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OGH 16.06.2020, 17Ob5/20i

OGH 16.06.2020, 17Ob5/20i

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätinnen Mag. Malesich und Dr. Kodek sowie den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*****, vertreten durch Stephan Briem Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. P***** als Treuhänder der Insolvenzgläubiger der C***** AG, *****, wegen Feststellung (Streitwert 22.477,22 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 33/20h-13, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom , GZ 4 Cg 83/18w-8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Der beklagte Insolvenzverwalter bestritt die von der Klägerin im Sanierungsverfahren der Schuldnerin angemeldete Forderung im Teilbetrag von 22.626,23 EUR.

Die Klägerin begehrt nach Klageeinschränkung die Feststellung, dass sie mit dem Forderungsbetrag von 22.477,22 EUR im Sanierungsverfahren Anspruch auf quotenmäßige Befriedigung habe, hilfsweise dass diese von ihr im Sanierungsverfahren angemeldete Forderung zu Recht bestehe.

Das Berufungsurteil bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Den dagegen erhobenen Antrag der Klägerin auf Zulassung der Revision, verbunden mit einer ordentlichen Revision, legte das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

Diese Aktenvorlage ist verfehlt:

1. Trotz des Feststellungsbegehrens ist keine Bewertung iSv § 500 Abs 2 Z 1 ZPO erforderlich, weil in insolvenzrechtlichen Feststellungsprozessen der Wert der festzustellenden Forderung – hier 22.477,22 EUR – maßgebend ist (RS0042401).

2. Da der Wert des Entscheidungsgegenstands somit 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt, hängt die Zulässigkeit der Revision davon ab, ob das Berufungsgericht seinen Nichtzulassungsausspruch nach § 508 Abs 3 ZPO abändert. Über den von den Klägern bereits gestellten Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO hat das Berufungsgericht zu entscheiden. Zur Durchführung dieses Verfahrens sind die Akten dem Erstgericht zurückzustellen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätinnen Mag. Malesich und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*****, vertreten durch Stephan Briem Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. P***** als Treuhänder der Insolvenzgläubiger der C***** Aktiengesellschaft, vertreten durch Shamiyeh & Reiser Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Feststellung (Streitwert 22.477,22 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 33/20h-13, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom , GZ 4 Cg 83/18w-8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.489,86 EUR (hierin enthalten 248,31 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die C***** Aktiengesellschaft (im Folgenden: Schuldnerin) betrieb einen Ferienclub. Die Clubmitglieder erwarben aufgrund von Time-Sharing-Verträgen das Recht, für eine bestimmte Dauer im Gegenwert einer bestimmten, beim Vertragsabschluss erworbenen Anzahl von Urlaubspunkten in den Hotels der Schuldnerin zu nächtigen. Einer von zwei von der Schuldnerin vertriebenen Vertragstypen war der sogenannte Punktekorbvertrag, bei dem das Clubmitglied bei Vertragsbeginn das gesamte Punktekontingent erwarb und dieses während der Vertragslaufzeit frei wählbar einlösen konnte.

Unmittelbar nachdem über das Vermögen der Schuldnerin mit Beschluss vom das Sanierungsverfahren eröffnet worden war, trat der damals zum Insolvenzverwalter bestellte Beklagte gemäß § 21 IO von sämtlichen mit Clubmitgliedern geschlossenen Time-Sharing-Verträgen zurück.

Zur Berechnung der Ansprüche der einzelnen Clubmitglieder nahm der Beklagte eine Durchschnittsbetrachtung, gestützt auf die Daten der Unternehmensbuchhaltung, vor. Für das Jahr 2017 ergab sich dabei, dass die Clubmitglieder für Nächtigungen in Hotels der Schuldnerin durchschnittlich (abgerundet) 26 Punkte pro Nacht und Zimmer aufgewendet hatten. Dieser Wert entsprach auch in etwa jenem der Jahre 2013 bis 2016. Vollzahlende Hotelgäste zahlten im Jahr 2017 in den Hotels der Schuldnerin durchschnittlich (unter Einrechnung durchschnittlicher Reisebüroprovisionen und 13 % USt) 105 EUR pro Nacht und Zimmer. Es kann nicht festgestellt werden, dass der „marktkonforme“ Preis für 26 Punkte über 105 EUR liegt.

Die Klägerin hatte drei Punktekorbverträge abgeschlossen, aus denen zum Zeitpunkt der Vertragsauflösung insgesamt 6.111 Punkte unverbraucht waren. Sie meldete im Sanierungsverfahren eine Forderung in Höhe von 45.252,45 EUR an. Davon anerkannte der Insolvenzverwalter letztlich insgesamt 22.775,23 EUR, während er den Restbetrag von 22.477,22 EUR bestritt.

Die Klägerin begehrte nach Klageeinschränkung die Feststellung, dass sie mit dem Forderungsbetrag von 22.477,22 EUR im Sanierungsverfahren der Schuldnerin Anspruch auf quotenmäßige Befriedigung habe, hilfsweise dass die von ihr im Sanierungsverfahren angemeldete Forderung von 22.477,22 EUR zu Recht bestehe. Die Bestreitung dieses Forderungsteils durch den Insolvenzverwalter sei zu Unrecht erfolgt. Mit durchschnittlich 26 Punkten habe ein Clubmitglied ein Doppelzimmer „bezahlen“ können. Der Gegenwert der 26 Punkte sei daher nicht bloß 105 EUR gewesen, sondern, weil das Doppelzimmer von zumindest zwei Personen (und allenfalls auch mit Kindern) genutzt werden habe können, zumindest 210 EUR. Maßgeblich für die Bewertung sei, was vergleichbare Hotels für eine Nächtigung in Rechnung stellten; dies sei durchschnittlich ein Betrag von 210 EUR pro Doppelzimmer oder Suite bei einer Belegung mit zumindest zwei Personen.

Der Beklagte wendete ein, die Klägerin habe die von ihm angestellten Berechnungen offenbar missverstanden. Tatsächlich sei die Anzahl der aufzuwendenden Punkte nie davon abhängig gewesen, wie viele Personen ein Zimmer genutzt hätten, sondern von der Zimmerkategorie, dem Zimmertyp und der Saison. Dementsprechend sei auch in der Buchhaltung der Schuldnerin nur erfasst worden, wie viele Nächte von Clubmitgliedern gebucht worden seien und wie viele Punkte dafür aufzuwenden gewesen seien, nicht aber, wie viele Personen die Zimmer tatsächlich belegt hätten. Da die Hotels der Schuldnerin nach wie vor fortgeführt würden und gebucht werden könnten, sei es am zweckmäßigsten, auf die Preise in diesen Hotels zurückzugreifen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Bei ungestörter Vertragsabwicklung hätte ein Clubmitglied um durchschnittlich 26 Punkte pro Nacht ein Doppelzimmer buchen können. Der Schaden des Clubmitglieds durch die Vertragsauflösung bestehe im Verlust dieser Möglichkeit. Zu prüfen sei daher, was das ehemalige Clubmitglied nunmehr für die Buchung eines Zimmers in einem Hotel der Schuldnerin aufzuwenden hätte. Auf Preise für andere Hotels mit vergleichbarer Ausstattung komme es dabei nicht an, weil das Clubmitglied mit seinen Urlaubspunkten in keinem anderen Hotel „bezahlen“ hätte können. Der subjektiv-konkrete Schaden eines Clubmitglieds sei schwer ermittelbar, weil zu viele Faktoren eine Rolle spielten. Als Gegenwert für die 26 Punkte, die durchschnittlich für die Buchung eines Doppelzimmers erforderlich gewesen seien, könne daher nur ein Durchschnittswert herangezogen werden, der in Anwendung des § 273 ZPO zu ermitteln sei. Für eine solche Betrachtung erschienen die festgestellten Werte aus der Buchhaltung der Schuldnerin durchaus praktikabel. Sie ergäben einen Durchschnittswert von 105 EUR pro Nacht (einschließlich 13 % USt und anteiliger Kosten für Reisebüros und Buchungsplattformen) für 26 Urlaubspunkte. Demgegenüber könne der von der Klägerin behauptete Gegenwert von 210 EUR für 26 Punkte nicht überzeugen. In Abweichung von der ursprünglichen Begründung (simple Verdoppelung der 105 EUR) wolle sie den Betrag von 210 EUR nunmehr als marktkonformen Durchschnittspreis verstanden wissen. Dies habe sie jedoch nicht unter Beweis stellen können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz seien sämtliche Hotels der Schuldnerin unstrittig weiter betrieben worden. Es sei daher für die rechtliche Beurteilung unbeachtlich, ob sie mittlerweile verkauft worden seien. Die nicht verbrauchten Urlaubspunkte seien nicht am freien Markt einlösbar gewesen, sondern nur in den Hotels der Schuldnerin. Daher sei der Gegenwert der nicht verbrauchten Punkte durch einen Vergleich mit den Hotelpreisen der Schuldnerin zu ermitteln und nicht auf durchschnittliche Preise in vergleichbaren Hotels abzustellen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Berechnung des Schadenersatzanspruchs der geschädigten Time-Sharing-Vertragspartner für die von ihnen gekauften Urlaubspunkte nach dem Rücktritt des Insolvenzverwalters von den langfristig abgeschlossenen Verträgen fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil sie keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt.

1. Die – vom Berufungsgericht gebilligte – Festsetzung des Gegenwerts der Urlaubspunkte durch das Erstgericht gemäß § 273 ZPO ist zwar als revisible rechtliche Beurteilung zu qualifizieren (RIS-Justiz RS0111576); dazu zählt auch die Frage, welche maßgeblichen Faktoren zur Bemessung heranzuziehen sind, weil davon ihr Ergebnis abhängt (4 Ob 213/18d mwN). Die Anwendung des § 273 ZPO hängt allerdings von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und hat daher in der Regel keine über diesen hinausgehende Bedeutung (RS0121220 [T1]).

2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Wert der Urlaubspunkte sei unter Heranziehung (nur) der „Vollzahler“-Preise in den Hotels der Schuldnerin (und nicht auch in anderen Hotels vergleichbarer Ausstattung) zu ermitteln, weil die Clubmitglieder ihre Urlaubspunkte ohne den Vertragsrücktritt des Beklagten ausschließlich in den – bei Schluss der Verhandlung erster Instanz unstrittig nach wie vor betriebenen – Hotels der Schuldnerin einlösen hätten können, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Die Klägerin führt dagegen inhaltlich nur ins Treffen, es sei (offenbar gemeint: schon vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz) gerichtsbekannt gewesen, dass die Hotels der Schuldnerin spätestens bis zur Erfüllung der Sanierungsplanquote am verkauft werden müssten. Dabei handelt es sich allerdings um eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige und damit unbeachtliche Neuerung.

3. Auch das weitere Revisionsvorbringen, es sei schon aufgrund der Inflation in den Jahren ab 2017 bis zum ursprünglich vorgesehenen Ablauf ihrer Verträge (mit Ende 2026, Ende 2027 und Ende 2029) mit einer Erhöhung der Hotelzimmerpreise zu rechnen, die bei der Wertermittlung ebenfalls zu berücksichtigen gewesen wären, verstößt gegen das Neuerungsverbot. Gleiches gilt für die Behauptung der Klägerin, sie habe aufgrund der Verträge jedenfalls Anspruch auf den (den vom Beklagten anerkannten Teil ihrer Forderung übersteigenden) Rückkaufswert, sodass auch darauf nicht näher einzugehen ist.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2020:0170OB00005.20I.0616.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
MAAAD-99227

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