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OGH vom 11.05.2010, 9ObA26/10d

OGH vom 11.05.2010, 9ObA26/10d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Brenn als weitere Richter (§ 11a Abs 3 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. I***** E*****, vertreten durch Dr. Robert Galler und Dr. Rudolf Höpflinger, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Anfechtung einer Kündigung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 105/09m 15, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Richtig ist, dass das Wirksamwerden des Kündigungsschutzes des § 105 ArbVG eine rechtswirksame Kündigung voraussetzt (9 ObA 244/98t). Im vorliegenden Fall steht der Kündigungswille der Beklagten, die Abgabe der (schriftlichen) Kündigungserklärung und deren Absendung mit der Post nicht in Frage. Ebenso ist der Zugang der Erklärung (auch) an die Klägerin persönlich nicht strittig. Damit stellt sich die Frage nach einer zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung zu beurteilenden Rechtsunwirksamkeit der Erklärung nicht.

2. Nach der Rechtsprechung ist zwischen der Frage der Einhaltung der formellen Fristen zur Kündigungsanfechtung, die einer prozessualen Frist gleichzuhalten sind (RIS Justiz RS0052033), und der materiell rechtlichen Zuordnung des Anfechtungsrechts zu unterscheiden (8 ObA 216/00y; 8 ObA 127/04s). Die Bestimmungen über die Anfechtungsfristen in § 105 Abs 4 ArbVG begründen keine prozessuale Sperre für die Erhebung der Anfechtungsklage (8 ObA 216/00y). In diesem Zusammenhang ist in der Rechtsprechung geklärt, dass eine „verfrühte“ Anfechtung durch den Arbeitnehmer, schon während der Überlegungs bzw Anfechtungsfrist des Betriebsrats, keineswegs unzulässig ist. In dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung muss die materielle Zuordnung des Anfechtungsrechts jedoch beim Kläger gelegen sein (8 ObA 216/00y; 9 ObA 191/01f; 8 ObA 127/04s).

Allgemein ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass verfrühte Prozesshandlungen grundsätzlich nicht schaden, wenn sie bereits rechtlich möglich sind (Buchegger in Fasching/Konecny 2 § 124 ZPO Rz 2). Dementsprechend kann ein Rechtsmittel auch schon vor Zustellung der angefochtenen Entscheidung erhoben werden, sofern das Gericht gemäß § 416 ZPO an seine Entscheidung gebunden ist (RIS Justiz RS0041679; Zechner in Fasching/Konecny 2 § 521 ZPO Rz 13). Gleiches gilt für eine Anfechtungsklage, wenn wie hier die schriftliche Kündigungserklärung versendet wurde und deren Zugang bis zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt erfolgt ist.

3. Bei den von der Beklagten (auch als aktenwidrig) „bekämpften“ Ausführungen des Rekursgerichts handelt es sich nicht um Tatsachenfeststellungen, sondern um die Wiedergabe der Ausführungen der Klägerin in ihrem Rekurs.

Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.