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OGH vom 19.12.2017, 11Os35/17g

OGH vom 19.12.2017, 11Os35/17g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der OKontr. Bayer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günther A***** wegen der Verbrechen nach § 3g VG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Geschworenengericht vom , GZ 15 Hv 74/16s-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen (richtig auf § 336 StPO zu stützenden) Freispruch von gleichartigen Vorwürfen enthält, wurde Günther A***** der Verbrechen nach § 3g VG schuldig erkannt.

Danach hat er sich – zusammengefasst wiedergegeben – in den Jahren 2011 und 2012 in S***** und andernorts auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt,

I./ indem er als förderndes Mitglied mit unbeschränktem Zugang zum T*****-Forum, dem bedeutendsten, typisch nationalsozialistische Programmpunkte fördernden, rechtsextremistischen Internetforum in deutscher Sprache mit breiter Öffentlichkeitswirkung,

1./ Tonträger mit nationalsozialistischem Gedankengut, und zwar LPs und CDs mit im Urteil im Volltext enthaltenen Liedern zum Kauf und Tausch anbot, und zwar

a./ eine LP der Gruppe „Sturm 18“ mit dem Titel „Gott mit uns“ beinhaltend die Lieder „Das alte Joch“ und „Heß“;

b./ eine CD der Gruppe „Kommando Freisler“ mit dem Titel „Kaufen, hören, hassen“ beinhaltend die Lieder „Wir sind zurück“, „Mett“ und „Assi“;

c./ eine LP der Gruppe „Störkraft“ mit dem Titel „Dreckig, kahl und hundsgemein“ beinhaltend das Lied „Blut und Ehre“;

d./ eine CD der Gruppe „Reichstrunkenbold“ mit dem Titel „Der Untergrund stirbt nie“ beinhaltend die Lieder „Revolution“, „Großdeutschland“, „Würfelspiel“, „Es zittern die Knochen“, „Am Tag der Revolution“, „Ein junges Volk steht auf“, „Der Untergrund stirbt nie“, „Brüder im Osten und Westen“, „In Buchenwald“, „Niedersachsenlied“, „Patenschaft“, „Westerwald“, „Mauthausen“ und „Lagertour“;

e./ eine CD der Gruppe „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“ mit dem Titel „Adolf Hitler lebt“ (1. Pressung) beinhaltend die Lieder „Goebbels für alle“, „Über Gräber vorwärts“, „Döner-Killer“, „Bis nach Istanbul“, „Geschwür am After“ und „Adolf Hitler lebt“;

f./ eine weitere CD der Gruppe „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“ mit dem Titel „Adolf Hitler lebt“ beinhaltend die Lieder „Goebbels für alle“, „Über Gräber vorwärts“, „Döner-Killer“, „Bis nach Istanbul“, „Geschwür am After“ und „Adolf Hitler lebt“;

2./ durch das Posting: „Damals wie heute: Kommst du als Deutscher hier rein, soll dein Gruß: Heil Hitler sein!“ einen Diskussionsbeitrag rechtsextremen Inhalts veröffentlichte,

3./ eine Hitlerbüste zum Kauf und Tausch anbot, wobei die Handlungen dazu bestimmt waren, bei anderen Personen eine nationalsozialistische Gesinnung zu erwecken und Personen in einer bereits vorhandenen derartigen Gesinnung zu bestärken,

II./ indem er das T*****-Forum bzw deren Betreiber durch Überweisung im Urteil genannter Bargeldbeträge unterstützte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die vom Angeklagten aus § 345 Abs 1 Z 6, 8, 10a und 11 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde.

Vorab ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom einen auf Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B-VG gestützten Antrag des Angeklagten, § 3g VG in eventu das genannte Gesetz zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben, als verspätet zurückgewiesen hat (G 70/2017).

Der Erledigung der Fragenrüge (Z 6) ist voranzustellen, dass nach § 312 StPO alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung dergestalt in die (Haupt-)Frage aufzunehmen sind, dass nicht nur die Individualisierung der Tat(en) zum Zweck der Ausschaltung der Gefahr der neuerlichen Verfolgung und Verurteilung wegen derselben Tat sichergestellt ist, sondern auch deren Konkretisierung durch Aufnahme der den einzelnen Deliktsmerkmalen entsprechenden tatsächlichen Gegebenheiten, die die Subsumtion des von den Geschworenen ihrem Wahrspruch zugrunde gelegten Sachverhalts ermöglicht und die Überprüfbarkeit dieser Subsumtion durch den Obersten Gerichtshof gewährleistet (RIS-Justiz RS0119082, RS0100686).

Die Fragenrüge kritisiert die „undifferenzierte Wiedergabe von Liedtexten ohne Bezugnahme auf konkrete einzelne Textstellen“, wobei „gewisse“ – vom Beschwerdeführer nicht näher bezeichnete – „in den Hauptfragen enthaltene Textstellen ihrem Wortlaut nach weder eine Verherrlichung des Nationalsozialismus oder deren Repräsentanten, noch […] Maßnahmen und Ziele […] zum Gegenstand haben“, als „nicht hinreichend individualisiert (konkretisiert)“. Sie lässt damit nicht erkennen, weshalb der gesetzlichen Pflicht zur Individualisierung und Konkretisierung der Tat (§ 312 Abs 1 zweiter Satz StPO; RIS-Justiz RS0079817) im Gegenstand durch die vollständige Wiedergabe der inkriminierten Liedtexte nicht entsprochen worden sein soll und entzieht sich demnach einer inhaltlichen Erwiderung.

Im Übrigen wird die in Kritik gezogene Formulierung der an die Geschworenen gerichteten Hauptfragen 1 bis 8 den gesetzlichen Erfordernissen durchaus gerecht, zielt sie doch unmissverständlich darauf ab, ob sich der Beschwerdeführer durch das Angebot der jeweils nationalsozialistisches Gedankengut propagierenden, mit Gruppe und Titel bezeichneten Tonträger auf andere als die in §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigte. Jeder Tonträger (LP, CD) enthält – in Zusammenschau mit den Interpreten (bezeichnet als
Gruppe) – Liedgut mit typisch nationalsozialistischer Propaganda. Da jedoch das Anbieten der Tonträger – und nicht etwa das Singen/Abspielen etc der einzelnen Lieder – die Tathandlung darstellt, ist diese jedenfalls hinreichend individualisiert und konkretisiert, da jene Umstände in die Fragestellung aufgenommen wurden, aus denen sich im konkreten Fall eine auf das Anbieten der Tonträger bezogene nationalsozialistische Wiederbetätigung ergibt (11 Os 48/02). Welche zusätzlichen konkreten Textpassagen in die Fragen aufzunehmen gewesen wären, legt der Beschwerdeführer in seinem weiteren Vorbringen nicht dar.

Ferner vermisst er eine nähere Konkretisierung der Hauptfragen 1 bis 8 und 10 dahingehend, „wo und wie“ die Tonträger und die Büste zum Kauf und Tausch angeboten wurden. Er legt indes nicht dar, weshalb durch das Unterlassen einer näheren Umschreibung der Tatumstände eine der in §§ 312 bis 317 StPO enthaltenen Vorschriften verletzt worden sein soll und lässt damit erneut eine am Gesetz orientierte Darstellung des behaupteten Nichtigkeitsgrundes vermissen. Gemäß § 312 Abs 1 StPO müssen nämlich in einer Hauptfrage alle gesetzlichen Merkmale der Tat lediglich individualisiert und konkretisiert, nicht jedoch in Form einer erschöpfenden Beschreibung spezialisiert werden (RIS-Justiz RS0100780 [T6]; Lässig, WK-StPO § 312 Rz 20).

Kritik am Unterlassen einer Eventualfrage an die Geschworenen wird nur dann prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht, wenn die Beschwerde in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 302 Abs 1 StPO iVm § 258 Abs 1 StPO), die einen Sachverhalt, der nach den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen Anlass zur begehrten Fragestellung geboten hätte, indizieren, deutlich und bestimmt bezeichnet. Erforderlichenfalls ist der Bezug zu der der angestrebten Frage zugrunde liegenden rechtlichen Kategorie methodengerecht herzustellen (RIS-Justiz RS0117447, RS0119418; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23, 43).

Indem die Fragenrüge zu den Hauptfragen 1 bis 8 und 10 unter Berufung auf die Verantwortung des Angeklagten, wonach es für die angebotenen Objekte keine Interessenten gegeben habe, die Stellung einer Eventualfrage in Richtung Versuch (§ 314 Abs 1 erster Fall StPO) reklamiert, wird kein die begehrte Frage indizierendes Sachverhaltssubstrat bezeichnet, zumal angesichts der weitreichenden Fassung des Tatbestands des § 3g VG nach Art einer Generalklausel („Wer sich auf andere … Weise … betätigt“) schon jede für die Außenwelt wahrnehmbare Betätigung im NS-Sinn das vollendete Delikt darstellt (RIS-Justiz RS0079829 [T1], RS0079964).

Gegenstand der Instruktionsrüge (Z 8) ist der Inhalt der von §§ 321, 323 Abs 1 und 327 Abs 1 StPO genannten Belehrungen, die sich auf die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlungen, auf welche die Fragen an die Geschworenen gerichtet sind, die Auslegung der in diesen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes, das Verhältnis der Fragen zueinander und die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage beziehen. Allfällige Fehler bei der Erörterung überflüssiger Rechtsfragen stehen nicht unter Nichtigkeitssanktion (RIS-Justiz RS0100949, RS0101085). Hinzu kommt, dass die Rechtsbelehrung nur insofern angefochten werden kann, als sie Fragen betrifft, die den Geschworenen tatsächlich gestellt worden sind. Dabei ist zu beachten, dass sämtliche Belehrungen eine Einheit bilden, die nur als Ganzes betrachtet (RIS-Justiz RS0100695) richtig oder unrichtig sein kann (zum Ganzen: RIS-Justiz RS0125434; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 53, 54, 56, 63).

Die Kritik, dass durch die Ausführungen im Allgemeinen Teil der Rechtsbelehrung, wonach sich der Vorsatz auf alle Tatbildmerkmale, nicht jedoch „objektive Bedingungen der Strafbarkeit“ beziehen muss (ON 38 Rechtsbelehrung S 9), bei den Geschworenen mangels weiterer Auflösung dieses Begriffs der Eindruck entstehen konnte, „gewisse Tatbildmerkmale“ müssten nicht vom Vorsatz umfasst sein, übergeht die eingehende Darlegung der inneren Tatseite des § 3g VG im Besonderen Teil der Rechtsbelehrung (ON 38 Rechtsbelehrung S 22, 23). Mangels gebotener Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Rechtsbelehrung (Philipp, WK-StPO § 321 Rz 18) wird die nur auf einen daraus isoliert herausgegriffenen Teil rekurrierende Instruktionsrüge nicht prozessförmig zur Darstellung gebracht (RIS-Justiz RS0100695 [T7]).

Inwiefern die den Geschworenen erteilte Rechtsbelehrung betreffend Deliktsvollendung durch „das (vom entsprechenden Tätervorsatz getragene) Ansammeln von nationalsozialistischem Propagandamaterial“ (ON 38 Rechtsbelehrung S 22) unrichtig sein soll, lässt die abermals nicht an deren Gesamtheit orientierte Rüge nicht erkennen. Insbesondere ignoriert der Rechtsmittelwerber die explizite Klarstellung, dass durch den bloßen (mit keiner weiteren Intention verbundenen) Besitz von nationalsozialistischem Propagandamaterial der Tatbestand des § 3g VG nicht verwirklicht wird (ON 38 Rechtsbelehrung S 23).

Die Tatsachenrüge (Z 10a) vernachlässigt den Anfechtungsrahmen dieses Nichtigkeitsgrundes, der dazu dient, anhand aktenkundiger Umstände unter Beachtung sämtlicher Verfahrensergebnisse erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Solche erheblichen Bedenken liegen nur dann vor, wenn die Laienrichter das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO gesetzlich zustehende Ermessen bei der Beweiswürdigung in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben und damit eine Fehlentscheidung qualifiziert naheliegt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 470, 490; RIS-Justiz RS0119583 [T13]). Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (vgl RIS-Justiz RS0119583, RS0118780).

Indem der Beschwerdeführer unter Hervorkehrung seiner Verantwortung das Nichtvorliegen des Tatbestandsmerkmals „Betätigung im national-sozialistischen Sinne“, den fehlenden Propagandaeffekt, den Inhalt der Liedtexte und seines Postings als nicht (eindeutig) nationalsozialistisch sowie die Überweisung geringfügiger Bargeldbeträge als keine wesentliche Unterstützung des T*****-Forums thematisiert, verlässt er diesen Anfechtungsrahmen. Die Bewertung einer Betätigung als „im nationalsozialistischen Sinne“ stellt überdies eine aus § 345 Abs 1 Z 10a StPO nicht bekämpfbare Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0110511).

Die Rechtsrüge (Z 11 lit a) kritisiert neuerlich das Fehlen einer Konkretisierung der näheren Tatumstände des Anbietens der Tonträger und der Büste. Ein Rechtsfehler mangels Feststellungen (RIS-Justiz RS0120637 [T1], RS0100780 [T5]) wird dadurch nicht prozessförmig geltend gemacht, legt der Beschwerdeführer doch nicht dar, aus welchem Grund die Aufnahme weiterer Tatmodalitäten für die Subsumtion erforderlich gewesen wäre und übergeht mangels Orientierung an der Gesamtheit des Wahrspruchs (RIS-Justiz RS0099810, RS0101089) zudem, dass die angebotenen Gegenstände dazu bestimmt waren, „eine nationalsozialistische Gesinnung zu erwecken und eine bereits vorhandene derartige Gesinnung zu bestärken“.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 zweiter Satz StPO).

Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 344 zweiter Satz StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00035.17G.1219.000
Schlagworte:
Strafrecht;

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