OGH vom 12.06.2003, 8Ob250/02a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling, Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** AG, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wider die beklagten Parteien 1.) Mag. Dr. Herwig E*****, 2.) Dipl. Ing. Eva E*****, vertreten durch Mag. Dr. Herwig Emmer-Reissig, Rechtsanwalt in Klosterneuburg, wegen Übergabe eines Bestandgegenstandes, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 39 R 129/02p-24, den Beschluss
gefasst:
Spruch
1.) Der an den Obersten Gerichtshof gerichtete Antrag der beklagten Parteien, "die Exekution gemäß §§ 42 Abs 1 Z 2a, 44 Abs 3 EO bis zur Entscheidung über diese außerordentliche Revision aufzuschieben", wird zurückgewiesen.
2.) Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Zu 1.):
Der Oberste Gerichtshof ist zur beantragten Aufschiebung der Exekution gemäß § 42 Abs 1 Z 2a EO nicht zuständig (§ 45 Abs 2 EO), zumal im Antrag nicht einmal behauptet wurde, dass eine - sodann aufzuschiebende - Exekution bereits eingeleitet wurde (siehe Angst EO § 42 Rz 3). Ein Vorgehen nach § 44 JN ist nicht möglich, weil das zuständige Gericht auf Grund des Akteninhalts nicht ermittelt werden kann.
Zu 2.):
Der Anwendungsbereich des MRG ist nach der in § 1 Abs 1 MRG enthaltenen Aufzählung grundsätzlich auf die Raummiete beschränkt (EvBl 1997/15 uva). Superädifikate, die auf vermieteten Grundstücken vertragsgemäß zu Wohn- oder Geschäftszwecken errichtet werden, sind als Räume anzusehen, die ohne die Miete des Grundstückes nicht Bestand haben können (MietSlg 41.165; MietSlg 41.166 jeweils mwH). Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre fallen die betreffenden Grundstücksmieten kraft Analogie in den Anwendungsbereich des § 1 Abs 1 MRG (RIS-Justiz RS0069261), sofern die errichteten "Räume" nicht lediglich eine Nebensache darstellen (MietSlg 43.129; WoBl 1993/38 = MietSlg 43.133 uva). Die Rechtsfolgen des MRG können aber nur dann eintreten, wenn kein Ausnahmefall der Abs 2 bis 4 des § 1 MRG vorliegt. Auch Würth/Zingher (Miet- und Wohnrecht20 Rz 33 zu § 1) betonen, dass nicht die stets zu hinterfragenden Grundsätze der Analogie verletzt werden dürfen und die Ausnahmeregelungen des § 1 Abs 2 bis 4 MRG sinngemäß heranzuziehen sind (so auch: 6 Ob 59/98i; 7 Ob 335/98k; 5 Ob 4/02b). Die Vermutung für die Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes wird daher durch den Nachweis eines konkreten Ausnahmetatbestands iSd § 1 Abs 2 bis 4 MRG widerlegt (SZ 58/25 = MietSlg 37.222; MietSlg 41.165 = WoBl 1990/80 [Würth]; WoBl 1992/7).
Der Gesetzgeber hat Zweitwohnungen, die der Erholung oder der Freizeitgestaltung dienen, in § 1 Abs 2 Z 4 MRG ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes ausgenommen. Dieser Ausnahmetatbestand gilt nach der oben referierten Lehre und Rechtsprechung auch im Falle der analogen Gesetzesanwendung auf die Flächenmiete, weil anderenfalls im Rahmen der Analogie ein weiterer Schutzbereich geschaffen würde, als für die allein im Gesetz geregelte Raummiete. Der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG, der nur die Kündigungsschutzbestimmungen des MRG für anwendbar erklärt, greift daher im Falle der analogen Anwendung auf die Flächenmiete - nach nun herrschender Auffassung auch, wenn das Gebäude vom Mieter errichtet wurde (5 Ob 142/99i mwH; 5 Ob 4/02b) - nur dann, wenn das errichtete Superädifikat der dauernden Wohnraumversorgung oder der geschäftlichen Betätigung des Mieters dienen soll (RIS-Justiz RS0069261). Das in diesem Zusammenhang im Rechtsmittel vorgetragene Argument, die Liegenschaft werde von den Revisionswerbern landwirtschaftlich genutzt, muss schon deshalb nicht auf seine rechtliche Stichhaltigkeit geprüft werden (vgl. dazu aber etwa: 2 Ob 2062/96s), weil ein derartiges Vorbringen im Verfahren erster Instanz nicht erstattet wurde und daher als Neuerung unbeachtlich ist.
Der erkennende Senat übersieht nicht, dass das hier zu beurteilende Bestandverhältnis lange vor Inkraftreten des Mietrechtsgesetzes begründet wurde. Das damals in Geltung stehende Mietengesetz kannte eine explizit auf Zweitwohnungen abstellende Bestimmung nicht. Ob und unter welchen Umständen eine Zweitwohnung unter die Kündigungsschutzbestimmungen des - ebenfalls auf die Flächenmiete zur Wohnraumbeschaffung analog angewendeten (6 Ob 517/85) - Mietengesetzes fiel (vgl. dazu, inbesondere auch zum angenommenem Verzicht auf den Kündigungsgrund des § 19 Abs 2 Z 13 MG: RIS-Justiz RS0068750; RS0068681; RS0021178; WoBl 1991,59) muss hier nicht weiter geprüft werden, weil nach der Übergangsbestimmung des § 49 Abs 1 Z 1 MRG die §§ 19 bis 23 MG, für Mietverträge, die dem Geltungsbereich des MRG nicht unterliegen, auf die jedoch vor dessen Inkrafttreten die Kündigungsbeschränkungen des § 19 MG anzuwenden waren, nur bis zum weitergalten (4 Ob 551/89; 4 Ob 596/89; 1 Ob 578/90 u. a.). Die Frage des Ersatzes von Investitionen des Mieters gemäß § 49 Abs 1 Z 2 MRG, wenn ein derartiger Bestandvertrag nach dem vom Vermieter aufgekündigt wird, ist nicht Gegenstand dieses Übergabeverfahrens.
Die Beurteilung des von den Revisionswerbern erhobenen Einwandes der Sittenwidrigkeit hängt stets von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Verneinung dieses Einwandes durch die Vorinstanzen begegnet keinen Bedenken, haben sich doch die Revisionswerber ausschließlich auf die besonders hohen Kosten der Errichtung des Superädifikates von rund ATS 15,000.000,- berufen. Dieser Umstand liegt aber nach der Aktenlage allein in ihrer Sphäre. Es wurde kein Vorbringen erstattet, aus dem erschlossen werden könnte, alleininger Zweck der Aufkündigung, sei die Schädigung der Bestandnehmer (vgl. RIS-Justiz RS0016644). Die klagsweise Geltendmachung eines vertraglichen Anspruches verstößt, von Ausnahmsfällen abgesehen, nicht gegen die guten Sitten (RIS-Justiz RS0016479).