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OGH vom 16.12.2009, 17Ob28/09f

OGH vom 16.12.2009, 17Ob28/09f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Revisionsrekursgericht durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** B*****, vertreten durch Dr. Stefan Vargha, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. A***** P*****, vertreten durch Dr. Riedl & Dr. Ludwig Rechtsanwälte GmbH in Haag, 2. E***** P*****, 3. I***** P*****, beide vertreten durch Mag. Nikolaus Hirschko, Rechtsanwalt in Wien, wegen 12.864,26 EUR sA, „Verhängung einer Mutwillstrafe" (Streitwert 2.000 EUR), Feststellung (Streitwert 5.000 EUR) und Rechnungslegung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision und den „außerordentlichen" Revisionsrekurs des Klägers gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 1 R 80/09f-57, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision und der „außerordentliche" Revisionsrekurs werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger macht gegen die drei Beklagten Ansprüche aus einem Vertrag über die Beteiligung an den Erträgen eines Patents geltend. Diesen Vertrag hatte er mit dem Erstbeklagten geschlossen; für die Erfüllung haften auch der Zweit- und die Drittbeklagte.

Die Vorinstanzen haben über die Zahlungsansprüche bereits rechtskräftig entschieden. Nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weiters ein Teil des Rechnungslegungsbegehrens und ein auf § 408 ZPO gestützter Antrag auf Verhängung einer „Mutwillstrafe". Insofern hat das Berufungsgericht die abweisende Entscheidung des Erstgerichts ohne Rechtskraftvorbehalt aufgehoben.

Im Revisionsverfahren strittig sind das Begehren auf Feststellung, dass dem Kläger 3 % der Erträge „aus dem Verkauf von Maschinen sowie Hilfs- und Betriebsstoffen" zustünden, die „im Zusammenhang mit der praktischen Anwendung" des Patents erzielt würden, und ein auf diese Erträge gerichtetes Rechnungslegungsbegehren. Insofern hatte der Kläger in einem Vorverfahren gegenüber dem Erstbeklagten die inzwischen rechtskräftige Feststellung erwirkt, dieser hafte ihm für „3 % der gesamten Beteiligungserträgnisse" des Patents. Nach seiner Auffassung erfasst die Bindungswirkung dieser Entscheidung auch die hier strittigen Erträge; dies gelte auch im Verhältnis zum Zweit- und zur Drittbeklagten.

Das Erstgericht verneinte eine Bindung und wies das Begehren in der Sache ab. Der Kläger habe einer Vereinbarung des Erstbeklagten mit einem dritten Unternehmen zugestimmt, wonach die hier strittigen Erträge allein diesem zustünden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete seinen Entscheidungsgegenstand mit über 20.000 EUR und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Es war ebenfalls der Auffassung, dass der Kläger der Vereinbarung mit dem dritten Unternehmen zugestimmt habe. Mit einer allfälligen Bindung an die Entscheidung im Vorprozess befasste es sich nicht.

Im erstinstanzlichen Verfahren hatte der Kläger weiters den Zwischenantrag auf Feststellung gestellt, „dass

1. die Übertragung der Patentrechte [...] vom Erstbeklagten auf die Zweit- und Drittbeklagte unentgeltlich erfolgte, und

2. der Kaufvertrag vom , abgeschlossen zwischen dem Erstbeklagten als Verkäufer einerseits und der zweit- und drittbeklagten Partei als Käufer andererseits keinen tauglichen Rechtsgrund für die Übertragung der Eigentumsrechte am [...] Patent vom Erstbeklagten auf die Zweit- und Drittbeklagten darstellt". Das Erstgericht wies diesen Antrag zurück, weil er lediglich Vorfragen des geltend gemachten Anspruchs betreffe. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insofern 4.000 EUR nicht übersteige und der Revisionsrekurs daher jedenfalls unzulässig sei. Der Kläger habe nicht vorgebracht, weshalb die begehrte Feststellung eine über den Rechtsstreit hinausgehende Bedeutung habe; zudem sei sie nicht einmal für den geltend gemachten Anspruch präjudiziell. Den Bewertungsausspruch begründete das Rekursgericht mit einem Hinweis auf den Zweifelsstreitwert nach § 56 Abs 2 Satz 3 JN.

Der Kläger bekämpft diese Entscheidungen mit einer außerordentlichen Revision und einem „außerordentlichen" Revisionsrekurs. Beide Rechtsmittel sind nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. In der außerordentlichen Revision macht der Kläger als erhebliche Rechtsfrage geltend, dass das Berufungsgericht die Bindungswirkung der Entscheidung im Vorprozess missachtet habe. Insofern zeigt er jedoch keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1.1. Richtig ist, dass der Verstoß gegen die Bindungswirkung einer Vorentscheidung einen Nichtigkeitsgrund bildet, der grundsätzlich von Amts wegen wahrzunehmen ist (RIS-Justiz RS0074226). Anderes gilt zwar dann, wenn das Berufungsgericht die Nichtigkeit - wenn auch nur in den Gründen (RIS-Justiz RS0042917) - verneint hat (RIS-Justiz RS0043405). Das trifft hier aber nicht zu, weil sich das Berufungsgericht mit der allfälligen Bindung an die Entscheidung im Vorprozess überhaupt nicht auseinandergesetzt hat. Der Kläger kann daher den von ihm behaupteten Verstoß gegen die Bindungswirkung im Revisionsverfahren geltend machen (1 Ob 2123/96d = SZ 70/60 [verst Senat]; RIS-Justiz RS0107339).

1.2. Ein solcher Verstoß liegt aber nicht vor.

Bei der Bindungswirkung handelt es sich ebenso wie bei der Einmaligkeitswirkung um einen Aspekt der materiellen Rechtskraft (2 Ob 10/96 = SZ 69/54; RIS-Justiz RS0102102). Sie äußert sich dahin, dass das Gericht zwar über das zweite Begehren mit Sachentscheidung abzusprechen hat, dabei aber die rechtskräftige ältere Entscheidung zugrunde legen muss (RIS-Justiz RS0041205). Bindungswirkung entfaltet nur die im Vorprozess entschiedene Hauptfrage, nicht aber eine dort beurteilte Vorfrage (4 Ob 87/07h mwN; RIS-Justiz RS0041567 [T8]). Für die Reichweite der Bindung ist grundsätzlich der Spruch der älteren Entscheidung maßgebend; für dessen Auslegung sind aber erforderlichenfalls die Entscheidungsgründe heranzuziehen (RIS-Justiz RS0043259, RS0041357, RS0000300).

Im vorliegenden Fall erfasst der in der älteren Entscheidung enthaltene, an sich unklare Begriff der „gesamten Beteiligungserträgnisse" nach den Gründen dieser Entscheidung jedenfalls Einnahmen aus der Einräumung von Lizenzen. Demgegenüber ist weder dem Spruch noch der Begründung zu entnehmen, dass darunter auch die hier strittigen Erträge aus dem „Verkauf von Maschinen sowie Hilfs- und Betriebsstoffen" fallen, die „im Zusammenhang mit der praktischen Anwendung" des Patents erzielt werden. Dieser Punkt scheint im Vorverfahren nicht strittig gewesen zu sein. Auf dieser Grundlage hat schon das Erstgericht zutreffend erkannt, dass die Entscheidung im Vorprozess keine Bindung für die hier strittigen Ansprüche entfalten kann.

1.3. Damit ist über die Frage, ob die Beklagten auch für die hier strittigen Erträge haften, jedenfalls meritorisch zu entscheiden. Aus diesem Grund ist unerheblich, ob der Zweit- und die Drittbeklagte wegen ihres von den Vorinstanzen angenommenen Schuldbeitritts oder allenfalls als Folge von § 1409 ABGB an die - nach Begründung ihrer Haftung ergangene (vgl RIS-Justiz RS0032542) - Entscheidung gegen den Erstbeklagten gebunden sein könnten. Inhaltlich ist die Abweisung des Klagebegehrens aufgrund des festgestellten Sachverhalts nicht zu beanstanden.

2. Den „außerordentlichen" Revisionsrekurs stützt der Kläger darauf, dass das Rekursgericht die Präjudizialität und die über den Rechtsstreit hinausgehende Wirkung seines Feststellungsantrags unrichtig beurteilt habe. Absolute Unzulässigkeit liege nicht vor, weil der Bewertungsausspruch des Rekursgerichts unrichtig sei. Er habe in Wahrheit zwei Feststellungsanträge erhoben, deren (Zweifels-)Streitwerte zusammenzurechnen gewesen wären. Mit dieser Argumentation dringt er jedoch nicht durch.

2.1. Der Oberste Gerichtshof ist grundsätzlich an den nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO (hier iVm § 526 Abs 3 ZPO) zu treffenden Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz gebunden (RIS-Justiz RS0042515); anderes gilt nur bei Verletzung von zwingenden Bewertungsvorschriften (RIS-Justiz RS0042450) und bei einer offenkundigen Über- oder Unterbewertung (RIS-Justiz RS0118748).

2.2. Der Kläger stützt sich auf die unrichtige Anwendung von § 56 Abs 2 JN. Dabei verkennt er, dass weder die Bewertung durch den Kläger nach § 56 Abs 2 Satz 1 ZPO noch der Zweifelsstreitwert nach § 56 Abs 2 Satz 3 ZPO zwingende Bewertungsvorschriften im Sinn der oben dargestellten Rechtsprechung sind (RIS-Justiz RS0042450 [T1, T 2, T 6] zur Bewertung; RIS-Justiz RS0119818 und RS0042296 [T3] zum Zweifelsstreitwert). Auf die Frage, ob die beiden Teilbegehren getrennt zu bewerten und dann zusammenzurechnen sind, kommt es daher nicht an.

2.3. Gründe für eine offensichtliche Unterbewertung zeigt der Kläger nicht auf. Sie sind auch nicht erkennbar. Denn der Kläger führt nicht schlüssig aus, welche Bedeutung die begehrten Feststellungen, die ausschließlich die Wirksamkeit der Übertragung des Patents zwischen den Beklagten betreffen, für seine unabhängig davon gegen alle Beklagten bestehenden vertraglichen Ansprüche haben könnten. Sein Interesse an der (angeblichen) „Anfechtbarkeit" einer unentgeltlichen Verfügung stellt er nicht dar.

Für das Begehren nach § 408 ZPO, das vor dem Obersten Gerichtshof nicht strittig ist, könnten die begehrten Feststellungen zwar allenfalls relevant sein. Hier ist aber zu beachten, dass in § 408 ZPO keine „Mutwillstrafe" angeordnet ist, sondern ein materiellrechtlicher Schadenersatzanspruch, für dessen Grund und Höhe der Anspruchswerber behauptungs- und beweispflichtig ist (RIS-Justiz RS0041173). Er muss den Anspruch daher auch beziffern (1 Ob 458/23 = RIS-Justiz RS0041191; 6 Ob 544/94). Der Kläger hat das bisher unterlassen, sodass auch aus der möglichen Präjudizialität des Feststellungsantrags für den Anspruch nach § 408 ZPO nicht dessen offenkundige Unterbewertung abgeleitet werden kann.

2.4. Aus diesen Gründen ist der Oberste Gerichtshof an die Bewertung des Entscheidungsgegenstands mit nicht über 4.000 EUR gebunden. Der Revisionsrekurs ist daher nach § 528 Abs 2 Z 1 ZPO jedenfalls unzulässig.