OGH 12.08.2010, 12Os98/10v
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Reich als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josip K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 12 zweiter Fall, 15 Abs 1, 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Josip K***** und Volkan Y***** sowie über die Berufung des Ali Y***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom , GZ 23 Hv 142/09b-48, und über die Beschwerden der Angeklagten Josip K***** und Ali Y***** gegen die unter einem gefassten Beschlüsse nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Den Angeklagten Josip K***** und Volkan Y***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Schuldsprüche betreffend Daniel B***** und Ferdi Ki***** sowie einen unangefochten gebliebenen Freispruch betreffend Ferdi Ki***** enthaltenden Urteil wurden Josip K***** des Verbrechens des Raubes nach §§ 12 zweiter Fall, 15 Abs 1, 142 Abs 1 StGB (B./) und Volkan Y***** des Verbrechens des Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 15 Abs 1, 142 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt.
Danach haben - soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung - in Innsbruck
A./ mit Gewalt gegen eine Person bzw durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:
1./ Daniel B***** und Ferdi Ki***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter am der Janine A***** eine Banktasche samt 1.979 Euro Bargeld, indem beide mit Mützen bzw Kapuzen, Schal und Sonnenbrille maskiert das Lokal T***** aufsuchten, auf die dort befindliche Angestellte Janine A***** zugingen, Daniel B***** drohend die rechte Faust gegen sie erhob, „Geld her!“ forderte und in der Folge aus einer Schublade die genannte Banktasche nahm, wobei die Tat beim Versuch blieb;
B./ Ali Y***** und Josip K***** die unmittelbaren Täter zur Ausführung der zu A./1./ beschriebenen Tat bestimmt, indem sie gemeinsam mit ihnen die Tat planten, sie zum Tatort begleiteten, sie damit in ihrem Tatentschluss bestärkten, sowie Ali Y***** und Volkan Y***** zur Ausführung der zu A./1./ beschriebenen Tat beigetragen, indem Ali Y***** den unmittelbaren Tätern Sonnenbrillen, Handschuhe und eine Mütze zur Maskierung gab und Volkan Y***** kurz vor der Tat das Wettlokal betrat, um Nachschau zu halten, ob sich noch Gäste darin aufhalten.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josip K***** und die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Volkan Y*****, denen jeweils keine Berechtigung zukommt.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Josip K*****:
Die Mängelrüge (Z 5) behauptet zunächst eine Widersprüchlichkeit, weil die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer und Ali Y***** die beiden unmittelbaren Täter zur Tat anstifteten mit jener nicht vereinbar sei, wonach sie Daniel B***** und Ferdi Ki***** in deren Tatentschluss bestärkten, indem sie mit*****Kienapfel/Höpfel AT13 E 4 Rz 9; Fabrizy in WK² § 12 Rz 50; JBl 1999, 265). Nach den Urteilsannahmen plante der Rechtsmittelwerber gemeinsam mit Ali Y***** den Raubüberfall. Erst im Anschluss daran bezogen sie Daniel B***** und Ferdi Ki***** in dieses kriminelle Vorhaben ein (US 21 und US 23 iVm US 36 und US 13). Solcherart brachte das erkennende Gericht hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit Ali Y***** bei den späteren unmittelbaren Tätern den Handlungsentschluss ausgelöst hatte. Dass die beiden Bestimmungstäter darüber hinaus auch einen Tatbeitrag iSd § 12 dritter Fall StGB dadurch leisteten, dass sie die unmittelbaren Täter in deren Tatentschluss bestärkten, mit*****, steht mit einer zuvor gesetzten Bestimmungshandlung nicht im Widerspruch. Bleibt festzuhalten, dass das Erstgericht - ungeachtet der rechtlichen Gleichwertigkeit aller Täterschaftsformen (vgl Kienapfel/Höpfel AT13 E 2 Rz 46; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 646) - die dargestellte Beitragstäterschaft gegenüber der ebenfalls verwirklichten Bestimmungstäterschaft zutreffend als materiell subsidiär wertete (vgl Kienapfel/Höpfel AT13 E 8 Rz 29; Burgstaller, JBl 1978, 402; Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 50; 13 Os 151/03, SSt 2003/98) und dem Nichtigkeitswerber sowie Ali Y***** lediglich eine Täterschaft nach § 12 zweiter Fall StGB anlastete (US 8).
Der weitere Einwand einer unzureichenden Begründung der subjektiven Tatseite geht gleichfalls fehl, zumal der kritisierte Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wollen oder Wissen ohne weiteres rechtsstaatlich vertretbar, ja beim leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 252; RIS-Justiz RS0116882, RS0098671).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) moniert mangelnde Feststellungen zur Eignung der Drohung in Bezug auf ihre Gefährlichkeit sowie zu ihrer Ernstlichkeit. Dazu übergeht der Beschwerdeführer allerdings die konkreten Feststellungen des Schöffengerichts, wonach Daniel B***** und Ferdi Ki***** das Wettlokal mit Schal, Sonnenbrillen sowie Mütze bzw Kapuze vermummt betraten, wobei Daniel B***** drohend die Faust gegen die dortige Angestellte erhob und Geld verlangte, wodurch er dieser Angestellten mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben drohte, weil diese Schläge befürchten musste und sie so weit einschüchterte, dass sie zurückwich und den Zugriff auf die Geldlade freigab (US 14). Ob auf dieser dargestellten Sachverhaltsbasis eine Besorgniseignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage (vgl Jerabek in WK² § 74 Rz 34; Kienapfel/Schroll StudB BT I² § 105 Rz 42). Das geschilderte Szenario eines Überfalls durch maskierte Täter bringt nach dem anzulegenden gemischt objektiv-individuellen Maßstab (vgl Kienapfel/Schroll StudB BT I² § 105 Rz 44; SSt 56/5) eine Eignung der Besorgnis einer von der Bedrohten zu befürchtenden Körperverletzung zum Ausdruck. Indem der Rechtsmittelwerber bei seiner Kritik nur auf einen Teil der Konstatierungen Bezug nimmt und somit nicht auf der Basis der gesamten Urteilsannahmen argumentiert, verfehlt er die Orientierung an den Anfechtungsvoraussetzungen des geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) bringt zunächst in Ergänzung der Rechtsrüge einen den Tatbestand des § 142 Abs 1 StGB betreffenden Mangel an Feststellungen dahingehend vor, dass die angedrohten Schläge eine Gesundheitsschädigung nach sich ziehen könnten. Die Beschwerde leitet allerdings nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb für die Besorgniseignung im Sinne einer Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben Konstatierungen zur konkreten Ankündigung der Zufügung einer Gesundheitsschädigung notwendig und - wie in der Beschwerde vorgebracht - angedrohte („bloße“) Verletzungen am Körper nicht tatbestandsmäßig im Sinne des Verbrechens des Raubes seien.
Des Weiteren unterlässt die Beschwerde insoweit jegliche - indes gebotene (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588) - Konkretisierung, inwieweit die getroffenen, nach der Kritik pauschal aber als unzureichend bezeichneten Urteilsannahmen zu ergänzen wären, damit das vom Rechtsmittelwerber als Alternative „schlechtestenfalls verwirklichte“ Verbrechen der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB vorliegen könnte.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Volkan Y*****:
Die Mängelrüge (Z 5) behauptet eine unzureichende Begründung insbesondere zur subjektiven Tatseite, übergeht allerdings die Ausführungen der Tatrichter, wonach die subjektiven Tatkomponenten in Bezug auf die Beitrags- und Bestimmungshandlungen aber auch der auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtete Vorsatz aller Tatbeteiligten aus einer lebensnahen Betrachtung des äußeren Sachverhalts abzuleiten waren (US 40).
Darüber hinaus setzte sich das Erstgericht entgegen der inhaltlich eine Unvollständigkeit vorbringenden Beschwerdekritik mit den divergierenden Angaben der Angeklagten zu einem entsprechenden vorsätzlichen Handeln auseinander. Die Tatrichter bewerteten dabei die leugnende Verantwortung des Volkan Y***** unter Hinweis auf die als glaubwürdig befundene geständige Einlassung des Daniel B***** und des Ferdi Ki*****, welche die Mitangeklagten und somit auch den Nichtigkeitswerber insbesondere auch hinsichtlich einer eigenen unrechtmäßigen Bereicherung belastet hatten (vgl US 21 f und US 23 f), als bloße Schutzbehauptung (US 36 f und US 40 iVm US 37 ff).
Abgesehen davon wird entgegen der auf das Fehlen eigener Bereicherungstendenz abstellenden Kritik des Beschwerdeführers der Tatbestand nach § 142 Abs 1 StGB schon dann verwirklicht, wenn der Vorsatz auf eine unrechtmäßige Bereicherung bloß eines Dritten - nicht notwendigerweise eines Tatbeteiligten (vgl Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 127 Rz 138) - gerichtet war (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 142 Rz 15; siehe auch 12 Os 101/07f, SSt 2007/69).
Die als unvollständig begründet weiters kritisierte Feststellung, wonach keiner der übrigen Angeklagten ernstlich versucht hatte, Daniel B***** und Ferdi Ki***** von der Tatausführung abzuhalten (US 14), betrifft keine schulderhebliche Tatsache, sodass die diesbezüglichen Einwände ins Leere gehen.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) versucht lediglich die leugnende Verantwortung des Rechtsmittelwerbers - gestützt auf die ebenfalls eine Tatbeteiligung in Abrede stellenden Einlassungen des Dritt- und des Viertangeklagten - in den Vordergrund zu stellen und damit aufgrund eigener Bewertungsvorgänge die konträre Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in Frage zu stellen. Damit werden keine sich aus dem Akt ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen dargestellt.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und über die (hinsichtlich Ali Y***** implizierte) Beschwerden (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Strafrecht |
Schlagworte | Strafrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2010:0120OS00098.10V.0812.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAD-98016