OGH vom 01.04.2009, 9ObA30/09s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Glawischnig und die fachkundigen Laienrichter Dr. Gerda Hörhan-Weiguni und Mag. Irene Kienzl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Bernd B*****, vertreten durch Dr. Roland Gerlach ua Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Rainer H. Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wegen Anfechtung einer Kündigung, über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 105/08z-50, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der Rechtsmittelwerber vermag insgesamt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht aufzuzeigen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat das Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Interessenbeeinträchtigung in § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG die Funktion, den Kündigungsschutz jenen Arbeitnehmern zu gewähren, die auf ihren Arbeitsplatz zur Sicherung ihres Lebensunterhalts angewiesen sind (DRdA 1998, 445; wbl 1999/369; 9 ObA 223/02p ua). Bei der Untersuchung der Frage, ob durch die Kündigung eine Beeinträchtigung wesentlicher Interessen eintritt, ist die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des Arbeitnehmers einzubeziehen (DRdA 1992/53; wbl 1999/369; 9 ObA 223/02p uva). Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen (DRdA 1992/53 [Mossler]; ZAS 1992/9 [Pircher] uva). Es entspricht ebenfalls der ständigen Rechtsprechung, dass eine finanzielle Schlechterstellung allein für die Tatbestandsmäßigkeit nicht genügt. Diese muss ein solches Ausmaß erreichen, dass sie eine fühlbare, ins Gewicht fallende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage zur Folge hat, ohne dass aber schon eine soziale Notlage oder eine Existenzgefährdung eintreten müsste (DRdA 1992/53 [Mossler]; DRdA 1998, 445 uva). „Normale Nachteile", die im Regelfall mit jeder Kündigung verbunden sind, reichen nicht aus. Es müssen Umstände vorliegen, die über das normale Maß hinaus eine Kündigung für den Arbeitnehmer nachteilig machen (wbl 1999/369; 9 ObA 223/02p). Beim Tatbestandsmerkmal der „wesentlichen Interessenbeeinträchtigung" ist nur auf die wesentlichen Lebenshaltungskosten, nicht aber auf Luxusaufwendungen abzustellen (9 ObA 297/93 = DRdA 1994, 270; 9 ObA 8/05z). Was unter die sogenannten „Luxusaufwendungen" fällt, ist von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängig.
Hier hat das Berufungsgericht die Berechtigung des Klagebegehrens mit der wesentlichen Begründung verneint, dass es bereits am Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Interessenbeeinträchtigung im Sinn des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG mangle. Die Beurteilung der wesentlichen Interessenbeeinträchtigung hängt nach der Rechtsprechung von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher keine erhebliche Rechtsfrage (8 ObA 127/03i ua).
Entgegen der vom Rechtsmittelwerber vertretenen Auffassung, ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts ausgehend von den konkreten Umständen des hier zur Beurteilung stehenden Falls gut vertretbar. Der Kläger ist Eigentümer eines Hauses, dessen Mieteinnahmen jährlich ca 90.000 EUR betragen. Diese verwendet er derzeit dazu, Investitionen in einem weiteren - teilweise mit ererbtem Geld erworbenen - nicht dem Wohnbedürfnis des Klägers oder seiner Unterhaltsberechtigten dienenden Haus abzudecken. Berücksichtigt man, dass dieses Gebäude nach den Feststellungen eine „Investition für seine Kinder" darstellt, handelt es sich bei der Verwendung der Mieteinnahmen des einen Hauses für die Wertsteigerung des anderen Hauses um eine „Sparform" die der Vermehrung der Vermögenssubstanz dient. Zwar ist bei Arbeitnehmern mit höherem Einkommen zu erwarten, dass auch Bedürfnisse befriedigt werden, die über die Grundbedürfnisse hinaus gehen (vgl 9 ObA 244/01z) und daher nicht alles, was über eine sparsame Lebensführung hinausgeht, bereits unter Luxus fällt; in der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts, das die Investition in ein, ausschließlich als Wertanlage angeschafftes Haus als „Luxusaufwendung" qualifiziert, kann allerdings eine, das korrigierende Eingreifen des Obersten Gerichtshofs erfordernde (gravierende) Fehlbeurteilung nicht erblickt werden. Insofern vermag auch das Argument des Rechtsmittelwerbers nicht zu überzeugen, dass es nicht Sinn des § 105 ArbVG sein könne, dass jemand, der eine Erbschaft mit Glücksspiel oder Drogen „durchbringt" besser gestellt sein solle, als jener, der in verantwortungsvoller Weise das ererbte Vermögen durch den Ankauf einer weiteren Liegenschaft vermehrt. Diese Ausführungen betreffen nämlich letztlich die hier nicht gegenständliche Verwendung der Erbschaft, weil dem Kläger gar nicht zugemutet wird, die Substanz seines - zum Teil mit der Erbschaft finanzierten neuen Hauses - anzugreifen. Vielmehr geht es um die Verwendung der laufenden Einnahmen aus den Erträgen einer anderen Liegenschaft. Dass diese Erträge zur „Vermögensvermehrung" verwendet werden, bestreitet der Rechtsmittelwerber aber gar nicht.
Der Rechtsmittelwerber geht letztlich selbst davon aus, dass sich sein Einkommen nach der Kündigung etwa halbiert habe. Selbst wenn man davon ausgeht, dass unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse des Klägers die „Vermögensbildung" nicht völlig außer Acht gelassen werden kann, ergibt sich bei Heranziehung der Mieteinnahmen von 90.000 EUR jährlich einerseits - und der monatlichen Aufwendungen, zu denen die gut verdienende Ehegattin des Klägers einen Beitrag leistet - andererseits, dass das monatliche Einkommen nicht nur ausreicht, den angemessenen Lebensunterhalt zu finanzieren, sondern der Kläger darüber hinaus in der Lage ist, einen angemessenen Teil seines Einkommens für die Ansparung bzw die Vermögensvermehrung zu verwenden.
Auf die übrigen Argumente im Rechtsmittel, die sich mit Alternativbegründungen des Berufungsgerichts auseinandersetzen, ist mangels Relevanz nicht weiter einzugehen.