OGH vom 24.04.2007, 17Ob4/07y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bettina G*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel und andere Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei Verein J*****, vertreten durch Dr. Eva Maria Schulze, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung und Zahlung (Streitwert im Sicherungsverfahren 10.500 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 253/06b-8, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wels vom , GZ 6 Cg 232/06h-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionskurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten erster Instanz.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Inhaberin einer am angemeldeten österreichischen Wortbildmarke (Beginn der Schutzdauer ) mit folgendem Aussehen:
(Abb. nur in der Originalentscheidung ersichtlich)
Die Marke ist in der Klasse 44 „Vermittlung von medizinischen Dienstleistungen im Bereich des Gesundheits- und Krankenpflegfachdienstes sowie im Bereich der Hauskrankenpflege für betreuungs- bzw hilfebedürftige Personen" und in der Klasse 45 „Vermittlung von persönlichen und sozialen Dienstleistungen betreffend individuelle Bedürfnisse, Begleitung von Personen bei persönlichen Wegen wie Arztbesuchen, Amtswegen, Einkaufswegen" registriert. Der Wortteil „jomos" steht als Abkürzung für „joschi's mobilitätsservice" und kennzeichnet jenes Unternehmen, das der Ehemann der Klägerin (mit Vornamen Josef) 2002 als Einzelunternehmen gegründet hat und das die Klägerin nach seinem Tod 2004 als geschäftsführende Alleingesellschafterin der am im Firmenbuch eingetragenen jomos mobilitätsservice GmbH weiterführt. Der seit registrierte beklagte Verein „J*****" wurde von Josef T***** gegründet und ist im selben Geschäftszweig tätig wie das Unternehmen der Klägerin.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, unter Verwendung des Kennzeichens „JOMA" und/oder einer anderen diesem Kennzeichen verwechselbar ähnlichen Bezeichnung im geschäftlichen Verkehr medizinische und/oder soziale (Pflege-) Dienstleistungen (insbesondere Hauskrankenpflege) und/oder Pflegepersonal zu vermitteln, anzubieten und/oder zu erbringen. Das von der Klägerin fortgeführte Unternehmen vermittle medizinische und soziale (Pflege-)Dienstleistungen für die Betreuung älterer und behinderter Menschen in Österreich und im benachbarten Ausland rund um die Uhr, betreue etwa 300 Klienten in Österreich und gehöre zu den größten Anbietern am heimischen Pflegesektor. Das Unternehmen habe unter dem Kennzeichen „jomos" weitreichende Bekanntheit am Pflegesektor erlangt. Der Name des beklagten Vereins und sein Auftreten am Markt unter der Bezeichnung „JOMA" führten regelmäßig zu Verwechslungen mit dem Unternehmen der Klägerin. Der Gründer des beklagten Vereins sei selbst seit Jahren pflegebedürftig und habe deshalb das Unternehmen „jomos" und die dahinter stehende Philosophie bereits vor der Vereinsgründung gekannt. Der Beklagte versuche, den guten Ruf von „jomos" für sich auszunützen. Durch die Verwendung des Zeichens „JOMA" etwa im Vereinsnamen, im Internet, auf Geschäftspapieren, Briefkuverts und Werbeprospekten verletze der Beklagte Markenrechte der Klägerin. Darüber hinaus genieße das verletzte Zeichen der Klägerin auch Kennzeichenschutz nach § 9 Abs 3 UWG. Angesichts des vom Beklagten offensichtlich verfolgten Zwecks, Verwechslungen mit dem von der Klägerin geführten Unternehmen herbeizuführen sowie dessen guten Ruf auszunützen, verstoße das beanstandete Verhalten auch gegen § 1 UWG.
Der beklagte Verein beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Sein Vereinsname setze sich aus den Anfangsbuchstaben der Vornamen der beiden Vereinsgründer Josef und Maria zusammen und betreue rund 200 Patienten, davon rund 130 schon zum Zeitpunkt der Registrierung der Marke der Klägerin. Er nenne sich seit seiner Gründung stets „J*****" und verwende diesen Wortlaut ungekürzt auch im geschäftlichen Verkehr. Er sei noch vor der Markenregistrierung durch die Klägerin gegründet worden und besitze daher die älteren Rechte am strittigen Zeichen. Zum Zeitpunkt der Registrierung der Marke der Klägerin habe der Vereinsname bereits Verkehrsgeltung erlangt gehabt. Das Ende 2002 gegründete Einzelunternehmen „joschi's mobilitätsservice" habe für seine Unternehmensbezeichnung zum Zeitpunkt der Gründung des beklagten Vereins noch keine Verkehrsgeltung besessen. Verwechslungsgefahr bestehe nicht; die Zeichen „JOMA" und „jomos" seien zwar akustisch nicht unähnlich, es sei jedoch zu berücksichtigen, dass sich die Mitarbeiter des Beklagten ausschließlich mit „J*****" meldeten. In optischer Hinsicht seien die beiden Zeichen völlig unterschiedlich. Der Beklagte habe sich nicht sittenwidrig verhalten; sein einziges Ziel sei es, pflegebedürftigen Menschen zu helfen.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen hielt es das Sicherungsbegehren in der gestellten Form jedenfalls für zu weit gefasst. Zwar bestehe zwischen den Kunstwörtern „JOMA" und „jomos" eine große Nähe; diese gehe aber nicht so weit, dass der Zusammenhang, in welchem das Zeichen „JOMA" verwendet werde, keine Rolle spiele. Ein Verbot, das Zeichen „JOMA" - unter welchen Begleitumständen auch immer - zu verwenden, wäre überzogen. Ob die vom Beklagten gewählte Abgrenzung unter Verwendung des Zusatzes „Hilfe in Würde" ausreiche, sei im Hauptverfahren zu beurteilen. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Marke der Klägerin sei als Bezeichnung ihres Unternehmens kennzeichnungskräftig. Zu dem vom Beklagten verwendeten Zeichen „JOMA" lägen grundlegende Unterschiede vor. Abgesehen von der gleichen ersten Silbe seien die Zeichen in Bild und Klang nicht oder kaum ähnlich. Da es sich in beiden Fällen um ein Kunstwort handle, erkenne der Durchschnittsverbraucher darin keine tiefere Bedeutung; die Zeichen wiesen daher in ihrem Gesamteindruck keine auffallenden Ähnlichkeiten auf. Das vom Beklagten verwendete Zeichen halte von der Marke der Klägerin einen ausreichenden Abstand. Mangels Verwechslungsgefahr sei ein markenrechtlicher Anspruch der Klägerin zu verneinen. Die Frage nach den älteren Rechten an dem verwendeten Zeichen müsse daher nicht beantwortet werden. Ansprüche nach § 1 UWG könne die Klägerin als Alleingesellschafterin einer GmbH mangels eigener unternehmerischer Tätigkeit nicht geltend machen, solche nach § 9 UWG scheiterten an der fehlenden Verwechslungsgefahr.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, und im Sinne seines Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Die Klägerin macht geltend, das Rekursgericht habe das Vorliegen von Verwechslungsgefahr zu Unrecht verneint.
1. Im Kennzeichenstreit stehen einander die von ihrem Wortteil „jomos" geprägte Wortbildmarke der Klägerin und die Bezeichnung „JOMA" für den unternehmerisch tätigen beklagten Verein gegenüber. Zutreffend hat das Rekursgericht bei Prüfung der Verwechslungsgefahr die Wortkombination „Hilfe in Würde" unberücksichtigt gelassen, weil nicht feststeht, dass der beklagte Verein das als Name verwendete Zeichen „JOMA" nur in Verbindung mit diesem Zusatz verwendet; dass solches der Fall wäre, ergibt sich auch nicht aus den im Akt erliegenden Urkunden (vgl nur die Verwendungen ohne Zusatz in Beil ./G, ./H, ./L und ./1).
2.1. Die Verwechslungsfähigkeit von Marken ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen, wobei auf den Gesamteindruck abzustellen ist, den die Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung hervorrufen; insbesondere sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente sowie der Umstand zu berücksichtigen, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (stRsp RIS-Justiz RS0079571). Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf die Aufmerksamkeit, Urteilsfähigkeit und Fachkenntnis der im Einzelfall beteiligten Verkehrskreise abzustellen; maßgeblich ist der Gesamteindruck, den ein nicht ganz unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise bei flüchtiger Wahrnehmung empfängt (RIS-Justiz RS0079509, RS0078944). Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil sich der Geschäftsverkehr meist an diesem - sofern er unterscheidungskräftig ist - zu orientieren pflegt und vor allem den Wortbestandteil im Gedächtnis behält. Das Recht an einer Wortbildmarke wird daher in der Regel auch durch solche Zeichen verletzt, die nur den unterscheidungskräftigen Wortbestandteil in einer zur Herbeiführung von Verwechslungen geeigneten Weise wiedergeben (RIS-Justiz RS0066779). Ähnlichkeiten am Wortanfang haben besonderes Gewicht (vgl die bei Schumacher in Kucsko, marken.schutz 251, in FN 394 und 395 wiedergegebene Rechtsprechung). Stehen einander zwei Fantasiebezeichnungen gegenüber, die in dem am Wortanfang stehenden und den Gesamteindruck prägenden Zeichenbestandteil übereinstimmen, ist die Verwechslungsgefahr regelmäßig zu bejahen (4 Ob 50/03m - Catsan-CatSil = RIS-Justiz RS0117609).
2.2. Nach diesen Grundsätzen liegt im Anlassfall Verwechslungsgefahr vor: Der Bildteil der Marke ist gegenüber ihrem Wortbestandteil weder prägend noch auffälliger; die aus vier bzw fünf Buchstaben bestehenden Fantasiewörter stimmen in ihren ersten drei Buchstaben, auf denen noch dazu jeweils auch die Betonung liegt, überein. Dass - wie das Rekursgericht meint - zwischen zwei Zeichen „auffallende Ähnlichkeiten" vorliegen müssten, um die Verwechslungsgefahr zu bejahen, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
3.1. Welches Interesse schutzwürdiger ist, wenn zwei Schutzrechte (hier: Marke und Name eines unternehmerisch tätigen Vereins) miteinander konkurrieren, ist nach dem Prioritätsprinzip zu bestimmen, wonach idR derjenige, der ein Kennzeichen zuerst gebraucht, das bessere Recht besitzt (RIS-Justiz RS0079088, RS0066784 [T1]). Dies gilt auch für den Fall der Kollision eines Vereinsnamens mit einem anderen Schutzrecht (RIS-Justiz RS0066654 [T9]). Maßgeblicher Zeitpunkt bei registrierten Marken ist regelmäßig der Tag der Anmeldung (§ 23 Abs 1 MSchG; RIS-Justiz RS0066654 [T2]), bei einem Vereinsnamen (ebenso wie bei einer Firma: RIS-Justiz RS0066654 [T10]) der Zeitpunkt der Benutzungsaufnahme im Inland. Ist die Kennzeichnung durch den Berechtigten ihrem Wesen nach keine eigenständige Kennzeichnung, sondern die Fortsetzung oder Ersetzung dieser Kennzeichnung „anstelle" des Rechtsinhabers, so entspricht es dem Sinn des Prioritätsgedankens beim Kennzeichenschutz, hiefür auch die ursprüngliche Priorität gelten zu lassen (RIS-Justiz RS0079151).
3.2. Die von den Vorinstanzen aufgrund unzutreffender Rechtsansicht offengelassene Frage, welcher der Streitteile das ältere Recht am strittigen Kennzeichen besitzt, lässt sich auf dem Boden der bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend beantworten. Das Verfahren bedarf daher einer Ergänzung, um auf verbreiterter Tatsachengrundlage zum Zeichengebrauch nach den zuvor erörterten Grundsätzen die Berechtigung des Sicherungsantrags beurteilen zu können. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Klägerin das von ihrem Mann gegründete Einzelunternehmen „jomos" (das älter ist als der beklagte Verein) zwar in anderer Rechtsform, aber unter dem selben - für Pflegedienstleistungen unterscheidungskräftigen - Unternehmensschlagwort weitergeführt hat, dem der Wortteil ihrer Marke entspricht; unter diesen Umständen kann sie sich für die Priorität ihrer Marke auf die schon zuvor durch das Einzelunternehmen erworbene Priorität des Unternehmensschlagworts berufen.
4. Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.