OGH vom 17.11.2010, 17Ob10/10k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon. Prof. Dr. Griss als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A***** AB, *****, und 2. A***** GmbH, *****, beide vertreten durch Gassauer Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien, unter Mitwirkung von DI Albin Schwarz, Patentanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei *****A ***** GmbH, *****, vertreten durch Schwarz Schönherr Rechtsanwälte KG in Wien, unter Mitwirkung von DI Manfred Beer, Patentanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Antragsrückziehung, Beseitigung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 250.000 EUR sA), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 3 R 36/10a 15, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 19 Cg 228/09i 8, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Es trifft zwar zu, dass sich die mangelnde Neuheit auch implizit daraus ergeben kann, dass ein Fachmann bei Ausführung dessen, was sich aus dem früheren Dokument ergibt, zwangsläufig zu einem Ergebnis gelangt, das unter den Patentanspruch fällt (OPM Op 5/05; Op 6/07). Ob dies der Fall ist, hängt allerdings in hohem Maße von Umständen ab, die dem Tatsachenbereich zuzuordnen sind (vgl RIS Justiz RS0123155).
Die Tatsacheninstanzen stellten im Zusammenhang mit der Patentschrift DE 4 035 455 A1 fest, dass eine wesentliche Verbesserung des Reinheitsgrads mit den damals bekannten Standardverfahren, die ein Fachmann in Betracht gezogen hätte, nicht zu erzielen gewesen wäre. Der Umstand, dass am Prioritätstag der patentgemäße Reinheitsgrad (ohne Kenntnis der neuen Lehre) nicht habe hergestellt werden können, indiziert nach Auffassung der Vorinstanzen die Neuheit des Klagspatents.
Diese - von den Umständen des Einzelfalls abhängige (vgl 4 Ob 214/04f) Beurteilung ist vertretbar. Die Behauptung der Revisionsrekurswerberin, die Patentschrift DE 4 035 455 A1 offenbare implizit das Magnesiumsalz des ( ) Omeprazols in allen vom Fachmann gewünschten Reinheitsgraden, widerspricht der oben wiedergegebenen Feststellung.
2. Die Vorinstanzen haben sich - entgegen dem Vorbringen der Revisionsrekurswerberin auch mit der Frage der neuheitsschädlichen Vorwegnahme des Klagspatents durch die Patentschrift EP 124 495 A2 auseinandergesetzt. Wenn nun die Revisionsrekurswerberin vermeint, die Beurteilung, das Klagspatent sei auch neu gegenüber dem Offenbarungsgehalt der EP 124 495 A2, widerspreche den Denkgesetzen, und wenn sie dies damit begründet, dass ein Fachmann zum Prioritätszeitpunkt des Klagspatents das Magnesiumsalz des (+) bzw ( ) Omeprazols nach Bedarf beliebig weiter aufreinigen hätte können, so widerspricht dies der Feststellung der Tatsacheninstanzen, wonach eine Nacharbeitung, die eine Reinheit von annähernd 99,8 e.e. ergebe, aus EP 124 495 A2 nicht ableitbar sei. Eine Offenbarung ist aber nur dann neuheitsschädlich, wenn sie (gezielt nach einer bestimmten Methode) nachbearbeitbar ist (4 Ob 214/04f mwN).
3. Der Senat hat zu 17 Ob 24/09t und zu 17 Ob 13/09z mit ausführlicher Begründung ausgesprochen, dass der zwingend mit der Bekanntgabe des Preises und der Bestätigung der Lieferfähigkeit zu verbindende Antrag auf Aufnahme eines Arzneimittels in den Erstattungskodex des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger den Tatbestand des Feilhaltens nach § 22 PatG 1970 erfüllt (RIS Justiz RS0125407). Die Revisionsrekurswerberin sieht darin einen Widerspruch zu SZ 46/53. Dort wurde ausgesprochen, dass das Anbot, erst dann zu liefern, wenn hiezu die Genehmigung seitens des Patentinhabers vorliege oder erst nach Ablauf des Patents, kein „Feilhalten“ sei. Beim Antrag auf Aufnahme in den Erstattungskodex liegt die Besonderheit jedoch darin, dass mit dem Antrag zwingend die Bestätigung der Lieferfähigkeit verbunden ist. Für diesen Sonderfall können aus der Entscheidung SZ 46/53 keine Schlüsse gezogen werden; der behauptete Widerspruch in der Rechtsprechung besteht daher nicht.