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VfGH vom 29.09.1992, B380/92

VfGH vom 29.09.1992, B380/92

Sammlungsnummer

13164

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Regelung des Entfalls der Zustimmungsbedürftigkeit in bestimmten Fällen des Rechtserwerbs von Todes wegen im Tir Grundverkehr; keine Verletzung im Eigentumsrecht durch die Feststellung der Erforderlichkeit einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Rechtserwerbs von Todes wegen

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird deshalb abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführenden Eheleute sind deutsche Staatsangehörige und hatten zu Beginn der 70er Jahre eine Liegenschaft in Alpbach samt Wohnhaus und Hofraum erworben. Nachdem diesem Rechtserwerb die grundverkehrsbehördliche Zustimmung versagt blieb, schlosen sie im Juni 1973 mit dem Verkäufer einen auf die Dauer von 80 Jahren unkündbaren Mietvertrag ab; darin wurde den Beschwerdeführern auch das Vorkaufsrecht eingeräumt. Dieser - damals nicht als genehmigungspflichtig erachtete - Vertrag wurde verbüchert. Überdies bedachte der Vermieter die Beschwerdeführer in einem Kodizill vom September 1973 mit den vom Vertrag umfaßten Objekten. Als die Beschwerdeführer im Dezember 1989 das Legat des am verstorbenen Legatars angenommen hatten, stellte die Grundverkehrsbehörde Alpbach über ihren Antrag mit Bescheid vom gemäß § 3 Abs 2 lita des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 (im folgenden: GVG 1983), fest, daß dieser Rechtserwerb der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde nicht bedarf.

2. Der dagegen vom Landesgrundverkehrsreferenten fristgerecht erhobenen Berufung wurde nach einem ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahren mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung - der belangten Behörde dieses verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens - vom , Zl. LGv - 987/8-90, Folge gegeben, der Bescheid der Grundverkehrsbehörde Alpbach behoben und gemäß §§2 Abs 1 iVm. 3 Abs 2 lita GVG 1983 (nunmehr idF des LG LGBl. für Tirol 74/1991) festgestellt, daß der Rechtserwerb gemäß § 3 Abs 1 lita leg.cit. der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedürfe. Begründet wurde dieser Bescheid im wesentlichen wie folgt:

"... Vorweg bleibt nun erstmals zu untersuchen, ob der § 3 Abs 2 lita GVG 1983, welcher in der derzeitigen Fassung auf Grund der Novelle LGBl. Nr. 74/1991 am in Kraft getreten ist, im vorliegenden Fall zur Anwendung gelangen kann oder nicht. Dies muß nach Ansicht der Landesgrundverkehrsbehörde auf jeden Fall bejaht werden. Auch wenn das streitgegenständliche Kodizill bereits im Jahre 1973 errichtet worden ist, so ist bezüglich des Erwerbes des Vermächtnisses - dies ist nach dem klaren Gesetzeswortlaut des GVG 1983 (vgl. auch § 3 Abs 2 lita) der relevante Rechtsvorgang


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nicht der Zeitpunkt der Errichtung, sondern vielmehr der Anfallstag ('dies legati cedens') maßgeblich. Als Anfallstag ist nun aber der Todestag des Erblassers anzusehen (vgl. § 684 ABGB). Ein Vermächtnis wird also mit dem Anfall - vorliegend am
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erworben. Im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. das Erk. vom , B822/89-6, und vom , B657/84-10) ist in diesem Zusammenhang weiters zu überprüfen und maßgeblich, ob zum Zeitpunkt des Erwerbes - also am - für den vorliegenden Rechtserwerb eine Genehmigungspflicht bestand oder nicht. Auch dies muß bejaht werden, zumal der § 3 Abs 2 lita GVG 1983 vor der Novelle LGBl. Nr. 74/1991 wie folgt gelautet hat:
'Der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde nach Abs 1 bedarf es nicht beim Rechtserwerb durch Erben oder Vermächtnisnehmer, sofern nicht von der Anordnung des Gesetzes oder des Erblassers oder von den Bestimmungen des Erbvertrages durch besondere Übereinkommen (Erbteilungsübereinkommen) abgegangen wird; bei Rechtsnachfolgern, die dem Personenkreis nach § 1 Abs 1 Z 2 angehören, jedoch nur dann, wenn die Rechtsnachfolge zwischen Ehegatten oder Blutsverwandten oder Verschwägerten in gerader Linie stattfindet.'
Die Voraussetzungen des zweiten Halbsatzes treffen vorliegend unbestreitbar nicht zu, sodaß auch zum Zeitpunkt des Erwerbes eine Bewilligungspflicht bestand. Daß dieser zweite Halbsatz in weiterer Folge vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G241/87 u.a., als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen wurde, daß die Aufhebung mit Ablauf des in Kraft tritt, vermag an diesen Überlegungen nichts zu ändern. Dies deshalb, weil auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles das Gesetz weiterhin anzuwenden ist; hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Art 140 Abs 5 B-VG gesetzt, so ist das Gesetz auf alle Fälle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme der Anlaßfälle anzuwenden (vgl. Art 140 Abs 7 B-VG).

Zusammengefaßt muß daher nach Ansicht der Landesgrundverkehrbehörde davon ausgegangen werden, daß zum Zeitpunkt des Erwerbes des in Rede stehenden Vermächtnisses eine Bewilligungspflicht bestand, daß auf Grund der zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblichen Rechtslage ebenfalls eine Bewilligungspflicht besteht, weshalb die im Spruch angeführte Feststellung zu treffen war."

Die belangte Behörde hielt fest, daß vor Inkrafttreten der Novelle LGBl. für Tirol 74/1991 Fälle wie jene des Rechtserwerbes der Beschwerdeführer (unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes) als nichtige Umgehungsgeschäfte angesehen worden seien.

3. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Die Beschwerdeführer behaupten ausschließlich, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden zu sein.

1.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums wird nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes durch einen in das Eigentum eingreifenden Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn der Bescheid unter Heranziehung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage erlassen worden wäre oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985, 11650/1988).

1.3. Die bescheidmäßig getroffene Feststellung, daß der Rechtserwerb der Genehmigung der Grundverkehrsbehörde bedürfe, entfaltet Rechtswirkungen für die grundverkehrsbehördliche Behandlung aller jener privatrechtlichen Vorgänge, die vom angefochtenen Bescheid erfaßt sind (vgl. VfSlg. 8675/1979, , B1371/90; , B399/91). Der angefochtene Bescheid greift somit in das Eigentumsrecht der Beschwerdeführer ein.

1.4.1. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf § 2 Abs 1 iVm. § 3 Abs 1 lita und § 3 Abs 2 lita GVG 1983; er ist daher nicht gesetzlos ergangen.

Die Beschwerdeführer behaupten jedoch, daß die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendete Rechtsvorschrift des § 3 Abs 2 lita GVG 1983 mangels einer entsprechenden Übergangsregelung zugunsten bereits "bestehender Rechtsverhältnisse" verfassungswidrig sei; diese Bestimmung (idF LGBl. für Tirol 74/1991) lautet:

"§3. (1) ...

(2) Der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde nach Abs 1 bedarf es nicht:

a) beim Rechtserwerb durch Erben oder Vermächtnisnehmer, sofern nicht von der Anordnung des Gesetzes oder des Erblassers oder von den Bestimmungen des Erbvertrages oder von den Bestimmungen des Erbvertrages durch besondere Übereinkommen (Erbteilungsübereinkommen) abgegangen wird; bei Rechtsnachfolgern, die dem Personenkreis nach § 1 Abs 1 Z 2 angehören, jedoch nur dann, wenn die Rechtsnachfolger zu den gesetzlichen Erben zählen;

..."

1.4.2. Der Verfassungsgerichtshof teilt diese Bedenken gegen § 3 Abs 2 lita GVG 1983 schon deshalb nicht, weil nach § 684 ABGB das Recht des Vermächtnisnehmers mit dem Anfallstag, das ist (abgesehen von einem aufschiebend bedingten Vermächtnis, bei welchem dieser Tag noch später liegt) der Todestag des Erblassers, erworben wird. Der Vermächtnisgeber starb am ; damals bestanden aber schon Regelungen über das Erfordernis der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zum Rechtserwerb von Todes wegen; es treffen also schon die Voraussetzungen des Beschwerdevorbringens nicht zu.

Auch sonst sind aus der Sicht dieses Beschwerdefalles gegen die genannte Rechtsvorschrift keine verfassungsrechtlichen Bedenken entstanden, zumal nunmehr (s. VfSlg. 11777/1988) eine entsprechende Kompetenz der Länder zur Erlassung solcher Regelungen besteht (s. ArtI Z 1 des BVG BGBl. 445/1990).

Gegen die übrigen, bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Bestimmungen bringt die Beschwerde keine Bedenken vor; solche sind auch beim Verfassungsgerichtshof aus Anlaß dieser Beschwerde nicht entstanden (vgl. zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit von § 1 Abs 1 Z 2 GVG 1983 VfSlg. 10993/1986, von § 2 Abs 1 GVG 1983 , von § 3 Abs 1 lita GVG 1983 VfSlg. 10927/1986, s. auch ).

1.4.3. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften könnten demnach die Beschwerdeführer nur durch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung im Eigentumsrecht verletzt worden sein.

Die Beschwerde macht ausschließlich - in weitwendigen Ausführungen - eine denkunmögliche Anwendung der §§879 und 916 ABGB dadurch geltend, daß die belangte Behörde fälschlicherweise von einem nichtigen Umgehungsgeschäft ausgegangen sei.

Dem ist zu entgegnen, daß die belangte Behörde in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Zustimmungsbedürftigkeit zum Rechtserwerb der Beschwerdeführer bejahte. Angesichts des klaren Wortlautes des § 3 Abs 2 lita GVG 1983 und des unbestrittenen Faktums, daß die Beschwerdeführer keine gesetzlichen Erben des Legatars sind, ist nicht erkennbar, worin ein Gesetzesverstoß gelegen sein könnte. Demgemäß war auf dieses Beschwerdevorbringen nicht mehr einzugehen, weil sich die angefochtene Entscheidung nicht auf das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes stützt.

1.5. Die Beschwerdeführer wurden somit nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt.

2.1. Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in einem von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wären.

2.2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (s. oben II.1.4.) ist es auch ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

3. Die Beschwerde war deshalb insgesamt als unbegründet abzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4, erster Satz, und Z 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.