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OGH vom 22.10.2010, 9ObA29/10w

OGH vom 22.10.2010, 9ObA29/10w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gillinger und Dr. Gerda Höhrhan Weiguni als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Patricia H*****, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Katharina Jürgens Schak, Rechtsanwältin in Wien, wegen 3.966,66 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 114/09g 14, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO)

Text

Begründung:

Die Klägerin war seit als Angestellte bei der Beklagten beschäftigt. Vereinbart war eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden mit einem monatlichen Entgelt von 1.180 EUR, 14 mal jährlich. Ab befand sich die Klägerin im vorzeitigen Mutterschutz und wurde am von einem Kind entbunden. Gemäß § 5 Abs 2 KBGG nahm sie Kinderbetreuungsgeld bis zum 30. Lebensmonat des Kindes in Anspruch. Anlässlich der Betriebs-Weihnachtsfeier der Beklagten im Dezember 2003 wurde zwischen der Beklagten und der Klägerin ein freier Dienstvertrag geschlossen, wonach diese vom bis , also bis zum Ende des Kindesbetreuungsgeld-Bezuges, zwischen 10 bis 20 Stunden wöchentlich arbeiten konnte. Es war der Beklagten von Anfang an klar, dass die Klägerin Karenz in Anspruch nehmen würde. Die Streitteile vereinbarten daher auch einen Karenzurlaub in der Länge von 30 Monaten, berechnet ab der Geburt des Kindes. Ab war die Klägerin wieder als Angestellte mit einem Bruttoentgelt von 1.700 EUR monatlich bei der Beklagten beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete am durch Dienstgeberkündigung.

Die Klägerin begehrt den Zuspruch einer (der Höhe nach außer Streit stehenden) Abfertigung im Ausmaß von zwei Monatsgehältern. Sie habe insgesamt eine mehr als drei Jahre dauernde Dienstzeit als Angestellte bei der Beklagten aufzuweisen, sodass ihr der Abfertigungsanspruch (alt) zustehe. Vom bis habe sie schon 564 Kalendertage als Angestellte der Beklagten zurückgelegt, einschließlich der Zeit vom bis ergeben sich 3,28 Dienstjahre.

Die Beklagte bestritt eine Karenzierung des ursprünglichen Angestelltendienstverhältnisses, nach Ende des freien Dienstvertrags habe ein neues Angestelltendienstverhältnis begonnen. Mangels einer mindestens drei Jahre währenden Dienstzeit als Angestellte habe die Klägerin daher keinen Anspruch auf Abfertigung.

Die Vorinstanzen gingen von einem Anspruch der Klägerin auf Abfertigung aus, weil die Karenz ein durchgehendes Angestelltenverhältnis bewirkt habe, das heißt, die aktiven Zeiten davor und danach zusammenzuzählen seien und mehr als drei Jahre Angestelltendienstzeit ergeben. § 15e MSchG stelle eine sanktionslose Ordnungsvorschrift dar, dem Überschreiten der dort geregelten 13 wöchigen Frist mit einem Gehalt über der Geringfügigkeitsgrenze während des freien Dienstvertrags komme daher keine Bedeutung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte vermag im Ergebnis keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, sodass ihr Rechtsmittel unzulässig ist:

Gemäß § 15e Abs 2 MSchG kann die Dienstnehmerin neben ihrem karenzierten Dienstverhältnis mit einem Dienstgeber für höchstens 13 Wochen im Kalenderjahr eine Beschäftigung über die Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 Z 2 ASVG) hinaus vereinbaren. Wird Karenz nicht während des gesamten Kalenderjahres in Anspruch genommen, kann eine solche Beschäftigung nur im aliquoten Ausmaß vereinbart werden. Das Mutterschutzgesetz sieht keine Sanktion vor, wenn bei einer Beschäftigung mit einer Entlohnung über der Geringfügigkeitsgrenze ( davon ist hier wohl auszugehen ) die 13-Wochen-Frist des § 15e MSchG überschritten wird.

Richtig ist, dass in der Lehre dazu unterschiedlichste Auffassungen vertreten werden: Diese reichen von der generellen Sanktionslosigkeit eines Verstoßes ( Ercher/Stech in Ercher/Stech/Langer , MSchG und VKG § 15e Rz 40 f, 54; Beschäftigung während der Karenz in RdW 2007/501, 477, 478) über Sanktionslosigkeit bei überlanger Beschäftigung durch den eigenen Arbeitgeber ( Brodil in Mazal/Risak , Arbeitsrecht Kapitel X Rz 21), über (partiellen) Verlust des Kündigungs und Entlassungsschutzes ( Schrenk , Kinderbetreuungsgeld Neue Karenzbestimmungen in FJ 2001, 403 f; Schäffer Ziegler , Aspekte des „Zuverdienstes“ im neuen Kinderbetreuungsgeldgesetz, ÖJZ 2002, 16, 21; Burger Ehrnhofer, Ab : Das Kinderbetreuungsgeld in RdW 2002, 29, 31) bis zur Unterbrechung oder Beendigung der Karenz ( Wolfs g ruber, Beschäftigung während der Karenz ein Paradoxon, in ecolex 2007, 621, 623 f; dieselbe in ZellKomm § 15e MSchG Rz 10 f; Egermann , Das Zusammenspiel von MSchG und KBGG Probleme der Beschäftigung während und nach der Karenz, ZAS 2004, 209, 213; Thomasberger in Burger Ehrnhofer / Schrittwieser / Thomasberger , MSchG und Väterkarenzgesetz, 345; Schrank, Arbeits und Sozialrecht 372/V).

Letztlich bedarf es hier aber keiner endgültigen Klärung dieser Frage: All die vorgenannten Meinungen gehen nämlich nur von der gesetzlichen Karenz iSd § 15 Abs 1 MSchG aus, wonach die Arbeitnehmerin durch Erklärung eine Mutterkarenz in Gang setzen kann, die längstens bis zum Ablauf des 2. Lebensjahres des Kindes währt. Im vorliegenden Fall liegt aber eine ausdrückliche Vereinbarung vor, die eine Karenzierung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf des 30. Lebensmonats des Kindes zum Inhalt hatte. Gleichzeitig wurde wenn auch zeitlich etwas später einsetzend ein bis zu diesem Zeitpunkt andauerndes freies Dienstverhältnis vereinbart, wobei kein Zweifel bestehen kann, dass dieses freie Dienstverhältnis neben die Karenzierung des Angestelltendienstverhältnisses treten sollte. Dieser nicht durch Erklärung der Arbeitnehmerin, sondern durch Parteienvereinbarung zustande gekommenen Karenzierung steht daher weder das Gesetz entgegen, noch kann den Parteien die ja gerade das Gegenteil zum Ausdruck gebrachten haben unterstellt werden, sie hätten das ursprüngliche Angestelltendienstverhältnis schlüssig beenden wollen. Die (vertragliche) Karenzierung stellt daher ein taugliches Bindeglied zwischen den Zeiten der Beschäftigung vor und nach der Karenz dar, die zusammen die nach § 23 Abs 1 AngG für die Gewährung einer Abfertigung erforderliche Zeit überschreiten.