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OGH vom 19.12.1994, 10ObS262/94

OGH vom 19.12.1994, 10ObS262/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Steinbauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Werner Fendrich (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Halina E*****, vertreten durch Dr.Karl Haas, Dr.Georg Lugert, Rechtsanwaltpartnerschaft in St.Pölten, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr.Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Witwenpension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 31 Rs 44/94-7, womit infolge Berufung der Klägerin das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 27 Cgs 242/93m-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der Beklagten vom wurde der Anspruch der Klägerin auf Witwenpension nach dem am verstorbenen Ehegatten der Klägerin Josef E***** ab anerkannt und mit gemäß § 258 Abs 2 Z 2 lit c ASVG befristet.

Die Klägerin begehrt die unbefristete Weitergewährung der Witwenpension auch über den hinaus.

Das Erstgericht wies ausgehend von dem im folgenden dargestellten Sachverhalt das Klagebegehren ab:

Die Klägerin lernte Josef E***** im Jahr 1982 kennen. Anfang Februar 1983 bat er sie, seine Frau zu werden. Er erhielt das Ehefähigkeitszeugnis noch im Februar 1983. Die Klägerin, die die polnische Staatsbürgerschaft besaß, forderte die nötigen Dokumente aus Polen an. Die Hochzeit war für März 1983 geplant. Wegen des Kriegszustandes in Polen dauerte die Erledigung vier bis fünf Monate, sodaß der Hochzeitstermin auf den verschoben werden mußte. Im April 1983 gingen beide eine Lebensgemeinschaft miteinander ein. Am schloß die am geborene Klägerin mit dem am 17.7.1898 geborenen Josef E***** die Ehe. Am verstarb Josef E*****. Im Zeitpunkt der Eheschließung hatte er bereits einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf Alterspension. Der Altersunterschied der Ehegatten betrug 27 Jahre. Die Ehe dauerte neun Jahr und zehn Monate.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß gemäß § 258 Abs 2 Z 2 lit c ASVG der Witwe nach dem Tod des versicherten Ehegatten eine Witwenpension bis zum Ablauf von 30 Kalendermonaten nach dem Letzten des Monates des Todes des versicherten Ehegatten gebühre, wenn der überlebende Ehegatte bei Eintritt des Versicherungsfalles des Todes des Versicherten das 35. Lebensjahr bereits vollendet habe und die Ehe in einem Zeitpunkt geschlossen worden sei, in dem der andere Ehegatte einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine Pension auf den Versicherungsfall des Alters gehabt habe, es wäre denn, daß die Ehe mindestens 10 Jahre gedauert und der Altersunterschied der Ehegatten mehr als 25 Jahre betragen habe. Die Ehe habe weniger als 10 Jahre gedauert, sodaß es ohne Bedeutung sei, aus welchen Gründen die 10-jährige Ehedauer nicht erreicht werden konnte. Billigkeitserwägungen hätten außer Betracht zu bleiben.

Das Gericht der zweiten Instanz ergab der von der Klägerin erhobenen Berufung nicht Folge. Es vertrat die Rechtsansicht, daß bei Prüfung der Voraussetzungen des § 258 Abs 2 ASVG vom Zeitpunkt der Eheschließung vor dem staatlichen Standesbeamten auszugehen sei. Daß die verspätete Eheschließung nicht auf ein Verschulden zurückzuführen sei, begründe bei der klaren Gesetzesaussage keine Möglichkeit einer ergänzenden Auslegung. Die Zeiten der Lebensgemeinschaft könnten nicht eingerechnet werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern.

Die beklagte Partei stellt den Antrag, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Eine Gesetzesbestimmung erfordert ihre Auslegung nur dann, wenn sie mehrdeutig, mißverständlich oder unvollständig ist (Koziol/Welser, Grundriß9 16 f). Dabei begründet der äußerste mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung (Koziol/Welser aaO 21 mwN).

Das Wort Ehe und dessen Bedeutung im § 258 Abs 2 Z 2 lit c ASVG ist weder mehrdeutig noch mißverständlich, sodaß darin bereits der äußerste mögliche Wortsinn zum Ausdruck kommt und nicht durch Interpretation überschritten werden kann. Es käme lediglich eine "Lückenfüllung" in Betracht (Koziol/Welser aaO 21). Eine Gesetzeslücke ist aber nur gegeben, wenn die Regelung eines Sachbereiches keine Bestimmung für eine Frage enthält, die im Zusammenhang mit dieser Regelung an sich geregelt werden müßte, also wenn die Norm gemessen an ihrer Teleologie unvollständig, also ergänzungsbedürftig wäre und ihre Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (Bydlinski in Rummel ABGB2 Rz 7 zu § 7; DRdA 1994/23). Bei der "echten" Lücke erweisen sich ausdrücklich getroffene Bestimmungen im Einzelfall als nicht anwendbar. § 258 Abs 2 Z 2 lit c ASVG regelt die Frage nicht, ob auch Zeiten einer Lebensgemeinschaft in die erforderliche 10-jährige Ehedauer einzubeziehen sind. Der im Gesetz nicht angeführte Fall einer Lebensgemeinschaft ist aber vom Gesetzgeber nach der Teleologie des Gesetzes bewußt nicht geregelt worden, so daß es an einer Möglichkeit einer ergänzenden Rechtsfindung fehlt (DRdA 1994/23 mwN).

Nur die im ASVG (§ 123) als nahe Angehörige eingestuften Ehegatten, sollen nach dem Zweck und Wortlaut des Gesetzes unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Witwenpension haben. Der Gesetzgeber knüpft den Anspruch auf Witwenpension daher nur auf die von der Rechtsordnung allgemein mit ganz wenigen Ausnahmen anerkannte und sohin dem Regelfall entsprechende Familiengemeinschaft der Ehe an. Davon unterscheidet sich aber eine Lebensgemeinschaft soweit, daß deren Gleichbehandlung mit der Ehe sachlich ungerechtfertigt wäre. Das Gesetz bietet daher keine Handhabe, die Dauer der einer Ehe vorangegangenen Lebensgemeinschaft in die Dauer der Ehe einzurechnen (Teschner in Tomandl System 7. ErgLfg, 400; so schon das in Sozialrechtssachen vor dem als Höchstgericht zuständige Oberlandesgericht Wien in SSV 14/37, 23/1; auch SSV-NF 5/112), noch auf die Gründe bedacht zu nehmen, die eine frühere Eheschließung verhindert haben.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.