OGH vom 19.12.2016, 9ObA149/16a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** L*****, vertreten durch Winternitz Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 27.915,36 EUR brutto sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 97/16g 23, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei wird gemäß § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der bei der Beklagten beschäftigte Kläger (Pilot) begehrt in seiner Klage vom , gestützt auf den Zusatzkollektivvertrag „Sparpaket 2010–2015“, die Nachzahlung eines von der Beklagten einbehaltenen „Krisenbeitrags“ in Höhe des Klagsbetrags.
Am beantragten beide Parteien gemeinsam, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren 17 Cga 13/15b des Arbeits- und Sozialgerichts Wien zu unterbrechen. Es sei vereinbart worden, aus den zahlreichen Verfahren von Piloten gegen die Beklagte zwei Musterprozesse zu führen und alle anderen anhängigen Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung dieser Musterprozesse zu unterbrechen.
Das Erstgericht unterbrach daraufhin das vorliegende Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des genannten Verfahrens. Den Parteien sei ungeachtet des Nichtvorliegens eines gesetzlich normierten Unterbrechungsgrundes die Möglichkeit zu geben, die Entscheidung in einem anderen, dieselben Sach- und Rechtsfragen betreffenden „Musterverfahren“ abzuwarten. Dieser Beschluss vom (ON 14) erwuchs in Rechtskraft.
Mit Schriftsatz vom beantragte der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens, um die Parteibezeichnung der Beklagten zu berichtigen und das Klagebegehren um bisher nicht berücksichtigte Beträge von 5.571,25 EUR sA auszudehnen.
Das Erstgericht wies den Fortsetzungsantrag des Klägers ab und den Schriftsatz (mit Ausnahme des darin angezeigten Vollmachtwechsels, den es zur Kenntnis nahm) zurück. Das Verfahren 17 Cga 13/15b sei noch nicht rechtskräftig beendet. Prozesshandlungen, wie hier die Berichtigung der Parteienbezeichnung und die Klagsänderung, seien während des unterbrochenen Verfahrens unzulässig.
Das Rekursgericht gab dem gegen die Abweisung des Fortsetzungsantrags sowie Zurückweisung des Antrags auf Berichtigung der Parteienbezeichnung und der Klagsausdehnung erhobenen Rekurs des Klägers nicht Folge. Der Kläger habe das Erlöschen des Unterbrechungsgrundes iSd § 164 ZPO nicht glaubhaft gemacht.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss des Rekursgerichts erhobene, als „außerordentlich“ bezeichnete und ausgeführte Revisionsrekurs des Klägers ist entgegen dem – weder die Gerichte noch die Parteien bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig, weil die Bestätigung der Abweisung des Antrags auf Fortsetzung eines unterbrochenen Verfahrens der Klagezurückweisung iSd § 528 ZPO gleichzuhalten ist (RIS Justiz RS0103702 [T1, T 2]; RS0105321 [T7; T 18]; 10 ObS 71/13h mwN). Einer Berichtigung des zweitinstanzlichen Beschlusses durch den Nachtrag eines Zulässigkeitsausspruchs iSd § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO bedarf es jedoch nicht, weil der Revisionsrekurs des Klägers ohnedies als außerordentlicher Revisionsrekurs ausgeführt wurde (RIS Justiz RS0042424 [T2]).
Der Revisionsrekurs des Klägers ist jedoch deshalb nicht zulässig, weil er keine Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO aufzeigt:
Mangels einer sondergesetzlichen Bestimmung für das arbeitsgerichtliche Verfahren sind für die Frage der Verfahrensunterbrechung wegen Präjudizialität eines Vorverfahrens die Bestimmungen der §§ 190 ff ZPO maßgeblich (§ 2 ASGG;9 ObA 155/13d).
Die Frage, ob ein zivilgerichtliches Verfahren aufgrund einer Parteienvereinbarung unterbrochen werden kann, stellt sich hier nicht. Abgesehen davon, dass der Oberste Gerichtshof erst jüngst ausgesprochen hat, dass kein zulässiger Unterbrechungsgrund iSd § 190 Abs 1 ZPO vorliegt, wenn es an einer präjudiziellen Vorfrage fehlt (2 Ob 78/16h), erging der Unterbrechungsbeschluss über Antrag beider Parteien, also auch des Klägers. Der Kläger kann sich daher, wie eine Partei, die einen Unterbrechungsbeschluss unbekämpft lässt (2 Ob 78/16h), in seinem Fortsetzungsantrag nicht mehr auf die mangelnde Präjudizialität der Entscheidung in der Hauptsache stützen.
Die Aufnahme eines nach zivilprozessualen Vorschriften unterbrochenen Verfahrens regeln die Bestimmungen der § 167 iVm §§ 164–166 ZPO. Die Anwendung einer anderen Bestimmung auf den vorliegenden Fall führt auch der Kläger nicht ins Treffen. Eine Ruhensvereinbarung iSd § 168 ZPO haben die Parteien hier gerade nicht abgeschlossen. Eine Fortsetzung des Verfahrens jedenfalls nach Ablauf von drei Monaten ab dem Zeitpunkt des Unterbrechungsbeschlusses kommt daher nicht in Frage.
Nach dem Zweck der Unterbrechung, erheblichen Verfahrensaufwand zu vermeiden, ohne dass eine unzumutbare Verzögerung eintritt, wird die Fortsetzung des Rechtsstreits zumindest im Regelfall erst nach rechtskräftigem Abschluss des präjudiziellen Verfahrens erfolgen ( Höllwerth in Fasching/Konecny 3 II/3 § 190 ZPO Rz 5, 92). Eine Fortsetzung des unterbrochenen Rechtsstreits kommt aber unter bestimmten Umständen auch vor der Beendigung des präjudiziellen Verfahrens in Betracht. Dies ist etwa dann der Fall, wenn aufgrund der tatsächlichen Entwicklung des präjudiziellen Verfahrens letztlich doch eine „unzumutbare Verzögerung“ eintreten würde, wollte man dessen Beendigung abwarten (1 Ob 233/12i). Diese Erwägungen kommen hier aber schon deshalb nicht zum Tragen, weil der unterbrochene Rechtsstreit selbst dann nicht „verzögert“ wird, wenn der Kläger zur Vermeidung der Verjährung seiner weiteren Ansprüche eine neue Klage einbringen müsste. Andere Umstände, die ein Erlöschen des Unterbrechungsgrundes bewirkt hätten, hat der Kläger nicht behauptet (vgl § 164 ZPO).
Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO ist der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers zurückzuweisen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00149.16A.1219.000