VfGH vom 28.02.1980, B397/77

VfGH vom 28.02.1980, B397/77

Sammlungsnummer

8737

Leitsatz

Tir. Grundverkehrsgesetz 1970; mangelndes Ermittlungsverfahren; Willkür

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Der der verpflichteten Partei A. R. gehörende Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ 919 II, KG L. mit der 5819 Quadratmeter großen Gp. 2781/8 wurde bei der vom Bezirksgericht Innsbruck als Exekutionsgericht zu 7 E12/75 durchgeführten Zwangsversteigerung dem Beschwerdeführer um das Meistbot von 95000 S zugeschlagen.

Die Grundverkehrsbehörde L. hat mit Bescheid vom 2. Feber 1977 gem. § 10 iVm § 4 Abs 1 und § 6 Abs 1 litc des Tir. Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. 4/1971, idF der Nov. LGBl. 6/1974 (GVG) dieser exekutiven Eigentumsübertragung die Zustimmung versagt.

Die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung hat der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung mit Bescheid vom keine Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid bestätigt.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Der VfGH hat ua. aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 10 GVG eingeleitet. Mit Erk. vom , G33/77 (= VfSlg. 8216/1977), wurde diese Gesetzesstelle nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Nach § 1 Abs 1 Z 1 GVG unterliegen bei einem Rechtserwerb durch Inländer den Bestimmungen dieses Gesetzes land- und forstwirtschaftliche Grundstücke, wobei für die Beurteilung, ob ein Grundstück ein land- oder forstwirtschaftliches ist, nicht seine Bezeichnung im Grundsteuer- oder Grenzkataster, sondern seine Beschaffenheit oder seine bisherige Verwendung maßgebend ist.

Wie der VfGH in den zu diesem Gesetz ergangenen Erk. VfSlg. 7898/1976 und 8415/1978 dargetan hat, ist bei verfassungskonformer Auslegung davon auszugehen, daß der Landesgesetzgeber unter dem Gesichtspunkt des Grundverkehrs, soweit es sich - wie hier - um den Rechtserwerb durch Inländer handelt, nur den Verkehr mit solchen Grundstücken verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen darf, die gegenwärtig einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sind, und daß er zwecks Hintanhaltung von Umgehungshandlungen Grundstücke, die diese Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, dann in die Grundverkehrsregelung einbeziehen darf, wenn der Entfall der Widmung lediglich eine aus diesem Zweck erklärbare Zeit zurückliegt.

2. a) Nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8222/1977) wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Gleichheitsrecht unter anderem dann verletzt, wenn die Behörde Willkür geübt hat. Ein willkürliches Verhalten ist nicht nur bei absichtlichem Zufügen von Unrecht, sondern auch dann gegeben, wenn der Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften im Widerspruch steht oder wenn die Behörde ihre Entscheidung leichtfertig gefällt hat, was insb. dann der Fall ist, wenn die Behörde trotz strittigen Sachverhaltes ohne jegliches iS des Gesetzes durchgeführtes Ermittlungsverfahren entschieden hat. Das Verfahren ist in solchen Fällen derart qualifiziert mangelhaft, daß nicht bloß die Verletzung einfachgesetzlicher Verfahrensvorschriften vorliegt, sondern die Verfassungssphäre berührt wird.

b) Ein derartiges Verhalten hat die belangte Behörde hier gesetzt:

In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 3. Feber 1977 und in der am über diese Berufung durchgeführten mündlichen Verhandlung der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer nachdrücklich darauf hingewiesen, daß es sich bei der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft um ein "vollkommen sumpfiges" Grundstück handle, das von der Wasserrechtsbehörde zum Quellschutzgebiet erklärt worden sei. Das Grundstück werde daher landwirtschaftlich nicht genutzt und sei nicht der Landwirtschaft gewidmet.

Hiezu wird im angefochtenen Berufungsbescheid lediglich ausgeführt:

"Der gerichtlichen Schätzung der gegenständlichen Liegenschaft, ... ist zu entnehmen, daß ... die Liegenschaft ... eine versumpfte Wiesenfläche darstellt, wobei im südlichen Teil ein kleiner Weiher vorhanden ist. Laut Auskunft der Gemeinde L. liegt das Grundstück außerhalb des Verbauungsplanes. Die Ausnahmegenehmigung für die Ausführung von Bauten ist nicht zu erhalten. Das Grundstück stellt rein landwirtschaftlichen Grund dar und hat einen Wert von S 25,-/Quadratmeter.

Somit steht eindeutig fest, daß es sich bei dem Kaufgrundstück um ein landwirtschaftlich nutzbares Grundstück handelt, sodaß die Zuständigkeit der Grundverkehrsbehörde zur Entscheidung gegeben ist. Die Berufungsausführungen, daß eine landwirtschaftliche Nutzung nicht möglich sei, deckt sich keinesfalls mit dem Ergebnis der gerichtlichen Schätzung, die zudem unangefochten geblieben ist. Der Wert des Grundstückes ist mit S 25,-/Quadratmeter angenommen worden, was dem ortsüblichen Wert landwirtschaftlicher Grundstücke dieses Gebietes entspricht. Ebenso steht fest, daß auch künftighin auf Grund der gegebenen Flächenwidmung der Gemeinde lediglich eine landwirtschaftliche Nutzung des Grundstückes möglich ist ..."

Wie in der vorstehenden Z 1 dargetan wurde, kommt es nach § 1 GVG bei Beurteilung der Frage, ob der Erwerb eines Rechtes durch einen Inländer den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegt, nicht darauf an, ob die Liegenschaft landwirtschaftlich nutzbar ist, sondern darauf, ob sie einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet ist oder ob die Widmung deshalb geändert worden ist, um das Gesetz zu umgehen.

Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck hat als Wasserrechtsbehörde mit Bescheid vom , Z 2 - 5/51-76, ua. die Gp. 2781/8 zum Quellschutzgebiet erklärt, sie hat innerhalb dieses Gebietes jede Bautätigkeit und animalische Düngung sowie die Verletzung der Bodennarbe und die Viehweide verboten.

Eine solche Erklärung zum Quellschutzgebiet schließt die Widmung der Liegenschaft zu einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb weder von vornherein aus noch ergibt sie sich zwingend aus ihr. Dennoch hat die belangte Behörde - ausgehend von der verfehlten (dem Gesetz fälschlicherweise einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellenden) Rechtsmeinung, daß es auf die landwirtschaftliche Nutzbarkeit des Grundstückes ankomme - jegliches Ermittlungsverfahren über die entscheidungsrelevante Tatsache unterlassen, ob das Grundstück einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet ist, oder aber ob früher eine solche Widmung bestanden hat und wann und weshalb sie entfallen ist (vgl. ).

c) Der angefochtene Bescheid verletzt aus diesem Grunde den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und ist daher aufzuheben.