OGH vom 27.04.2018, 8Ob27/18f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Schuldenregulierungssache des Schuldners ***** A*****, vertreten durch Mag. Ingeborg Haller, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen Restschuldbefreiung, über den Revisionsrekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 53 R 278/17i-96, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Zell am See vom , GZ 80 S 4/07z-90, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Revisionsrekursbeantwortung der Gläubigerin U***** AG, 1020 Wien, *****, vertreten durch Putz Rischka Rechtsanwälte KG in Wien, wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Über das Vermögen des Schuldners wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und am nach Scheitern des angebotenen Zahlungsplans das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Innerhalb der siebenjährigen Laufzeit der Abtretungserklärung erhielten die Gläubiger eine Quote von 4,399 % ihrer angemeldeten Forderungen.
Über Antrag des Schuldners erklärte das Erstgericht mit Beschluss vom das Abschöpfungsverfahren für beendet, setzte die Entscheidung über die Restschuldbefreiung gemäß § 213 Abs 3 IO aF aus und trug dem Schuldner auf, binnen zwei Jahren ab Rechtskraft der Entscheidung an einige Gläubiger die im Einzelnen angeführten Ergänzungszahlungen zu leisten. Dieser Beschluss wurde im Wesentlichen vom Rekursgericht mit Beschluss vom bestätigt; allein hinsichtlich einer aufgetragenen Ergänzungszahlung an einen bestimmten Gläubiger erfuhr der Beschluss des Erstgerichts eine Abänderung.
Mit Eingabe vom stellte der Schuldner den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 280 IO idF des IRÄG 2017.
Das Erstgericht gab dem Antrag statt.
Das Rekursgericht gab den Rechtsmitteln von zwei Gläubigern Folge und änderte den angefochtenen Beschluss im antragsabweisenden Sinn ab. Die auf anhängige Abschöpfungsverfahren anzuwendende Übergangsbestimmung des § 280 IO idF IRÄG 2017 sei in einem Verfahren, in dem gemäß § 213 Abs 3 IO aF dem Schuldner Ergänzungszahlungen aufgetragen worden seien, nicht anzuwenden. Weder aus dem IRÄG 2017 noch den Gesetzesmaterialien ergebe sich ein Hinweis, dass der Gesetzgeber nachträglich in Entscheidungen nach § 213 Abs 3 IO eingreifen wollte. § 280 IO vermöge schon vom Wortlaut und Regelungszweck her derartige Fälle nicht zu erfassen. Ein bereits für beendet erklärtes Abschöpfungsverfahren könne nicht nochmals für beendet erklärt werden. Schwierigkeiten ergäben sich vor allem in jenen Fällen, in denen vom Schuldner ein Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 213 Abs 1 IO idF IRÄG 2017 gestellt werde, nachdem die Frist für die Leistung der auferlegten Ergänzungszahlungen ungenützt abgelaufen sei. Leiste der Schuldner diese aufgetragenen Ergänzungszahlungen nicht, so sei ein „Umstieg“ vom Abschöpfungsverfahren „alt“ in das neue Regelungsmodell nicht möglich, vielmehr bedürfe es in einem derartigen Fall eines neuerlichen Insolvenzverfahrens, um einen Zahlungsplan oder eine Restschuldbefreiung nach Durchführung eines Abschöpfungsverfahrens zu erreichen. Nur mit dieser Auslegung werde ein Eingriff in einen rechtswirksamen Beschluss vermieden, der die Restschuldbefreiung von der Erbringung der auferlegten Ergänzungszahlungen abhängig mache und dabei gerade auf die besondere finanzielle Situation des Schuldners abstelle. Eine sofortige Restschuldbefreiung nach Billigkeit (§ 213 Abs 2 IO) sei dem Schuldner im vorliegenden Verfahren verweigert, ihm aber die Möglichkeit gegeben worden, bei Leistung von Ergänzungszahlungen die angestrebte Restschuldbefreiung zu erreichen. Hätte der Gesetzgeber von dieser Voraussetzung zum Nachteil der Gläubiger nachträglich abgehen wollen, so hätte er dies auch zum Ausdruck bringen müssen. Mit dem bloßen Mittel der Auslegung lasse sich das von einem Teil der Lehre angestrebte Verständnis des § 280 IO nicht erreichen, wobei es auch keinen Hinweis auf eine planwidrige Gesetzeslücke gebe.
Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 30.000 EUR und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des § 280 IO nF bestehe und der Auslegung dieser Bestimmung erhebliche über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
Der gegen diesen Beschluss gerichtete Revisionsrekurs des Schuldners ist aus den vom Rekursgericht dargelegten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Das Rechtsmittelverfahren in Insolvenzsachen ist nach ständiger Rechtsprechung – mit Ausnahme insbesondere des Eröffnungsverfahrens (dazu 8 Ob 282/01f) sowie im Gesetz genannter Spezialfälle, etwa jenem nach § 125 Abs 2 Satz 5 und 6 IO – grundsätzlich einseitig (§ 260 Abs 4 IO; RIS-Justiz RS0116129). Dies gilt auch im Abschöpfungsverfahren (8 Ob 136/12a; 8 Ob 145/15d; 8 Ob 1/17f; 8 Ob 6/18t). Eine Veranlassung, dennoch die Möglichkeit einer Rekursbeantwortung einzuräumen (vgl RIS-Justiz RS0118686), bestand im konkreten Fall nicht, hatte er doch seinen Rechtsstandpunkt bereits in seinem Antrag vom dargelegt (vgl 8 Ob 136/12a). Aus diesem Grund nahm das Rekursgericht zurecht davon Abstand, dem Schuldner die Möglichkeit zu einer Beantwortung der beiden Rekurse einzuräumen. Die im Revisionsrekurs geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.
2. Die soeben dargelegte grundsätzliche Einseitigkeit des Revisionsrekursverfahrens steht auch einer Zulassung der von einer (weiteren) Gläubigerin eingebrachten Revisionsrekursbeantwortung entgegen. Auch diese Gläubigerin hatte die Möglichkeit, bereits einen Rekurs gegen den dem Antrag des Schuldners stattgebenden erstinstanzlichen Beschluss zu erheben und darin ihren Rechtsstandpunkt darzulegen. Die Revisionsrekurs-beantwortung war daher zurückzuweisen.
3. Im Übrigen erachtet der Senat die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts für zutreffend, sodass zur Vermeidung von Weitläufigkeiten grundsätzlich auf dessen Ausführungen verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO).
4. Lediglich zusammenfassend ist festzuhalten (vgl auch 8 Ob 31/18g), dass die für das Schuldenregulierungsverfahren maßgeblichen Änderungen der IO durch das IRÄG 2017, die mit in Kraft traten, grundsätzlich nur auf Verfahren anzuwenden sind, in denen das Insolvenzverfahren nach dem eröffnet wurde, oder wenn der Antrag auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens nach diesem Datum bei Gericht eingelangt ist. Für Abschöpfungsverfahren, die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits anhängig waren, gilt weiterhin die bisherige Rechtslage, mit der Maßgabe der Übergangsbestimmung des § 280 IO idF IRÄG 2017.
5. Der erkennende Senat hat bereits jüngst in der Entscheidung 8 Ob 6/18t vom – dort noch obiter dictum – ausgesprochen, dass auf ein anhängiges Schuldenregulierungsverfahren, in dem das Abschöpfungsverfahren nach § 213 Abs 3 IO aF bereits für beendet erklärt wurde und die Entscheidung über die Restschuldbefreiung unter Auferlegung von bestimmten Ergänzungszahlungen ausgesetzt wurde, eine unmittelbare Anwendung des § 280 IO nF nicht in Frage kommt.
Eine wiederholte Beendigung desselben Abschöpfungsverfahrens ist begrifflich nicht möglich (vgl 8 Ob 6/18t). Der Beschluss nach § 213 Abs 3 IO aF enthält überdies bereits eine bindende Entscheidung über das Ausmaß der Restschuldbefreiung, lediglich deren Erteilung oder Versagung bleibt noch vorbehalten (8 Ob 57/13k).
Darüber hinaus sieht das IRÄG 2017 keine rückwirkende Abänderung rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen vor. Die Übergangsregelung des § 280 IO nF lässt nicht erkennen, dass damit ein Eingriff in die durch den Beschluss nach § 213 Abs 3 IO aF bereits vor dem erworbene Rechtsposition jener Gläubiger beabsichtigt war, die noch Ergänzungszahlungen zu erhalten haben und in diesem Umfang auch zur Exekutionsführung berechtigt sind.
Es liegt in der Natur jeder Gesetzesänderung, dass Sachverhalte, die vor und nach dem Stichtag ihres Inkrafttretens verwirklicht wurden, einer unterschiedlichen rechtlichen Behandlung unterliegen können. Gemäß § 5 ABGB wirken Gesetze im Zweifel nicht zurück (RIS-Justiz RS0008745). Vor dem Inkrafttreten eines Gesetzes abschließend verwirklichte Sachverhalte sind daher grundsätzlich nach altem Recht zu beurteilen (RIS-Justiz RS0008715, RS0008747). Die Beurteilung anspruchsbegründender Tatbestände, die bereits vollständig verwirklicht sind, hat prinzipiell nach der im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs geltenden Rechtslage zu erfolgen (5 Ob 98/94; 6 Ob 2094/96a; 9 Ob 35/01i). Der Gesetzgeber kann zwar eine ausnahmsweise Rückwirkung anordnen, sie muss sich jedoch aus dem Gesetz selbst ergeben (RIS-Justiz RS0008713, RS0008694).
Dem Revisionsrekurs des Schuldners war daher keine Folge zu geben.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00027.18F.0427.000 |
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