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OGH vom 26.04.2022, 14Os147/21f

OGH vom 26.04.2022, 14Os147/21f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Wagner in der Strafsache gegen * J* und einen anderen Angeklagten wegen Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall, § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten J* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom , GZ 45 Hv 12/21z117, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten J* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – * J* des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall, § 15 StGB (I) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er vom bis zum in K* als Vorsitzender des Betriebsrats der Arbeiter der v* GmbH Co KG seine Befugnis, (ersichtlich gemeint) über das Vermögen des Betriebsratsfonds für die Arbeiter zu verfügen oder diesen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch diesen Betriebsratsfonds im 5.000 Euro übersteigenden Betrag von knapp über 140.000 Euro geschädigt oder zu schädigen versucht, indem er in mehr als 300, im angefochtenen Urteil einzeln angeführten Fällen mit Mitteln, die in das Vermögen des Fonds fielen, von ihm jedoch auf (den übrigen Betriebsratsmitgliedern) nicht bekannten Konten verwaltet wurden, Ausgaben ohne Deckung durch Beschlüsse des Betriebsrats der Arbeiter, teils auch entgegen der in Gesetz (vgl § 73 Abs 1 ArbVG) und Verordnung (§ 1 Abs 1 Betriebsratsfonds-Verordnung 1974 [kurz: BRF-VO]) festgelegten Zweckbindung tätigte oder zu tätigen versuchte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen vom Angeklagten J* aus den Gründen der Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der (zu Punkt I/326 des Schuldspruchs gestellte) Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung der * D* zum Beweis dafür, „dass für die Pensionisten eine Subvention einer Containerlösung geplant war und dafür auch Geld auf das Konto des Pensionistenverbandes geflossen ist“ (ON 105 S 2 iVm ON 107 S 10), zu Recht abgewiesen. Denn dieses Thema war (für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage) nicht erheblich (vgl aber RISJustiz RS0118319), hätte doch die Beweisaufnahme nach dem Antragsvorbringen nicht erbringen sollen, dass die inkriminierte (versuchte) Überweisung von 60.000 Euro auf Grundlage eines Beschlusses des Betriebsrats der Arbeiter erfolgt oder dieser Betrag (als Zuwendung der v* GmbH Co KG) nicht in das Vermögen des Betriebsratsfonds für die Arbeiter gefallen sei.

[5] Ebenso wenig war die Frage, ob „die Initiative zur Aufklärung“ vom Beschwerdeführer „ausgegangen ist“ und dieser „umfassend den Sachverhalt dargelegt hatte“ (ON 105 S 2), erheblich, zumal das Vorliegen der Voraussetzungen tätiger Reue (§ 167 StGB) hier nicht in Rede steht und das behauptete Verhalten des Beschwerdeführers lediglich für die Strafbemessung relevant wäre (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB). Die Abweisung des Antrags auf Vernehmung von * H*, der dies hätte bezeugen sollen, kann daher mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht bekämpft werden.

[6] Gleiches gilt auch für die weiteren Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung von * L* und * P* (ON 105 S 2 f, teils iVm ON 107 S 10). Denn mit Blick auf den (entscheidenden) Vorwurf fehlender Deckung der Ausgaben durch Beschlüsse des Betriebsrats haben weder der behauptete Umstand, dass auch nach dem Ausscheiden des Beschwerdeführers bestimmte Subventionen an Vereine geflossen seien, noch die Frage, ob bestimmte Ausgaben den rechtlichen Vorgaben (§ 73 Abs 1 ArbVG und § 1 Abs 1 BRFVO) hinsichtlich der Zweckbindung entsprochen hätten, Relevanz für die Feststellung entscheidender Tatsachen.

[7] Eingangs der Beantwortung der Mängelrüge (Z 5) wird festgehalten, dass diese nur zur Bekämpfung von Feststellungen (und deren Begründung) zu (für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage sowie für die Strafbefugnisgrenze) entscheidenden Tatsachen offensteht (RIS-Justiz RS0117499). Im Zusammenhang mit dem Untreuemerkmal des Befugnismissbrauchs ist von Bedeutung, dass der Betriebsratsfonds vom Betriebsrat (als Kollegialorgan) verwaltet und von dessen Vorsitzendem vertreten wird. Dieser weist Leistungen aus dem Betriebsratsfonds an, wobei jede Anweisung einer Deckung durch einen entsprechenden Beschluss des Betriebsrats (sei es auch in Form eines Grundsatz- oder Rahmenbeschlusses) bedarf. Die Mittel des Betriebsratsfonds dürfen zudem nur zu den in Gesetz und Verordnung bezeichneten Zwecken (Deckung der Kosten der Geschäftsführung des Betriebsrats und der Konzernvertretung sowie Errichtung und Erhaltung von Wohlfahrtseinrichtungen und Durchführung von Wohlfahrtsmaßnahmen zugunsten der Arbeitnehmerschaft und der ehemaligen Arbeiternehmer des Betriebs) verwendet werden (§§ 73 f ArbVG; § 1 Abs 1, § 3 Abs 2 und §§ 4 f BRFVO; vgl 8 ObA 22/02x; zum Ganzen Neumayr in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 74 Rz 2 bis 5, 7, 9 und 13; Kallab in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 74 ArbVG Rz 1, 4 bis 6, 10; Priewasser, Der Betriebsratsfonds7, 42 f, 59, 61 f, 84, 86 f und 91). Beschlussmäßige Deckung und widmungsgemäße Verwendung der Mittel stellen kumulative Voraussetzungen für die Zulässigkeit vermögenswirksamer Vertretungshandlungen dar, weshalb eine Anweisung ohne das Vorliegen einer dieser Voraussetzungen tatbildlichen Befugnisfehlgebrauch des Betriebsratsvorsitzenden begründet, weil sie eine Verletzung von Vorschriften zum Schutz des Vermögens des Betriebsratsfonds (der keine wirtschaftlich Berechtigten im Sinn des § 153 Abs 2 StGB hat) bedeuten (vgl [insbesondere zur Frage des Befugnisfehlgebrauchs bei Privatstiftungen ohne wirtschaftlich Berechtigte] 13 Os 128/18z; Kienapfel/Schmoller, BT II2 § 153 Rz 64; Fuchs, Die Reform der Untreue durch das StRÄG 2015, in JB Wirtschaftsstrafrecht und Organverantwortlichkeit 2015, 345 [358 f]; Mayerhöfer, Überlegungen zum wirtschaftlich Berechtigten iSd § 153 StGB bei einer Privatstiftung nach dem PrivatstiftungsG, ZWF 2019/5, 180).

[8] Davon ausgehend und mit Blick auf die Feststellung, es habe für keine der inkriminierten Vermögensverfügungen des Beschwerdeführers eine beschlussmäßige Deckung durch den Betriebsrat gegeben (US 45 f iVm US 50, 51 und 52 f), zeigt sich, dass die Kritik der Mängelrüge großteils nicht entscheidende Tatsachen betrifft und demnach keiner inhaltlichen Erwiderung bedarf.

[9] Dies gilt im Einzelnen für den Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall), weil das Erstgericht Verfahrensergebnisse, nach denen die Praxis so genannter „Nebenkassen“ mit separaten Konten bereits vor Übernahme des Betriebsratsvorsitzes durch den Beschwerdeführer praktiziert worden sei (vgl dazu im Übrigen US 53), die übrigen Betriebsratsmitglieder Kenntnis von diesen Konten gehabt hätten oder eine (im Übrigen nicht konkretisierte) „Vielzahl von Zeugen“ die Übergabe mit inkriminierten Vermögensverfügungen angeschaffter Sachspenden wahrgenommen habe.

[10] Gleiches trifft auf die Behauptung der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) zufolge Abweichung der Feststellungen zur Führung separater Konten (US 40 f) von Verfahrensergebnissen zu (vgl im Übrigen aber RIS-Justiz RS0099431).

[11] Die Verantwortung des Beschwerdeführers haben die Tatrichter erörtert, jedoch mit mängelfreier Begründung als nicht glaubhaft verworfen (US 48 ff). Sie waren daher unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit nicht verhalten, auf seine Angaben näher einzugehen (RIS-Justiz RS0098642 [T1]). Weshalb die Begründung der Feststellung, Provisionen für den Abschluss von Versicherungen bei der M* AG durch Arbeitnehmer der v* GmbH Co KG seien dem Betriebsratsfonds zugeflossen (US 41 f iVm US 52), gegen die Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungssätze verstoße, wird davon abgesehen nicht dargetan (RIS-Justiz RS0118317).

[12] Auch die Tatsachenrüge (Z 5a) erlaubt die Anfechtung nur von Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (RIS-Justiz RS0118780). Demnach kann das zu diesem Nichtigkeitsgrund Vorgebrachte auf sich beruhen, soweit es Konstatierungen zur Praxis so genannter „Nebenkassen“ mit separaten Konten oder die Kenntnis anderer Betriebsratsmitglieder von der Existenz dieser Konten sowie die Frage, ob einzelne der inkriminierten Vermögensverfügungen im Einklang mit der von Gesetz und Verordnung vorgegebenen Zweckwidmung standen, betrifft.

[13] Indem der Beschwerdeführer aus in den Entscheidungsgründen ohnehin erörterten Beweismitteln (die Aussagen der Zeugen DI * R*, Dr. * Hi* [vgl US 49 f], * Mü* [US 44 f und 54] und * N* [US 45 und 55]) für ihn günstigere Schlussfolgerungen zieht als das Erstgericht, überschreitet er die von Z 5a eingeräumte Anfechtungsmöglichkeit (RIS-Justiz RS0100555 [insbesondere T16]).

[14] Die von der weiteren Rüge ins Treffen geführte Aussage des Zeugen * P* (ON 104 S 37) legte das Erstgericht den zum Freispruch getroffenen Feststellungen zugrunde (US 61), weshalb dieser Einwand keiner näheren Erörterung bedarf.

[15] Ob der Beschwerdeführer ein vom Erstgericht im Rahmen der Beweiswürdigung zur Begründung der Feststellung, auch die so genannte „Heißgetränkerückerstattung“ sei teilweise in den Betriebsratsfonds gefallen, herangezogenes Beweismittel (US 42 iVm ON 56 S 63) kannte, ist aus Z 5a ebenso unbeachtlich wie beweiswürdigende Erwägungen des Erstgerichts zur Glaubwürdigkeit von Zeugen im Zusammenhang mit einer vor Beginn der Hauptverhandlung stattgefundenen Besprechung von Zeugen und Verfahrensbeteiligten (US 48).

[16] Der Hinweis, aus einzelnen Unterlagen ergebe sich, dass das System der „Nebenkassen“ bereits vom früheren Vorsitzenden des Arbeiterbetriebsrats und vom Vorsitzenden des Angestelltenbetriebsrats praktiziert worden sei, weckt ebenso wenig erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen (US 46) wie der Rekurs auf unterschiedliche Beurteilungen von Rechtsfragen durch zwei Zeugen (vgl dazu im Übrigen RIS-Justiz RS0097545).

[17] Auf das ansonsten ohne Bezugnahme auf konkrete Beweismittel, somit ohne Ableitung „aus den Akten“, erstattete Vorbringen der Tatsachenrüge war nicht näher einzugehen (RIS-Justiz RS0117446).

[18] Soweit der Beschwerdeführer (nominell im Rahmen der Mängelrüge, der Sache nach Z 5a) Mängel der Sachverhaltsermittlung im Zusammenhang mit Provisionszahlungen für den Abschluss von Versicherungen bei der M* AG moniert, unterlässt er die gebotene Darlegung, dass er an darauf abzielender Antragstellung gehindert gewesen sei (RIS-Justiz RS0115823).

[19] Das Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt großteils, soweit es die Frage aufwirft, ob bestimmte der inkriminierten Vermögensverfügungen die durch Gesetz und Verordnung festgelegten Zwecke verfolgten, die gebotene Bezugnahme auf die Gesamtheit des Urteilssachverhalts (RISJustiz RS0099810), demzufolge sich der tatbildliche Befugnisfehlgebrauch bereits aus dem Fehlen einer beschlussmäßigen Deckung durch den Betriebsrat ergab (vgl erneut US 45 f iVm US 50, 51 und 52 f). Indem sie eine beschlussmäßige Deckung für „bestimmte Leistungen“ behauptet, bekämpft sie die gegenteiligen Konstatierungen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.

[20] Erwägungen dazu, dass einzelne der vom Beschwerdeführer entgegengenommenen Zuwendungen nicht in den Betriebsratsfonds der Arbeiter gefallen seien, entfernen sich ein weiteres Mal von den dazu getroffenen Feststellungen (US 38 ff).

[21] Mit dem Hinweis auf eine Kommentarstelle, derzufolge „geringfügige Spenden an Notleidende oder karitative Vereine“ bloße „Ordnungswidrigkeiten“ seien, „die im Regelfall nicht zu Schadenersatzforderungen“ führten (Priewasser, Betriebsratsfonds7, 75), wird ein aus Z 9 lit a relevanter Rechtsfehler ebenso wenig deutlich und bestimmt geltend gemacht wie mit den allgemeinen – ohne Bezug zum Urteilssachverhalt angestellten – Überlegungen zur Möglichkeit der Schaffung betrieblicher Wohlfahrtseinrichtungen (vgl § 95 ArbVG) oder „unselbständiger Stiftungen“.

[22] Schließlich wird nicht erklärt, welche Bedeutung die Ausführungen zu den Modalitäten bei der Eröffnung und zur Zeichnungsberechtigung hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Bankkonten für die Lösung der Schuldfrage haben sollen (vgl im Übrigen [zur Tatbildlichkeit von Verfügungen über ein Bankkonto] RIS-Justiz RS0095943 [T2, T3 und T6]; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 153 Rz 21).

[23] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[24] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

[25] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00147.21F.0426.000

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