OGH vom 28.11.1991, 8Ob27/91
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.R***** Z*****, als Masseverwalter im Konkurs AZ 6 S 11/91 des Handelsgerichtes Wien über das Vermögen der P*****
Pflegemittel-Handelsgesellschaft mbH, *****, wider die beklagte Partei Republik Österreich, Zollamt W*****, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17, 1010 Wien, wegen Feststellung des Nichtbestehens einer angemeldeten Konkursforderung von S 3,386.498,- infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom , GZ 3 R 122/91-5, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 25 Cg 295/91-2, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird mit dem Antrag, das gesetzmäßige Verfahren über die Klage unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund einzuleiten, an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der klagende Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der P***** Pflegemittel-Handelsgesellschaft mbH begehrt in seiner gegen die Republik Österreich, Zollamt W*****, gerichteten Klage den Ausspruch, daß die von der beklagten Partei im Konkurs über das Vermögen der Gemeinschuldnerin angemeldete Forderung von S 3,386.498,- samt Anhang nicht zu Recht bestehe. Er begründet dieses Urteilsbegehren mit der Behauptung, daß die Gemeinschuldnerin nicht mit dem im vollstreckbaren Rückstandsausweis der beklagten Partei bezeichneten Schuldner "P***** GesmbH" identisch sei, dieser Exekutionstitel vielmehr die "P***** Warenhandelsgesellschaft mbH" betreffe, also offenbar eine Verwechslung vorliege, und daß er deshalb die von der beklagten Partei angemeldete Konkursforderung bei der Prüfungstagsatzung am bestritten habe. Für die Bekämpfung der angemeldeten und bestrittenen Konkursforderung sei die gerichtliche Zuständigkeit gegeben.
Das Erstgericht wies diese Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges gemäß § 110 Abs 3 KO zurück: Streitigkeiten über Zölle und Gebühren, bei deren Vorschreibung die Republik Österreich als Imperiumsträger auftrete, seien nicht dem Privatrecht zuzuordnen.
Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Erstgerichts und führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen an:
Für die Feststellung, daß eine im Konkurs angemeldete vollstreckbare Abgabenforderung zu Recht bestehe, sei der Rechtsweg unzulässig; der bestreitende Masseverwalter müsse das Verfahren über die Richtigkeit dieser Forderung bei der zuständigen Abgabenbehörde anhängig machen (§ 110 Abs 3 KO). Sollte der Rückstandsausweis nicht in hinreichender Weise die Gemeinschuldnerin bezeichnen, so liege gar keine Voraussetzung für einen Widerspruch des Masseverwalters im Sinne des § 110 Abs 2 KO vor; Unklarheiten über die Identität der in Anspruch genommenen Person mit dem Schuldner im Exekutionstitel gingen zu Lasten des Gläubigers.
Der vom klagenden Masseverwalter erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil die hier zur Entscheidung stehende Rechtsfrage bisher - soweit überschaubar - noch nie an den Obersten Gerichtshof herangetragen wurde, und er ist auch sachlich berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Beide Vorinstanzen haben nicht erkannt, daß nach dem Inhalt des Klagevorbringens des Masseverwalters der Konkursteilnahmeanspruch der durch einen vollstreckbaren Rückstandsausweis als Forderungstitel ausgewiesenen beklagten Republik Österreich als Konkursgläubigerin in der Prüfungstagsatzung nur wegen der angeblich fehlenden Identität des Titelschuldners mit dem Gemeinschuldner und damit aus einem Grunde erfolgte, der dem Bereich des Zivilrechtes zuzuordnen ist und auf dem ordentlichen Rechtsweg zur Entscheidung steht. Die Anerkennung einer angemeldeten titulierten Forderung durch den Masseverwalter setzt nämlich voraus, daß der Forderungstitel in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise die Identität des im Titel bezeichneten Verpflichteten mit dem Gemeinschuldner ausweist, so wie dies auch im Exekutionsverfahren von § 7 Abs 1 EO gefordert wird (vgl GlUNF 4094; RdW 1986, 82; MietSlg 5450/51; JBl 1958, 98, JBl 1958, 340; ebenso 7 Ob 537/56, 3 Ob 164/65 und 3 Ob 8/67 unveröffentlicht). Unklarheiten in der Identitätsfrage gehen zu Lasten des Titelgläubigers (RdW 1986, 82; JBl 1958, 98). Hat der Masseverwalter die angemeldete titulierte Konkursforderung aus diesem Grunde bestritten, nämlich weil der Forderungstitel nicht in unzweifelhafter Weise den Gemeinschuldner als Verpflichteten ausweist, dann ist es allein Sache des Titelgläubigers, seinen Konkursteilnahmeanspruch aus diesem Forderungstitel nachzuweisen. Glaubt er, der Forderungstitel sei in dieser Hinsicht ausreichend, dann hat er seinen Konkursteilnahmeanspruch im Klagewege gemäß § 110 Abs 1 KO zu verfolgen, auch wenn es sich um einen verwaltungsbehördlichen Titel handelt; das Prozeßverfahren ist jedoch allein auf die Frage beschränkt, ob der Forderungstitel den Gemeinschuldner als Verpflichteten gehörig ausweist, sodaß der Titelgläubiger auch seinen Konkursteilnahmeanspruch nachgewiesen hat. Unklarheiten des Forderungstitels selbst können freilich nur von der Behörde beseitigt werden, die nach den für die Schaffung des Titels geltenden Vorschriften dafür auch zuständig ist (§ 110 Abs 3 KO).
Da aber nach dem Vorbringen des klagenden Masseverwalters der von der beklagten Republik zur Begründung ihrer Forderungsanmeldung im Konkurs vorgelegte vollstreckbare Rückstandsausweis den Gemeinschuldner nicht gehörig als Titelschuldner ausweise, geht es diesfalls nicht - wie dies sonst bei der Bestreitung einer titulierten Forderung der Fall ist - um die Beseitigung des Teilnahmeanspruches des Gläubigers einer titulierten Forderung (Petschek-Reimer-Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht 581 C), sondern vorerst einmal um den vom Titelgläubiger zu erbringenden Nachweis der Identität des Titelschuldners mit dem Gemeinschuldner. Dementsprechend ist aber auch die prozessuale Rollenverteilung anders als im Falle der Beseitigung des durch einen - die Person des Schuldners unmißverständlich darlegenden - Forderungstitel nachgewiesenen Konkursteilnahmeanspruches; nur in einem solchen Fall hat der bestreitende Masseverwalter die Klägerrolle.
Aus den dargelegten Gründen erweist sich der von den Vorinstanzen benützte Zurückweisungsgrund als unrichtig. Vielmehr ist über die - bisher nicht zugestellte - Klage das gesetzmäßige Verfahren einzuleiten.
Der Kostenausspruch beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Fundstelle(n):
DAAAD-98741