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OGH vom 14.10.2008, 8ObA44/08s

OGH vom 14.10.2008, 8ObA44/08s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Spenling und die Hofrätin Dr. Lovrek und die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Siegfried S*****, vertreten durch Dr. Hans Jalovetz und Dr. Paul Wachschütz, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Kleinszig und Dr. Christian Puswald, Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, wegen 3.297,48 EUR brutto und 40 EUR netto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 31/08w-17, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 35 Cga 178/07w-7 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , GZ 35 Cga 178/07w-11, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben wie folgt:

„Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger 3.297,48 EUR brutto und 40 EUR netto samt jeweils 11,19 % Zinsen seit zu bezahlen, wird abgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 611,42 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens (darin enthalten 101,90 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Der Kläger ist weiters schuldig, der Beklagten die mit 1.382,37 EUR bestimmten Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens (darin 142,89 EUR USt und 525 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war ab (s Berichtigungsbeschluss des Erstgerichts ON 11 und die dazu ergangene bestätigende Rekursentscheidung ON 18) bei der Beklagten als Maurer beschäftigt. Am wurde er bei einem Arbeitsunfall verletzt und war von diesem Zeitpunkt an durchgehend arbeitsunfähig. Das Dienstverhältnis wurde von der Beklagten zum durch Kündigung gelöst. Die Beklagte bezahlte dem Kläger aufgrund der Arbeitsunfähigkeit Entgelt für die Dauer von 8 Wochen sowie das auf den Zeitraum 26. 1. bis entfallende Entgelt fort.

Nach einer Einschränkung des Klagebegehrens begehrt der Kläger 3.297,48 EUR brutto und 40 EUR netto sA. Die Beklagte habe ihm aufgrund des Arbeitsunfalls vom lediglich 8 Wochen Entgeltfortzahlung geleistet. Ab Beginn des neuen Arbeitsjahres () bestünde jedoch ein weiterer Entgeltfortzahlungsanspruch des Klägers für weitere 8 Wochen (abzüglich des für den Zeitraum 26. 1. bis bereits geleisteten Entgelts).

Die Beklagte wendet ein, dass der Oberste Gerichtshof mit einer einzigen Entscheidung von seiner bisherigen Rechtsauffassung zur Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfällen abgewichen sei. Eine Beibehaltung dieser Einzelfallentscheidung würde den Dienstgeber in verfassungswidriger Weise benachteiligen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Berufung auf die Entscheidung 9 ObA 13/06m statt. Auch bei einer ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit entstehe mit dem Beginn eines neuen Arbeitsjahres jedenfalls ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht folgte ebenfalls der Entscheidung 9 ObA 13/06m, wonach bei einem Arbeitsunfall der Beginn des neuen Arbeitsjahres einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch auch bei einer durchgehenden Arbeitsverhinderung auslöst. Die Kritik an dieser Rechtsprechungsänderung sei kein Anlass, von der Entscheidung abzugehen. Aus der Absicht des Gesetzgebers sei abzuleiten, dass dem von einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit betroffenen Arbeitnehmer in der Frage der Entgeltfortzahlung gegenüber der Arbeitsverhinderung durch Krankheit Vorteile verschafft werden sollten.

Dagegen wendet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, die außerordentliche Revision zurückzuweisen; hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil sich die der Entscheidung der Vorinstanzen zugrunde liegende Rechtsmeinung nur auf die Entscheidung 9 ObA 13/06m stützen kann, die von der einschlägigen Vorentscheidung 4 Ob 52/76 (SZ 49/80) abweicht und überdies mehrfach im Schrifttum kritisiert wurde. Von einer „gesicherten Rechtsprechung" kann daher nicht ausgegangen werden (Kodek in Rechberger³ § 502 Rz 19 mwN).

Die Revision ist auch berechtigt.

Verfahrensentscheidend ist die Frage, ob ein Arbeitnehmer, der durch einen Arbeitsunfall an der Leistung seiner Arbeit verhindert wurde, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat (§ 2 Abs 5 erster Halbsatz EFZG) und dessen Entgeltfortzahlungsanspruch in einem Arbeitsjahr ausgeschöpft wurde, bei andauernder Arbeitsverhinderung wegen des Arbeitsunfalls im neuen Arbeitsjahr einen neuerlichen Entgeltfortzahlungsanspruch in der sich aus § 2 Abs 5 EFZG ergebenden Höhe hat.

Dazu vertrat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 52/76 (SZ 49/80) mit ausführlicher Begründung und unter Hinweis auf die Materialien zum EFZG BGBl 1974/399 die Auffassung, dass im Fall eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit der Beginn eines neuen Arbeitsjahres keinen neuerlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit begründe. Als wesentlich wurde hervorgehoben, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten grundsätzlich auf das Ereignis, nicht aber auf das Arbeitsjahr, abstelle.

Zum fortdauernden Krankenstand vertrat der Oberste Gerichtshof zunächst ebenfalls die Auffassung (8 ObA 2132/96d = SZ 70/76 = DRdA 1998/4 [krit Pfeil]), dass der Beginn eines neuen Arbeitsjahres keinen neuerlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen durchgehender Arbeitsverhinderung durch Unglücksfall oder Berufskrankheit auslöse.

Unter ausdrücklicher Ablehnung der Entscheidung 8 ObA 2132/96d gelangte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 ObA 163/98y (ZAS 1999/18 [zust Pernkopf]) und nach Auseinandersetzung mit der von einem Teil der Lehre geübten Kritik an der Vorentscheidung 8 ObA 2132/96d zum Ergebnis, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch bei Dienstverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall) nach dem Gesetzeswortlaut und den Materialien auf das Arbeitsjahr abstelle. Mit Beginn eines neuen Arbeitsjahres entstehe auch bei einem ununterbrochenen Krankenstand ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch. Gehe man unter Beachtung der Materialien von der Systematik des Gesetzes aus, wonach für die Entgeltfortzahlung infolge Krankheit oder Unglücksfall nicht auf die Dauer der einzelnen Arbeitsverhinderung, sondern nur darauf abgestellt werde, ob im betreffenden Arbeitsjahr das Höchstausmaß an Entgeltfortzahlung bereits ausgeschöpft sei, dann spreche dieses „Kontingentsystem" dafür, dass unabhängig von der Dauer der Arbeitsverhinderung im vorangegangenen Jahr mit Beginn des neuen Arbeitsjahres ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung entstehe. Diese Rechtsauffassung wurde in der Folge in drei weiteren Entscheidungen (s RIS-Justiz RS0111429) bekräftigt. Die genannten Entscheidungen betrafen ausschließlich Fälle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, nicht aber den hier zu beurteilenden, in § 2 Abs 5 EFZG geregelten Fall der Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit.

Mit letzterer Bestimmung beschäftigt sich die bereits von den Vorinstanzen zitierte Entscheidung 9 ObA 13/06m (ecolex 2006/403 = ZAS 2006/165). Unter Hinweis auf sonst bestehende Wertungswidersprüche wurde die zitierte Rechtsprechung zur Erkrankung auch auf Arbeitsunfälle bzw Berufskrankheiten übertragen. Die Entscheidung gelangte daher zum Ergebnis, dass auch bei einer ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit mit dem Beginn eines neuen Arbeitsjahres jedenfalls ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entstehe.

Binder (Zur Bemessung und Dauer von Entgeltfortzahlungsansprüchen, ZAS 2007/17, 100 [109]) pflichtet der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, allerdings explizit bezogen nur auf die Arbeitsverhinderung durch Krankheit, „cum grano salis" bei. Er weist darauf hin, dass dieser Judikatur allerdings die Schwäche inne wohne, dass bei langjährig andauernden Krankenständen in jedem neuen (fiktiven) Arbeitsjahr auch ein neuer voller Entgeltfortzahlungsanspruch entstehe. Wolle man die aus diesem Interpretationsverständnis resultierenden Fortzahlungsansprüche zeitlich abkürzen, so habe das unmittelbar durch den Gesetzgeber zu geschehen.

Rauch (Krankenentgelt nach EFZG und neues Arbeitsjahr, ASoK 2007, 18 [20 f]) vertritt demgegenüber generell die Auffassung, dass mit Beginn des neuen Arbeitsjahres während einer entgeltfreien Zeit kein neuer Anspruch entstehe, und zwar weder im Fall einer Dienstverhinderung aufgrund einer Erkrankung noch bei einer Dienstverhinderung aufgrund eines Arbeitsunfalls.

Ausführlich setzt sich mit dieser Frage Rothe (Neues Jahr - Neuer Anspruch? ecolex 2000, 518 ff) auseinander. Auch er gelangt zum Ergebnis, dass ausgehend vom Gesetzeswortlaut ein „durchgehender Krankenstand", wenn der Entgeltfortzahlungsanspruch bereits erschöpft ist, keine neue Entgeltpflicht des Arbeitgebers im neuen Arbeitsjahr auslöse. Er hält schon die zu § 2 Abs 1 EFZG mehrheitlich vertretene Meinung für verfehlt, dass sich der dort geregelte Entgeltfortzahlungsanspruch auf das Arbeitsjahr beziehe. Vielmehr stelle § 2 Abs 1 EFZG auf den Anlassfall ab. Auch § 2 Abs 4 EFZG schränke bloß die in § 2 Abs 1 EFZG festgelegten Ansprüche dahin ein, dass bei wiederholter Arbeitsverhinderung innerhalb eines Arbeitsjahres ein Entgeltfortzahlunsanspruch nur insofern bestehe, als die Dauer des Anspruchs gemäß § 2 Abs 1 EFZG noch nicht erschöpft sei.

Drs (Entgeltfortzahlungsanspruch bei Arbeitsunfall, RdW 2007/698, 673 ff) differenziert und meint, dass jedenfalls für den Fall des Arbeitsunfalls bzw der Berufskrankheit iSd § 2 Abs 5 EFZG der Entgeltfortzahlungsanspruch nur auf den Anlassfall, nicht aber auf das Arbeitsjahr bezogen sei. Nur bei Folgeverhinderungen aufgrund desselben Anlassfalls spiele das Arbeitsjahr ausnahmsweise eine Rolle. Bei durchgehender erstmaliger Dienstverhinderung wegen eines Arbeitsunfalls bzw einer Berufskrankheit entstehe mit Beginn des neuen Arbeitsjahres kein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch.

Spitzl (Entgeltfortzahlungsanspruch bei Arbeitsunfall, ecolex 2006, 852 ff) steht der Entscheidung 9 ObA 13/06m ebenfalls kritisch gegenüber und lehnt eine Übertragung der neueren Rechtsprechung zu § 2 Abs 1 und 4 EFZG auf Arbeitsunfälle ab.

Schließlich vertritt auch Pfeil (Glosse zu DRdA 1998/4) die Auffassung, dass bei wiederholten Arbeitsverhinderungen aufgrund von Arbeitsunfällen anders vorzugehen sei als bei Verhinderungen durch Krankheit, für die § 2 Abs 4 EFZG maßgebend sei. Pfeil pflichtet ausdrücklich der Entscheidung 4 Ob 52/76 bei, wonach abgesehen von dem in § 2 Abs 5 Satz 3 EFZG geregelten Ausnahmefall der Beginn eines neuen Arbeitsjahres keinen neuerlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit begründe.

Cerny/Kallab(Entgeltfortzahlungsgesetz [2001] § 3 Erl 26) kritisieren hingegen die Entscheidung 4 Ob 72/76 mit dem Hinweis darauf, dass ein Arbeitnehmer, der nach dem Beginn eines neuen Arbeitsjahres auch nur einen Tag gearbeitet hätte und dann wegen der Unfallfolgen erneut krank geschrieben worden wäre, gemäß § 2 Abs 5 Satz 3 EFZG im neuen Arbeitsjahr einen neuerlichen Entgeltfortzahlungsanspruch in voller Höhe hätte.

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

Anzuknüpfen ist zunächst am Gesetzeswortlaut: Gemäß § 2 Abs 1 EFZG behält ein Arbeitnehmer seinen Anspruch auf das Entgelt, wenn er nach Antritt des Dienstes durch Krankheit (Unglücksfall) an der Leistung seiner Arbeit verhindert ist, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat. Das Ausmaß der Entgeltfortzahlung hängt von der Dauer des Arbeitsverhältnisses ab. Gemäß § 2 Abs 4 EFZG besteht bei wiederholter Arbeitsverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall) innerhalb eines Arbeitsjahres ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nur insoweit, als die Dauer des Anspruchs gemäß Abs 1 noch nicht erschöpft ist.

Nach herrschender Auffassung ergibt sich aus dieser Gesetzessystematik, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch bei Dienstverhinderung durch Krankheit oder Unglücksfall im Gegensatz zum AngG auf das Arbeitsjahr abstellt (Binder aaO 109;Drs in ZellKomm § 2 EFZG Rz 14; Löschnigg Arbeitsrecht10 [2003] 405; Schrammel in Tomandl/Schrammel Arbeitsrecht² [2004] 145; Spitzl aaO 852;8 ObA 163/98y; aA Rothe aaO 519).

§ 2 Abs 5 EFZG sieht für Dienstverhinderungen durch Arbeitsunfall bzw Berufskrankheit eine von § 2 Abs 1 EFZG völlig unabhängige Regelung vor: Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit im Sinne der Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung an der Leistung seiner Arbeit verhindert, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er seinen Anspruch auf das Entgelt ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Arbeitsverhinderung bis zur Dauer von 8 Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt erhöht sich auf die Dauer von 10 Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis 15 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Bei wiederholten Arbeitsverhinderungen, die im unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit stehen, besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts innerhalb eines Arbeitsjahres nur insoweit, als die Dauer des Anspruchs nach dem 1. oder 2. Satz noch nicht erschöpft ist. Anders als die von § 2 Abs 1 EFZG erfassten Fälle regelt § 2 Abs 5 EFZG die Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten zunächst ausschließlich anlassbezogen. Das ergibt sich eindeutig aus der Formulierung in § 2 Abs 5 EFZG erster Satz („seinen Anspruch auf das Entgelt ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Arbeitsverhinderung behält"). Sowohl die Materialien zum EFZG BGBl 1974/399 (RV 1105 BlgNR 13. GP 12) als auch das einhellige Schrifttum (Cerny/Kallab aaO § 2 Erl 20, 25; Drs in ZellKomm § 2 EFZG Rz 18; Krecji in Adametz/Basalka/Krecji/M. Mayr/Stummvoll, EFZG § 2 Rz 29; Rothe aaO 520;Löschnigg aaO 405;Spitzl aaO 852) leiten daraus ab, dass das in § 2 Abs 5 EFZG vorgesehene Höchstausmaß des Entgeltfortzahlungsanspruchs für jeden einzelnen Fall einer Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, unabhängig von anderen Zeiten einer Arbeitsverhinderung durch Krankheit, gebührt. Diese Regelung stellt somit eine Begünstigung für den Arbeitnehmer dar, der einen Arbeitsunfall erlitten hat oder an einer Berufskrankheit leidet. Eine Einschränkung erfährt dieser Grundsatz nur durch § 2 Abs 5 Satz 3 EFZG, der für wiederholte Arbeitsverhinderungen, die im unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit bestehen, den Entgeltfortzahlungsanspruch innerhalb des Arbeitsjahres auf das sich aus § 2 Abs 5 Satz 1 und 2 EFZG ergebende Ausmaß beschränkt. Nur für diesen vom Gesetzgeber explizit geregelten Fall gewinnt bei Dienstverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit das Arbeitsjahr an Bedeutung.

Es könnte nun allerdings erwogen werden, den dritten Satz in § 2 Abs 5 EFZG, der in der Regierungsvorlage noch nicht enthalten war, so zu verstehen, dass die ursprünglich ausschließlich ereignisbezogene Konzeption der Entgeltfortzahlung bei einem Arbeitsunfall in einen auf Ereignis und Arbeitsjahr bezogenen Anspruch umgestaltet und somit an § 2 Abs 1, 2 und 4 EFZG angeglichen werden sollte. In der Entscheidung 4 Ob 52/76 wurde eine solche „Umgestaltung" mit dem beachtlichen Argument verneint, dass die Bestimmung des § 2 Abs 5 Satz 3 EFZG nicht notwendig gewesen wäre, wenn ohnehin die Bestimmung des § 2 Abs 4 EFZG auch für den Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts bei Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit allgemein anzuwenden wäre. Da dem Ausschussbericht eine derartige „Umgestaltungsabsicht" nicht zu entnehmen ist, wurde in der Entscheidung 4 Ob 52/76 der Schluss gezogen, dass § 2 Abs 5 Satz 3 EFZG nur eine besondere Regelung des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit für den Fall darstelle, dass das betreffende Ereignis nicht eine ununterbrochene Arbeitsverhinderung, sondern wiederholte Arbeitsverhinderungen auslöse, die aber mit diesem Ereignis in einem unmittelbaren ursächlichen Zusammenhang stünden. Es könne hingegen aus dieser Bestimmung nicht abgeleitet werden, dass der im ersten und zweiten Satz des Abs 5 des § 2 EFZG festgelegte Umfang des Anspruchs bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten in der Weise erweitert würde, dass der Anspruch mit Beginn eines neuen Arbeitsjahres wieder voll zustünde.

Dieser Auffassung ist beizupflichten, sodass die gegenteilige, in 9 ObA 13/06m vertretene Meinung nicht aufrecht erhalten werden kann. Neben den bereits in 4 Ob 52/76 dargestellten Erwägungen ist hervorzuheben, dass wesentlichstes Argument für den Judikaturwechsel zu § 2 Abs 1 EFZG das aus § 2 Abs 1 und 4 EFZG abzuleitende „Kontingentsystem" (8 ObA 163/98y) war. Für die Entgeltfortzahlung infolge Krankheit oder Unglücksfall wird nicht auf die Dauer der einzelnen Arbeitsverhinderung, sondern nur darauf abgestellt, ob im betreffenden Arbeitsjahr das Höchstausmaß („Kontingent") an Entgeltfortzahlung für Krankheiten (Unglücksfälle) bereits ausgeschöpft ist. Daher wurde unabhängig von der Dauer der Arbeitsverhinderung im vorangegangenen Jahr und einer allenfalls damit verbundenen Erschöpfung des Entgeltfortzahlungsanspruchs mit Beginn des neuen Arbeitsjahres ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung auch bei einer ununterbrochenen Erkrankung bejaht. Für den Dienstgeber bedeutet das im Ergebnis, dass er trotz Bejahung eines neuen Entgeltfortzahlungsanspruchs im neuen Arbeitsjahr bei ununterbrochener Dienstverhinderung nicht Gefahr läuft, pro Arbeitsjahr mehr als das sich aus § 2 Abs 1 EFZG ergebende Ausmaß an Entgeltfortzahlung zu leisten. Diese Überlegungen versagen aber bei Arbeitsunfall oder Berufskrankheit deshalb, weil aus der grundsätzlichen Anordnung in § 2 Abs 5 Satz 1 EFZG abzuleiten ist, dass dieses „Kontingentsystem" für Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten gerade nicht gilt.

Auch wertungsmäßig spricht nichts dagegen, den Entgeltfortzahlungsanspruch bei Arbeitsunfall und Berufskrankheit bei dadurch bedingter ununterbrochener Verhinderung über das Arbeitsjahr hinaus mit dem sich für diesen Anlassfall in § 2 Abs 5 Satz 1 und 2 EFZG vorgesehenen Höchstausmaß „zu deckeln". § 2 Abs 5 Satz 3 EFZG stellt lediglich eine Sonderregelung dar, die den Fall einer „wiederholten" Arbeitsverhinderung wegen desselben Arbeitsunfalls bzw derselben Berufskrankheit regelt: Tritt diese „wiederholte" Arbeitsverhinderung in einem Arbeitsjahr ein, hat der Arbeitnehmer nur einen Entgeltfortzahlungsanspruch in der sich aus § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 EFZG ergebenden Gesamthöhe. Reicht hingegen die „wiederholte Arbeitsverhinderung" in das nächste Arbeitsjahr hinein, besteht ein neuerlicher Entgeltfortzahlungsanspruch, der aber voraussetzt, dass der Arbeitnehmer zwischenzeitig seine Arbeit angetreten hat. Der in 9 ObA 13/06m zum Ausdruck kommenden Auffassung, dass eine derartige Schlechterstellung des Arbeitnehmers für den Fall des Arbeitsunfalls bzw der Berufskrankheit mit der Absicht des Gesetzgebers nicht vereinbar sei, ist zu entgegnen, dass für die beiden Dienstverhinderungsgründe des § 2 Abs 1 und 5 EFZG zunächst sehr unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen normiert wurden: So sah etwa § 2 Abs 1 EFZG vor dem ARÄG 2000 eine maximale Entgeltfortzahlungsdauer von 4 bis 10 Wochen (je nach Dienstzeit) vor, während der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 2 Abs 5 EFZG schon damals 8 bis 10 Wochen betrug. Darüber hinaus galt nach der Rechtslage vor dem ARÄG 2000 im Gegensatz zu § 2 Abs 5 EFZG noch eine 14tägige Wartefrist am Anfang des Arbeitsverhältnisses. Die Änderungen durch das ARÄG 2000 betrafen ausschließlich § 2 Abs 1 EFZG und begünstigen den Arbeitnehmer bei Erkrankung (Unglücksfall) durch eine Ausweitung der Entgeltfortzahlungsdauer und Abschaffung der Wartefrist. § 2 Abs 5 EFZG blieb unverändert. Damit erfolgte eine weitere Angleichung der Entgeltfortzahlungsbestimmungen für Arbeiter an jene der Angestellten. Im AngG ist aber die Dienstverhinderung durch Arbeitsunfall bzw Berufskrankheit grundsätzlich nicht isoliert von „normalen" Krankenständen geregelt (zu den Details und der Ausnahme in § 8 Abs 1 AngG für Angestellte, deren Arbeitsverhältnis noch keine 5 Jahre dauerte, s Drs in ZellKomm § 8 AngG Rz 99 ff mwN). Es ist daher schon aus diesem Grund die Annahme nicht zwingend, dass es noch der Absicht des Gesetzgebers entspricht, den aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verhinderten Arbeiter besser zu stellen als bei „normaler" Krankheit (Drs, RdW 2007, 674). Selbst wenn man aber trotz der dargestellten Änderungen durch das ARÄG 2000 - die Krankheit/Unglücksfall in der Entgeltfortzahlungsdauer gegenüber Arbeitsunfall/Berufskrankheit sogar privilegieren - weiterhin eine Absicht des Gesetzgebers unterstellt, den Arbeitnehmer bei Arbeitsunfällen gegenüber der Arbeitsverhinderung durch Krankheit besser zu stellen, muss sich daraus nicht zwingend in jeder nur denkbaren Fallkonstellation eine Besserstellung der Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall ergeben. Es darf nicht übersehen werden, dass die Entgeltfortzahlungsbestimmungen bei Arbeitsunfall wegen der ereignisbezogenen Gestaltung des Anspruchs in ihrer Gesamtheit dem Arbeitnehmer noch immer wesentliche Vorteile gegenüber den Entgeltfortzahlungsbestimmungen bei Krankheit gewähren, die vom erwähnten „Kontingentsystem" ausgehen.

Auch mögliche „Zufallseffekte", die sich aus dieser Auslegung des § 2 Abs 5 EFZG ergeben könnten, ändern an dieser Beurteilung nichts. Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Gesamtkonzeption des EFZG „Zufallseffekte" keineswegs ausschließt. So hängt etwa bei Erkrankungen iSd § 2 Abs 1 EFZG die Höhe des Entgeltfortzahlungsanspruchs maßgeblich davon ab, wann die dadurch bedingte Arbeitsverhinderung eintritt. Hat etwa ein Arbeitnehmer seinen Entgeltfortzahlungsanspruch infolge Krankheit iSd § 2 Abs 1 EFZG in einem Arbeitsjahr bereits voll ausgeschöpft und erkrankt er knapp vor Ende dieses Arbeitsjahres bis zu dessen Ende neuerlich, so erhält er keine weitere Entgeltfortzahlung. Erkrankt er hingegen unmittelbar zu Beginn des neuen Arbeitsjahres, so bewirkt das durch § 2 Abs 1 EFZG geschaffene „Kontingentsystem" einen Entgeltfortzahlungsanspruch in voller Höhe. Die in der Entscheidung 8 ObA 163/98y angesprochene Problematik, dass ein Unterschied zwischen ununterbrochen fortdauernder Arbeitsverhinderung und unterbrochener Arbeitsverhinderung zu dem unsachlichen Ergebnis führen würde, dass schon die Arbeitsleistung an einem einzigen Tag des neuen Arbeitsjahres einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch auslöse, stellt somit in Wahrheit keinen Sonderfall dar, weil die Bestimmungen des EFZG aus den dargelegten Gründen auch in anderen Fällen zu von „Zufälligkeiten" abhängigen Entgeltfortzahlungsansprüchen führen.

Die Befürchtung, dass ein Arbeitnehmer im neuen Arbeitsjahr bloß einen Tag die Arbeit antritt, um dann bei neuerlicher Dienstverhinderung aufgrund derselben Ursache erneut einen vollen Entgeltfortzahlungsanspruch zu haben (Cerny/Kallab aaO § 2 Erl 26; s auch 8 ObA 163/98y), kann ebenfalls zu keiner anderen Auslegung des § 2 Abs 5 EFZG führen. Ein entsprechend willkürliches Verhalten des Arbeitnehmers, der bloß kurzfristig trotz an sich gegebener weiterer Arbeitsunfähigkeit die Arbeit aufnimmt, um seine Ansprüche über die gesetzliche Maximalfrist hinaus zu verlängern, müsste zur Beurteilung der Einheitlichkeit der Dienstverhinderungen führen (Rauch aaO 19 f).

Zusammengefasst folgt daher, das der Oberste Gerichtshof die in 9 ObA 13/06m vertretene Auffassung nicht mehr aufrecht erhält. Der Entgeltfortzahlungsanspruch des § 2 Abs 5 EFZG, der sich auf den Anlassfall bezieht, ist bei durchgehender Dienstverhinderung wegen eines Arbeitsunfalls bzw einer Berufskrankheit auch dann mit der sich aus § 2 Abs 5 Satz 1 und 2 EFZG ergebenden Höhe begrenzt, wenn diese in das neue Arbeitsjahr hinreicht. Für die Anwendung des § 2 Abs 5 Satz 3 EFZG, der einen neuerlichen Entgeltfortzahlungsanspruch im neuen Arbeitsjahr bei wiederholter Arbeitsverhinderung gewährt, ist vorausgesetzt, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit zwischenzeitig wieder aufgenommen hat.

Der Revision war daher Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gründet sich auf §§ 41, 43 Abs 2 erster Fall und 50 ZPO. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Für die Berufung gebührt lediglich ein Einheitssatz von 180 %. Eine mündliche Berufungsverhandlung fand nicht statt.