Suchen Hilfe
VfGH vom 04.03.1986, B370/85

VfGH vom 04.03.1986, B370/85

Sammlungsnummer

10791

Leitsatz

Nö. GemeindewasserleitungsG § 11 Abs 3; V des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom über die Erhebung von Wasserversorgungsabgaben und Wassergebühren § 7 und § 10 Abs 3; Vorschreibung einer Mindestwassergebühr; Vorschreibung, die nicht auf den tatsächlichen Wasserverbrauch abstellt, nicht unsachlich; kein Anhaltspunkt für Willkür; keine besonderen Einwirkungen auf die Umwelt durch den Wasserverbrauch der Benützer der Gemeindewasserversorgungsanlage im Hinblick auf das BVG über den umfassenden Umweltschutz, BGBl. 491/1984

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bürgermeister der Marktgemeinde Eichgraben hat mit Abgabenbescheid vom dem Dr. K und der Dipl.-Kfm. H R für ihre Liegenschaft in Eichgraben eine Mindestwassergebühr von 180 S pro Monat für das 4. Quartal 1984 vorgeschrieben. Diese Vorschreibung gründete sich auf § 7 der V des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom , Z 81-810-WVA-1982 idF der

V des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom , Z 8-810-1983. Mit der letztgenannten V wurden die §§6, 7 und 8 der V vom geändert. Diese Abänderung der Wasserabgabenordnung wurde gemäß § 5 Abs 3 des nö.

Gemeindewasserleitungsgesetzes 1978 mit nach erfolgter zweiwöchiger Kundmachung durch Anschlag an der Amtstafel der Marktgemeinde Eichgraben in der Zeit vom bis rechtswirksam. Mit Bescheid vom , Z 81-810-0-1985/1, gab der Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben der von Dr. K und Dipl.-Kfm. H R gegen den Abgabenbescheid erhobenen Berufung nicht Folge. In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, gemäß § 11 Abs 3 des nö. Gemeindewasserleitungsgesetzes vom , LGBl. 6930-0, könne der Gemeinderat für die ersten sechs Jahre nach Inbetriebnahme der Gemeindewasserleitung, wenn diese in Bauabschnitten ausgeführt werde, gemäß § 6 Abs 6 des angeführten Gesetzes nach Inbetriebnahme des letzten Bauabschnittes durch V festlegen, daß eine Mindestwassergebühr zu entrichten sei. Die Mindestwassergebühr dürfe den Betrag nicht überschreiten, der sich bei einem Verbrauch von 10 Kubikmeter Wasser monatlich ergeben würde. Die Inbetriebnahme des letzten Bauabschnittes sei bereits erfolgt. Für die Einhebung der Mindestwassergebühr gelte § 7 der V des Gemeinderates vom .

2. Der gegen diesen Bescheid von den Genannten erhobenen Vorstellung gab die nö. Landesregierung mit Bescheid vom , Z II/1-BE-395-91/1-85, unter Berufung auf § 61 der nö. Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-4, nicht Folge. In der Begründung des Bescheides berief sich die Behörde im wesentlichen darauf, aus § 11 Abs 3 des nö. Gemeindewasserleitungsgesetzes und § 7 der vom Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben erlassenen V ergebe sich, daß die Vorschreibung einer Mindestwassergebühr für die Liegenschaft des Dr. K und der Dipl.-Kfm. H R in Eichgraben in der Höhe von 180 S pro Monat für das 4. Quartal 1984 durch die Abgabenbehörde erster Instanz zu Recht erfolgt sei, da sowohl "der Abgabentatbestand verwirklicht, als auch der Abgabenanspruch entstanden war". Die Abgabenbehörde zweiter Instanz habe daher in richtiger rechtlicher Beurteilung des Sachverhaltes die Berufung gegen den Bescheid erster Instanz als unbegründet abgewiesen. Die Genannten seien daher durch den Inhalt des in Vorstellung gezogenen abgabenrechtlichen Bescheides zweiter Instanz in ihren Rechten nicht verletzt worden.

3. Die Bf. führen in ihrer gemäß Art 144 B-VG an den VfGH erhobenen Beschwerde gegen den Bescheid der nö. Landesregierung vom ua. aus, die V vom , deren Wirksamkeit am beginne und am ende, sei gesetzwidrig, da im Zeitpunkt deren Beschlußfassung von einer Inbetriebnahme des letzten Bauabschnittes der Gemeindewasserleitung keine Rede sein könne, weil ihre Liegenschaft erst im August 1984 an die Wasserleitung angeschlossen worden sei. Nach eigenen Darstellungen der Gemeinde erstrecke sich die Herstellung weiterer Teilabschnitte noch auf Jahre hinaus. § 11 Abs 3 des nö. Gemeindewasserleitungsgesetzes 1978 stelle auf die Inbetriebnahme der Gesamtwasserleitung ab; "durch den Zusatz, daß im Falle der Errichtung in Teilabschnitten die Inbetriebnahme des letzten Bauabschnittes maßgeblich sei", sei deutlich zum Ausdruck gebracht, daß "keinesfalls der jeweilige Teilabschnitt maßgeblich" sei, weil sonst der Ausdruck "jeweils letzten Abschnittes" gebraucht worden wäre. Der einheitlich festgesetzte Zeitraum vom bis verletze den Gleichheitsgrundsatz, da Gebühren erst ab Anschluß an die Wasserleitung verrechnet werden könnten, anderenfalls es zu einer zeitlich ungleichen Gebührenbelastung einzelner käme. Weiters führen die Bf. aus, der Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben habe in einer Sitzung vom Dezember 1982 beschlossen, die V vom in deren §§6 und 7 dahin gehend abzuändern, daß die Grundgebühr für 1 Kubikmeter Wasser von 16 S auf 18 S erhöht werden und die zu entrichtende Mindestwassergebühr daher statt bisher 160 S pro Monat 180 S pro Monat betragen solle. Diese "Kundmachung" sei jedoch niemals kundgemacht worden. Vielmehr habe der Gemeinderat in seiner Sitzung vom neuerlich einen wortgleichen Beschluß auf Abänderung der V vom gefaßt; diese V wäre nicht nur durch Anschlag an der Amtstafel, sondern auch durch Anschlag an weiteren von der Marktgemeinde Eichgraben aufgestellten Kundmachungstafeln sowie durch Veröffentlichung in der periodischen Zeitschrift "Der Eichgrabner" unter den "Amtlichen Mitteilungen der Marktgemeinde" kundzumachen gewesen.

Die Bf. stellen daher die Anträge, § 11 Abs 3 des nö. Gemeindewasserleitungsgesetzes 1978, §§7 und 10 Abs 3 der "Kundmachung bzw. Verordnung" des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben betreffend die Wasserabgabenordnung vom , die "Kundmachungen des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom Dezember 1982 und vom zur Gänze" sowie "den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Eichgraben vom samt dem anschließenden Rechtsmittelverfahren" "wegen Verfassungswidrigkeit" kostenpflichtig aufzuheben.

4. Die nö. Landesregierung erstattete als bel. Beh. eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

II. Aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde hat der VfGH am beschlossen, gemäß Art 139 Abs 1 B-VG die Gesetzmäßigkeit des § 10 Abs 3 der V des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom , Z 81-810-WVA-1982, über die Erhebung von Wasserversorgungsabgaben und Wassergebühren und betreffend Wasserabgabenordnung, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Marktgemeinde Eichgraben in der Zeit vom 25. März bis , von Amts wegen zu prüfen.

Mit Erk. VfSlg. 10738/1985 hat der VfGH § 10 Abs 3 der genannten V nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

III. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Die Bf. erachten sich durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung des nach ihrer Ansicht verfassungswidrigen § 11 Abs 3 des nö. Gemeindewasserleitungsgesetzes und wegen Anwendung des nach ihrer Ansicht gesetzwidrigen § 10 Abs 3 der V des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom betreffend die Vorschreibung einer Mindestwassergebühr ab in ihren Rechten verletzt. Der VfGH hat in seinem Erk. VfSlg. 10738/1985 ausgesprochen - vgl. II. -, daß § 10 Abs 3 der genannten V nicht als gesetzwidrig aufgehoben wird. Er hat in diesem Erk. ausgeführt, daß § 11 Abs 3 des nö. Gemeindewasserleitungsgesetzes dem Äquivalenzprinzip entspricht und daß keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Gesetzesstelle bestehen. Soweit die Beschwerde meint, es sei unsachlich, wenn der Gesetzgeber eine Mindestwassergebühr vorsieht, dh. bei der Regelung der Wasserverbrauchsgebühr nicht auf den konkreten Wasserverbrauch abstellt, ist darauf zu verweisen, daß der VfGH in seinem Erk. Slg. 8998/1980 ausgesprochen hat, die Annahme sei sachlich, daß die der Gemeinde für den Betrieb, die Erhaltung und die Erweiterung der Wasserversorgungsanlage erwachsenden Kosten nur zum geringeren Teil durch den stärkeren oder geringeren Wasserverbrauch entstehen, zum überwiegenden Teil aber durch das jederzeitige Bereitstellen und Bereithalten des Wassers. Demnach ist die Vorschreibung einer Mindestwassergebühr, die nicht auf den konkreten Wasserverbrauch abstellt, nicht unsachlich. Die von der Beschwerde geltend gemachten Bedenken sind daher nicht zutreffend.

2. Die Bf. rügen weiters, die V des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom sei nicht gehörig kundgemacht worden. Sie räumen aber selbst ein, daß entsprechend § 59 Abs 1 der nö. Gemeindeordnung diese V an der Amtstafel der Marktgemeinde gesetzmäßig kundgemacht wurde. Ihre Auffassung, daß darüber hinaus noch der Anschlag an weiteren Plätzen und die Veröffentlichung in einer bestimmten periodischen Zeitschrift hätte erfolgen müssen, findet im Gesetz keine Stütze.

3. Weiters machen die Bf. die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der bei der Erlassung des bekämpften Bescheides herangezogenen Rechtsvorschriften könnte gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9015/1981, 9928/1984) diese Rechtsverletzung stattgefunden haben, wenn die bel. Beh. Willkür geübt hätte. Dies behaupten die Bf. jedoch weder ausdrücklich noch der Sache nach. Der VfGH konnte keinen Anhaltspunkt finden, der für eine solche Annahme sprechen könnte.

4. Die Bf. behaupten auch, daß sie durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden seien. Aber auch diese Behauptung blieb unbegründet. Beim VfGH ist nichts hervorgekommen, was für eine solche Annahme sprechen würde (vgl. Ausführungen unter III.4.).

5. Schließlich behaupten die Bf., daß § 11 Abs 3 des nö. Gemeindewasserleitungsgesetzes 1978 und die darauf gestützten V des Gemeinderates der Marktgemeinde Eichgraben vom und vom verfassungswidrig seien, weil die Umwelt nunmehr unter den Schutz der Bundesverfassung gestellt sei.

Sie beziehen sich hiebei offensichtlich auf das am in Kraft getretene Bundesverfassungsgesetz vom , BGBl. 491, über den umfassenden Umweltschutz, in dessen § 1 Abs 1 sich die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) zum umfassenden Umweltschutz bekennt. In § 1 Abs 2 erster Satz ist der umfassende Umweltschutz als Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen vor schädlichen Einflüssen definiert. Er besteht nach Abs 2 zweiter Satz insbesondere in Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft, des Wassers und des Bodens sowie zur Vermeidung von Störungen durch Lärm.

Die Bf. behaupten weder, noch ist im verfassungsgerichtlichen Verfahren hervorgekommen, daß durch den Wasserverbrauch der Benützer der Gemeindewasserversorgungsanlage besondere Einwirkungen auf die Umwelt entstanden wären. Aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles geht daher der VfGH davon aus, daß solche nicht bestehen. Er kann deshalb davon absehen auszuführen, welche Rechtswirkungen das angeführte Bundesverfassungsgesetz über den umfassenden Umweltschutz im Hinblick auf die Gesetzgebung und Vollziehung entfaltet.

6. Da das Beschwerdeverfahren auch nicht ergab, daß andere Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides verfassungsrechtlich bedenklich wären, und die Bf. durch den angefochtenen Bescheid in anderen als den geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Fundstelle(n):
EAAAD-97747