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OGH vom 30.03.2011, 9ObA25/11h

OGH vom 30.03.2011, 9ObA25/11h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann und Dr. Rotraut Leitner in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. G***** W*****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer, Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei C*****, vertreten durch Tögl Maitz Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 2.088,34 EUR brutto sA (Revisionsinteresse: 1.725,49 EUR brutto sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 86/10v 23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber hatte bei der Beklagten als Fachkraft im Sozialbereich (Jugendwohngemeinschaft) abwechselnd mit anderen Betreuern auch Nachtdienste mit Arbeitsbereitschaft zu leisten. Nach seiner Ansicht hätten die Vorinstanzen zu Unrecht das für eine Ausdehnung der Normalarbeitszeit auf täglich bis zu 12 Stunden und wöchentlich bis zu 60 Stunden nötige Kriterium der Regelmäßigkeit der Arbeitsbereitschaft iSd § 5 Abs 1 Z 2 AZG bzw hier Pkt. C.3.4. des Kollektivvertrags für Arbeitnehmer und Lehrlinge karitativer Einrichtungen der Katholischen Kirche in Österreich als gegeben erachtet. Von einer Regelmäßigkeit könne angesichts der doch recht geringen Anzahl der Nachtdienste bezogen auf die Gesamtleistung des Klägers nicht ausgegangen werden. Ihm stehe ab der achten Arbeitsstunde täglich bis zur Beendigung des Nachtdienstes ein Anspruch auf Überstundenentlohnung samt 50%-igem Zuschlag zu.

Diese Ausführungen könnten auf einem Missverständnis beruhen: Bereits das Erstgericht hat die Voraussetzungen der Arbeitsbereitschaft ausführlich und zutreffend dargelegt und auf die Judikatur hingewiesen, dass Zeiten der Arbeitsbereitschaft aufgrund der geringeren Beanspruchung des Arbeitnehmers (Überstunden „minderer Art“) grundsätzlich auch geringer entlohnt werden dürfen (RIS-Justiz RS0116870, RS0054879, RS0027969, RS0021399, RS0021667, zuletzt 9 ObA 34/10f). Hervorzuheben ist, dass diese entlohnungsrechtliche Seite vom arbeitnehmerschutzrechtlichen Aspekt zulässiger Höchstarbeitszeiten zu unterscheiden ist. In diesem Sinne wurde bereits ausgesprochen, dass für über die Normalarbeitszeit hinausgehende Bereitschaftszeiten nicht notwendig, ohne Rücksicht auf das Ausmaß der erbrachten vertragsmäßigen Arbeitsleistung Überstundenentgelt zustehen muss (vgl RIS-Justiz RS0054541, etwa 9 ObA 99/08m). Die grundsätzlich zulässige geringere Entlohnung der Arbeitsbereitschaft setzt jedoch eine entsprechende kollektiv- oder einzelvertragliche Vereinbarung voraus (RIS-Justiz RS0021399, 8 ObA 321/01s).

Der genannte Kollektivvertrag sieht in seinen Entlohnungsbestimmungen unter Punkt E 4.1.2. vor:

„ Für Nachtdienste mit Schlafberechtigung (C.3.4. und C.3.5.) wird ein Pauschalzuschlag von 15,07 EUR pro Nacht gewährt. Von den 8 Stunden der Nacht (22.00 Uhr bis 06.00 Uhr) werden im Regelfall 4 Stunden bezahlt. …“

Der hier maßgebliche Punkt C.3.4. lautet:

„ Die tägliche Normalarbeitszeit kann bei 'schlafenden' Nachtdiensten bis auf 12 Stunden (jedoch nur im Nachtdienst selbst), die wöchentliche Normalarbeitszeit bis auf 60 Stunden ausgedehnt werden, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt.“

Nach dem oben Gesagten ist hier nicht die arbeitszeitliche Bestimmung des Punktes C.3.4. an § 5 Abs 1 Z 2 AZG zu messen, sondern „kollektivvertragsautonom“ nach dem Sinn der Entgeltbestimmung des Punktes E 4.1.2. zu fragen. Diese kann aber mit ihrer Bezugnahme auf Punkt C.3.4. des Kollektivvertrags nicht anders verstanden werden, als dass Nachtdienste mit Schlafberechtigung, bei denen die Normalarbeitszeit ausgedehnt wird, weil in ihr regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft anfällt, dem Entlohnungsmodell des Punktes E 4.1.2. unterfallen sollen.

Dass in den Nachtdiensten in erheblichem, dh in einem Drittel der Zeit übersteigenden Umfang Arbeitsbereitschaft anfiel, wurde von den Vorinstanzen ebenso richtig beurteilt wie der Umstand, dass die Regelmäßigkeit der Arbeitsbereitschaft nicht ihr Anfallen zu stets gleich bleibenden Zeiten, sondern deren Vorhersehbarkeit nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge voraussetzt, damit sich ein Arbeitnehmer auf die „verdünnte“ Arbeit einstellen kann (vgl 8 ObA 35/02h; 8 ObA 83/04w, RdA 2007/3 B. Schwarz ). Dies war hier aufgrund der vierzehn Tage im Vorhinein erstellten Dienstpläne zweifellos der Fall.

Soweit dem Kriterium der „Regelmäßigkeit“ immanent ist, dass die Arbeitsbereitschaft nicht nur in vorhersehbarer, sondern auch in wiederkehrender Weise zu leisten sein muss, lässt auch ihre Bejahung bei rund vier solcher Nachtdienste pro Monat - von den Urlaubsmonaten Juli und August abgesehen - keine Fehlbeurteilung erkennen.