OGH vom 10.10.2001, 10ObS267/01i

OGH vom 10.10.2001, 10ObS267/01i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Gunter Krainhöfner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Muzaffer Y*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Tiroler Gebietskrankenkasse, 6020 Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2, vertreten durch Ullmann, Geiler & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Krankengeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 23 Rs 31/01g-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 47 Cgs 113/00x-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am - während des Bezuges von Arbeitslosengeld - vom behandelnden Arzt wegen eines (chronischen) (Hand-)Ekzems für arbeitsunfähig befunden. Wegen dieser Erkrankung bezog der Kläger in der Zeit vom bis (wegen eines Bezuges einer Urlaubsentschädigung mit einer Unterbrechung in der Zeit vom bis ) Krankengeld im Höchstausmaß von 52 Wochen. Der Kläger ist wegen seines Ekzems auch nach dem weiterhin arbeitsunfähig. Am wurde ihm deshalb von seinem behandelnden Arzt neuerlich das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit bescheinigt.

Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom wurde ein Antrag des Klägers vom auf Gewährung einer Invaliditätspension mit der wesentlichen Begründung, er sei trotz verschiedener Leiden nicht als invalid im Sinn des § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen, abgelehnt. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger beim Erstgericht rechtzeitig Klage mit dem Begehren auf Gewährung einer Invaliditätspension erhoben, welche Klage vom Erstgericht zur AZ 45 Cgs 51/99k in Behandlung genommen, bisher aber nicht erledigt wurde. Der Kläger bezieht seit dem Pensionsvorschuss.

Mit Bescheid vom sprach die beklagte Partei aus, dass der aus dem mit bis laufend bestehenden Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit resultierende Krankengeldanspruch des Klägers mit geendet habe.

Das Erstgericht wies das vom Kläger dagegen erhobene und auf die Gewährung von Krankengeld ab gerichtete Klagebegehren im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass der Kläger als Folge der bereits den Versicherungsfall vom auslösenden chronischen Erkrankung Krankengeld bis zur Höchstdauer von 52 Wochen bezogen habe und die auch anschließend weiterhin unverändert bestehende chronische Erkrankung nicht neuerlich den Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit als Folge dieser Erkrankung habe auslösen können, auch wenn dem Kläger am wegen dieser Erkrankung neuerlich seine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge und gelangte in rechtlicher Beurteilung ebenfalls zu dem Ergebnis, dass nach § 139 Abs 4 ASVG ein neuerlicher Anspruch auf Krankengeld - nach erfolgter Aussteuerung - nur dann entstehe, wenn ein neuer Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge der Krankheit, für die der weggefallene Krankengeldanspruch bestanden habe, eingetreten sei. Dazu sei es erforderlich, dass eine zuvor bestandene Arbeitsfähigkeit infolge Krankheit wegfalle. Da jedoch im Falle des Klägers die Arbeitsunfähigkeit infolge ein und derselben Krankheit über die in § 139 Abs 1 ASVG festgesetzte Höchstdauer hinaus unverändert weiterhin bestehe, könne auch bei Vorliegen der in § 139 Abs 4 ASVG genannten (sonstigen) Voraussetzungen ein neuerlicher Anspruch auf Krankengeld nicht entstehen. Der bloße Umstand, dass der Kläger, der bereits seit dem infolge ein und derselben Krankheit ununterbrochen arbeitsunfähig gewesen sei, von einem Arzt am neuerlich wegen dieser Krankheit als arbeitsunfähig befundet worden sei, könne einen neuerlichen Anspruch auf Krankengeld nicht begründen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger wendet sich in seinen Revisionsausführungen nicht gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass seine Arbeitsunfähigkeit wegen einer bestehenden chronischen Hauterkrankung, die auch bereits die Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit vom bis , während welcher Zeit dem Kläger (mit der festgestellten zeitlichen Unterbrechung) Krankengeld gewährt wurde, auch nach dem in unveränderter Form - auch im klagsgegenständlichen Zeitraum ab - weiterbestanden hat. Der Kläger meint jedoch, dass entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ein neuerlicher Anspruch auf Krankengeld nach § 139 Abs 4 ASVG lediglich den zwischenzeitigen Bestand einer Versicherung durch mindestens 13 Wochen in einer den Anspruch auf Krankengeld eröffnenden gesetzlichen Krankenversicherung oder durch mindestens 52 Wochen in einer sonstigen gesetzlichen Krankenversicherung zur Voraussetzung habe. Es sei hingegen dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen, dass ein neuer Versicherungsfall nur dann angenommen werden könne, wenn nach gegebener Arbeitsfähigkeit neuerlich Arbeitsunfähigkeit eintrete.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, der nach § 138 Abs 1 ASVG den Anspruch auf Krankengeld auslöst, erfordert nach § 120 Abs 1 Z 2 ASVG den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Der Versicherungsfall ist erst beendet, wenn die Arbeitsunfähigkeit wegfällt (RIS-Justiz RS0084738).

Gemäß § 139 Abs 1 ASVG besteht Krankengeldanspruch für ein und denselben Versicherungsfall bis zur Dauer von 26 Wochen, auch wenn während dieser Zeit zu der Krankheit, welche die Arbeitsunfähigkeit zuerst verursachte, eine neue Krankheit hinzugetreten ist. Wenn der Anspruchsberechtigte innerhalb der letzten 12 Monate vor dem Eintritt des Versicherungsfalles mindestens sechs Monate in der Krankenversicherung versichert war, verlängert sich für diese Personen, ausgenommen für die nach § 122 Abs 2 Z 2 bis 4 Anspruchsberechtigten, die Dauer auf bis zu 52 Wochen.

Entsteht nach Wegfall des Krankengeldanspruches vor Ablauf der Höchstdauer neuerlich, und zwar innerhalb von 13 Wochen, infolge der Krankheit für die der weggefallene Krankengeldanspruch bestanden hat, ein Anspruch auf Krankengeld, so werden gemäß § 139 Abs 3 ASVG die Anspruchszeiten für diese Krankheitsfälle zur Feststellung der Höchstdauer zusammengerechnet; die neuerliche Erkrankung gilt als Fortsetzung der vorausgegangenen Erkrankung. Gemäß § 139 Abs 4 ASVG entsteht ein neuer Anspruch auf Krankengeld infolge der Krankheit, für die der weggefallene Krankengeldanspruch bestanden hat, nach Ausschöpfung der Höchstdauer des Bezuges erst wieder, wenn der Erkrankte in der Zwischenzeit durch mindestens 52 Wochen in einer sonstigen gesetzlichen Krankenversicherung versichert war.

Diese - seit der 9. ASVGNov (BGBl 1962/13) in § 139 Abs 3 und 4 ASVG enthaltenen - Bestimmungen darüber, unter welchen Voraussetzungen das Krankengeld bei Wiedererkrankung an derselben nicht behobenen Krankheitsursache gebührt, und zwar sowohl im Falle der Unterbrechung des Krankenstandes vor Ablauf der Höchstdauer als auch im Falle der Wiedererkrankung nach Ablauf der Höchstdauer, waren in der Stammfassung des ASVG im Abs 3 des § 139 zusammengefasst (vgl Erläuternde Bemerkungen zur RV 599 BlgNR 7. GP, 55 f). Um zu einer halbwegs gleichmäßigen Behandlung von längerdauernder Arbeitsunfähigkeit einerseits und mehreren, in relativ kurzem Abstand aufeinanderfolgenden kurzfristigen Arbeitsunfähigkeiten andererseits zu gelangen, sieht das Gesetz in § 139 Abs 3 ASVG vor, dass mehrere Arbeitsunfähigkeiten als einheitlicher Versicherungsfall gelten, wenn die neuerliche Arbeitsunfähigkeit innerhalb von - nach der Stammfassung: vier Monaten; seit der 9. ASVGNov (BGBl 1962/13): 13 Wochen - eintritt und von derselben Krankheit verursacht worden ist wie die vorausgegangene Arbeitsunfähigkeit (vgl Jabornegg, Der Versicherungsfall in der Sozialversicherung, DRdA 1982, 11 ff [23]). Wird der Versicherte vor Ablauf der Höchstdauer, aber nach Ablauf der Frist von - nunmehr - 13 Wochen infolge derselben Krankheit neuerdings arbeitsunfähig, so beginnt ein neuer Versicherungsfall, für den wiederum Anspruch auf Krankengeld für die Höchstdauer ohne Anrechnung der früheren Krankheitsdauer besteht (vgl EB aaO 56). In diesem Sinne hat der erkennende Senat bereits ausgesprochen, dass die Bestimmung des § 139 Abs 3 ASVG den neuerlichen Eintritt eines Versicherungsfalles im Sinn des § 120 Abs 1 Z 2 ASVG, für den alle gesetzlichen Bedingungen erfüllt sein müssen, zur Voraussetzung hat (SSV-NF 3/33, 1/35).

Nichts anderes kann aber auch für die hier maßgebende Bestimmung des § 139 Abs 4 ASVG gelten. Diese Bestimmung regelt die Frage, wann im Falle der Aussteuerung trotz Vorliegens derselben Krankheit ein neuer Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit eintreten kann und damit ein neuer Krankengeldanspruch erworben werden kann. Tritt ein Versicherter, dessen Krankengeldanspruch wegen Ablaufes der Höchstdauer erschöpft ist, in der Folgezeit wieder in ein Versicherungsverhältnis ein und wird er infolge einer anderen Krankheit als der Krankheit, für die er bereits ausgesteuert worden ist, neuerdings arbeitsunfähig, so gilt dies als ein neuer Versicherungsfall. Ist aber die neuerdings eintretende Arbeitsunfähigkeit auf dieselbe Krankheit zurückzuführen, für die der weggefallene Krankengeldanspruch bestanden hat, dann hat es auch für die Wiedererkrankung bei den Folgen der Aussteuerung zu verbleiben, es sei denn, dass der Erkrankte in der Zwischenzeit mindestens 13 Wochen in einer dem Anspruch auf Krankengeld eröffnenden gesetzlichen Krankenversicherung oder durch mindestens 52 Wochen sonst in einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert war. Durch den Bestand einer Versicherung von so beträchtlicher Dauer soll der Versicherte eine neue Anwartschaft auf Krankengeld erwerben, auch wenn die Wiedererkrankung auf dieselbe nicht behobene Krankheitsursache zurückgeht, wie im früheren Versicherungsfall, für den er bereits ausgesteuert wurde (EB aaO 56).

Auch das Entstehen eines neuen Krankengeldanspruches im Sinn des § 139 Abs 4 ASVG hat somit den Eintritt eines neuen Versicherungsfalles der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zur Voraussetzung. Dazu ist es erforderlich, dass eine zuvor bestandene Arbeitsfähigkeit infolge einer Krankheit (Wiedererkrankung) wegfällt. Hier steht jedoch fest, dass die Arbeitsunfähigkeit des Klägers infolge der identen Erkrankung in der fraglichen Zeit ohne Unterbrechung weiterbestand. Da in der Zeit ab Ausschöpfung der Höchstdauer des Krankengeldbezuges () bis unbestritten durchgehend eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers vorlag, konnte mit auch kein neuer Versicherungsfall ausgelöst werden, weil die am vorliegende Situation unverändert bestand und daher der ursprüngliche Versicherungsfall nicht beendet war. Die bloße Tatsache, dass der Kläger seit dem einen Pensionsvorschuss bezieht und als Bezieher dieser Leistung krankenversichert ist (§ 40 Abs 1 AlVG), ändert daran nichts (vgl auch 10 ObS 266/01t).

Da die Voraussetzungen des § 139 Abs 4 ASVG nicht vorliegen, besteht das erhobene Begehren nicht zu Recht. Es erübrigt sich daher ein Eingehen auf die von den Vorinstanzen ebenfalls erörterte Frage, ob bei Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit im Sinn des § 120 ASVG während der Dauer des Bezuges von Arbeitslosengeld auf die Voraussetzungen des § 8 AlVG abzustellen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.