OGH vom 13.06.2006, 11Os32/06z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gebhart als Schriftführer, in der Strafsache gegen Panayot Hristakiev D***** wegen des Verbrechens des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 024 Hv 171/05y-36, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 1 wegen des Verbrechens des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und es wird die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch in der Sache unangefochten gebliebene weitere Schuldsprüche enthält, wurde Panayot Hristakiev D*****, soweit für das Nichtigkeitsverfahren relevant, des Verbrechens des (gewerbsmäßigen) grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt (Punkt 1 des Urteilssatzes).
Danach hat er am in Wien Miroslava Angelova S***** mit dem Vorsatz, dass sie in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsbürgerschaft sie besitzt oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, der Prostitution nachgehe, dieser Tätigkeit zugeführt, wobei er diese Tat gewerbsmäßig beging.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diesen Schuldspruch aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist im Ergebnis berechtigt. Zutreffend wird in der - inhaltlich eine Unterstellung der Tat unter das Tatbild des § 215 StGB anstrebenden - Subsumtionsrüge vorgebracht, dass die Urteilsannahmen zum objektiven Geschehen die für ein Zuführen im Sinne des § 217 Abs 1 StGB essentielle Einflussnahme des Beschwerdeführers auf das Opfer zur Verlagerung der gesamten Lebensführung als Prostituierte in einen fremden Staat, sei es durch (maßgebliche) Organisation oder sonstige (nachhaltige) Förderung des Wechsels in diesen Staat (Philipp in WK² § 217 Rz 15; vgl auch die Materialien zum StRÄG 2004, RV 294 BlgNR XXII. GP, 27), nicht erkennen lassen. Ihnen zufolge hat nämlich ein Unbekannter Miroslava Angelova S***** durch Täuschung veranlasst, am von Bulgarien nach Österreich zu reisen, wohingegen der Angeklagte erst in Wien aktiv geworden ist und der Genannten erst in Österreich unter Androhung der Wegnahme ihres Reisepasses erklärt hat, hier als Prostituierte arbeiten zu müssen (US 6, 10). Feststellungen, wonach er allenfalls im vorherigen Einverständnis mit jenem Unbekannten, der S***** zur Reise veranlasste, mit dem Ziel der Prostitutionsausübung in Österreich gehandelt habe, sind dem Urteil nicht zu entnehmen.
Damit ist aber die Beurteilung des konstatierten Täterverhaltens als Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 StGB wegen Fehlens der dafür erforderlichen Feststellungen rechtsirrig. Dazu kommt, dass sich auch die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung (§ 217 Abs 1 zweiter Fall StGB) nicht auf eine tragfähige Grundlage stützen kann, hätte es dafür doch - im Urteil gleichfalls nicht enthaltener - Konstatierungen bedurft, wonach sich der Angeklagte durch wiederholtes Zuführen von Personen zur Prostitution in einem für sie fremden Staat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen trachtete (WK² § 217 Rz 29).
Anzumerken ist, dass der Beschwerdeführer nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (S 199 und Beratungsprotokoll) nicht des Verbrechens nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB, sondern - anklagekonform - jenes nach § 217 Abs 2 StGB schuldig gesprochen wurde. Eine solche Divergenz zwischen verkündetem Urteil und schriftlicher Urteilsausfertigung gebietet zwar grundsätzlich eine Aufklärung nach §§ 285f StPO zwecks Urteilsangleichung oder Protokollberichtigung, doch konnte im vorliegenden Fall davon Abstand genommen werden, weil auch für diese Subsumtion Feststellungen in den Gründen fehlen und damit auch ein Schuldspruch nach § 217 Abs 2 StGB jedenfalls aufzuheben wäre.
Mangels Behebbarkeit der Mängel durch den Obersten Gerichtshof ist zur Überprüfung des Verhaltens des Angeklagten unter dem Aspekt des § 217 Abs 1 StGB eine neue Verhandlung und Entscheidung in erster Instanz unumgänglich. Dabei wird auch eine mögliche Tatbestandsverwirklichung nicht nur des Vergehens des Zuführens zur Prostitution nach § 215 StGB, sondern auch des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 und Abs 4 StGB in Betracht zu ziehen sein, wobei diese Tatbestände im Übrigen (s den rechtskräftigen Schuldspruch 2 a wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB) mit Nötigungshandlungen ideal konkurrieren können (WK² § 216 Rz 29, § 215 Rz 9; vgl auch zur Konkurrenz zwischen § 215 StGB und § 216 StGB WK² § 215 Rz 9 und zur Konkurrenz zwischen § 217 StGB und § 216 Abs 4 StGB WK² § 216 Rz 27). Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher durch Teilaufhebung des angefochtenen Schuldspruchs und Rückverweisung der Sache an das Erstgericht zur Verfahrenserneuerung im Umfang der Aufhebung Folge zu geben (§ 285e StPO). Soweit sich der Rechtsmittelantrag auf die Vernichtung der Hauptverhandlung (§ 288a StPO) und die Aufhebung des gesamten Urteiles richtet, war die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen, weil der allein ein Vorgehen nach § 288a StPO rechtfertigende Nichtigkeitsgrund nach § 281a StPO nicht geltend gemacht wurde und in Ansehung der Schuldsprüche 2 und 3 Nichtigkeitsgründe nicht deutlich und bestimmt bezeichnet wurden. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.