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OGH vom 05.07.2016, 11Os31/16t

OGH vom 05.07.2016, 11Os31/16t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel Kwapinski und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Jülg, BSc, als Schriftführer in der Strafsache gegen Sabur A***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Josip An***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom , GZ 142 Hv 50/15m 80, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten An***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Schuld und Freisprüche weiterer Angeklagter enthält, wurde Josip An***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt (A./).

Danach hat er am in der Justizanstalt W***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Sabur A***** und Alp Ak***** als Mittäter (§ 12 StGB) mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Gheorghe R***** und Dusko G***** fremde bewegliche Sachen, und zwar zwei Mobiltelefone, zwei Ladegeräte, einen USB Adapter sowie eine Flasche mit Tattoofarbe mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt und weggenommen, indem er sich, um das Verlassen des Haftraums und das Drücken des Alarmknopfs zu verhindern und gemeinsam mit den anderen ein Bedrohungsszenario aufzubauen, in der Nähe der Türe des Haftraums positionierte und dabei einen Besenstiel drehte (US 10), während Sabur A***** dem Gheorghe R***** vier heftige Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht versetzte und die Herausgabe der Mobiltelefone forderte und Alp Ak ***** R***** und G***** Ohrfeigen mit dem Handrücken versetzte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus Z 5, 5a, 9 lit a, 9 lit c und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten An*****.

Auf den in der Nichtigkeitsbeschwerde missachteten (wesensmäßig verschiedenen) Anfechtungsrahmen von Mängelrüge (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) sei vorweg verwiesen (vgl dazu RIS Justiz RS0116733).

Soweit der Beschwerdeführer unter dem Aspekt der „Z 5 und 5a“ des § 281 Abs 1 StPO Feststellungen zum Wert der weggenommenen Sachen und zu den Eigentumsverhältnissen vermisst, macht er keinen formellen, sondern einen materiellen Nichtigkeitsgrund geltend. Die gesetzmäßige Ausführung eines

materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das

Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS Justiz RS0099810).

Daran orientiert sich das Vorbringen aber nicht. Weshalb es zur rechtsrichtigen Subsumtion unter § 142 Abs 1 StGB weiterer Feststellungen zum Wert der Gegenstände bedurft hätte, legt die Beschwerde nicht dar. Soweit sie Feststellungen zu den Eigentumsverhältnissen an den abgenötigten und weggenommenen Gegenständen, also zum Tatbestandsmerkmal „fremd“ vermisst, übergeht sie die Feststellungen, wonach A***** beide (R***** und G***** ) dazu aufforderte, ihre Mobiltelefone aus den Verstecken zu holen, sie auf den Tisch zu legen und ihm zu überlassen (US 10, 12 f).

Gegen die Urteilsannahmen sprechende, vom Erstgericht übergangene Verfahrensergebnisse der Hauptverhandlung werden vom Beschwerdeführer nicht prozessförmig aufgezeigt. Urteilsfremde Spekulationen der Rüge (nominell „Z 5 und 5a“, dSn allenfalls Z 5 zweiter Fall) zur Herrenlosigkeit der Sachen und einer Divergenz zu nicht näher bezeichneten Beweisergebnissen sind keiner meritorischen Erwiderung zugänglich.

Dem Vorbringen der Mängelrüge (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) zuwider waren die Tatrichter im Zusammenhang mit den Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz des Beschwerdeführers keineswegs dazu verpflichtet, sich mit der Aussage des Dusko G***** (ON 47 S 31) auseinanderzusetzen, wonach ein Mobiltelefon „2,50 Euro“ kosten würde (vgl RIS Justiz RS0093656).

Mit dem Vorbringen, wonach der „Erstangeklagte“ (also Sabur A*****) ein „Alphatier“ sei, der sich als Tschetschene (beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen österreichischen Staatsbürger, sodass eine Verwechslung in der Bezeichnung auszuschließen ist) das „unkollegiale und provokante Verhalten seiner Mithäftlinge nicht gefallen lassen konnte“, sodass der Sachverhalt als „Lausbubengeschichte“ zu beurteilen sei, wird kein Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt bezeichnet.

Gleiches gilt für die aus den Lebensverhältnissen und dem Aussehen des Mitangeklagten abgeleiteten Spekulationen zu einem künftigen Naheverhältnis zu Terrorverbindungen und den weiteren Vorwurf, das Erstgericht verwehre dem „Erstangeklagten“ die erbetene Verzeihung, was mit den „christlichen oder menschlichen“ Grundwerten unvereinbar sei und die Spezialprävention konterkariere.

Aktenwidrigkeit im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO liegt dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer

Aussage oder

Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS Justiz RS0099492, RS0099431). Indem die Mängelrüge den von den Tatrichtern aus der in der Hauptverhandlung vorgeführten Videoaufzeichnungen gezogenen Schlussfolgerungen (US 11 und 13) eigene Auffassungen und Erwägungen gegenüber stellt, zeigt sie den behaupteten Begründungsfehler demzufolge nicht auf.

Den Beschwerdeführer in Bezug auf den Aufbau eines Bedrohungsszenarios entlastende Aussagen finden sich in den von der Mängelrüge zitierten Fundstellen (ON 47 S 8, 11, 15, 24) nicht. Äußerungen dahingehend, dass „im Häfn alle zuschauen, wenn etwas passiere“, stehen den Feststellungen nicht erörterungsbedürftig entgegen. Indem die Mängelrüge damit im Zusammenhang stehende weitere Angaben des Ak***** übergeht (An***** wollte dabei sein, „er hat sich auch den Alarmknopf genommen und hat so Aufpasser gespielt“, ON 47 S 7), verfehlt sie zudem die prozessförmige Darstellung des Nichtigkeitsgrundes.

Mit der Bezugnahme auf ein Lichtbild (ON 5 S 35), das den Beschwerdeführer mit einem unter beide Arme geklemmten Besenstiel darstellt (Z 5a), werden beim Obersten Gerichtshof

keine erheblichen Bedenken gegen die

Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen geweckt. Das weitere Vorbringen der Tatsachenrüge lässt den vom Gesetz verlangten Aktenbezug vermissen (RIS Justiz RS0117516, RS0117749 und RS0119310).

Mit dem Hinweis auf einen dem Erstgericht im Rahmen der rechtlichen Erwägungen unterlaufenen Schreibfehler („§ 146“ statt wie im Absatz davor § 142 Abs 1 StGB) bringt die Rüge (nominell „Z 5 und 5a“) den der Sache nach geltend gemachten materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht prozessförmig zur Darstellung.

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) Feststellungen zu einem auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz vermisst, dabei aber die (wenn auch disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung, dort aber unmissverständlich getroffene) Konstatierung übergeht, wonach sie (also die im Satz davor angeführten Angeklagten A*****, Ak***** und An*****) „nicht nur mit Vorsatz hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale, sondern auch mit Zueignungs und Bereicherungsvorsatz handelten“ (US 15), orientiert sie sich nicht an den bereits oben erwähnten Kriterien.

Gleiches gilt, wenn die Beschwerde den festgestellten Bereicherungsvorsatz des Rechtsmittelwerbers unter Bezugnahme auf die vom Erstgericht ohnehin berücksichtigte spätere Rückgabe eines Teils der Raubbeute und eines anderen Mobiltelefons (US 10) bestreitet und losgelöst vom Urteilssachverhalt behauptet, sein Verhalten sei lediglich passiver Natur und durch Langeweile und Neugier am Verbleib des USB-Sticks motiviert gewesen.

Mit ihrer weiteren Kritik an der Information der Vorsitzenden „zu einer Strafdrohung von 15 Jahren“ (vgl dazu aber richtig US 17) und der vom Schöffengericht ausgesprochenen Höhe der Freiheitsstrafe wird von der Rüge (nominell Z 9 lit a) kein Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt bezeichnet. Zu einer Bekämpfung des Schuldspruchs des „Erstangeklagten“ (Sabur A*****), dessen Verhalten dem Vorbringen zufolge „als Vergehen nach § 115 StGB“ zu werten sei, ist der Beschwerdeführer nicht legitimiert (RIS Justiz RS0099257).

Zur prozessförmigen Ausführung einer Rechts oder Subsumtionsrüge genügt es nicht, die angestrebte rechtliche Konsequenz (Schuldspruch statt Freispruch oder umgekehrt bzw Änderung der rechtlichen Unterstellung) zu behaupten. Dies ist vielmehr methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten (RIS Justiz RS0116569). Die Behauptung der Rüge (nominell Z 10, der Sache nach Z 9 lit a), der Beschwerdeführer habe sich nur im Haftraum aufgehalten und einen Besenstiel geschwungen, orientiert sich nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (US 10 f), womit die prozessförmige Darstellung materieller Nichtigkeit verfehlt wird.

Weshalb das festgestellte Zusammenwirken der Angeklagten, das Versetzen von mehreren heftigen Schlägen und der Aufbau eines Einschüchterungs und Bedrohungsszenarios mit einem Besenstiel in einem Haftraum, aus dem die attackierten Mitgefangenen nicht flüchten konnten, unter den Tatbestand des § 142 Abs 2 StGB subsumiert werden könnte, erklärt die unter teilweiser Bezugnahme auf Verfahrensergebnisse der Hauptverhandlung Geringwertigkeit der geraubten Gegenstände geltend machende Subsumtionsrüge (Z 10) nicht.

Indem die Rüge auf eine Verurteilung nach § 142 Abs 2 StGB abzielt, eine Bereicherungsabsicht des Beschwerdeführers in Abrede stellt und von „milieubedingten Unmutsäußerungen und Ohrfeigen“ ausgeht, verfehlt sie mangels Festhaltens am Urteilssachverhalt ein weiteres Mal die prozessförmige Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (Z 10).

Die abschließend aufgestellte Behauptung, das im Urteil inkriminierte Verhalten sei lediglich als Ordnungswidrigkeit im Sinne des „§ 107 StVG“ zu qualifizieren, weshalb die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung gemäß § 118 Abs 3 StVG abzusehen gehabt hätte, entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz.

Der Rechtsmittelantrag, „nach § 288a StPO die

Hauptverhandlung zu

vernichten“ ist nicht nachvollziehbar, weil kein Oberlandesgericht die Rechtswirksamkeit der Anklageschrift festgestellt hat (§ 281a StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit dem Croquis, jedoch entgegn der dazu abgegebenen Äußerung des Verteidigers – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0110OS00031.16T.0705.000