OGH vom 29.04.2014, 9ObA25/14p

OGH vom 29.04.2014, 9ObA25/14p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Claudia Gründel und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** B*****, vertreten durch Mag. Peterpaul Suntinger, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Günther Clementschitsch und Kanzleikollegen, Rechtsanwälte in Villach, wegen 673,96 EUR sA (Revisionsinteresse 399,36 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 60/13t 14, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 34 Cga 17/13w 9, in der Hauptsache nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 227,23 EUR (darin 37,87 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war von bis bei der Beklagten als Angestellte vollzeitbeschäftigt. Sie leistete in geringem Ausmaß Über und Mehrstunden und arbeitete auch insgesamt fünfmal an zwei aufeinanderfolgenden Samstagen.

Der auf das Dienstverhältnis anzuwendende Kollektivvertrag für Handelsangestellte (kurz: KV Handel) in der anzuwendenden Fassung sieht in Abschnitt VI (Arbeitszeit) Pkt C. (Arbeitszeit im Einzelhandel) für Verkaufsstellen, die an mehr als einem Samstag im Monat nach 13:00 Uhr offen gehalten werden, vor, dass abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen Angestellte und Lehrlinge in Verkaufsstellen zwar an Samstagen nach 13:00 Uhr beschäftigt werden dürfen, soweit die jeweils geltenden Öffnungszeitenvorschriften das Offenhalten zulassen, in diesem Fall aber der folgende Samstag zur Gänze arbeitsfrei zu bleiben hat (Z 2.1.).

Die Klägerin begehrt soweit nach rechtskräftiger Teilabweisung durch die Vorinstanzen noch revisionsgegenständlich für die von ihr geleistete Arbeit an fünf Samstagen, die nach Abschnitt VI Pkt C. Z 2.1. KV Handel arbeitsfrei hätten bleiben müssen, eine „Ruhetagsentschädigung“ für fünf Ruhetage von 399,36 EUR brutto. Dem Arbeitgeber, der die Leistung eines Arbeitnehmers gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen eine kollektivvertragliche Bestimmung in Anspruch genommen habe, dürfe daraus kein Vorteil erwachsen.

Die Beklagte bestritt dieses Klagebegehren dem Grunde nach, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass eine „Ruhetagsentschädigung“ im KV Handel nicht vorgesehen sei. Eine allenfalls der Klägerin für die von ihr geleisteten Arbeit an 14 Samstagen gemäß Abschnitt VIII Pkt A. KV Handel zustehende Zeitgutschrift von 28 Arbeitsstunden habe die Klägerin nie geltend gemacht. Auch wäre ein der Klägerin daraus zustehender Geldanspruch von 232,55 EUR vertragsgemäß durch die ihr ausbezahlte Provision abgegolten.

Die Vorinstanzen wiesen das Begehren auf Zahlung der begehrten „Ruhetagsentschädigung“ übereinstimmend ab. Im Zuge der ÖZG Novelle 1996 sei im Arbeitsruhegesetz die Regelung verankert worden, dass bei Arbeitsleistungen am Samstag nach 13:00 Uhr der darauffolgende Samstag von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen gänzlich arbeitsfrei zu bleiben habe (§ 22d Abs 2 ARG). Durch das Öffnungszeitengesetz 2003, BGBl I Nr 2003/48, sei diese gesetzliche Beschränkung ersatzlos entfallen, kollektivvertragliche Sonderbestimmungen sollten jedoch weiterhin möglich sein (§ 22d Abs 3 ARG; seit § 22f Abs 3 ARG). Der KV-Handel enthalte nach wie vor Sonderbestimmungen über die Beschäftigung von Arbeitnehmern am Samstag Nachmittag. Auf § 22d ARG idF BGBl I Nr 1997/5 verweise der Kollektivvertrag nicht.

Mangels gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Grundlage habe die Klägerin keinen Anspruch auf eine „Ruhetagsentschädigung“. Eine Regelung, die den gegenständlichen Anspruch tragen könnte, sei von den Kollektivvertragsparteien auch nach Änderung des § 22d ARG durch das Öffnungszeitengesetz 2003 nicht vorgesehen worden. Die Klägerin könne ihren Anspruch auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz stützen. Dem Arbeitgeber sei es unbenommen, strittige Ansprüche im Rechtsweg abzuklären, auch wenn er zuvor im Wege außergerichtlicher Vergleiche gleichartige Ansprüche anderer ehemaliger Dienstnehmer befriedigt habe.

Die Revision sei gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage, welche Ansprüche ein Angestellter nach dem KV Handel habe, wenn er entgegen Abschnitt VI Pkt C. Z 2.1. dieses Kollektivvertrags an aufeinanderfolgenden Samstagen nach 13:00 Uhr arbeite, bislang nicht zu befassen gehabt habe.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer weiteren Klagsstattgabe im Umfang von 399,36 EUR brutto sA; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung , die Revision zurückzuweisen, eventualiter ihr keine Folge zu geben.

Wenngleich die Revision im Hinblick auf die maßgebliche Auslegungsfrage zum Kollektivvertrag zulässig ist (vgl RIS Justiz RS0109942), kann auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 erster Satz ZPO).

Den Revisionsausführungen, die im Wesentlichen die Berufsausführungen wiederholen, ist zusammenfassend und ergänzend Folgendes entgegenzuhalten:

1. Einleitend kann festgehalten werden, dass unstrittig die dem normativen Teil eines Kollektivvertrags angehörenden Bestimmungen nach den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB, also nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und der Absicht des Normgebers auszulegen sind (RIS Justiz RS0008782; RS0008807 ua). Maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RIS Justiz RS0010088). Denn die Normadressaten, denen nur der Text des Kollektivvertrags zur Verfügung steht, können die Vorstellungen, die die Kollektivvertragsparteien beim Abschluss vom Inhalt der Normen besessen haben, weder kennen noch feststellen. Sie müssen sich vielmehr darauf verlassen können, dass die Absicht der Parteien in erkennbarer Weise im Vertragstext ihren Niederschlag gefunden hat (RIS Justiz RS0010088 [T18] ua).

2. Der Umstand, dass in einem Kommentar zum KV Handel die Bestimmung des § 22d ARG (offenbar gemeint idF BGBl I 1997/5) noch erwähnt wird, bietet keinen geeigneten Anhaltspunkt, um auf eine nicht im Vertragstext Niederschlag gefundene Absicht der Kollektivvertragsparteien zu schließen. Vielmehr wäre es den Kollektivvertragsparteien leicht möglich gewesen, eine ausdrückliche (Entgelt )Regelung, etwa in Form eines Zuschlags oder einer „Ruhetagsentschädigung“ für den Fall zu schaffen, dass Arbeitnehmer entgegen Abschnitt VI Pkt C. Z 2.1. KV Handel an zwei aufeinanderfolgenden Samstagen beschäftigt werden.

3. Die von der Klägerin relevierte Entscheidung 9 ObA 102/03w, die sie zur Begründung ihres Anspruchs ins Treffen führt, ist nicht einschlägig. Darin wurde zwar ausgesprochen, dass dem Arbeitgeber, der die Leistung eines Arbeitnehmers unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften in Anspruch genommen hat, daraus kein Vorteil erwachsen soll. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Kollektivvertrag sah aber schon bei einer angeordneten Verschiebung der Lage einer Arbeitspause eine entsprechende Entschädigungspflicht vor, weshalb im Wege eines Größenschlusses der Arbeitgeber auch zur Abgeltung von Ruhezeiten verpflichtet wurde, die vom Arbeitnehmer nicht mehr in natura in Anspruch genommen werden konnten. Die gegenständlichen Kollektivvertragsbestimmungen gewähren dem Arbeitnehmer aber keine bezahlte Freizeit, sondern schreiben lediglich eine bestimmte Verteilung der Normalarbeitszeit vor (vgl Scherff , Handbuch zur Arbeitszeit [1998] 122 zu § 22d ARG idF BGBl I 1997/5). Dazu kommt, dass die Leistung der Klägerin an den streitgegenständlichen fünf Samstagen ohnedies von der Beklagen bezahlt wurde. Hätte die Klägerin nicht an diesen Tagen gearbeitet, hätte sie ihre Arbeitsleistung an anderen Werktagen verrichten müssen.

4. Die Frage, ob es der Klägerin „zumutbar“ gewesen wäre, die Arbeiten an diesen Samstagen zu verweigern, stellt sich nicht. Eine Anspruchsgrundlage für die begehrte „Ruhetagsentschädigung“ zeigt die Klägerin damit nicht auf.

5. Auf die in der Revision aufgeworfene Rechtsfrage zur Zulässigkeit der Abgeltung von allfälligen Zuschlägen musste nicht eingegangen werden. Die Klägerin macht keine Zuschläge, welcher Art auch immer, geltend.

6. Schließlich kann die Klägerin ihren Anspruch auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen. Nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist der Arbeitgeber verpflichtet, einzelne Arbeitnehmer nicht willkürlich, also ohne sachliche Rechtfertigung, schlechter zu behandeln als die übrigen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz hindert den Arbeitgeber jedoch nicht daran, in zeitlicher Hinsicht zu differenzieren und Vergünstigungen den ab einem bestimmten Zeitpunkt in Betracht kommenden Arbeitnehmern nicht mehr zu gewähren (RIS Justiz RS0060204). Es mag nun durchaus sein, dass sich die Beklagte in der Vergangenheit mit einer Arbeitnehmerin über eine von der Beklagten zu leistende Zahlung verglichen hat. Zwischen den Parteien kam aber im vorliegenden Verfahren keine Einigung zustande; vielmehr blieben die vom Erstgericht mit den Parteien geführten Vergleichsgespräche erfolglos (ON 5). Für eine allfällige Willkür der Beklagten bestehen keine Anhaltspunkte.

Der Revision der Klägerin war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00025.14P.0429.000