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VfGH vom 30.06.1994, B377/91

VfGH vom 30.06.1994, B377/91

Sammlungsnummer

13829

Leitsatz

Keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch Zuerkennung eines im Vergleich zum AlVG niedrigeren Karenzurlaubsgeldes nach dem KarenzurlaubsgeldG an eine Beamtin aufgrund der unterschiedlichen Freibetragsgrenzen beim Einkommen des Ehegatten; sachliche Rechtfertigung angesichts der tiefgreifenden Verschiedenheiten zwischen dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und der Materie des Sozialversicherungswesens

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Die Beschwerdeführerin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Ihre Dienststelle ist das Arbeitsamt Zell am See. Mit Bescheiden des Landesarbeitsamtes Salzburg wurde ihr iS des § 15 des Mutterschutzgesetzes 1979 - MSchG, BGBl. 221/1979, in der maßgeblichen Fassung, antragsgemäß ein Karenzurlaub gewährt.

b) Auf Grund des Antrages der Beschwerdeführerin auf "bescheidmäßige Festsetzung der Höhe des Gehaltes", das ihr für die Dauer des Karenzurlaubes zusteht, stellte das Landesarbeitsamt Salzburg mit Bescheid fest, daß der - verheirateten - Beschwerdeführerin für diesen Zeitraum gemäß § 2 Abs 1 und § 3 Abs 1 lita des Bundesgesetzes über Geldleistungen an öffentlich Bedienstete während des Karenzurlaubes aus Anlaß der Mutterschaft, BGBl. 395/1974, in der maßgeblichen Fassung (im folgenden: KUG), monatlich ein Karenzurlaubsgeld in der Höhe von 25 vH des Gehaltes der Gehaltsstufe 2 der Dienstklasse V (einschließlich allfälliger Teuerungszulagen) gebührt und daß sich das Karenzurlaubsgeld gemäß § 3 Abs 3 KUG um den Betrag der Haushaltszulage (d. s. monatlich 450.- S) erhöht. Begründend wurde ua. ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin die in § 3 Abs 2 KUG festgesetzten Voraussetzungen für die Zuerkennung eines (höheren) Karenzurlaubsgeldes in der in § 3 Abs 1 litb KUG festgelegten Höhe an eine verheiratete Mutter nicht erfülle, weil ihr Ehegatte ein Einkommen erziele, das höher ist als die Hälfte des Anfangsgehaltes der Verwendungsgruppe C einschließlich allfälliger Teuerungszulagen (Freibetrag) und das zudem diesen Freibetrag um mehr als den Unterschiedsbetrag zwischen dem nach § 3 Abs 1 lita und dem nach § 3 Abs 1 litb KUG gebührenden Karenzurlaubsgeld übersteigt.

Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin Berufung mit der (sinngemäßen) Begründung ein, daß sie als Beamtin in bezug auf die Höhe des Karenzurlaubsgeldes schlechter gestellt sei als Arbeitnehmerinnen, die dem Geltungsbereich des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG), BGBl. 609, unterliegen.

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales wies die Berufung mit der Begründung ab, daß der erstinstanzliche Bescheid dem Gesetz entspreche.

2. Gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales richtet sich die vorliegende, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird. Die Verletzung dieses Grundrechtes ist nach Ansicht der Beschwerdeführerin eine Folge des Umstandes, daß die dem angefochtenen Bescheid inhaltlich zugrundliegenden Bestimmungen des KUG gegen den - auch den Gesetzgeber bindenden - Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Die Beschwerdeführerin habe nämlich, da das Einkommen ihres Ehegatten den in § 3 Abs 2 KUG festgelegten Freibetrag in einem höheren als dem dort festgelegten Ausmaß übersteige, lediglich Anspruch auf ein Karenzurlaubsgeld in der in § 3 Abs 1 lita festgesetzten Höhe, während ihr, wie sie an Hand des Einkommens ihres Ehegatten und ihrer Familienverhältnisse (2 Kinder) rechnerisch aufzeigt, ein wesentlich höheres Karenzurlaubsgeld (nämlich 7317,- S anstatt 5267.- S) zustünde, falls die Bestimmungen der §§26 und 27 AlVG auf sie anwendbar wären. Die von der Beschwerdeführerin näher dargelegte Unterschiedlichkeit dieser Regelungen könne, wie sie meint, nicht mit dem Hinweis auf die Unzulässigkeit eines Vergleiches der gesetzlichen Regelungen betreffend öffentlich-rechtliche und unkündbare privatrechtliche Dienstverhältnisse einerseits und kündbare privatrechtliche Dienstverhältnisse andererseits gerechtfertigt werden. Bei den das Karenzurlaubsgeld betreffenden Regelungen gehe es nämlich nicht um die Normierung von Entgeltansprüchen aus Dienstverhältnissen, sondern darum, Müttern einen finanziellen Rückhalt zu geben, der es ihnen ermöglicht, ihre Berufstätigkeit zu unterbrechen, um während der ersten Lebensjahre ihres Kindes sich der Obsorge für dieses Kind widmen zu können.

3. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 13062/1992 mwH) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn der Bescheid auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides Willkür geübt hat.

Die Beschwerdeführerin erachtet der Sache nach die Bestimmungen des § 3 Abs 1 lita iVm § 3 Abs 2 KUG, auf die sich der angefochtene Bescheid unter anderem stützt, deshalb als mit dem Gleichheitsgrundsatz in Widerspruch stehend, weil danach unter anderem Dienstnehmerinnen, die - wie die Beschwerdeführerin - in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehen, in bezug auf den Anspruch auf Karenzurlaubsgeld erheblich schlechter gestellt seien als Dienstnehmerinnen, auf die die Vorschriften des AlVG über das Karenzurlaubsgeld Anwendung finden.

2. Nach der ständigen, auch hier beizubehaltenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. VfSlg. 11665/1988, S. 365, mit Bezugnahme auf VfSlg. 5241/1966; VfSlg. 12732/1991; vgl. etwa auch ) handelt es sich beim öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und bei der Materie des Sozialversicherungswesens um tiefgreifend verschiedene Rechtsgebiete, sodaß ein Vergleich zwischen den diese Rechtsgebiete regelnden Vorschriften nicht gezogen werden kann.

Durchaus unter Bedachtnahme auf diese Rechtsprechung vermeint die Beschwerdeführerin jedoch, daß es bei der in Rede stehenden Regelung des KUG nicht um die Ausgestaltung von Dienstverhältnissen, sondern um die Begünstigung der Mutterschaft gehe, weshalb ein Vergleich dieser Vorschriften mit den das Karenzurlaubsgeld regelnden Vorschriften des Sozialversicherungsrechtes sehr wohl geboten sei. Die Unterschiedlichkeit dieser - unter anderem die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehenden Dienstnehmerinnen benachteiligenden - Regelungen könne deshalb nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, daß innerhalb des jeweiligen Regelungsbereiches ein Gesamtausgleich der Vor- und Nachteile stattfinde.

3. Demgegenüber ist festzuhalten, daß die tiefgreifende Verschiedenheit zwischen dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und der Materie des Sozialversicherungswesens es (auch) ausschließt, Teilbereiche der diese Materien betreffenden Regelungen herauszugreifen und einander zur Beurteilung anhand des Gleichheitsgrundsatzes gegenüberzustellen.

Dazu kommt, daß der Gleichheitsgrundsatz dem Gesetzgeber nicht gebietet, bei der Regelung verschiedener Verwaltungsmaterien an den gleichen Sachverhalt die gleiche Rechtsfolge zu knüpfen (s. etwa VfSlg. 6733/1972).

Daran ändert es nichts, daß in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum KUG (1153 BlgNR 13. GP, S. 3 f.) die Absicht zum Ausdruck kommt, im Rahmen der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers für die nicht unter das AlVG fallenden Dienstnehmerinnen des öffentlichen Dienstes eine der im AlVG vorgesehenen finanziellen Unterstützung gleichartige finanzielle Unterstützung vorzusehen, die es berufstätigen Müttern ermöglicht, sich der Betreuung ihres neugeborenen Kindes zumindest während dessen erster Lebenszeit voll zu widmen.

Gegenüber dem Vorwurf der Beschwerdeführerin, sie werde durch die in Rede stehende Regelungen des KUG (auch) gegenüber den Vertragsbediensteten des Bundes benachteiligt, ist - abgesehen davon, daß auch diese Gruppe von Dienstnehmerinnen den Vorschriften des AlVG unterliegt - auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 7791/1975 zu verweisen, wonach allein schon die Unterschiede in den Dienstverhältnissen der in einem öffentlich-rechtlichen oder in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu den öffentlichen Dienstgebern stehenden Bediensteten eine sachliche Rechtfertigung für unterschiedliche Behandlungen der Rechtsverhältnisse (Festlegung unterschiedlicher Rechte und Pflichten) der beiden Bedienstetengruppen bilden.

4. Angesichts der somit gegebenen verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften und des Umstandes, daß die belangte Behörde weder diesen Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt noch bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides Willkür geübt hat - was auch in der Beschwerde nicht behauptet wird -, wurde die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

5. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in einem von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist.

6. Mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der den angefochtenen Bescheid inhaltlich tragenden Rechtsvorschriften (s. dazu unter II.3) ist es ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführerin wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.