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OGH vom 15.02.1994, 10ObS263/93

OGH vom 15.02.1994, 10ObS263/93

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gottfried Winkler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Hofrat Robert List (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Christine R*****, Laborgehilfin, *****, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (Landesstelle Salzburg), 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 6 Rs 7/93-34, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 46 Cgs 97/91-28, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie einschließlich ihrer unangefochten gebliebenen Teile insgesamt zu lauten haben:

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin für die Folgen ihres Arbeitsunfalles vom auf Basis einer Bemessungsgrundlage von S 112.747,95 unter jeweiliger Berücksichtigung der unfallsbedingten Krankenstände vom 9.7. bis und vom 1.1. bis jeweils eine Versehrtenrente von 20 v.H. und ab eine Versehrtenrente von 30 v.H. der Vollrente als Dauerrente jeweils im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 3.623,04 bestimmten Revisionskosten (darin enthalten S 603,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom anerkannte die beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt den Unfall der Klägerin, den sie am als Laborgehilfin erlitten hatte, als Arbeitsunfall und gewährte ihr ab (Tag der Antragstellung) eine Versehrtenrente von 20 v.H. der Vollrente als Dauerrente.

Das Erstgericht gab der dagegen erhobenen Klage teilweise statt und erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin auf Basis einer Bemessungsgrundlage von S 112.747,95 unter jeweiliger Berücksichtigung der unfallbedingten Krankenstände vom 8.7. bis und vom 1.1. bis jeweils eine 20-%ige, ab eine 30-%ige Versehrtenrente als Dauerrente im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Das Erstgericht legte seiner Entscheidung folgende Tatsachenfeststellungen zugrunde:

Die Klägerin zog sich in Ausübung ihrer unfallversicherten Erwerbstätigkeit am durch einen Sturz eine knöcherne Verletzung im Bereich der vorderen gelenksbildenden Schienbeinkante rechts zu. Ein unfallbedingter Krankenstand wurde vorerst nicht angetreten. Die Klägerin wurde zunächst ambulant und vom 16. bis stationär behandelt. Erst am erfolgte die operative Arthrodese des oberen rechten Sprunggelenkes. Ende 1988 war eine Verschlimmerung des Unfallfolgezustandes eingetreten. Ab dem Unfall bis Ende 1982 sowie vom 1.1. bis betrug die Minderung der Erwerbsfähigkeit 20 v.H., seit 30 v.H.

Seiner rechtlichen Beurteilung legte ging das Erstgericht zugrunde, daß die Unfallsanzeige im Jänner 1983 bei der Beklagten eingelangt sei. Zum Zeitpunkt der Antragstellung der Klägerin am habe eine unfallbedingte Erwerbsminderung im rentenbegründenden Ausmaß bestanden, so daß als Beurteilungszeitraum für die Zuerkennung einer Versehrtenrente die Zeit ab dem Unfall, sohin ab heranzuziehen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Rentenbegehren für die Zeit vom 8.7. bis abwies. Dazu stellte das Berufungsgericht ergänzend fest, daß die Ambulanzkarte der Unfallchirurgie der Universitätsklinik Innsbruck, in welcher die Verletzungen der Klägerin auf Grund des Unfalls vom angeführt waren und unter der Rubrik Unfallhergang "Arbeitsunfall" vermerkt war, am bei der Beklagten einlangte. Ein Verfahren wurde von der Beklagten erst eingeleitet, als die Klägerin am unter Hinweis auf den Arbeitsunfall einen Verschlimmerungsantrag stellte.

In rechtlicher Hinsicht ging das Berufungsgericht zunächst von § 86 Abs 4 ASVG idF der 50. Novelle aus, wonach dann, wenn eine Unfallsanzeige innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles erstattet werde, der Zeitpunkt des Einlangens dieser Unfallanzeige beim Unfallversicherungsträger als Tag der Einleitung des Verfahrens gelte, wenn dem Versicherten zum Zeitpunkt der späteren Antragstellung oder Einleitung des Verfahrens noch ein Anspruch auf Rentenleistung zustehe. Weder die Ambulanzkarte der Universitätsklinik noch der von der Klägerin ausgefüllte Erhebungsbogen entsprächen zwar der im § 363 ASVG vorgeschriebenen Unfallanzeige; diese Bestimmung enthalte aber keine gesetzliche Definition des Begriffes Unfallsanzeige, sondern lediglich die Verpflichtung der Dienstgeber und sonstiger meldepflichtiger Personen oder Stellen zur Meldung von Arbeitsunfällen unter Zuhilfenahme von Vordrucken. Ausgehend von der Intention des Gesetzgebers, mit der Neufassung des § 86 Abs 4 ASVG Härtefälle zu vermeiden, könne unter Unfallsanzeige in diesem Sinne nur verstanden werden, daß der zuständige Versicherungsträger von dem Arbeitsunfall seitens der unfallversicherten Person Mitteilung erhalte. Daß die Klägerin in Beantwortung der im Fragebogen der Beklagten vom gestellten Fragen das Vorliegen von Dauerfolgen verneint habe, könne ihren Anspruch auf Zuerkennung einer Versehrtenrente auch für die Zeit vor der formellen Antragstellung () nicht beseitigen. Mit der Neuregelung des § 86 Abs 4 ASVG sollten vor allem auch jene Fälle erfaßt werden, in welchen vom Versicherungsträger auf Grund der Angaben des Versicherten über die Unfallsverletzungen und die damit verbundenen Folgen zunächst kein Rentenverfahren eingeleitet werde, später jedoch körperliche Schäden einträten, die sich verschlimmerten und die Erwerbsfähigkeit verminderten. Die Beklagte habe daher der Klägerin die Versehrtenrente auf Basis der nicht mehr bekämpften Bemessungsgrundlage auch für die Zeit vor der formellen Antragstellung zu leisten, nicht jedoch bereits ab dem Unfalltag, weil hiefür keine gesetzliche Grundlage bestehe. Demnach entfalle der Zuspruch der Versehrtenrente für den Zeitraum vom 8.7. bis . Hingegen verbleibe es bei der Zuerkennung der Versehrtenrente vom 1.1. bis , weil bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Gewährung der Versehrtenrente auch vor dem Tag der formellen Antragstellung vorgelegen seien.

Die Klägerin bekämpft dieses Urteil mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung insoweit, als ihr nicht eine 20 %-ige Versehrtenrente für den Zeitraum 9.7. bis zuerkannt wurde.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Leistungen aus der Unfallversicherung fallen, wenn innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles weder der Anspruch von Amts wegen festgestellt noch ein Antrag auf Feststellung des Anspruches gestellt wurde, mit dem Tag der späteren Antragstellung bzw. mit dem Tag der Einleitung des Verfahrens an, das zur Feststellung des Anspruches führt (§ 86 Abs 4 ASVG; vgl. SSV-NF 2/25, 7/64). Wird aber eine Unfallsanzeige innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles erstattet, so gilt der Zeitpunkt des Einlangens der Unfallsanzeige beim Unfallversicherungsträger als Tag der Einleitung des Verfahrens, wenn dem Versicherten zum Zeitpunkt der späteren Antragstellung oder Einleitung des Verfahrens noch ein Anspruch auf Rentenleistungen zusteht (§ 86 Abs 4, Satz 2, ASVG idF der 50. Novelle). Die zuletzt genannte Fassung des § 86 Abs 4 ASVG ist zwar erst mit in Kraft getreten, gilt aber auch für Versicherungsfälle, die nach dem eingetreten sind (§ 547 Abs 4 ASVG idF der 50. Novelle). Dem Berufungsgericht ist beizustimmen, daß die am bei der Beklagten eingelangten Ambulanzkarte, in der die Verletzungen der Klägerin angeführt waren und in der sich auch der Hinweis auf einen Arbeitsunfall befunden hatte, zumindest in Zusammenhang mit dem von der Klägerin rückgemittelten Fragebogen, der am bei der Beklagten einlangte, eine Unfallsanzeige iS des § 86 Abs 4, Satz 2, ASVG zu erblicken ist, wobei kein Zweifel daran besteht, daß diese Unfallsanzeige innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles erstattet wurde. Daher gilt spätestens der als Tag der Einleitung des Verfahrens, womit aber für den Anfall der Leistung nicht mehr § 86 Abs 4, Satz 1, ASVG, sondern die Sonderbestimmung des § 204 ASVG heranzuziehen ist (Schrammel in Tomandl, SV-System 5. ErgLfg. 148; Tomandl aaO 354).

Besteht für eine durch einen Arbeitsunfall verursachte Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch aus Krankengeld aus der Krankenversicherung, so fällt die Versehrtenrente mit dem Tag nach dem Wegfall des Krankengeldes, spätestens mit der 27. Woche nach dem Eintritt des Versicherungsfalles an (§ 204 Abs 1 ASVG). Nach den Feststellungen nahm aber die Klägerin zunächst keinen Krankenstand in Anspruch, weshalb sie auch kein Krankengeld bezog. Da auch die übrigen Fälle des § 204 ASVG hier nicht in Betracht kommen, fiel daher die Versehrtenrente mit dem Tag nach dem Eintritt des Versicherungsfalles an (§ 204 Abs 5 ASVG), also mit dem . Dieses Ergebnis entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers der 50. ASVG-Novelle, wonach in Fällen wie dem vorliegenden verhindert werden soll, daß die Leistungen nicht rückwirkend mit dem Eintritt des Versicherungsfalles zuerkannt werden können (284 BlgNR 18. GP, 26; vgl SSV-NF 7/64, S. 287). Lediglich für den Unfallstag selbst () gebührt eine Versehrtenrente noch nicht. Nach den Feststellungen betrug die Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin ab dem Unfall bis zum Ende des Jahres 1982 20 v.H., weshalb sie für den Zeitraum vom 9.7. bis Anspruch auf eine Versehrtenrente im Ausmaß von 20 v.H. der Vollrente als Dauerrente besitzt (§§ 203 Abs 1, 205 Abs 1 ASVG).

In Stattgebung der Revision waren daher die Urteile der Vorinstanzen entsprechend abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASVG.