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VfGH vom 01.07.1983, B379/78

VfGH vom 01.07.1983, B379/78

Sammlungsnummer

9749

Leitsatz

Tir. Landesabgabenordnung; keine Rechtsverletzung im Anlaßfall nach Aufhebung des § 153 Abs 2 und 3 in der Stammfassung als gleichheitswidrig

Tir. Getränkesteuergesetz 1947; Einhebung der Getränkeabgabe in Konkretisierung der Ermächtigung des Finanzausgleichsgesetzes 1967 ist eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde - ausdrückliche Bezeichnung als solche in § 16a FAG 1967

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Beschwerdeführer führt in E. in Tirol ein Hotel. Auf Grund einer im Herbst 1973 durchgeführten Getränkesteuerprüfung gelangte der Bürgermeister als Abgabenbehörde zur Ansicht, daß der Beschwerdeführer für den Zeitraum vom bis zum den getränkesteuerpflichtigen Umsatz unrichtig erklärt und eine unrichtige Selbstbemessung der Abgabe vorgenommen habe und schrieb dem Beschwerdeführer am deshalb eine Nachforderung an Getränkesteuer sowie einen Säumniszuschlag vor. Der Nachforderungsbetrag wurde nach einer Gegenüberstellung des vom Beschwerdeführer erklärten getränkesteuerpflichtigen Netto-Umsatzes mit dem im Zuge der Steuerprüfung errechneten bzw. geschätzten getränkesteuerpflichtigen Netto-Umsatz ermittelt (die Jahreszahl 1972 ist im Bescheid offenbar irrtümlich genannt). Nach mehreren Rechtsgängen wurde dem Beschwerdeführer schließlich mit Berufungsentscheidung des Gemeindevorstands von E. vom für den genannten Zeitraum Getränkesteuer in der Höhe von 77.783 S (Säumniszuschlag 1.555 S) vorgeschrieben. Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Vorstellung gab die Tir. Landesregierung mit Bescheid vom keine Folge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und nach Art 6 Abs 1 MRK gerügt werden.

II. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der VfGH die Verfassungsmäßigkeit der Abs 2 und 3 des § 153 der Tir. Landesabgabenordnung, LGBl. 7/1963 (TLAO) in der Stammfassung geprüft. Mit Erk. G28, 44/83 vom heutigen Tage hat er die geprüften Gesetzesstellen wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß sie nicht mehr anzuwenden sind.

Gleichwohl ist der Beschwerdeführer durch die Anwendung der aufgehobenen Vorschriften nicht in seinen Rechten verletzt worden. Es gilt nämlich für den vorliegenden Fall dasselbe, was der VfGH nach Aufhebung der gleichartigen Bestimmungen der Wr. Abgabenordnung (VfSlg. 8726/1980) in einem der damaligen Anlaßbeschwerdeverfahren (VfSlg. 8804/1980) erkannt hat:

§153 TLAO spricht nach Aufhebung der Abs 2 und 3 nur aus, daß die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die zugelassene Selbstbemessung festgesetzt gilt. Daneben ist jedoch auch § 150 Abs 1 TLAO zu berücksichtigen. Nach dieser Bestimmung hat die Abgabenbehörde die Abgaben durch Abgabenbescheide festzusetzen, soweit die Abgabenvorschriften nichts anderes zulassen. In ihrem Zusammenhalt ergeben diese Vorschriften, daß die Abgabenbehörde die Abgaben durch Bescheid festzusetzen hat, wenn der Abgabepflichtige die zugelassene Selbstbemessung nicht vornimmt und die Einreichung der hiefür erforderlichen Erklärung unterläßt. Daß die unter anderem auch dies ausdrücklich aussprechende (und die Möglichkeit der Bescheiderlassung zugleich unsachlich beschränkende) Bestimmung des § 153 Abs 3 TLAO aufgehoben wurde, hat auf die Entscheidung des vorliegenden Beschwerdefalles bei sinnvoller Auslegung des verbleibenden Gesetzestextes keinen Einfluß. Man käme sonst zu dem unhaltbaren Ergebnis, daß die Abgabe endgültig in dem Betrag festgesetzt bliebe, mit der sie der Abgabepflichtige selbst bemessen hat.

Der Beschwerdeführer ist also ungeachtet der Verfassungswidrigkeit der angewendeten Vorschrift durch deren Anwendung nicht in seinen Rechten verletzt worden.

Es ist daher auf das übrige Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

III. Der Vorwurf der Rechtsverletzung durch Anwendung rechtswidriger genereller Normen ist indessen nicht berechtigt.

1. Der Beschwerdeführer erachtet das bis zum in Kraft gestandene Tir. GetränkesteuerG 1947, LGBl. 26, für verfassungswidrig, weil es entgegen der Verfassungsbestimmung des Art 118 Abs 2 letzter Satz B-VG die Angelegenheit nicht als solche des eigenen Wirkungsbereiches bezeichnet habe. Wenn man vom § 244a TLAO absehe (der seit in Geltung sei), weil er nur verfahrensrechtliche Bestimmungen betreffe, enthalte erst das Getränke- und SpeiseeissteuerG 1973, LGBl. 102, in seinem § 11 eine solche Bezeichnung.

Der Beschwerdeführer verkennt mit dieser Argumentation die besondere Lage auf dem Gebiet der Getränkeabgabe. Es handelt sich dabei um eine Abgabe, zu deren Ausschreibung die Gemeinden iS des § 7 Abs 5 F-VG auf Grund des § 15 Abs 3 litb iVm § 14 Abs 1 Z 8 FinanzausgleichsG 1967, BGBl. 2, idF der Nov. BGBl. 221/1967, ermächtigt waren (und durch die einschlägigen Bestimmungen der nachfolgenden Finanzausgleichsgesetze ermächtigt blieben). Dem FinanzausgleichsG 1967 wurde nun aber rechtzeitig - nämlich vor dem - durch ArtII des Gesetzes vom , BGBl. 439, ein § 16a eingefügt, der die im § 15 Abs 3 geregelten Aufgaben der Gemeinde als solche des eigenen Wirkungsbereiches bezeichnet. Durch diese Bezeichnung, auf die der VfGH bereits im Erk. VfSlg. 8099/1977 (S 493) ausdrücklich hingewiesen hat, war die Einhebung der Getränkeabgabe durch die Gemeinde in verfassungsrechtlich einwandfreier Weise als Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches bezeichnet. Landesgesetze, die diese Ermächtigung konkretisieren (vgl. dazu VfSlg. 8099/1977 aaO), regeln damit lediglich eine Angelegenheit, deren Zugehörigkeit zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde bereits feststeht.

Die in den Getränkesteuergesetzen enthaltenen Klauseln über den eigenen Wirkungsbereich (wie zB § 11 des Tir. GetränkesteuerG 1973) sind nur insoweit erforderlich, als etwa die Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung (gemäß § 8 Abs 5 F-VG) über die Ermächtigung durch die Bundesgesetzgebung hinausgeht oder bei Wegfall der bundesgesetzlichen Ermächtigung die Grundlage der Abgabeneinhebung bildet. Eine solche Situation liegt nicht vor.

Der Mangel der Bezeichnung des eigenen Wirkungsbereiches fällt dem GetränkesteuerG 1947 also nicht zur Last.

2. Im Hinblick auf die bundesgesetzliche Ermächtigung der Gemeinden erübrigt sich auch eine nähere Auseinandersetzung mit der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage der gesetzlichen Deckung der Getränkesteuersatzung der Gemeinde E. Eine landesgesetzliche Deckung der bundesgesetzlich eingeräumten Ausschreibung einer Abgabe (§7 Abs 5 F-VG) ist nicht erforderlich (vgl. VfSlg. 5156/1965, Fröhler - Oberndorfer, Die Gemeinde im Spannungsfeld des Sozialstaates, 84 ff., dazu auch VfSlg. 8099/1977 aaO). Es genügt, daß die Ausschreibung den landesgesetzlichen Vorschriften nicht widerspricht. Einen Widerspruch der Getränkesteuersatzung (vom ) zum GetränkesteuerG 1947 behauptet der Beschwerdeführer aber selbst nicht.

Soweit die Beschwerde schließlich unter Bezugnahme auf das Erk. VfSlg. 4050/1961 meint, die auf die bundesgesetzliche Ermächtigung der Finanzausgleichsgesetze gestützten Satzungen der Gemeinden hätten mit dem Außerkrafttreten des (jeweiligen) Finanzausgleichsgesetzes ihre Geltung verloren, übersieht sie, daß es in diesem Erk. um die Folgen der Aufhebung einer gesetzlichen Ermächtigung durch den VfGH gegangen ist. In den für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Zeiträumen bestand jedoch eine bundesgesetzliche Ermächtigung zur Ausschreibung der Getränkeabgabe.

3. Der Beschwerdeführer hält § 4 Abs 3 des GetränkesteuerG 1947 für verfassungswidrig, weil in dieser Bestimmung die Landesregierung im Wege einer bloß formalgesetzlichen Delegation zur Erlassung einer Mustersatzung ermächtigt worden sei.

Die Vorschrift stand in folgendem Zusammenhang:

"(1) Zur Sicherstellung der Steuer kann der Gemeinderat eine Steuerordnung erlassen, die nähere Bestimmungen über die Einhebung der Steuer und über die erforderliche Kontrolle enthält.

(2) Die Steuerordnungen dürfen nur mit dem Beginn eines Kalendermonates in Kraft gesetzt werden.

(3) Die von der Landesregierung im Verordnungsweg zu verlautbarende Mustersteuerordnung bleibt so lange als bindende Vorschrift in Kraft, bis sie vom Gemeinderat abgeändert wird."

Die Steuerordnung konnte nach dieser Bestimmung also nur durch die Gemeinde erlassen werden. Die Gemeinde konnte durch den Beschluß auf Einhebung der Steuer die Mustersteuerordnung in Kraft setzen, sie konnte aber anstelle dieser Mustersatzung auch eine eigene Steuerordnung erlassen. Die Mustersatzung war daher weder für die Gemeinde noch - ohne Beschluß des Gemeinderates - für die Abgabepflichtigen verbindlich; vielmehr sollte sie nur der Vorschlag (das Muster) einer Steuerordnung sein, die (auch) durch den bloßen Ausschreibungsbeschluß in Kraft gesetzt werden konnte. Die Bestimmung gibt also keinen Anlaß zu verfassungsrechtlichen Bedenken.

Auch sonst sind Bedenken gegen die angewendeten generellen Normen nicht entstanden.

IV. Im Bereich der Vollziehung kann der Gerichtshof gleichfalls keinen Mangel finden, der in die Verfassungssphäre reichen würde.

Der bekämpfte Vorstellungsbescheid bestätigt den vierten in dieser Angelegenheit ergangenen Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes. Dieser Berufungsbescheid ist auf Grund des dritten (aufhebenden) Vorstellungsbescheides vom ergangen. In diesem (dritten) Vorstellungsbescheid ist unter Hinweis auf die bindende Rechtsansicht des vorangegangenen (zweiten) Vorstellungsbescheides vom dargelegt, daß die behauptete Befangenheit des zweiten Bürgermeisters-Stellvertreters als Vorsitzenden der Berufungsbehörde nicht vorliege und die Berufungsbehörde die beiden nach dem (ersten) Vorstellungsbescheid vom offen gebliebenen Fragen betreffend die Berücksichtigung von Diebstählen und Veruntreuungen und des Weinumsatzes in Allroundgläsern (Fragen, deren Behandlung im zweiten Rechtsgang unter wesentlichen Verfahrensmängeln gelitten hatte) jetzt mangelfrei gelöst habe, daß jedoch der (dritte) Berufungsbescheid deshalb fehlerhaft sei, weil die Behörde Fragen neuerlich aufgegriffen habe, betreffs derer infolge des bestätigenden ersten Vorstellungsbescheides bereits "Teilrechtskraft" eingetreten sei (nämlich hinsichtlich der Berechnung von Schwund und Bruch zum Nachteil der Gemeinde und bezüglich der Kalkulation des Limonadenumsatzes, der Wertberichtigung für Repräsentation und der Ausbeuterechnung für Frühstückskaffee zum Nachteil des Einschreiters).

Der bekämpfte (vierte) Vorstellungsbescheid stellt nunmehr fest, daß die Behörde die im vorangegangenen (dritten) Vorstellungsbescheid gerügten Fehler behoben habe, und weist den Vorstellungswerber betreffs seiner Behauptungen, die Buchführung sei formell in Ordnung und der vorsitzführende zweite Bürgermeister-Stellvertreter befangen gewesen, auf die Begründung früherer Vorstellungsbescheide hin.

Da kein Teil der in den früheren Rechtsgängen jeweils zur Gänze aufgehobenen Berufungsbescheide formell rechtskräftig geworden war, geht es nunmehr lediglich um die Frage der Bindungswirkung unangefochten gebliebener aufsichtsbehördlicher Bescheide. Entgegen der Auffassung der Beschwerde wird durch eine unrichtige Beurteilung dieser Frage das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht berührt (VfSlg. 7972/1976, 8214/1977). Da nicht über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit einer gegen den Beschwerdeführer erhobenen strafrechtlichen Anklage entschieden wurde, kommt auch eine Verletzung des Art 6 Abs 1 MRK nicht in Betracht.

Eine Verletzung des Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums könnte nach Lage des Falles aber nur vorliegen, wenn die Annahme der Vorstellungsbehörde, die Berufungsbehörde habe die im vorausgegangenen Vorstellungsbescheid gerügten Fehler behoben, schlechterdings unvertretbar wäre. In dieser Richtung hat jedoch die vom Fehlen der Bindungswirkung ausgehende Beschwerde selbst nichts vorgebracht.

Da auch die Verletzung anderer Grundrechte nicht hervorgekommen ist, muß die Beschwerde abgewiesen und antragsgemäß dem VwGH abgetreten werden.