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OGH vom 24.06.1998, 9ObA145/98h

OGH vom 24.06.1998, 9ObA145/98h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Gerhard Kriegl und Olga Makomaski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1) Sabine W*****, Angestellte, *****, 2) Marina I*****, Angestellte, *****, beide vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr.Peter Kunz ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 338/97t-13, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 19 Cga 43/97z-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Es wird festgestellt daß die Dienstverhältnisse der Erst- und der Zweitklägerin mit der beklagten Partei über den (Erstklägerin) bzw über den (Zweitklägerin) hinaus in ungekündigtem Zustand weiterhin aufrecht sind.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Privatangestellten, binnen 14 Tagen den mit S 7.500,-- bestimmten Aufwandersatz für das erstinstanzliche Verfahren und den mit S 3.700,-- bestimmten Aufwandersatz für das Berufungsverfahren zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist ferner schuldig, den klagenden Parteien je zur Hälfte die mit S 24.997,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 4.166,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beiden Klägerinnen wurden von der Beklagten am (Erstklägerin) bzw. am als Verkäuferinnen im Kaufhaus S***** in W***** angestellt. Ihre Dienstverhältnisse wurden von der Beklagten nach der am erfolgten Stillegung dieses Kaufhauses innerhalb der Frist des § 10 Abs 1 MSchG (hinsichtlich der Erstklägerin in Verbindung mit § 10 Abs 4 MSchG) ohne Einholung einer gerichtlichen Zustimmung gekündigt. Das Kaufhaus S***** bildete eine selbständige organisatorische Einheit, für die ein Betriebsrat errichtet war. Die Beklagte betreibt drei weitere Kaufhäuser (sämtlich in Wien), bei denen es sich ebenfalls um jeweils selbständige organisatorische Einheiten mit jeweils eigenem Betriebsrat handelt. Im Dienstvertrag der Zweitklägerin hat diese ihre Bereitschaft erklärt, im Bedarfsfall ua auch in jedem anderen Haus der Beklagten in Wien zu arbeiten. Nach Ablauf der Frist des § 10 Abs 1 MSchG wurde die Erstklägerin während des Verfahrens mit Eventualkündigung zum abermals gekündigt.

Mit ihren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen begehren die Klägerinnen die Feststellung, daß ihre Dienstverhältnisse zur Beklagten hinsichtlich der Erstklägerin über den und hinsichtlich der Zweitklägerin über den hinaus in ungekündigtem Zustand weiterhin aufrecht seien. Trotz der Stillegung des Kaufhauses S***** seien die Kündigungen rechtsunwirksam, weil die Beklagte die Klägerinnen auf anderen Arbeitsplätzen in ihren weiteren Betrieben beschäftigen könne. Die Zweitklägerin sei dienstvertraglich verpflichtet, ihre Dienste in jedem der Betriebe der Beklagten zu leisten; auch die Erstklägerin sei dazu - ohne daß eine solche Vereinbarung bestünde - bereit. Der Betriebsbegriff des Arbeitnehmerschutzrechtes sei nicht mit jenem der Betriebsverfassung ident, sondern umfasse alle organisatorischen Einheiten, in welchen bestimmte Arbeitsergebnisse erreicht oder Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden.

Die Beklagte beantragte, die Klagebegehren abzuweisen. Nach § 10 Abs 3 MSchG sei eine Zustimmung des Gerichtes zu den nach der Betriebsstillegung erfolgten Kündigungen nicht erforderlich. Der Betriebsbegriff des § 10 MSchG stimme mit jenem des § 34 ArbVG überein. Der Bestandschutz des § 10 MSchG sei daher - ebenso wie der noch stärkere Bestandschutz der Betriebsratsmitglieder - an den Bestand des Betriebes geknüpft und erstrecke sich nicht auf das gesamte Unternehmen. Die arbeitsrechtliche Verpflichtung, in anderen Betrieben des Unternehmens tätig zu werden, begründe keinen ausgedehnteren Bestandschutz.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Betriebsbegriff des MSchG mit jenem des ArbVG ident sei. Da außer Streit stehe, daß das Kaufhaus S***** eine selbständige organisatorische Einheit mit eigenem Betriebsrat gewesen und die Kündigung nach der Einstellung dieses Betriebes ausgesprochen worden sei, habe es einer Zustimmung des Gerichtes nicht bedurft. Ein Anspruch der Klägerinnen, in einem anderen Betrieb der Beklagten beschäftigt zu sein, lasse sich aus dem MSchG nicht ableiten. Dies gelte auch für die Zweitbeklagte, weil deren dienstvertragliche Vereinbarung, in jedem anderen Haus der Beklagten in Wien zu arbeiten, keinen erhöhten Bestandschutz zur Folge habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Klägerinnen könnten mit ihren Begehren nur durchdringen, wenn § 10 Abs 3 MSchG, der normiere, daß nach Stillegung des Betriebes eine Zustimmung des Gerichtes zur Kündigung nicht erforderlich sei, dahin zu verstehen sei, daß nicht auf die Stillegung des konkreten Betriebes abzustellen sei, sondern auf jene des Unternehmens selbst oder auf die Stillegung aller Betriebe des Unternehmens. Der Verwaltungsgerichtshof habe aber bereits in seiner E. vom (ArbSlg 8.545) den Standpunkt vertreten, daß dem § 10 MSchG der Betriebsbegriff des Betriebsrätegesetzes zugrunde liege. Diese Begriff entspreche dem Betriebsbegriff des § 34 Abs 1 ArbVG, dem nach der neueren Rechtsprechung grundsätzliche Bedeutung zuzuerkennen sei. Das Arbeitnehmerschutzrecht weise keinen anderen Betriebsbegriff auf. Mit der in § 10 Abs 3 MSchG verwendeten Wortfolge "Stillegung des Betriebes" stelle der Gesetzgeber daher auf die Stillegung eines Betriebes iS § 34 Abs 1 ArbVG und nicht auf jene des Unternehmens oder gar eines Konzernes ab. Allerdings sei zu beachten, daß § 121 Z 1 ArbVG und § 14 APSG im Zusammenhang mit der Zustimmung des Gerichtes zur Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes bzw. des zum Präsenz-(Zivil-)dienst einberufenen (zugewiesenen) Dienstnehmers im Falle der Stillegung des Betriebes auf die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung "in einem anderen Betrieb des Unternehmens" abstellten. Daraus erhelle, daß der Gesetzgeber spätestens 1974 (Schaffung des § 121 Z 1 ArbVG) die Problematik des besonderen Bestandschutzes in Unternehmen mit mehreren Betrieben erkannt und zunächst für Belegschaftsvertreter, 1991 auch für Präsenz-(Zivil-)diener, dahin gelöst habe, daß auf die Beschäftigungsmöglichkeit in allen Betrieben des Unternehmens abgestellt werde. Es sei daher nicht unmittelbar einsichtig, daß der Gesetzgeber die (ältere) Bestimmung des § 10 Abs 3 MSchG insofern unverändert belassen habe. Angesichts des engen sachlichen Konnexes zwischen den hier in Rede stehenden Bestandschutzbestimmungen sei aber die Annahme eines legistischen Versehens so gut wie ausgeschlossen, sodaß eine interpretative Angleichung des § 10 Abs 3 MSchG an die Bestimmungen des APSG nicht in Betracht komme. Vielmehr müsse die offenbar bewußte Entscheidung des Gesetzgebers, den besonderen Kündigungsschutz nach dem MSchG schwächer als jenen nach dem APSG auszugestalten, respektiert werden. Dementsprechend sei die Kündigung der Klägerinnen nicht an die Zustimmung des Gerichtes gebunden gewesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerinnen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es iS der Stattgebung der Klagebegehren abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das MSchG normiert in seinem § 10 in den Abs 1 und 2, innerhalb welcher Zeiträume und unter welchen Voraussetzungen Dienstnehmerinnen während und nach der Schwangerschaft nicht wirksam gekündigt werden kann. Nach dem (seit der Stammfassung des MSchG BGBl 1957/76 inhaltlich weitgehend unveränderten) § 10 Abs 3 MSchG kann - abweichend von den Abs 1 und 2 - "eine Kündigung rechtswirksam ausgesprochen werden, wenn vorher die Zustimmung des Gerichtes (früher: des Einigungsamtes) eingeholt wurde. Der Dienstgeber hat gleichzeitig mit der Einbringung der Klage dem Betriebsrat hierüber Mitteilung zu machen. Die Zustimmung zur Kündigung ist nur dann zu erteilen, wenn der Dienstgeber das Dienstverhältnis wegen einer Einschränkung oder Stillegung des Betriebes oder der Stillegung einzelner Betriebsabteilungen nicht ohne Schaden für den Betrieb weiter aufrechterhalten kann oder wenn sich die Dienstnehmerin in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung nach Rechtsbelehrung der Parteien durch den Vorsitzenden über den Kündigungsschutz nach diesem Bundesgesetz mit der Kündigung einverstanden erklärt. Nach Stillegung des Betriebes ist eine Zustimmung des Gerichts zur Kündigung nicht erforderlich."

Diese zuletzt genannte Regelung entsprach zum Zeitpunkt ihrer Entstehung der korrespondierenden Bestimmung des damals geltenden § 6 Abs 3 APSG idF BGBl 1956/154, die ebenfalls vorsah, daß "die Zustimmung zur Kündigung .. nur dann zu erteilen (ist), wenn der Dienstgeber das Dienstverhältnis wegen einer Einschränkung oder Stillegung des Betriebes oder der Stillegung einzelner Betriebsabteilungen nicht ohne erheblichen Schaden für den Betrieb weiter aufrechterhalten kann...". In gleicher Weise normierte § 18 Abs 2 lit a des bis 1974 geltenden BRG, daß das Einigungsamt einer Kündigung nur zustimmen kann, wenn "der Betriebsinhaber im Falle einer vorübergehenden Einstellung oder einer Einschränkung des Betriebes oder der Stillegung einzelner Betriebsabteilungen den Nachweis erbringt, daß er das betroffene Betriebsratsmitglied ohne Schaden für den Betrieb nicht weiter beschäftigen kann." Insofern bestand daher zwischen den dargestellten Rechtsquellen des besonderen Kündigungsschutzes ein weitgehender Gleichklang.

1974 wurde das BRG durch das ArbVG ersetzt. An die Stelle des § 18 Abs 2 lit a BRG trat der (bis heute weitgehend unveränderte) § 121 ArbVG, dessen Abs 1 Z 1 nunmehr vorsah, daß das "Einigungsamt einer Kündigung .... nur zustimmen darf, wenn der Betriebsinhaber im Falle einer Einstellung oder Einschränkung des Betriebes oder der Stillegung einzelner Betriebsabteilungen den Nachweis erbringt, daß er das betroffene Betriebsratsmitglied trotz dessen Verlangens an einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigen kann." Dazu wurde in den ErläutRV (840 BlgNr XIII.GP 90) ausgeführt, daß dies eine Einschränkung des Kündigungsgrundes darstelle; das zu kündigende Betriebsratsmitglied könne künftig zur Abwendung der Kündigung auf andere Beschäftigungsmöglichkeiten nicht nur im Betrieb, sondern auch im Unternehmen verweisen.

Mit der Schaffung des APSG 1991 wurde der Gleichklang zwischen der für Betriebsräte geltenden Regelung mit dem Kündigungsschutz für Präsenzdiener im dargestellten Zusammenhang wieder hergestellt: In § 12 Abs 3 APSG 1991 wurde nunmehr normiert, daß die Zustimmung des Gerichtes zur Kündigung oder Entlassung nicht erforderlich ist, "wenn der Betrieb stillgelegt wurde und eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in einem anderen Betrieb des Unternehmens nicht möglich ist". Dementsprechend ordnet § 14 Abs 1 Z 1 APSG 1991 an, daß "das Gericht die Zustimmung zur Kündigung nur erteilen (darf), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer a) wegen der bevorstehenden Stillegung des Betriebes oder b) wegen der bevorstehenden oder schon durchgeführten Einschränkung des Betriebes oder c) wegen der bevorstehenden oder schon durchgeführten Stillegung einer Betriebsabteilung trotz dessen Verlangen an einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens nicht ohne erheblichen Schaden weiterbeschäftigen kann."

In den ErläutRV (291 BlgNr XVIII.GP 14) wird dazu ausgeführt: "Diese Regelung entspricht im wesentlichen dem geltenden Recht, berücksichtigt jedoch ..... (ua) die Regelungen des § 121 Z 1 und 2 ArbVG. Es liegt auf der Hand, daß für alle Personengruppen, die einen besonderen Kündigungsschutz genießen, gleiche Regelungen gelten sollen, soweit nicht sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung sprechen. Z 1 dehnt den im Kündigungsschutzrecht der Betriebsratsmitglieder geltenden Grundsatz, daß der Arbeitgeber, bevor er zur Kündigung schreiten kann, auf anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten Bedacht nehmen muß, auch auf die Präsenzdiener aus. Erst wenn der Arbeitgeber nachweist, daß eine solche Weiterbeschäftigung ohne erheblichen Schaden für den Betrieb nicht möglich ist, darf die Zustimmung erteilt werden".

Daß der Gesetzgeber dem von ihm betonten Grundsatz der Gleichbehandlung aller Personengruppen, die einen besonderen Kündigungsschutz genießen, auch im Zusammenhang mit dem MSchG folgen wollte, zeigt die kurz nach der Schaffung des APSG 1991 erfolgte Novellierung des MSchG durch die Nov BGBl 1992/833, durch die der bei anderen besonders geschützten Personen geltende Grundsatz der Bindung der Entlassung an eine gerichtliche Zustimmung auch in das MSchG übernommen wurde. Dies wird in den ErläutRV (735 BlgNr. XVIII. GP 23) damit begründet, daß die bestehende "Ungleichbehandlung .. für die betroffenen Frauen nicht einsichtig" ist. "Im Sinne einer Vereinheitlichung der Bestimmungen über den Entlassungsschutz besonders geschützter Personengruppen" werde "daher der Entlassungsschutz nach dem MSchG dem ArbVG bzw. dem APSG angeglichen". Irgendwelche Hinweise darauf, warum die somit vom Gesetzgeber als notwendig erachtete Angleichung nicht auch im Zusammenhang mit der im ArbVG und im APSG für den Kündigungsschutz normierten Beachtlichkeit der Möglichkeit der Weiterbeschäftigung des zu kündigenden Dienstnehmers in anderen Betrieben des Unternehmens erfolgte, ist den ErläutRV mit keinem Wort zu entnehmen.

Schon das Berufungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, daß die im hier zu beurteilenden Zusammenhang nach dem Gesetzeswortlaut bestehende Ungleichheit im Kündigungsschutz nach dem ArbVG und dem APSG einerseits und dem MSchG in keiner Weise einsichtig und begründbar ist. In der Tat können hiefür keine sachlichen Argumente ins Treffen geführt werden. Anders als das Berufungsgericht geht daher der Oberste Gerichtshof davon aus, daß der Gesetzgeber, der ja - wie gezeigt - die Notwendigkeit des Gleichklanges der in Rede stehenden Normen des besonderen Bestandschutzes betont und auch zu verwirklichen versucht hat, die hier zu beurteilende Problematik nicht erkannt bzw. übersehen hat. Jedenfalls seit der Schaffung der ArbVG und des APSG 1991 liegt daher nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes im MSchG eine planwidrige Gesetzeslücke vor, die durch Analogie dahin zu schließen ist, daß auch in § 10 Abs 3 MSchG die für die Zustimmung zur Kündigung erforderliche Voraussetzung der Unmöglichkeit, das Dienstverhältnis ohne Schaden für den Betrieb aufrechtzuerhalten, iS der Unmöglichkeit zu verstehen ist, die Dienstnehmerin im Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens ohne erheblichen Schaden weiterzubeschäftigen. Dementsprechend ist auch § 10 Abs 3 letzter Satz MSchG dahin zu interpretieren, daß - so wie nach § 12 Abs 3 APSG - die Zustimmung zur Kündigung nur dann nicht erforderlich ist, wenn der Betrieb stillgelegt wurde und eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in einem anderen Betrieb des Unternehmens nicht möglich ist.

Die gegen dieses Ergebnis in der Revisionsbeantwortung vorgetragenen Einwände überzeugen nicht:

Aus § 8 Abs 2 BEinstG ist für die hier zu beurteilende Problematik nichts zu gewinnen, weil diese Bestimmung - anderes als die oben erörterten Bestandschutznormen - keine Regelung enthält, unter welchen Voraussetzungen einer Kündigung zuzustimmen ist. Auch der hiezu von der Beklagten zitierten E. des , ist in diesem Zusammenhang für die hier zu treffende Entscheidung nichts zu entnehmen, weil sie zwar davon ausgeht, daß die behördlich angeordnete Schließung einer Betriebstätte einen "besonderen Ausnahmegrund" für die nachträgliche Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten darstellt, aber in keiner Weise erkennen läßt, dabei auch den Fall im Auge gehabt zu haben, daß das Unternehmen des Dienstgebers mehrere Betriebe umfaßt. Hingegen gehen Ernst/Haller (Behinderteneinstellungsgesetz 192 u.209) davon aus, daß bei der nach § 8 BEinstG durchzuführenden Interessenabwägung auf die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung "im Unternehmen" abzustellen ist. Aus § 22a Abs 10 BEinstG können für die hier zu treffenden Entscheidung keinerlei Schlüsse gezogen werden.

Richtig ist, daß nach der herrschender Lehre der besondere Kündigungsschutz des Betriebsratsmitgliedes nach § 121 ArbVG und damit dessen unternehmensweites Weiterbeschäftigungsrecht wegen § 62 Z 1 ArbVG, nach dem die Tätigkeitsdauer des Betriebsrates im Falle der dauernden Einstellung des Betriebes vorzeitig endet, nur bis zur Betriebsstillegung, nicht aber nach diesem Zeitpunkt, besteht (Floretta/Strasser, Komm zum ArbVG 840; Schwarz in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, ArbVG III 398; Haas-Laßnigg in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, ArbVG II 308). Insofern besteht aber zu den vom APSG bzw. vom MSchG geregelten Sachverhalten ein entscheidender Unterschied: Mit dem durch die Stillegung des Betriebes bewirkten Ende der Funktionsperiode des Betriebsrates ist der betroffene Dienstnehmer nicht mehr Betriebsrat, sodaß der Grund für den ihm bislang zugekommenen Bestandschutz weggefallen ist. Hingegen ändert sich durch die Einstellung des Betriebes an der für ihren Bestandschutz maßgebenden Eigenschaft der durch das APSG und das MSchG geschützten Personen nichts. Daher ist es sachlich gerechtfertigt, wenn das ArbVG eine den Normen des APSG vergleichbare Regelung für die Zeit nach der Stillegung des Betriebes nicht enthält. Dies stellt aber kein Argument gegen das oben erzielte Ergebnis dar, das bis zum Zeitpunkt der Stillegung des Betriebes für einen Gleichklang zwischen ArbVG, APSG und MSchG sorgt und für die Zeit nach Stillegung des Betriebes die insofern gebotene Gleichbehandlung zwischen den durch das APSG und das MSchG geschützten Personen sicherstellt.

Einer näheren Stellungnahme zu den Ausführungen der Beklagten zur Abgrenzung des Begriffes des Betriebes von jenem des Unternehmens im ArbVG und in anderen Gesetzen bedarf es nicht, weil nach dem Wortlaut der oben dargestellten Normen nicht zweifelhaft sein kann, daß der Gesetzgeber darin den engeren Begriff des Betriebes dem weiteren Begriff des Unternehmens gegenüberstellt. Darüber hinausgehende Erörterungen sind für das vorliegende Verfahren entbehrlich.

Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, daß § 10 Abs 3 letzter Satz MSchG dahin auszulegen ist, daß im Falle der Stillegung des Betriebes, in dem die Dienstnehmerin tätig war, die Zustimmung des Gerichtes zur Kündigung nur dann entfallen kann, wenn ihre Weiterbeschäftigung in einem anderen Betrieb des Unternehmens nicht möglich ist. Da im vorliegenden Fall gar nicht strittig ist, daß die Weiterbeschäftigung der Klägerinnen in den nach wie vor existierenden Betrieben der Beklagten möglich ist, ist daher die ohne Zustimmung des Gerichtes erfolgte Kündigung der Klägerinnen iS § 10 Abs 3 MSchG unwirksam. In Stattgebung der Revision waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung der Klagebegehren abzuändern.

Entscheidungsgegenstand ist die Frage der Rechtswirksamkeit der aus Anlaß der Betriebsstillegung ausgesprochenen Kündigungen der Dienstverhältnisse der Klägerinnen. Daß die Erstklägerin zum (und damit zu einem nach dem Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz gelegenen Termin) abermals gekündigt wurde, ist daher für die hier zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO sowie auf § 58a ASGG. Der zur Abdeckung des Aufwandes des Österreichischen Gewerkschaftsbundes für das Verfahren erster Instanz bis zur mündlichen Streitverhandlung vorgesehene Pauschalbetrag nach § 1 Z 1 lit a der hier anzuwendenden Aufwandersatzverordnung BGBl 1996/676 von S 1.900,-- war zweimal zuzusprechen, weil die Klägerinnen getrennte Klagen eingebracht haben. Mit dem Beginn der mündlichen Streitverhandlung wurden die beiden Verfahren jedoch verbunden, sodaß der für das weitere Verfahren erster Instanz vorgesehene Pauschalbetrag von S 3.700,- und der für das Berufungsverfahren vorgesehene Pauschalbetrag von ebenfalls S 3.700,-- nur einmal zuzuerkennen waren. Mit dem für das erstinstanzliche Verfahren zugesprochenen Aufwandersatz sind auch die vom Vertreter des Österreichischen Gewerkschaftsbundes aufgelaufenen Fahrtkosten von S 120,-- abgegolten. Ein (eigener) Anspruch der gesetzlichen Interessenvertretungen oder der freiwilligen kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigungen besteht nur auf der Grundlage und ihm Rahmen des Aufwandersatzgesetzes und der auf dessen Grundlage ergangenen Aufwandersatzverordnungen. Diese sehen aber nur den Zuspruch der ohnedies zuerkannten Pauschalbeträge vor. Für einen darüber hinausgehenden Zuspruch von Fahrtkosten fehlt es daher an einer gesetzlichen Grundlage. Eine analoge Anwendung der Bestimmungen über den Kostenersatzanspruch der Partei kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil eine planwidrige Gesetzeslücke nicht erkennbar ist. Aus der Verwendung des Begriffes "Aufwandersatz" kann mangels gegenteiliger Anhaltspunkte geschlossen werden, daß der Gesetzgeber mit der von ihm geschaffenen Regelung den gesamten von ihm als ersatzfähig erachteten Aufwand abgegolten wissen wollte.