OGH vom 21.12.1995, 8Ob29/95

OGH vom 21.12.1995, 8Ob29/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Michael Pacher, Rechtsanwalt, 8010 Graz, Neutorgasse 49, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Anna L***** GmbH *****, wider die beklagte Partei Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, 1050 Wien, Kliebergasse 1A, vertreten durch Dr.Gustav Teicht und Dr.Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 113/95-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 28 Cg 73/94t-14, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Urteil lautet:

"1. Es wird festgestellt, daß ein Aussonderungsanspruch der beklagten Partei aus der Konkursmasse hinsichtlich von treuhändig vor Konkurseröffnung überwiesenen Urlaubsentgelten in Höhe von S 71.205 nicht besteht;

2. es wird festgestellt, daß die Forderung der beklagten Partei auf Zahlung eines Betrages von S 71.205 keine Masseforderung ist."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 36.816,64 (einschließlich S 3.709,44 Umsatzsteuer und S 14.560 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse hat am ua Urlaubsentgelte, welche für bei der nachmaligen Gemeinschuldnerin beschäftigte Bauarbeiter bestimmt waren, in Höhe von S 71.205 auf ein Treuhandkonto der nachmaligen Gemeinschuldnerin überwiesen. Die Bank hat auf Ersuchen der nachmaligen Gemeinschuldnerin am den überwiesenen Betrag auf das Geschäftskonto der Gemeinschuldnerin umgebucht, wo er den bestehenden Debetsaldo vermindert hat. Am erfolgte die Eröffnung des Konkurses.

Die beklagte Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse verlangte im Konkurs die Aussonderung des Betrages aus der Konkursmasse.

Der Masseverwalter begehrt mit der vorliegenden Klage die Feststellung, 1. daß diesbezüglich kein Aussonderungsanspruch der beklagten Partei bestehe und 2. daß es sich auch um keine Masseforderung (sondern um eine Konkursforderung) handle. Der Treuhandbetrag sei im Zeitpunkt der Konkurseröffnung nicht mehr zur Verfügung gestanden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß das von ihr überwiesene Urlaubsentgelt im Konkurs der Arbeitgeberin eine zur Befriedigung ihrer Rückforderungsansprüche gewidmete fiktive Sondermasse bilde, die zu befriedigen sei, gleichgültig, ob eine Sondermasse gebildet worden sei oder nicht, solange ihre Rückforderungsansprüche nur in der Konkursmasse Deckung fänden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung und ließ die Revision an den Obersten Gerichtshof zu, weil die Rechtslage noch nicht vollständig durch die Judikatur abgesichert sei. In seiner rechtlichen Beurteilung verwies es im wesentlichen auf die E vom , 7 Ob 560/89, der es folgte. Aus dieser Entscheidung sei insbesondere abzuleiten, daß der Kläger der gesetzlichen Fiktion der Bildung einer Sondermasse (§ 12 Abs 3 BUAG vor der Novelle 1991/628) nicht entgegenzuhalten vermöge, daß im konkreten Fall eine Sondermasse tatsächlich nicht gebildet worden sei. Die Forderung der beklagten Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse sei im Ausgleich bevorrechtet. Durch das IRÄG 1982 sei - wie die erwähnte E ausführlich darlege - keine Derogation eingetreten. Zur Frage, ob im Konkurs ein Aussonderungsanspruch, ein Absonderungsrecht oder auch nur eine Masseforderung bestehe, enthalte die zitierte Entscheidung allerdings keine Ausführungen, weil es damals um die Bevorrechtung im Ausgleich gegangen sei. Bei der Lösung dieser Fragen sei davon auszugehen, daß nach § 8 Abs 3 BUAG idF BGBl 1989/383, der in dieser Fassung erst nach der oben zitierten E in Kraft getreten sei, der Arbeitgeber für die überwiesenen Urlaubsentgelte ein besonderes Konto einzurichten habe. Die Urlaubsentgelte, welche von der Kasse auf dieses Konto überwiesen würden, seien dem Arbeitgeber treuhändisch anvertraut und zur Auszahlung an die Arbeitnehmer bestimmt. Gemäß § 12 Abs 2 BUAG bildeten die von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse der Arbeitgeber gemäß § 8 Abs 3 überwiesenen Urlaubsentgelte im Konkursverfahren eine Sondermasse. Aus dieser Sondermasse sei der Rückzahlungsanspruch der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse auf diese Urlaubsentgelte zu berichtigen. Die vom Obersten Gerichtshof angeführte gesetzliche Anordnung einer fiktiven Sondermasse durch § 12 Abs 2 BUAG nF müsse in dem Sinne verstanden werden, daß die beklagte Partei einen Anspruch auf Aussonderung einer entsprechenden Geldmenge aus dem (verwerteten bzw zu verwertenden) Massevermögen nach Maßgabe dessen Zureichens habe, gleichgültig, ob die Geldsumme noch unterscheidbar in der Masse vorhanden sei oder nicht. Eine Masseforderung könnte nur dann vorliegen, wenn der Aussonderungsanspruch wegen einer erst nach der Konkurseröffnung erfolgten - hier aber nicht vorliegenden - Vermengung des von der beklagten Partei überwiesenen Geldbetrages mit der übrigen Masse nicht durchsetzbar wäre. Diesfalls wäre nämlich ein Bereicherungsanspruch gegen die Masse gemäß § 46 Abs 1 Z 6 KO gegeben.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Kläger verweist zu Recht darauf, daß ein Rückforderungsanspruch der beklagten Partei nicht besteht, wenn die Urlaubsentgelte - wie hier - bereits vor Konkurseröffnung (mißbräuchlich) verwendet und zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung nicht mehr unterscheidbar in der Konkursmasse vorhanden waren.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die in der genannten E 7 Ob 560/89 vertretene Theorie der fiktiven Sondermasse, die der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse stets ein vorrangiges Befriedigungsrecht einräumte, sofern nur der Rückzahlungsanspruch in der Konkursmasse Deckung finde, einer Überprüfung standhielte. Zwar ist der genannten Entscheidung insoferne zuzustimmen, daß dem (damaligen) § 12 Abs 3 BUAG nicht durch das IRÄG 1982 materiell derogiert wurde. Seit dieser Entscheidung ist jedoch das BUAG selbst dergestalt novelliert worden, daß der Theorie von der unwiderleglich stets vorhandenen Sondermasse jedenfalls der Boden entzogen ist:

Seit der Novelle vom , BGBl 363/1989 ist gemäß § 8 Abs 3 BUAG das von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse dem Arbeitgeber treuhändig überwiesene Urlaubsentgelt auf ein besonderes Konto des Arbeitgebers zu überweisen. Dies soll den Geldfluß der dem Arbeitgeber treuhändig überwiesenen Urlaubsentgelte "kontrollierbar" machen (Martinek/Widorn, BUAG Erster Nachtrag 15; die Ausführungen zur alten Rechtslage, BUAG 132 f, daß der Arbeitgeber nicht zur Führung eines gesonderten Treuhandkontos verpflichtet ist, sind somit überholt). Das von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse dem Arbeitgeber gemäß § 8 Abs 3 BUAG überwiesene Urlaubsentgelt genießt gemäß § 12 Abs 2 (nF) BUAG im Ausgleichsverfahren ein Vorrecht und bildet im Konkursverfahren eine Sondermasse, aus der der Rückzahlungsanspruch der Urlaubs- und Abfertigungskasse auf diese Urlaubsentgelte zu berichtigen ist.

Ist diese Sondermasse - gleich aus welchem Grund - vor Konkurseröffnung nicht oder - wie hier - nicht mehr vorhanden, scheidet eine vorrangige Befriedigung des Treugebers hieraus aus. Ein Anspruch auf Ersatzaussonderung eines verbrachten Treuhandgutes besteht nach ständiger Rechtsprechung nur insoweit, als das Entgelt für dieses Gut in der Konkursmasse noch unterscheidbar vorhanden ist (SZ 32/161; 48/21; 59/228 ua). Im vorliegenden Fall hat die Gemeinschuldnerin über das Treugut rechtswidrigerweise derart verfügt, daß sie dieses zwar nicht verbracht aber mit ihrem sonstigen Vermögen durch Überweisung vom Sonderkonto auf ihr Geschäftskonto vermengt hat, wo es zur Verminderung ihres Debetsaldos diente.

Die Aussonderung von Geld aus einer Konkursmasse ist dann nicht mehr möglich, wenn es infolge Vermengung nicht mehr der Eigentumsklage unterliegt, weil der Gemeinschuldner daran gemäß § 371 ABGB originär Eigentum erworben hat. Nur im Falle der Vereinigung abgegrenzter Mengen gleichartiger Sachen wird dem Eigentümer im Sinne des § 415 ABGB eine Eigentumsklage auf die bestimmte von ihm stammende Quantität gewährt (Quantitäts- oder Mengenvindikation), die auf Abtrennung eines entsprechenden Teiles des im Miteigentum stehenden Gemenges gerichtet ist (SZ 50/42; 52/154; ecolex 1994, 812 [zust Wilhelm]). Die Quantitätsvindikation kann daher nur dann erfolgreich sein, wenn die Sache in einem deutlich abgegrenzten Gemenge gleichartiger Sachen noch vorhanden ist. Hiebei sind Gelder nicht nur dann abgrenzbar und deutlich unterscheidbar, wenn sie in einer Kassette oder Brieftasche gesondert verwahrt werden, sondern auch dann, wenn sie auf einem entsprechenden Konto erlegt wurden. Der Leistungsgegenstand muß aber jedenfalls in der Masse noch vorhanden und individualisierbar sein; ein Geldbetrag schlechthin scheidet aus (SZ 32/161; 48/21; 59/228; ecolex 1994, 812 ua). Daß irgendwann Sachen des einen beim anderen vermengt wurden, reicht für die Vindikation nicht aus. Wer trotz Verringerung des Gemenges vindizieren will, muß die Höhe der Entnahme nachweisen, damit ihre Auswirkungen auf den Anteil berechnet werden können (ecolex 1992, 558; 1994, 812). Einen solchen Beweis hat die beklagte Partei gar nicht angetreten; ein solcher wäre schon deshalb zum Scheitern verurteilt, weil nach den Feststellungen der Vorinstanzen das rechtswidrigerweise auf das allgemeine Geschäftskonto der späteren Gemeinschuldnerin überwiesene Urlaubsentgelt zur Minderung ihres Debets verwendet wurde und daher überhaupt kein vindikationsfähiger Teilbetrag mehr auf dem Geschäftskonto der Gemeinschuldnerin vorhanden ist. Der dingliche Aussonderungsanspruch der beklagten Partei ist daher bereits vor Konkurseröffnung durch die rechtswidrige Vermengung mit dem übrigen Vermögen der Gemeinschuldnerin erloschen.

Die Sachlage ist nicht anders zu beurteilen, als wenn zB ein Rechtsanwalt auf einem Anderkonto anvertraute Geldbeträge veruntreut hat, wobei es gleichgültig ist, ob er diese Beträge zur Gänze verbraucht oder mit seinem sonstigen Vermögen ununterscheidbar vermischt hat. Dem Treugeber steht dann lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch zu, der im Falle des nachfolgenden Konkurses des Treuhänders eine Konkurs- und keine Masseforderung ist. Eine Masseforderung könnte sie nur dann sein, wenn die Vermengung erst im Zuge des Konkursverfahrens Platz gegriffen hätte (SZ 34/113; 52/154; ecolex 1992, 558), was aber hier nicht der Fall ist. Da der Masseverwalter dem Sinne nach (Klage S. 3 2.Absatz) die Feststellung begehrt, daß der beklagten Partei keinerlei Ansprüche auf vorrangige Befriedigung zustehen, sei vollständigkeitshalber noch erwähnt, daß ihr mangels noch vorhandener Sondermasse auch kein Absonderungsrecht zustehen kann.

Die beklagte Partei hat daher keinerlei Anspruch auf vorrangige Befriedigung. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß der Ersatzaussonderungsanspruch so lange bestehe, als dieser im Masseguthaben der Höhe nach Deckung finde, ist verfehlt. Infolgedessen war die Entscheidung im klagsstattgebenden Sinn abzuändern, auch wenn nicht verkannt werden soll, daß diese Lösung für die beklagte Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse insofern unbefriedigend ist, als sie bereits treuhändig überwiesene Urlaubsentgelte der Arbeitnehmer diesen nochmals zu zahlen hat und sich Ersatz für die veruntreuten Geldbeträge nur als Konkursgläubiger verschaffen kann. Damit teilt sie aber das Schicksal aller Treugeber, deren Treugut vom späteren Gemeinschuldner veruntreut wurde und hinsichtlich dessen ein vindikationsfähiger Ersatzaussonderungsanspruch nicht vorhanden ist. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.