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VfGH vom 15.03.1982, B396/81

VfGH vom 15.03.1982, B396/81

Sammlungsnummer

9366

Leitsatz

Vereinsgesetz 1951; rechtmäßige Untersagung der beabsichtigten Umbildung des "Vereines für europäische Heereskunde 1914 - 1945 mit Wehrmachtsmuseum"

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag, die Beschwerde dem VwGH abzutreten, wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Bildung des Vereines "Verein für europäische Heereskunde 1914 - 1945 mit Wehrmachtsmuseum" mit dem Sitz in Stift Ardagger, NÖ, wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland NÖ vom nicht untersagt.

Mit Schreiben vom zeigte der Verein die in der Jahreshauptversammlung vom beschlossene Statutenänderung an. Diese Umbildung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland NÖ vom gemäß § 6 iVm § 10 des Vereinsgesetzes 1951, BGBl. 233, idF BGBl. 102/1962 (VerG) untersagt.

Der Bundesminister für Inneres hat der dagegen vom Verein eingebrachten Berufung mit Bescheid vom keine Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid bestätigt.

2. Gegen diesen Untersagungsbescheid erhebt der Verein gemäß Art 144 B-VG Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Partei im Vereinsumbildungsverfahren ist der Verein, nicht aber seine Mitglieder. Der Verein selbst ist es, der durch den Bescheid, mit dem eine beabsichtigte Umbildung untersagt wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Vereinsrecht verletzt werden kann. Der Verein ist zur Beschwerdeführung legitimiert (vgl. zB VfSlg. 5161/1965 und 7007/1973).

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2. a) Punkt II der in der Vereinsversammlung vom beschlossenen neuen Statuten umschreibt den Zweck des Vereines - unverändert - wie folgt:

"Der Verein, dessen Tätigkeit nicht auf Gewinn gerichtet ist, bezweckt: Ziel und Aufgabe des Vereines ist die militärgeschichtl. Forschung in der Zeit von 1914 - 1945. In diesem Zusammenhang erfolgt auch die Unterstützung des Wehrmachtsmuseums, in dem Uniformen, Geräte, Fahrzeuge sowie Literatur europäischer Heere gesammelt werden. Den Grundstock des Museums bilden die Sammlungen von Herrn Heinz Gruber und Herrn Harald Werner."

Punkt III.2 der Statuten regelt die materiellen Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes. Er lautet in der neuen Fassung wie folgt:

"Beitrittsgebühren, Mitgliedsbeiträge, Erträgnisse aus Veranstaltungen, vereinseigene Unternehmungen, Spenden, Sammlungen, Vermächtnisse und sonstige Zuwendungen, Eintrittsgebühren aus dauernden oder fallweisen Ausstellungen, Leihgebühren aus dem Verleih von Waffen und Ausrüstungsgegenständen, Erlöse aus dem Verkauf von Ansichtskarten und Bildbänden über das Museum."

Als Punkt IV.4 wurde in die neuen Statuten als zusätzliche "Art der Mitgliedschaft" "Unterstützende Mitglieder" eingefügt:

"Unterstützende Mitglieder sind Personen, die die Vereinstätigkeit durch Zahlung verminderter Mitgliedsbeiträge und fallweise Mitarbeit an der Vereinstätigkeit fördern."

Während der folgende Punkt V ausdrücklich vorsieht, welches Vereinsorgan über die Aufnahme bzw. Ernennung der ordentlichen Mitglieder, außerordentlichen Mitglieder und der Ehrenmitglieder entscheidet, enthalten die Statuten in Ansehung der unterstützenden Mitglieder keine derartigen Vorschriften.

b) Der angefochtene Berufungsbescheid, mit dem die von der ersten Instanz ausgesprochene Untersagung der angezeigten Umbildung des Vereines bestätigt wird, wird im wesentlichen wie folgt begründet:

Aus dem Vereinszweck ergebe sich, daß sich der Verein die Aufgabe gestellt habe, ein "Wehrmachtsmuseum" zu unterstützen und militärgeschichtliche Forschung zu betreiben. Zweck und Mittel eines Vereines stünden in inniger Beziehung zueinander und dürften einander nicht widersprechen. Ein solcher Widerspruch liege hier aber vor, da es die erwähnten Vereinsziele ausschlössen, daß der Verein Waffen und Ausrüstungsgegenstände in derartigem Umfang besitze, daß von deren Verleih sogar der materielle Aufwand des Vereines teilweise gedeckt werden könne. Offenbar setze der Verein "militärgeschichtliche Forschung" mit "Waffenkunde" gleich. Dazu kommt, daß der Verein als juristische Person nicht die zum Besitz von Waffen erforderlichen Genehmigungen nach dem Waffengesetz 1967, BGBl. 121, erlangen könne. Die gewählten Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes seien sohin gesetzwidrig.

Die neuen Statuten widersprächen auch § 4 Abs 2 litb VerG, da es "gesetzlich unzulänglich sei, wenn die Bestimmung über den Erwerb oder Verlust der Mitgliedschaft, mag sie auch nur eine Mitgliederart betreffen, nur durch eine umständliche Auslegung der Statuten gefunden werden kann".

c) aa) Die vorliegende Beschwerde wendet sich zum Teil gegen Elemente der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, die die belangte Berufungsbehörde ohnehin als unzutreffend bezeichnet hat und auf die sie die Untersagung der angezeigten Umbildung nicht stützt. Auf diese Beschwerdebehauptungen ist daher nicht einzugehen.

Sofern jedoch der beschwerdeführende Verein mit diesen Ausführungen zum Ausdruck bringen will, daß die Behörde verhalten gewesen wäre, die beabsichtigte Umbildung zumindest zum Teil - nämlich in Ansehung der unbeanstandet gebliebenen Statutenbestimmungen - nicht zu untersagen, ist ihm zu erwidern, daß die teilweise Untersagung einer Umbildung jedenfalls dann unzulässig ist, wenn der Verein - wie im vorliegenden Fall - nur einen einheitlichen Antrag (und keine gesonderten - jeweils nur auf einzelne Statutenbestimmungen bezogenen - Anträge) auf Nichtuntersagung der Umbildung gestellt hat.

bb) Die Beschwerde wendet gegen die von der belangten Behörde herangezogenen Untersagungsgründe zusammengefaßt folgendes ein:

Der Besitz und der Verleih von Waffen und Ausrüstungsgegenständen liege im Rahmen des Vereinszweckes. Aus den Statuten gehe nicht hervor, daß der Verein die Bestimmungen des Waffengesetzes mißachten würde. Es gebe eine Vielzahl von Waffen und Ausrüstungsgegenständen, die gar nicht unter das Waffengesetz fielen. An solchen Gegenständen könne der Verein als juristische Person gesetzmäßig Besitz erwerben und sie auch verleihen.

Es könne dem Verein nicht untersagt werden, unterstützende Mitglieder aufzunehmen. "Das Fehlen einer Bestimmung über die Aufnahme unterstützender Mitglieder sei kein Grund, diese Statutenänderung zu untersagen. Wenn keine ausdrückliche Regelung für die Aufnahme unterstützender Mitglieder in der Statutenänderung enthalten sei, so gelte selbstverständlich die allgemeine in den Statuten darüber enthaltene Regelung."

Durch die rechtswidrige Untersagung der angezeigten Umbildung sei das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Vereinsfreiheit verletzt worden.

Außerdem habe die Behörde das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter mißachtet, da die Behörde erster Instanz das Parteiengehör nicht gewahrt habe. Sie habe die dem Verein zur Stellungnahme gesetzte, unangemessen kurze Frist von acht Tagen nicht abgewartet, sondern den Bescheid bereits vor Ablauf dieser Frist erlassen.

d) Die Beschwerde ist nicht im Recht:

aa) Was zunächst den vom beschwerdeführenden Verein gerügten Mangel des Parteiengehörs anlangt, ist der Verein insofern im Recht, als hier die Gesetzwidrigkeit des Verwaltungsverfahrens eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Vereinsfreiheit bedeuten könnte, da eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens mittelbar auch eine Verletzung des Vereinsrechtes beinhaltet (vgl. zB VfSlg. 1804/1949, S 176, und 7007/1973, S 173).

Der gerügte Verfahrensmangel liegt aber nicht vor: Es kann unerörtert bleiben, wann die dem beschwerdeführenden Verein von der Behörde zur Stellungnahme gesetzte Frist abgelaufen ist. Wenn nämlich unter den gegebenen Umständen (der Verein wurde nicht eingeladen, zu Ergebnissen eines Beweisverfahrens Stellung zu nehmen, sondern zu rechtlichen Überlegungen der Behörde) überhaupt eine Verpflichtung der Behörde bestand, dem Verein Gelegenheit zu dieser Äußerung zu bieten, wurde ein hiebei allenfalls unterlaufener Fehler durch die - wahrgenommene - Möglichkeit, im Berufungsverfahren die Stellungnahme nachzuholen, saniert.

bb) Nach § 10 VerG gelten die Bestimmungen der §§4 bis 9 dieses Gesetzes (mit der in § 11 erwähnten, hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme) unter anderem auch für die Vornahme von Statutenänderungen. Die Bestimmung des § 6 Abs 1 erster Satz VerG, derzufolge die Vereinsbildung untersagt werden kann, wenn der Verein nach seinem Zweck oder nach seiner Einrichtung gesetz- oder rechtswidrig oder staatsgefährlich ist, ist demnach auch in den Fällen der Umbildung eines Vereines anzuwenden.

Vereinsstatuten sind im Zweifel gesetzeskonform und iS der Vereinsfreiheit auszulegen. Die Auslegung der Statuten eines Vereines hat nicht wie die eines Rechtsgeschäftes, sondern wie die einer generellen Norm zu erfolgen; es kommt also auf ihren objektiven Sinn und nicht bloß auf die ihr vom Proponenten oder vom Verein gegebene subjektive Interpretation an (vgl. VfSlg. 8844/1980).

Diese Auslegungsgrundsätze führen hier zu folgendem Ergebnis:

Nach den der Vereinsbehörde vorgelegten (neuen) Statuten sollen die wesentlichen Ziele des Vereines die militärgeschichtliche Forschung für die Zeit von 1914 - 1945 und die Unterstützung des Wehrmachtsmuseums Ardagger sein. Daraus ergibt sich, daß der Verein bestimmte (wissenschaftliche) Forschungsaufgaben zu erfüllen und ein Museum zu unterstützen (nicht aber selbst zu führen) beabsichtigt. Dieses in Punkt II der Statuten umschriebene Vereinsziel schließt es begrifflich aus, daß der Verein auch bezweckt, Waffen und sonstige militärische Ausrüstungsgegenstände in größerem Ausmaß zu besitzen und zu verleihen. Eine andere Auslegung ist bei diesem Wortlaut der Statuten undenkbar.

Punkt III.2 der neuen Statuten sieht als materielle Mittel zur Erreichung des Vereinszweckes ua. "Leihgebühren aus dem Verleih von Waffen und Ausrüstungsgegenständen" vor, was voraussetzen würde, daß es der Verein bezweckte, derartige Gegenstände zu verleihen.

Statuten müssen klar und in sich widerspruchsfrei sein, um den Vereinsmitgliedern, den am Erwerb der Vereinsmitgliedschaft interessierten Personen, der Öffentlichkeit und den Behörden eindeutige Auskunft vor allem über den Vereinszweck und die Mittel zu seiner Erreichung zu geben (vgl. § 24 VerG, wonach ein Verein ua. behördlich aufgelöst werden kann, wenn er seinen statutenmäßigen Wirkungskreis überschreitet).

Der dargestellte, nicht lösbare Widerspruch zwischen dem Punkt II und dem Punkt III.2 der Statuten ist nicht bloß formaler Natur, der als rechtstechnischer Mangel allenfalls hingenommen werden könnte. Vielmehr bewirkt er, daß infolge des Nichtanführens des Vereinszweckes, in größerem Ausmaß "Waffen und Ausrüstungsgegenstände" zu verleihen, undeutlich bleibt, um welche Sachen es sich hiebei handeln soll. Schon im Hinblick auf den Vereinsnamen liegt nahe, daß es sich dabei (auch) um Waffen und Ausrüstungsgegenstände handeln soll, die aus dem 2. Weltkrieg und der Zeit der NS-Herrschaft stammen. Jedenfalls unter diesen Umständen wäre es geboten gewesen, in den Statuten klarzustellen, welche Gegenstände verliehen werden sollen, um eine gesetzwidrige Tätigkeit - so insbesondere einen Verstoß gegen das Waffengesetz, das Verbotsgesetz und das Abzeichengesetz - auszuschließen.

Die neuen Statuten verstoßen daher schon aus diesem Grund gegen § 4 Abs 2 VerG. Es kann unerörtert bleiben, ob sie noch in weiteren Punkten, nämlich - wie im angefochtenen Bescheid angenommen wird - auch in Ansehung der Bestimmungen über die unterstützenden Mitglieder gesetzwidrig sind.

cc) Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die beabsichtigte Umbildung des beschwerdeführenden Vereines nicht zu Unrecht untersagt worden ist.

Der beschwerdeführende Verein ist sohin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Vereinsrecht nicht verletzt worden.

3. a) Die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes kommt angesichts der festgestellten Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht in Betracht (vgl. VfSlg. 8141/1977 und 8567/1979).

b) Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Der beschwerdeführende Verein ist mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde war infolgedessen abzuweisen.

4. Dem Antrag, die Beschwerde gemäß Art 144 Abs 3 B-VG idF der Nov. BGBl. 350/1981 an den VwGH abzutreten, war keine Folge zu geben.

Bei behaupteter Verletzung des Vereinsrechtes umfaßt nämlich die Zuständigkeit des VfGH auch die formalen verfahrensrechtlichen Fragen, weil jeder Verwaltungsbescheid, der die Behinderung des Rechtes auf freie Bildung von Vereinen und auf freie Vereinsbetätigung (hiezu zählt das Recht auf die Vornahme von Statutenänderungen) mit sich bringt und den in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen nicht entspricht, nicht nur eine Gesetzwidrigkeit iS des Art 130 B-VG, sondern auch eine Verletzung des durch Art 12 StGG gewährleisteten Rechtes darstellt. Es tritt in jedem solchen Fall die im Art 144 Abs 1 B-VG festgelegte Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit des VfGH ein, die nach Art 133 Z 1 B-VG die Zuständigkeit des VwGH ausschließt, falls sich der Gegenstand der Beschwerde in der behaupteten Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte erschöpft (vgl. zB VfSlg. 7007/1973).