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OGH vom 09.08.2011, 17Ob11/11h

OGH vom 09.08.2011, 17Ob11/11h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon. Prof. Dr. Griss als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. C***** P*****, Rechtsanwältin, *****, als Masseverwalterin der m***** GmbH, *****, gegen die beklagte Partei Mag. G***** S*****, vertreten durch Dr. Georg Kahlig Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 450.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 25.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 16 R 12/11v-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 57 Cg 130/08v-26, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der beklagte Rechtsanwalt war Rechtsvertreter der späteren Gemeinschuldnerin (deren Masseverwalterin hier als Klägerin auftritt) und der drei Mitbeklagten im Verfahren 10 Cg 153/03k des Handelsgerichts Wien (in der Folge: Vorprozess).

Im Vorprozess nahm Wolfgang M***** (in der Folge: Gebrauchsmusterinhaber) mit Klage vom die spätere Gemeinschuldnerin als Erstbeklagte sowie drei weitere Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung und Löschung des Programms „taxikomm“ von den Rechnern der Beklagten mit dem Vorbringen in Anspruch, das Programm greife in die zugunsten des Gebrauchsmusterinhabers beim österreichischen Patentamt zu Nr 3155 als Gebrauchsmuster registrierte Programmlogik ein, die der Gebrauchsmusterinhaber unter der Bezeichnung „Teletaxi“ vertreibe. Weiters habe die Erstbeklagte gegen eine mit Vergleich vereinbarte Unterlassungspflicht verstoßen; sie habe sich nämlich in einem außergerichtlichen Vergleich verpflichtet, sämtliche Rechte des Klägers an der Software, dem Patent und der Marke „Teletaxi“ anzuerkennen, jede Beeinträchtigung der Rechte des Klägers zu unterlassen und für den Fall des Zuwiderhandelns eine Konventionalstrafe zu zahlen.

Die Beklagten im Vorprozess wandten ein, das Gebrauchsmuster sei nichtig, weil es nicht neu sei und auf keinem erfinderischen Schritt beruhe, sondern dem Stand der Technik entspreche.

In der mündlichen Streitverhandlung vom verkündete der Richter des Vorprozesses den in der Folge auch schriftlich ausgefertigten Beschluss, das Verfahren gemäß § 156 Abs 3 PatG,§ 41 GMG bis zur rechtskräftigen Beendigung des von den Beklagten binnen einem Monat nach Zustellung dieses Beschlusses bei der Nichtigkeitsabteilung des österreichischen Patentamts einzuleitenden Verfahrens auf Nichtigkeit des österreichischen Gebrauchsmusters Nr 3155 zu unterbrechen und nur über Antrag einer der Parteien fortzusetzen. Die Beklagten des Vorprozesses brachten innerhalb der Frist keinen Nichtigkeitsantrag ein. Im auf Antrag des Gebrauchsmusterinhabers fortgesetzten Verfahren wandten die Beklagten ein, das europäische Patent EP055971B1 erworben zu haben, das auf derselben Programmlogik aufbaue wie das Gebrauchsmuster, aber prioritätsälter sei. Der vom Gericht beigezogene Sachverständige kam zum Ergebnis, dass das von den Beklagten verwendete Programm in das Gebrauchsmuster eingreife und dass dieses Programm auf der im Europäischen Patent EP055971B1 offenbarten Programmlogik aufbaue; damit wurde die Identität aller drei Systeme bestätigt, nämlich der Programme „taxikomm“, „teletaxi“ und der durch das Europäische Patent geschützten Programmlogik. Mit Urteil vom gab das Handelsgericht Wien der Klage teilweise statt; die Erstbeklagte wurde zur Unterlassung, Beseitigung und Rechnungslegung verurteilt, die Klägerin zur Urteilsveröffentlichung auf Kosten (auch) der Erstbeklagten ermächtigt. Das auf den Vergleich gestützte Begehren auf Zahlung einer Konventionalstrafe wies das Erstgericht ab, weil es nicht feststellen konnte, dass der außergerichtliche Vergleich zustande gekommen war, auf den der Kläger dieses Begehren gestützt hatte. Der Kläger, die Erst- und die Drittbeklagte bekämpften das Urteil mit Berufung; das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und bestätigte die Entscheidung mit Urteil vom ; eine von der späteren Gemeinschuldnerin eingebrachte außerordentliche Revision wies der Oberste Gerichtshof zurück.

Die Klägerin nimmt mit Klage vom den Beklagten auf Schadenersatz in Anspruch und begehrt nach Klagsausdehnung zuletzt 450.000 EUR sA (430.987,10 EUR Verdienstentgang, 19.012,90 EUR Kostenschaden aus dem Vorprozess) sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle Schäden, die der Gemeinschuldnerin durch die Unterlassung der Einbringung eines Antrags auf Nichtigerklärung des Gebrauchsmusters innerhalb der vom Handelsgericht Wien im Vorprozess gesetzten Frist in Zukunft noch entstehen werden. Der Beklagte habe es im Vorprozess schuldhaft unterlassen, seine Mandantin ausreichend über die Notwendigkeit aufzuklären, das Gebrauchsmuster mit Nichtigkeitsantrag zu bekämpfen, weshalb dessen Einbringung unterlassen worden sei. Insbesondere habe der Beklagte nicht auf die Rechtsfolge des § 156 Abs 3 PatG hingewiesen, wonach das Gericht bei Unterlassung eines Nichtigkeitsantrags im fortgesetzten Verfahren ohne Rücksicht auf den Einwand der Nichtigkeit des Gebrauchsmusters zu entscheiden habe. Der Beklagte habe seiner Mandantin erklärt, der Nichtigkeitsantrag sei nicht notwendig, ein Verfahren vor dem österreichischen Patentamt koste nur Zeit und Geld, und ein derartiger Antrag könne auch noch eingebracht werden, wenn das Gerichtsverfahren gewonnen sei. Darüber hinaus habe der Beklagte fälschlicherweise erklärt, dass derjenige, der die Herrschaft über das Europäische Patent habe, den Prozess gewinnen werde, weshalb es in erster Linie erforderlich sei, dieses Patent bzw eine Lizenz daran zu erwerben. Bei fristgerechter Einbringung des Nichtigkeitsantrags wäre das Gebrauchsmuster für nichtig erklärt und der Vorprozess gewonnen worden. Mit der Nichtigerklärung des Gebrauchsmusters seien „damit im Zusammenhang stehende Verträge rechtsunwirksam geworden ..., zumindest aus dem Grund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage“. Der Beklagte habe daher für den Schaden einzustehen. Die vom Beklagten zu verantwortende Unterlassung habe zum Prozessverlust geführt, der die Mandantin mit Verfahrenskosten von 19.012,90 EUR belaste. Das im Vorprozess ausgesprochene Verbot des Vertriebs des Programms „taxikomm“ habe einen Verdienstentgang von 430.987,10 EUR verursacht.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe im Vorprozess die Rechtslage betreffend den Nichtigkeitsantrag anlässlich der Verfahrensunterbrechung mehrfach und eingehend mit seiner Mandantin erörtert, doch sei diese nicht bereit gewesen, eine weitere Kostenbelastung durch den auch von ihr als notwendig erkannten Nichtigkeitsantrag zu tragen. Die Mandantin habe stattdessen lieber Bemühungen zum Erwerb des Europäischen Patents unternommen. Ein Obsiegen der Mandantin im Vorverfahren sei auch deswegen unwahrscheinlich gewesen, weil diese am im Zuge eines mit gerichtlichem Vergleich beendeten Verfahrens mit dem Gebrauchsmusterinhaber eine außergerichtliche Vereinbarung geschlossen habe, in der sie dessen sämtliche Rechte an der Software, dem Patent und der Marke „teletaxi“ ausdrücklich anerkannt habe. Sie sei daher aufgrund privatrechtlicher Vereinbarung verpflichtet gewesen, den Vertrieb des Programms „taxikomm“ zu unterlassen. Der am durch Klagsausdehnung geltend gemachte Verdienstentgang von 318.110 EUR und die mit Schriftsatz vom erhobene Forderung auf weitere 95.550 EUR an Verdienstentgang seien verjährt. Der Beklagte wandte eine Honorarforderung von 14.881,99 EUR aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein.

Das Erstgericht stellte fest, dass die Klageforderung mit 1.610,10 EUR sowie die Gegenforderung bis zu dieser Höhe zu Recht bestehe und wies Zahlungs- und Feststellungsbegehren ab. Es legte seiner Entscheidung folgende wesentliche Feststellungen zugrunde:

Der Beklagte und seine Mandantin besprachen wiederholt, ob ein Antrag auf Nichtigerklärung des Gebrauchsmusters beim österreichischen Patentamt eingebracht werden solle. Schon im Frühjahr 2004 riet der Beklagte seiner Mandantin davon mit der Begründung ab, das Verfahren vor dem Patentamt dauere lange, koste viel und sein Ergebnis sei ungewiss. Stattdessen empfahl er seiner Mandantin als wesentlich sinnvoller und effizienter, eine Lizenzvereinbarung mit dem Inhaber des Europäischen Patents EP055971B1 abzuschließen, da dieses Patent das stärkere, weil prioritätsältere Recht sei und man aufgrund einer solchen Lizenzvereinbarung den Prozess auf jeden Fall gewinnen werde, auch wenn das Gebrauchsmuster weiter aufrecht bleibe. Eine der in diesem Prozess Mitbeklagten trat daraufhin mit dem schwedischen Patentinhaber in Verhandlungen ein, die im Abschluss einer schriftlichen Lizenzvereinbarung vom mündeten. Inhalt dieser Vereinbarung war, das ein schwedisches Unternehmen der Mitbeklagten ein nicht ausschließliches Recht gewährte, das durch das Patent geschützte Programm im Rahmen des Systems „taxikomm“ vorerst befristet auf ein Jahr zu verwenden. Der Beklagte brachte daraufhin im Vorprozess in der Verhandlung am vor, dass eine der Mitbeklagten berechtigt sei, das Europäische Patent EP055971B1 zu nutzen, weshalb das System „taxikomm“, das auf der dadurch geschützten Programmlogik beruhe, in Österreich berechtigterweise betrieben werde. Anlässlich der Verfahrensunterbrechung besprach der Beklagte neuerlich mit seiner Mandantin die Frage der Einbringung eines Nichtigkeitsantrags beim österreichischen Patentamt, riet erneut von der Einbringung des Nichtigkeitsantrags ab und meinte, dass man den Prozess aufgrund der Lizenzvereinbarung ohnehin sicher gewinnen werde, weil das Europäische Patent das stärkere und ältere Recht sei. Der Beklagte erwähnte gegenüber seiner Mandantin nicht, dass das Gericht bei unterlassenem Nichtigkeitsantrag im fortgesetzten Verfahren ohne Rücksicht auf den Einwand der Nichtigkeit des Gebrauchsmusters entscheiden werde und der Einwand der mangelnden Neuheit des Gebrauchsmusters dann nicht mehr geprüft werden könne; er sagte aber, dass man das Gebrauchsmuster später immer noch löschen lassen könne, wenn der Prozess erst einmal gewonnen sei. Die Mandantin des Beklagten und ihre Mitbeklagten gingen aufgrund dieser Informationen davon aus, dass sie den Prozess wegen der Lizenzvereinbarung auf jeden Fall gewinnen würden. Sie sahen deshalb von der Einbringung eines Nichtigkeitsantrags ab und legten dem Gericht zum Beweis für den Erwerb der Rechte am Europäischen Patent eine Kopie der Lizenzvereinbarung vor, in der einige Textstellen geschwärzt waren. Hätte der Beklagte seine Mandantin darauf hingewiesen, dass die Einbringung eines Nichtigkeitsantrags ihre Chancen im Prozess erhöhe und man sich nur in diesem Fall weiterhin auf die mangelnde Neuheit des Gebrauchsmusters und somit auf dessen Nichtigkeit berufen könne, hätten die Beklagten des Vorprozesses einen solchen Antrag fristgerecht eingebracht. Die Unterlassung des Nichtigkeitsantrags hatte zur Folge, dass das Gericht im Vorprozess von der Wirksamkeit des Gebrauchsmusters ausging, obwohl die Voraussetzungen für eine Nichtigkeit des Gebrauchsmusters vorlagen, weil das Gebrauchsmuster im Zeitpunkt seiner Registrierung nicht mehr neu gewesen war, sondern dem Stand der Technik entsprochen hatte. Rechte der Beklagten am Europäischen Patent EP055971B1 hielt das Erstgericht für nicht erwiesen; es sei nicht feststellbar, dass eine Lizenz an diesem Patent eingeräumt worden sei. Die zum Nachweis des Lizenzvertrags vorgelegte Urkunde sei aufgrund der Schwärzungen nicht unbedenklich; auch sei das lizenzgebende Unternehmen nicht der eingetragene Patentinhaber, weshalb nicht ersichtlich sei, wieso dieses Unternehmen überhaupt Rechte am Patent einräumen könne. Für nicht erwiesen hielt das Gericht auch das Zustandekommen eines außergerichtlichen Vergleichs vom , in dem die spätere Gemeinschuldnerin gegenüber dem Gebrauchsmusterinhaber dessen sämtliche Rechte an der Software, dem Patent und der Marke „teletaxi“ ausdrücklich anerkannt hatte.

Das zu Nr 3155 registrierte Gebrauchsmuster betrifft ein Verfahren zur automatischen Vermittlung von Telefongesprächen über eine Vermittlungszentrale. Das Gebrauchsmuster besaß die Priorität , die gesetzliche Schutzdauer endete daher am . Bis zur Unterbrechung des Verfahrens im Vorprozess am hat der Beklagte für seine Mandantin Leistungen erbracht, für die die tarifmäßigen Kosten 11.306,33 EUR betragen. Für seine Vertretung im Vorprozess hat der Beklagte bisher 3.725,60 EUR Honorar erhalten.

Die Mandantin des Beklagten wurde im Vorprozess gemeinsam mit der Dritt- und der Viertbeklagten verpflichtet, dem Kläger Kosten von 11.601,79 EUR zu ersetzen; eine Solidarhaftung der Beklagten wurde nicht ausgesprochen. Im Berufungsurteil wurde die Mandantin des Beklagten zusammen mit der Drittbeklagten zum Ersatz der gesamten Kosten des Berufungsverfahrens von 762,69 EUR verpflichtet, ebenfalls ohne Ausspruch einer Solidarhaftung. Die Kosten für die Einbringung der außerordentlichen Revision betrugen 2.922,92 EUR.

Hätten die Beklagten im Vorprozess fristgerecht einen Nichtigkeitsantrag beim österreichischen Patentamt eingebracht, wäre der Vorprozess mit überwiegender Wahrscheinlichkeit folgendermaßen abgelaufen:

Nach Durchführung des Verfahrens beim österreichischen Patentamt wäre das Gebrauchsmuster wegen fehlender Neuheit zum Zeitpunkt der Eintragung gemäß § 33 GMG für nichtig erklärt worden. Im fortgesetzten Gerichtsverfahren wäre von der Nichtigkeit des Gebrauchsmusters auszugehen gewesen; ein Gebrauchsmustereingriff durch die Beklagten wäre verneint worden. Auf der Grundlage des bereits in der Klage dazu erstatteten Vorbringens und der entsprechenden Beweisanbote wäre sodann geprüft worden, ob die Gemeinschuldnerin nicht trotz Nichtigkeit des Gebrauchsmusters aufgrund des im Zuge des Verfahrens 34 Cg 65/01t des Handelsgerichts Wien geschlossenen Vergleichs zu einer Unterlassung der Verwendung der Programmlogik, insbesondere der Software „taxikomm“, verpflichtet wäre. Aufgrund des zu diesem Beweisthema durchzuführenden Beweisverfahrens wäre das Gericht im Vorprozess zu folgenden Feststellungen gelangt:

Im Februar 1999 schloss die spätere Gemeinschuldnerin unter ihrem damaligen Firmennamen mit der Rechtsvorgängerin des Gebrauchsmusterinhabers einen Lizenzvertrag betreffend die Software und Markenrechte am Produkt „teletaxi“. Aufgrund von Streitigkeiten im Zusammenhang mit angeblichen Verstößen gegen die Lizenzvereinbarung wurde zwischen dem Gebrauchsmusterinhaber als Kläger und der späteren Gemeinschuldnerin als Beklagte vor dem Handelsgericht Wien zu 34 Cg 65/01t ein Prozess auf Zahlung diverser Lizenzentgelte geführt. Dieses Verfahren wurde durch einen teils gerichtlich, teils außergerichtlich geschlossenen Vergleich beendet. Im Rahmen des außergerichtlich geschlossenen Vergleichs verpflichtete sich die spätere Gemeinschuldnerin gegenüber dem Gebrauchsmusterinhaber unter anderem, „sämtliche Rechte des [Gebrauchsmusterinhabers] an der Software, dem Patent und der Marke 'teletaxi' anzuerkennen und jede Beeinträchtigung der Rechte des [Gebrauchsmusterinhabers] zu unterlassen“. Für den Fall des Zuwiderhandelns gegen diese Verpflichtung verpflichtete sich die spätere Gemeinschuldnerin zur Zahlung einer verschuldensunabhängigen Konventionalstrafe.

Nach Feststellung der Identität der Programme „teletaxi“ und „taxikomm“ durch den Gerichtssachverständigen wäre das Gericht im Vorprozess davon ausgegangen, dass die spätere Gemeinschuldnerin unabhängig von der Wirksamkeit des registrierten Gebrauchsmusters allein aufgrund des am abgeschlossenen außergerichtlichen Vergleichs verpflichtet sei, die Verwendung bzw das Inverkehrbringen der Software „taxikomm“ zu unterlassen, weil andernfalls ein Eingriff in die von ihr vertraglich anerkannten Rechte des Gebrauchsmusterinhabers an der von ihm entwickelten Software vorliege. Dies hätte letztlich zu folgendem Urteil im Vorprozess geführt:

Das Klagebegehren gegen die Dritt- und die Viertbeklagte wäre zur Gänze abgewiesen und der damalige Kläger zum vollen Kostenersatz an diese Parteien verpflichtet worden.

Dem Unterlassungs- und Beseitigungsbegehren gegen die spätere Gemeinschuldnerin wäre wie im Urteil vom , jedoch mit der Modifikation stattgegeben worden, dass das Unterlassungsgebot nicht auf die Verletzung des registrierten Gebrauchsmusters Bezug genommen hätte, sondern der Gemeinschuldnerin lediglich die Unterlassung des Inverkehrbringens und Feilhaltens eines dem gelöschten Gebrauchsmuster entsprechenden Verfahrens zur automatischen Vermittlung von Telefongesprächen und der diese Programmlogik enthaltenden Software (insbesondere der Software „taxikomm“, insbesondere in ihrer Anwendung auf automatische Vermittlung von Kundenanfragen an Funktaxilenker) geboten worden wäre.

Dem Begehren auf Zahlung einer Konventionalstrafe von 8.720,74 EUR wäre stattgegeben worden.

Die Begehren auf Rechnungslegung und Herausgabe der Gewinne sowie auf Urteilsveröffentlichung wären hingegen abgewiesen worden.

Die spätere Gemeinschuldnerin wäre verpflichtet worden, dem Kläger anteilige Prozesskosten von 2.571,27 EUR zu ersetzen.

Die spätere Gemeinschuldnerin hätte auch bei diesem Verfahrensausgang weder auf eine Berufung noch auf eine außerordentliche Revision verzichtet. Im Berufungsverfahren wäre sie unterlegen und hätte dem damaligen Kläger vollen Kostenersatz leisten müssen; dieser hätte jedenfalls mehr als 382 EUR betragen. Ihre außerordentliche Revision wäre zurückgewiesen worden; deren Kosten in Höhe von 2.608,72 EUR hätte sie selbst zu tragen gehabt.

So lange der Vorprozess anhängig war, hatten weder die Geschäftsführerin der späteren Gemeinschuldnerin noch deren damalige Mitbeklagte den Verdacht, dass dem Beklagten bei seiner Rechtsberatung ein Fehler unterlaufen sein könnte. Erst der der Gemeinschuldnerin zur Einbringung einer außerordentlichen Revision beigegebene Verfahrenshelfer wies Anfang Juli 2007 darauf hin, dass es ein prozessrelevanter Fehler gewesen sei, den Nichtigkeitsantrag nicht einzubringen, was möglicherweise den Prozessverlust zur Folge gehabt habe.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass der Beklagte seine Mandantin anlässlich der Verfahrensunterbrechung im Einzelnen sowohl über die Folgen der Einbringung als auch der Unterlassung eines Nichtigkeitsantrags beim österreichischen Patentamt belehren hätte müssen. Er hätte ihr jedenfalls darlegen müssen, dass das Gericht bei Unterlassung des Nichtigkeitsantrags im fortgesetzten Verfahren von der Wirksamkeit des Gebrauchsmusters ausgehen müsse und dann auch der Einwand der mangelnden Neuheit des Gebrauchsmusters ungeprüft bleibe. Der Beklagte hätte seiner Mandantin empfehlen müssen, einen Nichtigkeitsantrag einzubringen, und darauf hinweisen müssen, dass die Berufung auf die am Europäischen Patent erworbenen Lizenzrechte allein noch keinen sicheren Prozessgewinn bedeute, zumal nicht nur der Abschluss der Lizenzvereinbarung nachzuweisen sei, sondern es auch auf Inhalt und Umfang der Lizenz ankomme, und weiters darauf, dass einer Lizenz erst mit der Eintragung in das Patent- bzw Gebrauchsmusterregister absolute Wirkung zukomme. Es liege daher eine objektive Sorgfaltsverletzung des Beklagten im Sinne einer falschen bzw unzureichenden Rechtsbelehrung vor. Für die Kausalität sei der Prozessverlauf hypothetisch nachzuvollziehen und zu fragen, wie das Verfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten geendet hätte. Dabei sei darauf abzustellen, wie richtigerweise entschieden hätte werden müssen, wobei als Maßstab ein pflichtgemäß handelnder Richter heranzuziehen sei. Aufgrund der privatrechtlichen Vereinbarung vom sei die Mandantin des Beklagten unabhängig vom Fortbestehen des Gebrauchsmusterschutzes gegenüber dem Gebrauchsmusterinhaber verpflichtet, eine Verwendung der Software nach Art des Programms „taxikomm“ zu unterlassen. Da sie diese Vereinbarung durch die Verwendung des genannten Programms verletzt habe, sei nach allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen das Unterlassungsbegehren, das Löschungsbegehren und das Begehren auf Ersatz der Konventionalstrafe berechtigt. Keine Rechtsgrundlage gebe es für die Begehren auf Rechnungslegung, auf Herausgabe des von der Gemeinschuldnerin durch die Verwendung des Programms erzielten Gewinns und auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung. Insgesamt ergebe sich daher, dass ein pflichtgemäßes Verhalten des Beklagten zu einem für seine Mandantin wenn auch nur geringfügig anderen Verfahrensausgang und im Zusammenhang damit zu einer günstigeren Kostenentscheidung geführt hätte. Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Fehlverhalten des Beklagten und den behaupteten Schäden sei für die Verfahrenskosten zu bejahen, in Bezug auf den Verdienstentgang aber zu verneinen. Der durch das Fehlverhalten verursachte Schaden betrage 1.295,99 EUR an Kosten des Verfahrens erster Instanz, an Kosten der außerordentlichen Revision 314,11 EUR. Im Berufungsverfahren sei durch das Fehlverhalten kein Schaden entstanden. Insgesamt bestehe die Klageforderung daher mit 1.610,10 EUR zu Recht. Dem Beklagten stehe allein für die bis zur Verfahrensunterbrechung am erbrachten Leistungen noch ein restliches Honorar von 7.580,73 EUR zu. Da der Betrag die Klageforderung übersteige, sei das Zahlungsbegehren abzuweisen. Das Feststellungsbegehren sei abzuweisen, weil das Verhalten des Beklagten für einen allfälligen künftigen Verdienstentgang der Gemeinschuldnerin nicht kausal gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Zu den wichtigsten Aufgaben des Rechtsanwalts, der eine Vertretung übernehme, gehöre die Belehrung des meist rechtsunkundigen Mandanten. Stünden einem Rechtsanwalt als dem Prozessbevollmächtigten einer Partei zwei Rechtsbehelfe zur Verfügung, von denen einer zweifellos zum Erfolg führen müsse, während dies beim anderen nicht mit Sicherheit gesagt werden könne, so erfordere es seine Sorgfaltspflicht, entweder nur den sicheren Weg zu wählen, oder beide Rechtsbehelfe gleichzeitig anzuwenden, um die von ihm vertretene Partei vor Schaden zu bewahren. Wähle er aber nur den nicht sicheren Weg, dann verletze er die ihm obliegende Sorgfalt. Der Beklagte habe seine Mandantin über die Konsequenzen der Unterlassung eines Nichtigkeitsantrags beim österreichischen Patentamt nicht belehrt, was dazu geführt habe, dass sie keinen entsprechenden Auftrag erteilt habe. Die Einbringung des Nichtigkeitsantrags wäre die sicherere Variante gewesen. Im Regressprozess sei bedeutungslos, welche Beweise im Vorprozess aufgenommen worden seien; zu fragen sei, welches Beweisverfahren aufgrund des Vorbringens der Parteien hypothetisch durchgeführt worden wäre, wäre das Gebrauchsmuster aufgrund eines entsprechenden Antrags der Gemeinschuldnerin für nichtig erklärt worden. Bei Durchführung des vom Erstgericht angenommenen Beweisverfahrens wäre vom Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs mit der festgestellten Unterlassungsverpflichtung auszugehen gewesen. In Punkt 2 der Klage im Vorprozess sei der Inhalt des Vergleichs einschließlich der Unterlassungsverpflichtung ausführlich dargestellt worden, dazu sei auch ein umfassendes Beweisanbot gestellt worden. In Punkt 4 der Klage sei ausdrücklich behauptet worden, dass die spätere Gemeinschuldnerin gegen die im Vergleich vereinbarte Unterlassungspflicht verstoßen habe, weshalb der dortige Kläger die vereinbarte Konventionalstrafe einfordere. In Punkt 5 der Klage werde ausgeführt, dass sowohl die Urheberrechte des dortigen Klägers als auch die Rechte aus dem Gebrauchsmuster verletzt seien, dem Kläger stünden daher die Ansprüche gemäß § 41 GMG auf Unterlassung, Vernichtung der Eingriffsgegenstände, Rechnungslegung, Schadenersatz, Herausgabe des Gewinns und Urteilsveröffentlichung zu. Es sei daher bereits in der Klage der Bestand einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung und der Verstoß gegen diese explizit behauptet und als Grundlage für die begehrte Konventionalstrafe herangezogen worden. Wenn die Klägerin in der Berufung ausführe, dass bei ordnungsgemäßer Prozessführung durch den Beklagten die Auswirkungen des Vergleichs vom Dezember 2001 wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage selbst dann unbeachtlich gewesen wären, wenn der Gebrauchsmusterinhaber sein Unterlassungsbegehren tatsächlich auch auf diesen Vergleich gestützt hätte, weil offensichtlich sei, dass der Vergleich nur im Hinblick darauf geschlossen worden sei, dass alle Beteiligten von der Rechtswirksamkeit des als Patent bezeichneten Gebrauchsmusters des dortigen Klägers ausgegangen seien, übersehe sie, dass sie im erstinstanzlichen Verfahren ein derartiges Vorbringen zum hypothetischen Verfahrensverlauf nicht erstattet habe. Ein günstiger Ausgang und der Verlauf des hypothetischen Verfahrens falle in die Behauptungs- und Beweislast der Klägerin. Unabhängig davon überzeugten diese Ausführungen aber auch nicht in der Sache, weil ein Rechtsirrtum nicht zur Vergleichsanfechtung berechtige. Der gegenständliche Vergleich habe dazu gedient, einen Streit über die Frage der Rechte des Gebrauchsmusterinhabers am strittigen Programm beizulegen; er habe die Rechtsposition des Gebrauchsmusterinhabers gerade auch für den Fall einer Nichtigerklärung seines Gebrauchsmusters absichern sollen. Einen Beratungsfehler des Beklagten dahin, er hätte die Gemeinschuldnerin im damaligen Prozess darauf hinweisen müssen, dass sie von vornherein chancenlos sei, weil dieser Vergleich eine taugliche Grundlage für einen Unterlassungsanspruch des Gebrauchsmusterinhabers biete, habe die Klägerin in erster Instanz nicht geltend gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Die Revisionswerberin macht zusammenfassend geltend, das Gericht des Vorprozesses sei in freier Beweiswürdigung zum Ergebnis gelangt, dass das Zustandekommen des (im Schreiben vom formulierten) außergerichtlichen Vergleichs nicht bewiesen worden sei. Von diesem Prozessergebnis sei das Regressgericht trotz bestehender Bindung unzulässigerweise abgewichen und bei seiner Entscheidung vom Zustandekommen dieses Vergleichs ausgegangen. Richtigerweise müsse das Regressgericht in Fragen der Beweiswürdigung und des richterlichen Ermessens den Ergebnissen des Vorprozesses zumindest in jenen Teilbereichen folgen, die den behaupteten Anwaltsfehler nicht betreffen. Letzteres treffe auf den außergerichtlichen Vergleich vom zu, ohne dessen Bestand der Beratungsfehler des Beklagten für den Prozessverlust im Vorprozess kausal gewesen wäre. Keinesfalls sei der Vorprozess durch das Regressgericht „neu zu erfinden“, weil dies ein unzulässiger Eingriff in eine rechtskräftige Entscheidung wäre. Das Regressgericht dürfe daher außerhalb des vom Anwaltsfehler berührten Sachverhalts keine zusätzlichen Beweisergebnisse berücksichtigen.

1.1. Das Berufungsgericht hat die Grundsätze der Haftung eines Anwalts gegenüber seinem Mandanten für pflichtwidriges Verhalten zutreffend dargestellt und dem Beklagten die unterlassene Einleitung eines Verfahrens auf Nichtigerklärung des Gebrauchsmusters beim Patentamt zu Recht als haftungsauslösende Pflichtverletzung zugerechnet: Kommen mehrere Maßnahmen zur Erreichung des vom Mandanten gewünschten Ziels in Betracht, hat der Rechtsanwalt die relativ sicherste und gefahrloseste Maßnahme vorzuschlagen und den Mandanten über die möglichen Risiken aufzuklären, damit dieser zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (Prinzip des sichersten Weges, RIS-Justiz RS0026303; vgl auch Staudinger/Martinek , BGB [2006] § 675 Rn B 173 mit Nachweisen zur Rsp des BGH).

1.2. Entgegen den Ausführungen des Beklagten in der Revisionsbeantwortung wäre die Einbringung eines Nichtigkeitsantrags die sicherste und gefahrloseste Maßnahme zur Erzielung eines Prozesserfolgs im Vorprozess gewesen. Die statt dessen vom Beklagten vorgeschlagene Strategie (Lizenzerwerb am schwedischen Patent) war nämlich mit der Unsicherheit verbunden, im Bestreitungsfall den Abschluss des Lizenzvertrags nachweisen zu müssen (dieser Nachweis ist den Beklagten im Vorprozess tatsächlich nicht gelungen); darüber hinaus hatten die Beklagten bei dieser Strategie den zusätzlichen Nachweis zu führen, dass das (gegenüber dem Gebrauchsmuster prioritätsältere) Patent und das von den Beklagten verwendete Programm auf derselben Programmlogik beruhten.

2.1. Im Rahmen der Anwaltshaftung ist der durch die Pflichtverletzung entstandene Schaden zu ersetzen. Liegt die Pflichtverletzung wie hier in der Unterlassung einer Prozesshandlung, ist im Rahmen der vom Kläger zu beweisenden Kausalität zu prüfen, welcher Schaden dem Mandanten dadurch entstanden ist, dass die notwendige Prozesshandlung unterblieben ist.

2.2. Eine Unterlassung ist für den konkreten Schaden dann ursächlich, wenn die Vornahme einer bestimmten Handlung den Eintritt des Schadens verhindert hätte und diese Handlung auch möglich gewesen wäre. Die Kausalität ist demnach zu verneinen, wenn derselbe Nachteil auch bei pflichtgemäßem Tun entstanden wäre (RIS-Justiz RS0022913). Hätte demnach der Mandant den Prozess denkt man sich die unterlassene Prozesshandlung hinzu aus anderen Gründen dennoch verloren, besteht kein Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Prozessverlust.

2.3. Die Beweislast dafür, dass der Schaden bei gebotenem Verhalten nicht eingetreten wäre, trifft den Geschädigten auch im Fall der Anwendbarkeit des § 1298 ABGB (RIS-Justiz RS0022900; RS0022686). Auch im Schadenersatzprozess gegen einen Rechtsanwalt hat daher der Geschädigte zu behaupten und zu beweisen, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Verhalten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre (6 Ob 316/01s; RIS Justiz RS0022700).

3.1. Liegt das Verschulden des Rechtsanwalts in der unterlassenen Aufklärung über die Notwendigkeit einer Prozesshandlung, ist über einen daraus abgeleiteten Schadenersatzanspruch der Prozess auch in den dort in Betracht gekommenen rechtlichen Erwägungen hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie er mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte, wäre die Prozesshandlung vorgenommen worden (RIS-Justiz RS0022706).

3.2. Bei der Beurteilung des hypothetischen Verfahrensausgangs des Vorprozesses hat das Gericht im Regressprozess nicht darauf abzustellen, wie das Gericht des Vorprozesses, wären die beanstandeten Unterlassungen unterblieben, seinerzeit entschieden hätte, sondern darauf, wie nach seiner Auffassung der Vorprozess oder auch nur eine Teilfrage desselben richtigerweise hätte entschieden werden müssen, wobei sich das Regressgericht bei seiner Beurteilung am Handeln eines pflichtgemäß handelnden Richters zu orientieren hat (1 Ob 151/01i [Schadenersatzanspruch wegen Unterlassung eines Antrags auf bedingte Nachsicht der Rechtsfolgen nach § 44 Abs 2 StGB] mit ausführlicher Begründung und Nachweisen zum Schrifttum; RIS-Justiz RS0115755; RS0022706 [T6]). Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass beim hypothetischen Nachvollzug gerichtlicher Ermessensentscheidungen die Vernehmung der im Vorprozess zuständigen Richter, jedenfalls dann, wenn Senate entschieden haben, als Eingriff in das Beratungsgeheimnis unzulässig ist.

3.3. Die deutsche Rechtsprechung stellt nicht auf den hypothetischen Ausgang des Vorprozesses ab, sondern darauf, welches Urteil nach damaliger Rechtslage und höchstgerichtlicher Rechtsprechung hätte ergehen müssen (vgl Czub in Bamberger/Roth , BGB² § 675 Rz 25; BGH IX ZR 27/04 = NJW 2005, 3071). Der Regressprozess wird gegenüber dem Vorprozess als neues und selbstständiges Verfahren gesehen, in dem die Sicht des Regressgerichts maßgeblich ist. Das gilt nicht nur für Rechtsfragen, sondern auch für Tatfragen. Das Regressgericht habe daher seiner Entscheidung den Sachverhalt zu Grunde zu legen, der dem Gericht des Vorverfahrens bei pflichtgemäßem Verhalten des Rechtsanwalts unterbreitet und von ihm aufgeklärt worden wäre. Dabei sei das Gericht nicht auf Beweisthemen beschränkt, die Gegenstand des Vorprozesses waren; der Kläger des Regressprozesses könne mit allen im Regressprozess zulässigen Beweismitteln den Beweis führen, dass er, hätte es den Anwaltsfehler nicht gegeben, den Vorprozess hätte gewinnen müssen. Insbesondere stehe der Gegner des Vorprozesses nunmehr als Zeuge zur Verfügung. Nicht zu berücksichtigen habe das Gericht im Regressprozess nur solche Erkenntnisse, die selbst bei pflichtgemäßem Handeln der im Vorprozess auftretenden Rechtsanwälte und sachgerechtem Verfahren des Gerichts keinesfalls zur Verfügung gestanden wären. Andernfalls käme der Mandant aufgrund des Anwaltsfehlers im Wege des Schadenersatzes in den Genuss eines Vorteils, den er ohne jenen Fehler unter keinen Umständen hätte (BGH IX ZR 27/04 = NJW 2005, 3071).

3.4. Die deutsche Rechtsprechung räumt damit mit der zuletzt genannten Einschränkung der materiellen Gerechtigkeit Vorrang vor der wirklichen Kausalität ein. Für diese Auffassung spricht, dass es nicht Schutzzweck der Haftung für Anwaltsfehler sein kann, dem Kläger im Regressprozess wegen eines Anwaltsfehlers etwas zukommen zu lassen, was ihm materiell nie gebührt hat. Allerdings nimmt auch die deutsche Rechtsprechung, wie oben dargelegt, nicht der materiellen Rechtslage entsprechende Ergebnisse in Kauf, wenn die Beweise im Vorprozess keinesfalls zur Verfügung gestanden wären.

3.5. Im vorliegenden Fall geht es nicht darum, ob im Regressprozess Beweise berücksichtigt werden dürfen, die dem Gericht des Vorprozesses nicht vorgelegen sind. Streitentscheidend ist die Frage, ob das Gericht im Regressprozess an Verfahrensergebnisse des Vorprozesses gebunden ist, die mit dem Anwaltsfehler nichts zu tun haben.

3.6. Abgesehen davon, dass es schwierig sein kann, abzugrenzen, ob ein Verfahrensergebnis vom Anwaltsfehler berührt wird, spricht für die Verneinung der Bindung, dass damit der Vorrang der materiellen Gerechtigkeit vor der wirklichen Kausalität gesichert wird und auch jene Unwägbarkeiten ausgeschlossen werden, die sich daraus ergeben, dass sich prozessuales Verhalten und Vorbringen regelmäßig situationsbedingt am jeweiligen Verfahrensstand orientieren. Dass dadurch unter Umständen unter Beteiligung beider, mit den Parteien des Regressprozesses allerdings nur teilweise übereinstimmender Parteien gewonnene und vom Anwaltsfehler nicht berührte Verfahrensergebnisse gegenstandslos werden und ein durch den Ausgang des Vorverfahrens entstandener geschützter Vermögenswert vernichtet werden kann, wiegt geringer als der Zuspruch von Schadenersatz für ein Verfahrensergebnis, das der materiellen Rechtslage entspricht.

Die hypothetische Betrachtung, ob der Kläger bei sachgemäßer anwaltlicher Vertretung den Vorprozess gewonnen hätte, betrifft demnach nicht nur Rechtsfragen, sondern auch Tatsachenfeststellungen. Die Frage, wie der Vorprozess richtigerweise geführt und entschieden werden hätte müssen, beantwortet das Regressgericht, das auch über die Durchführung der beantragten Beweisaufnahmen aus seiner Sicht und nach seinem Ermessen zu entscheiden hat, unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Das Regressgericht hat seiner Entscheidung den Sachverhalt zu Grunde zu legen, der dem Gericht des Vorverfahrens bei pflichtgemäßem Verhalten des Rechtsanwalts unterbreitet und von ihm aufgeklärt worden wäre. Es kommt nicht darauf an, was das Gericht im Vorprozess mutmaßlich veranlasst und welche Tatsachen es mutmaßlich festgestellt hätte, sondern welche Beweiserhebungen nach Auffassung des Regressgerichts zur Aufklärung des Sachverhalts objektiv geboten waren.

3.7. Der Grundsatz, dass im Anwaltshaftungsprozess der Sachverhalt maßgeblich ist, der dem Gericht des Vorprozesses bei sachgerechter Vertretung unterbreitet und von diesem aufgeklärt worden wäre, bedeutet allerdings nicht, dass das mit dem Regressprozess befasste Gericht diesen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären hätte. Es ist vielmehr Aufgabe der Parteien des Regressprozesses, diesen Sachverhalt vorzutragen und die notwendigen Beweise dazu anzutreten (so auch BGH IX ZR 94/86 = NJW 1987, 3255). Der Kläger ist deshalb für die Behauptung beweispflichtig, dass der Schaden bei einem bestimmten und möglichen pflichtgemäßen Handeln des Rechtsanwaltes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre (RIS-Justiz RS0022700 [T5]).

4.1. Nach diesen Grundsätzen oblag der Klägerin der Kausalitätsbeweis, dass die spätere Gemeinschuldnerin bei Einleitung eines Verfahrens bei der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts auf Nichtigerklärung des im Vorprozess strittigen Gebrauchsmusters diesen Vorprozess mit hoher Wahrscheinlichkeit gewonnen hätte.

4.2. Die Tatsacheninstanzen haben dazu festgestellt, dass das Gebrauchsmuster in einem Nichtigkeitsverfahren vor dem Patentamt zwar für nichtig erklärt worden wäre, aufgrund des Klagevorbringens im Vorprozess aber sodann geprüft worden wäre, ob das Unterlassungsbegehren nicht im Hinblick auf eine privatrechtliche Vereinbarung der Streitteile berechtigt wäre. Das Gericht hätte sodann ein Beweisverfahren geführt und festgestellt, dass sich die spätere Gemeinschuldnerin im Dezember 2001 in einem außergerichtlichen Vergleich gegenüber dem Gebrauchsmusterinhaber ua verpflichtet hat, „sämtliche Rechte des [Gebrauchsmusterinhabers] an der Software, dem Patent und der Marke 'teletaxi' anzuerkennen und jede Beeinträchtigung der Rechte des [Gebrauchsmusterinhabers] zu unterlassen“. Nach Feststellung der Identität zwischen dem Gebrauchsmuster und dem von der späteren Gemeinschuldnerin verwendeten Programm wäre dem Unterlassungsbegehren gegen diese mit der Modifikation stattgegeben worden, dass nicht die Verwendung des Gebrauchsmusters, sondern eines diesem entsprechenden Programms untersagt worden wäre; erfolgreich wäre der Kläger des Vorprozesses auch mit seinem auf die vereinbarte Konventionalstrafe gestützten Zahlungsbegehren gewesen, während das Begehren auf Rechnungslegung, Herausgabe des Gewinns und Urteilsveröffentlichung abgewiesen worden wäre.

4.3. Ginge man allein von diesen Feststellungen der Vorinstanzen aus, wäre der Klägerin der ihr obliegende Kausalitätsbeweis nicht gelungen, dass die dem Beklagten vorgeworfene Unterlassung (keine Einbringung eines Nichtigkeitsantrags beim Patentamt) für den Prozessverlust der Gemeinschuldnerin und für den von ihr behaupteten Schaden aus Verdienstentgang ursächlich war.

4.4. Zutreffend weist die Rechtsmittelwerberin aber darauf hin, dass Feststellungen fehlen, die die Annahme des Berufungsgerichts rechtfertigen, der außergerichtliche Vergleich habe die Rechtsposition des Gebrauchsmusterinhabers auch für den Fall einer Nichtigerklärung seines Gebrauchsmusters anerkennen und sichern sollen. Damit gewinnt die bereits in erster Instanz (AS 217 f) erhobene Replik der Klägerin an Bedeutung, der außergerichtliche Vergleich, auf den sich der Kläger des Vorprozesses als weitere Anspruchsgrundlage neben seinem Gebrauchsmuster gestützt hat, sei nach Nichtigerklärung des der Vereinbarung zugrunde liegenden Gebrauchsmusters infolge Wegfalls der Geschäftsgrundlage rechtsunwirksam geworden. Diesem Vorbringen kann mit der notwendigen Deutlichkeit entnommen werden, dass die Klägerin beim hypothetischen Nachvollzug des Vorprozesses berücksichtigt wissen will, dass die Vergleichsparteien bei Abschluss des Vergleichs als dessen Geschäftsgrundlage davon ausgegangen seien, dass das Gebrauchsmuster rechtsbeständig sei, was sich nachträglich als unzutreffend herausgestellt habe, weshalb der Vergleich keine taugliche Anspruchsgrundlage im Vorprozess gewesen sei. Dieses entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts schon in erster Instanz erstattete Vorbringen berührt die Tatfrage nach der Vergleichsgrundlage und ist entscheidungserheblich. Feststellungen dazu fehlen.

4.5. Die Rechtssache erweist sich demnach als noch nicht spruchreif. Im fortgesetzten Verfahren wird insbesondere zu klären sein, ob die Parteien des außergerichtlichen Vergleichs vom mit dem Vergleich auch einen Streit über die Rechtsbeständigkeit des Gebrauchsmusters endgültig und ungeachtet dessen beilegen wollten, dass sich die mangelnde Schutzfähigkeit des durch das Gebrauchsmuster geschützten Programms herausstellen sollte und das Gebrauchsmuster, wäre ein Nichtigkeitsantrag eingebracht worden, für nichtig erklärt worden wäre, oder ob die Vergleichsparteien bei Abschluss des Vergleichs von der Rechtsbeständigkeit des Gebrauchsmusters ausgingen und die Rechtsbeständigkeit daher Grundlage des Vergleichs war. Im zuerst genannten Fall hätte der Kläger des Vorprozesses den Unterlassungsanspruch trotz Nichtigkeit des Gebrauchsmusters auf den Vergleich stützen können; im zweiten Fall wäre davon auszugehen, dass die Nichtigerklärung des Gebrauchsmusters auch die Unwirksamkeit des im Vergleich enthaltenen Anerkenntnisses nach sich gezogen hätte.

4.6. Das Erstgericht wird darüber hinaus gegebenenfalls auch Feststellungen zu dem von der Klägerin behaupteten Verdienstentgang zu treffen und zum Einwand des Beklagten, dieser Anspruch sei zum Teil verjährt, Stellung zu nehmen haben. Sofern das Unterlassungsbegehren nicht auf den Vergleich gestützt werden kann, wird das Erstgericht auch die Frage prüfen müssen, ob das Feststellungsbegehren rechtfertigende künftige Schäden überhaupt denkbar sind, nachdem die Schutzdauer des Gebrauchsmusters mit jedenfalls geendet hat.

5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.