OGH vom 29.11.2001, 8Ob266/01b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Graf, Dr. Rohrer und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Philipp E*****, geboren am , ***** vertreten durch Dr. Roland Zika, Rechtsanwalt in Feldkirchen, wider die beklagte Partei Jakob Z*****, vertreten durch Mag. Oliver Lorber, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung (S 130.000), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 124/01g-20, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die von den verschiedenen Institutionen und Autoren ausgearbeiteten Verhaltensvorschriften für Schifahrer wie die Bestimmungen des vom österreichischen Kuratorium für Sicherung vor Berggefahren erarbeiteten sogenannten POE-Regeln oder die FIS-Regeln sind nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes keine gültigen Rechtsnormen - insbesondere auch nicht Gewohnheitsrecht. Ihnen kommt aber als Zusammenfassung der Sorgfaltspflichten, die bei der Ausübung des alpinen Schisportes im Interesse aller Beteiligten zu beachten sind und bei der Anwendung des allgemeinen Grundsatzes, dass sich jeder so verhalten muss, dass er keinen anderen gefährdet, erhebliche Bedeutung zu (vgl zuletzt mwN = ZVR 1983/9, ZVR 1991/55; RIS-Justiz RS0023793, RS0023410; Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 7 zu § 1297; Schwimann/Harrer, ABGB2 VII, § 1295 Rz 79). Worin die Konkretisierung dieses allgemeinen Grundsatzes durch die FIS-Regel Nr 1 ("Jeder Schifahrer muss sich so verhalten, dass er keinen anderen gefährdet oder schädigt"; vgl ZVR 1991, 353) gelegen sein soll, vermag der Beklagte nicht darzustellen.
Nach der von den Vorinstanzen als bindend angenommenen strafrechtlichen Verurteilung des Beklagten hat dieser dadurch, dass er den vor ihm fahrenden Kläger zu spät wahrnahm, die gebotene Vorsicht und Achtsamkeit außer Acht gelassen und dadurch das Vergehen des § 88 Abs 4 StGB verwirklicht.
Der in einem Strafverfahren Verurteilte kann sich in einem Nachfolgeprozess nicht darauf berufen, dass er die Tat, derentwegen er verurteilt wurde, nicht begangen habe. Der Schuldspruch wird in allen seinen Teilen dieser Rechtskraft teilhaft, also nicht bloß in der Feststellung der strafbaren Handlung nach deren objektiven Merkmalen, sondern auch in der Feststellung der konkreten Sachverhaltselemente und in der rechtlichen Subsumtion unter einen bestimmten Tatbestand (RIS-Justiz RS0074219 insbes mwN = 6 Ob 105/97b = EvBl 1998/39, Leitsatz in ecolex 1998, 395 [Oberhammer]; 6 Ob 2287/96h; allg verstärkter Senat SZ 68/195). Dies bekämpft der Beklagte auch gar nicht. Ausgehend davon, dass der Kläger vor dem Beklagten gefahren ist, kann aber der Beklagte mit seinem Einwand, dass die Kollision nur deshalb zustandegekommen sei, weil der Kläger nach einem Sprung nach rechts zur Pistenmitte gefahren wäre, kein Mitverschulden des Klägers nachweisen. Muss doch der hinter dem Snowboardfahrer fahrende Schifahrer gerade beim Überholen mit den anderen Bewegungsabläufen eines Snowboardfahrers rechnen (vgl auch Dittrich/Reindl, Probleme des Snowboardens ZVR 1994, 321 f). Dass der Beklagte beim Überholen oder Vorbeifahren, welches grundsätzlich von allen Seiten erlaubt ist (vgl FIS-Regel Nr 4, § 9 POE), einen ausreichenden Abstand berechnet hätte (vgl dazu allgemein ZVR 1999/4) releviert er auch gar nicht. Insgesamt vermag der Beklagte daher ein gegenüber seinem eigenen Verschulden aus dem Verstoß gegen den Vorrang des vor ihm fahrenden langsameren Fahrers (vgl dazu RIS-Justiz RS0023404 mwN etwa ZVR 1985/165, 3 Ob 545/94, 6 Ob 269/00b) relevantes Mitverschulden des Klägers nicht aufzuzeigen.
Eine erhebliche, für die Lösung des Falles notwendige Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO wird vom Revisionswerber nicht dargestellt.