin habe einem Schreiben der Generalimporteurin vom September 1983, wonach die Generalimporteurin davon ausgehe, dass die Werkstätte gepachtet und der Werkstättenleiter angestellt sei, nicht widersprochen. Auch in den Händler- und Werkstättenverträgen sei ausdrücklich festgehalten worden, dass die Händlerin ein Bestandrecht an der Werkstätte habe. Zwischen den Parteien sei daher vereinbart gewesen, dass die Händlerin zumindest Pächterin der Werkstätte sei. Tatsächlich habe die Händlerin aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen mit der GmbH keine ausreichende Zugriffsmöglichkeit auf die Werkstätte gehabt. Dadurch sei eine verlässliche Gewährleistung der Kundendienstleistungen verhindert worden. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom wurde über das Vermögen der Händlerin das Konkursverfahren eröffnet und der nunmehrige Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Eine außerordentliche Revision gegen die Rechtsmittelentscheidung des Oberlandesgerichtes Graz erhob der Beklagte nicht.
Der nunmehrige Beklagte als Masseverwalter der Händlerin brachte am zu 5 Cg 26/03k des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien eine Schadenersatzklage gegen den nunmehrigen Kläger wegen 393.972,07 EUR sA ein. Er brachte vor, der nunmehrige Kläger habe die Händlerin im Vorprozess schlecht vertreten. Er habe kein Vorbringen zur mangelnden Rechtzeitigkeit der Auflösungserklärung der Generalimporteurin vom bzw zur Verwirkung des Auflösungsrechtes erstattet. Die Auflösungserklärung der Generalimporteurin hätte, da alle Umstände bereits am bekannt gewesen seien, unverzüglich erfolgen müssen. Die Schlechtvertretung liege auch darin begründet, dass er die Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt unvollständig ausgeführt und insbesondere die rechtliche Qualifikation des Erstgerichtes (wonach eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 870 ABGB in Betracht komme) nicht bekämpft habe. Er habe auch den mehrmaligen Auftrag des Geschäftsführers zur Einschränkung des Klagebegehrens nicht befolgt.
Der Kläger wendete in diesem Vorverfahren ein, die Generalimporteurin habe Willensmängel bei Vertragsabschluss (Irrtum bzw Arglist) behauptet. Sie sei über das Bestehen einer eigenen Werkstätte auch tatsächlich listig in die Irre geführt worden. Für eine Anfechtung wegen Willensmängeln seien ausschließlich die Fristen des § 1487 ABGB maßgeblich. Davon abgesehen sei die Beendigungserklärung der Generalimporteuerin - unter Zubilligung einer gewissen Nachforschungsfrist - jedenfalls nicht verspätet erfolgt. Einen Auftrag zur Klageeinschränkung habe er nicht erhalten. Er habe die Händlerin im Vorverfahren mehrfach auf die Aussichtslosigkeit ihres Prozessstandpunktes hingewiesen.
Mit Urteil vom wies das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien - das das Verfahren bereits in der ersten Verhandlungstagsatzung geschlossen hatte - dieses Klagebegehren ab und sprach dem nunmehrigen Kläger Prozesskosten von 4.174,18 EUR zu. Es führte - im Hinblick auf den Inhalt des Vorprozesses - aus, dass das unterbliebene Vorbringen zur Verfristung der Auflösungserklärung für den Prozessverlust nicht kausal gewesen sei. Die Gerichte im Vorverfahren seien von einer wirksamen Vertragsanfechtung wegen Arglist im Sinne des § 870 ABGB ausgegangen. Selbst bei Verneinung einer arglistigen Irreführung seien jedenfalls die Voraussetzungen für eine erfolgreiche fristgerechte Irrtumsanfechtung vorgelegen. Das Berufungsgericht hätte auch bei entsprechender Rüge zu keiner anderen Rechtsansicht kommen können. Inwiefern ein Fehlverhalten aufgrund mangelnder Klageeinschränkung vorliege, sei schon aus dem Vorbringen nicht erkennbar.
Der vom nunmehrigen Beklagten dagegen erhobenen Berufung wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom nicht Folge gegeben. Dem nunmehrigen Kläger wurde ein weiterer Kostenbeitrag von 3.722,20 EUR zugesprochen. Auch das Berufungsgericht ging davon aus, dass der unterbliebene Einwand der Verfristung des Auflösungsrechtes für den Prozessverlust nicht kausal gewesen sei. Die Abgabe der Erklärung sieben Wochen nach Kenntnis des Sachverhaltes habe noch keine Verfristung oder Verspätung bewirkt. Eine Verwirkung trete erst dann ein, wenn zwingend angenommen werden müsse, dass das Auflösungsrecht durch Verzicht untergegangen oder die Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Schuldverhältnisses weggefallen sei. Nur wer in Kenntnis des Sachverhaltes zeige, dass er das Vertragsverhältnis fortsetzen wolle, verliere den Auflösungsgrund. Die Auflösungserklärung sei daher rechtzeitig erfolgt, weshalb auf Fragen der Irrtumsanfechtung nicht eingegangen werden müsse. Der Vorwurf der unterlassenen Klageeinschränkung sei im Berufungsverfahren nicht mehr aufrechterhalten worden. Die vom nunmehrigen Beklagten dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage durch den nunmehrigen Beklagten gegen den nunmehrigen Kläger waren im Konkurs über das Vermögen der Händlerin Forderungen in Höhe von 133.000 EUR angemeldet. Die Masse hatte seit Konkurseröffnung Einnahmen in Höhe von 9.200 EUR und Ausgaben in Höhe von 5.800 EUR. Der Massestand betrug zu diesem Zeitpunkt ca 3.440,34 EUR. Die für das Berufungsverfahren und die außerordentliche Revision zu entrichtenden Pauschalgebühren wurden nicht bezahlt.
Mit schriftlicher Eingabe vom zeigte der Beklagte als Masseverwalter dem Handelsgericht Wien als Konkursgericht an, dass die Konkursmasse nicht ausreiche, um die Masseforderungen zu erfüllen. Die Masseunzulänglichkeit wurde am in der Ediktsdatei bekanntgemacht.
Der Kläger begehrt der Höhe nach unstrittige 7.341,50 EUR sA. Die Klageführung des Beklagten als Masseverwalter im Konkurs der Händlerin gegen den Kläger habe auf einer unvertretbaren Rechtsauffassung des Beklagten beruht. Arglistige Irreführung könne innerhalb von 30 Jahren jederzeit geltend gemacht werden. Aber auch aus weiteren Gründen sei der vom Beklagten im Haftungsprozess gegen den Kläger eingenommene Rechtsstandpunkt unhaltbar gewesen. So könne nach ständiger Rechtsprechung ein sofortiger Vertragsrücktritt aus wichtigem Grund, wenn dieser als Dauerzustand bestehe, solange erklärt werden, solange der Dauerzustand andauere. Dem Beklagten sei im Hinblick auf die später auch kundgemachte Masseunzulänglichkeit von Beginn an klar gewesen, dass die Masse im Fall des Prozessverlustes nicht in der Lage sein würde, dem Kläger Prozesskostenersatz zu leisten. Aus diesen Gründen hafte der Beklagte für die dem Kläger zugesprochenen Prozesskosten persönlich. Der Beklagte habe durch die Einbringung einer von Anfang an aussichtslosen Klage ohne Deckung durch entsprechende Massemittel dem Kläger einen Schaden zugefügt, weil die dem Kläger rechtskräftig zugesprochenen Kosten uneinbringlich seien.
Der Beklagte wendet ein, dass die Verfahrensführung gegen den Kläger im Vorverfahren nicht aussichtslos gewesen sei. § 22 Z 2 HVertrG verdränge die Möglichkeit der Geltendmachung einer Irrtumsanfechtung nach §§ 870 ff ABGB. Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dazu, wie lange zugewartet werden könne, um dem auch nach HVertrG geltenden Unverzüglichkeitsgrundsatz bei der Auflösung zu wahren, fehle. Schon aus diesem Grund sei die Klageführung im Vorverfahren nicht aussichtslos gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Generalimporteurin ab vollständig Kenntnis über den relevanten Sachverhalt gehabt habe. Ihre Auflösungserklärung sei jedoch erst sieben Wochen nach Kenntnis erfolgt. Der Masseverwalter hafte dem Prozessgegner nur dann persönlich, wenn die Aussichtslosigkeit und nicht lediglich die Zweifelhaftigkeit des Prozessstandpunktes erkennbar gewesen sei. Selbst bei Massearmut bestehe somit keine Verpflichtung des Masseverwalters, eine nicht aussichtslose Prozessführung zu unterlassen. Der Beklagte habe daher weder rechtswidrig noch schuldhaft gehandelt. Im Hinblick darauf, dass der nunmehrige Kläger im Verfahren als Vertreter der Händlerin relevantes Prozessvorbringen (nämlich insbesondere die Verfristung der Auflösungserklärung) nicht erstattet habe, habe die Geltendmachung des Schadenersatzanspruches gegen den nunmehrigen Kläger im pflichtgemäßen Aufgabenbereich des Beklagten als Masseverwalter der Händlerin gelegen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es erachtete rechtlich, dass die in § 81 Abs 3 KO normierte Schadenersatzpflicht des Masseverwalters nicht gegenüber jedermann, sondern nur gegenüber „Beteiligten" bestünde. Der Kläger als Prozessgegner des Masseverwalters im Vorverfahren sei mit seiner Kostenforderung Massegläubiger. Könne eine Masseforderung aus der Konkursmasse nicht bezahlt werden, so hafte der Masseverwalter jedoch nur dann persönlich gemäß § 81 Abs 3 KO, wenn nicht nur die voraussichtliche Unzulänglichkeit der Masse zur Deckung der gegnerischen Kosten, sondern auch die Aussichtslosigkeit des Prozessstandpunktes des Masseverwalters erkennbar gewesen sei. Der Masseverwalter sei daher auch bei Massearmut nicht verpflichtet, eine nicht aussichtslose Prozessführung zu unterlassen. Er hafte jedoch dem Prozessgegner für die sorgfältige Prüfung der Prozessaussichten. Das Verhalten des Beklagten als Kläger im Vorverfahren gegen den nunmehrigen Kläger als Beklagten habe eine aussichtslose Prozessführung dargestellt. Die Aussichtslosigkeit der Prozessführung sei für den Beklagten bei Anwendung der gehörigen Sorgfalt eines Rechtsanwaltes auch erkennbar gewesen. Nach dem Inhalt des Urteils des Landesgerichtes Klagenfurt sei die Generalimporteurin von der Händlerin bei Abschluss des Vertrages über eine wesentliche Vertragsvoraussetzung und Geschäftsgrundlage bewusst in die Irre geführt worden. Dieses Verhalten habe die Generalimporteurin zur Anfechtung und Aufhebung des Vertrages wegen arglistiger Irreführung gemäß § 870 ABGB berechtigt. Mit Ausnahme der absoluten Verjährungsfrist nach § 1487 ABGB sei die Vertragsanfechtung in diesem Fall an keine sonstigen Fristen gebunden. Das wäre bei sorgfältiger Prüfung der Erfolgsaussichten der Klageeinbringung für den Beklagten zweifelsfrei erkennbar gewesen.
Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es billigte im Wesentlichen die Rechtsauffassung des Erstgerichtes. In den §§ 20 ff HVertrG seien Bestimmungen über die „Beendigung des Vertragsverhältnisses", nicht jedoch über eine Anfechtung wegen Willensmangels vorgesehen. Nach § 28 Abs 2 HVertrG kämen insoweit die Vorschriften des HGB und des ABGB zur Anwendung. Für die Annahme einer normverdrängenden Konkurrenz finde sich kein Anhaltspunkt. Eine Anfechtung wegen arglistiger Irreführung sei daher auch im Geltungsbereich des HVertrG nicht ausgeschlossen. Im Übrigen könne eine „Verwirkung" des Auflösungsrechts nur unter der zwingenden Annahme, dass das Auflösungsrecht durch Verzicht untergegangen oder die Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Schuldverhältnisses wieder weggefallen sei, angenommen werden. Dafür hätten sich im ersten Vorverfahren keinerlei Anhaltspunkt ergeben. Es sei daher auch unter Zugrundelegung, dass lediglich eine Beendigung des Vertrages nach HVertrG möglich gewesen wäre, jedenfalls nicht von einer Verspätung der Geltendmachung des Auflösungsgrundes auszugehen. Die Prozessführung des Beklagten gegen den Kläger sei daher von allem Anfang an aussichtslos gewesen.
Die dagegen vom Beklagten erhobene Revision ist zulässig, weil es einer Auseinandersetzung damit bedarf, unter welchen Voraussetzungen ein Masseverwalter seinem obsiegenden Prozessgegner bei Massearmut persönlich für die Prozesskosten haftet. Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 81 Abs 3 KO ist der Masseverwalter allen Beteiligten für Vermögensnachteile, die er ihnen durch pflichtwidrige Führung seines Amtes verursacht, verantwortlich. Es entspricht der herrschenden Ansicht in Lehre und Rechtsprechung, dass die in § 81 Abs 3 KO normierte Haftung des Masseverwalters für die durch eine pflichtwidrige Führung seines Amtes verursachten Vermögensnachteile der Beteiligten nur dann eingreift, wenn der Masseverwalter konkursspezifische Pflichten verletzt (RIS-Justiz RS0110545; SZ 69/170; 8 Ob 110/02p; Shamiyeh, Die zivilrechtliche Haftung des Masseverwalters 75 ff; Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert, KO §§ 81, 81a Rz 14, Oberhofer, Masseverwalterhaftung für Masseschulden, Anm zu DRdA 1996/11, 143 f; siehe auch BGH WM 2001, 1478). § 81 Abs 3 KO soll bloß vor jenen Risken schützen, die durch die in der KO geregelten umfassenden Befugnisse des Masseverwalters für die Beteiligten entstehen. Es ist somit Schutz gegenüber jenen Gefahren zu gewähren, die für die Beteiligten in typischer Weise mit der Masseverwaltung verbunden sind (RIS-Justiz RS0110544). Es ist daher für die Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen der Masseverwalter für Schäden des Prozessgegners aus einer Verfahrensführung durch die Masse haftet, zunächst eine Prüfung erforderlich, ob diese Haftung sich überhaupt auf § 81 Abs 3 KO gründen kann.
Das ist zu verneinen: Eine „konkursspezifische Pflicht", also eine in der KO verankerte Pflicht, die Interessen eines Prozessgegners der Masse in besonderer, über die allgemeinen Vorschriften hinausgehender Weise zu wahren, ist nicht ersichtlich. Anderes könnte nur dann gelten, wenn der Masseverwalter gegenüber dem Verfahrensgegner ausnahmsweise eine konkursspezifische Verpflichtung zu beachten hätte, also etwa der Prozessgegner bereits Massegläubiger ist und der Masseverwalter durch die Prozessführung die Befriedigung dieses Massegläubigers verzögert (so auch Shamiyeh, Haftung, 102). Zu diesem Ergebnis gelangt auch die deutsche Rechtsprechung: Der BGH geht davon aus, dass nicht die insolvenzrechtlichen Bestimmungen, sondern die allgemeinen Vorschriften festlegen, welche Pflichten den Konkursverwalter als Verhandlungs- und Vertragspartner eines Dritten treffen. Was für Massegeschäfte des Konkursverwalters gegenüber seinem Geschäftspartner gelte, habe - soweit nichts anderes gesetzlich bestimmt sei - erst recht für von ihm begründete Prozessrechtsverhältnisse zu gelten. Mehr oder weniger decke sich die Lage des Konkursverwalters hier mit der Situation jedes gesetzlichen Vertreters einer unbemittelten Klagepartei (WM 2001,1478; NJW 2003,1934). Der Auffassung (Hiezenberger/Riel in Konecny/Schubert, KO §§ 81, 81a KO Rz 22), weil der Prozessgegner des Masseverwalters mit seiner Kostenforderung Massegläubiger sei, sei § 81 Abs 3 KO heranzuziehen, allerdings hafte der Masseverwalter nur bei Aussichtslosigkeit seines Prozessstandpunktes, ist demnach in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen: So vertreten auch die genannten Autoren gerade die - zutreffende - Meinung, dass die Verletzung von Pflichten, die den Masseverwalter wie jeden anderen Teilnehmer im Geschäftsverkehr gegenüber Dritten oder Geschäftspartnern oder beim Vertragsabschluss treffen, keine Haftung gemäß § 81 Abs 3 KO, sondern allenfalls eine Haftung nach allgemeinen Grundsätzen auslösen (Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert, KO §§ 81, 81a Rz 14, 26). Der Masseverwalter haftet daher für den Kostenschaden des Gegners bei einem erfolglosen Aktivprozess einer unzulänglichen Masse nicht nach § 81 Abs 3 KO, sondern nur nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, somit nach § 1295 Abs 2 ABGB.
Dazu vertritt der OGH in ständiger Rechtsprechung die von der Lehre geteilte Auffassung, dass derjenige, der bei gehöriger Aufmerksamkeit seinem Rechtsstandpunkt zwar vielleicht nur geringe, aber immerhin doch noch vernünftigerweise beachtliche Chancen einräumt, in der Lage sein muss, die Zweifel durch Anrufung der Behörden zu klären. Nur das Verhalten desjenigen, der sich in einen Prozess eingelassen hat, obwohl ihm bei Aufwendung der gehörigen Aufmerksamkeit klar sein musste, dass sein Standpunkt aus rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen aussichtslos ist, haftet. Eine Haftung tritt jedenfalls nicht ein, wenn der Schädiger nicht erkennen kann, dass die Anrufung des Gerichtes einem anderen von Nachteil sein kann (RIS-Justiz RS0022804;
RS0022840; SZ 59/159; SZ 67/10 uva; F. Bydlinski, Schadenersatz wegen materiell rechtswidriger Verfahrenshandlungen, JBl 1986,326 [635];
Reischauer in Rummel² § 1305 Rz 1; Harrer in Schwimann, ABGB³ VI, § 1295 Rz 178).
Grundsätzlich haftet somit der jeweilige Kläger seinem Gegner außerhalb der schon im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen nicht deliktisch für die Folgen einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage. Das gilt auch für den Masseverwalter und die von ihm geführten Aktivprozesse. Allerdings ist bei Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 1295 Abs 2 ABGB vorliegen, die besondere Lage des Masseverwalters einer unzulänglichen Konkursmasse nicht außer Acht zu lassen. Es ist ein Vergleich dahin anzustellen, wie sich ein pflichtgemäß handelnder Masseverwalter einer nicht unzulänglichen Masse in der konkreten Situation verhalten hätte. Hätte er bei verständiger Würdigung der Prozessaussichten von der Verfahrenseinleitung Abstand genommen, weil er das Prozess- und damit das Kostenrisiko für die Masse als zu hoch eingeschätzt hätte, indiziert die Verfahrensführung durch den Masseverwalter der unzulänglichen Masse dessen zumindest bedingten Vorsatz, sich mit einer Schadenszufügung gegenüber dem Prozessgegner in Ansehung der Kosten billigend abzufinden.
Ist eine Konkursmasse zur Befriedigung einer allfälligen Kostenersatzforderung des obsiegenden Gegners unzulänglich, haftet der Masseverwalter somit dann persönlich für den Kostenschaden des Prozessgegners, wenn ein pflichtgemäß handelnder Masseverwalter einer Konkursmasse, die auch einen gegnerischen Kostenersatzanspruch deckt, bei verständiger Würdigung der Erfolgsaussichten der Klageführung von dem Vorgehen zweifelsfrei abgesehen hätte. Letzteres wird dann anzunehmen sein, wenn der Masseverwalter „ins Blaue hinein", somit ohne jede Prüfung des Anspruchs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, eine Klage einbringt, aber auch dann, wenn er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mit einem Unterliegen im Aktivprozess rechnete und sich mit der damit verbundenen Schädigungsmöglichkeit des obsiegenden Prozessgegners billigend abfand (ebenso in Ansehung der Ersatzpflicht des Konkursverwalters für gegnerische Kostenschäden bei erfolglosen Aktivprozessen BGH WM 2001, 1478 und BGH, NJW 2003, 1934).
Ist somit bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls davon auszugehen, dass ein pflichtgemäß handelnder Masseverwalter von der Einleitung des Aktivprozesses Abstand genommen hätte, hätte er über eine Masse verfügt, die den gegnerischen Kostenersatzanspruch deckt, stellt die Führung eines Aktivprozesses bei Massearmut grundsätzlich ein die Schadenersatzpflicht auslösendes Verhalten im Sinne des § 1295 Abs 2 ABGB dar. In diesem Fall haftet der Masseverwalter somit nicht nur bei „absoluter" Aussichtslosigkeit der Führung des Aktivprozesses, sondern bereits dann, wenn er bei sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage zum Ergebnis gelangen konnte, dass ein Prozesserfolg im Aktivprozess mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist. Dass das hier der Fall war, haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt: Der Beklagte machte dem Kläger als früherem Rechtsvertreter der Händlerin und nunmehrigen Gemeinschuldnerin im Vorverfahren im Wesentlichen zum Vorwurf, dass der Kläger ein Vorbringen dahin unterlassen habe, dass die Generalimporteurin ihr Auflösungsrecht durch nicht gehörige (nicht zeitgerechte) Geltendmachung „verwirkt" hätte (der zunächst ebenfalls erhobene Vorwurf, der Kläger habe im Vorverfahren entgegen den Weisungen der Händlerin das Klagebegehren nicht eingeschränkt, wurde schon im Vorverfahren nicht mehr aufrechterhalten und ist auch nicht mehr Gegenstand der Revisionsbehauptungen des Beklagten). Allein auf dieses Vorbringen gründete der Beklagte sein im Vorverfahren erhobenes Schadenersatzbegehren in Höhe von 393.972,07 EUR gegen den nunmehrigen Kläger. Dass die Geltendmachung dieses Schadenersatzbegehrens mit weitaus überwiegender Wahrscheinlichkeit aussichtslos sein werde, war für den hier Beklagten aus mehreren Gründen erkennbar: Zum einen konnte (und kann) sich der Beklagte auf keine einzige österreichische Lehrmeinung oder Entscheidung stützen, die die Auffassung vertreten würde, ein Händlervertrag könne nur nach dem HVertrG aufgelöst, nicht aber nach allgemeinen Irrtumsregeln angefochten werden. Darüber hinaus ist - selbst unter Zugrundelegung der durch keine österreichische Entscheidung oder Lehrmeinung belegten Rechtsauffassung des Beklagten - mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass das Zuwarten mit der Geltendmachung eines Auflösungsgrundes nach HVertrG in der Dauer von sieben Wochen im Anlassfall nicht auflösungsschädlich war: Dem österreichischen Recht ist die vom Beklagten mehrfach ins Treffen geführte „Verwirkung" eines Anspruchs grundsätzlich fremd. Der für Dauerschuldverhältnisse entwickelte Unverzüglichkeitsgrundsatz bei der Geltendmachung eines Auflösungsrechtes beruht im Wesentlichen auf der Überlegung, dass zu langes Zuwarten mit der Geltendmachung des Auflösungsgrundes erkennen lässt, dass für den Vertragspartner die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht gegeben ist. Darüber hinaus kann ein zu langes Zuwarten mit der Geltendmachung eines Auflösungsgrundes unter bestimmten Umständen die Annahme eines schlüssigen Verzichtes auf das Auflösungsrecht rechtfertigen (RIS-Justiz RS0111862 zu § 22 HVertrG; RS0028719 uva). Gerade im Anlassfall konnte allerdings keinerlei Zweifel dahin bestehen, dass das Verhalten der Händlerin und späteren Gemeinschuldnerin für die Generalimporteurin untragbar war. Berücksichtigt man, dass der Generalimporteurin nach Erlangung der Kenntnis vom wahren Sachverhalt eine gewisse Überlegungsfrist zuzugestehen ist und dass die Generalimporteurin insbesondere das Vertragsverhältnis mit der Händlerin bereits zuvor (wegen Umsatzrückgängen) gekündigt hatte, kann aus dem Zuwarten mit der Auflösungserklärung durch sieben Wochen im Hinblick auf die bereits erfolgte und ausgesprochene Kündigung des Handelsvertreterverhältnisses nicht der Schluss gezogen werden, die Generalimporteurin habe auf ihr Auflösungsrecht verzichtet bzw sei nicht von der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses ausgegangen.
Ganz entscheidend für die Aussichtslosigkeit der Führung des Aktivprozesses durch den Beklagten im Vorverfahren spricht aber nach Auffassung des Senates der Umstand, dass die Haftung eines Rechtsanwaltes jedenfalls dann nicht gegeben ist, wenn sein beanstandeter Rechtsstandpunkt, den er bei einer Verfahrensführung eingenommen hat, vertretbar war (RIS-Justiz RS0023526; Harrer in Schwimann, ABGB³ VI, § 1300 Rz 15). Gerade das ist hier aus den aufgezeigten Gründen jedenfalls zu bejahen: Dass nämlich der Kläger als Rechtsvertreter der Händlerin im ersten Verfahren davon ausging, dass die Generalimporteurin den Vertrag berechtigt wegen arglistiger Irreführung durch die Händlerin gemäß § 870 ABGB anfechten konnte und dabei die allgemeinen Anfechtungsfristen des § 1487 ABGB einzuhalten waren, kann dem Kläger im Hinblick darauf, dass gegenteilige Lehrmeinungen zum österreichischen Handelsvertreterrecht nicht bestehen (vgl etwa Nocker, Handelsvertretervertrag Rz 388) keinesfalls zum Vorwurf gemacht werden: Es war somit jedenfalls vertretbar, dass der Kläger als Rechtsvertreter der Händlerin davon ausging, dass sich - sollten sich die von der Generalimporteurin dazu erstatteten Tatsachenbehauptungen als wahr erweisen (was der Fall war) - die Generalimporteurin auf § 870 ABGB stützen kann. Daraus erfolgt zusammengefasst, dass der hier Beklagte die Führung eines Aktivprozesses gegen den Kläger wegen dessen angeblicher Schlechtvertretung als Vertreter der Händlerin im Verfahren gegen die Generalimporteurin als mit überwiegender Wahrscheinlichkeit aussichtslos ansehen musste. Zu Recht haben daher die Vorinstanzen dem der Höhe nach unstrittigen Schadenersatzbegehren stattgegeben. Dass der Beklagte - was im Hinblick auf die Notwendigkeit eines Schädigungsvorsatzes unabdingbare Voraussetzung für seine Haftung nach § 1295 Abs 2 ABGB ist - wusste, dass die Masse nicht in der Lage sein würde, den Kostenersatzanspruch des Klägers zu decken, ist im Revisionsverfahren nicht strittig.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.