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VfGH vom 06.06.2014, B369/2013

VfGH vom 06.06.2014, B369/2013

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Versagung eines Einreisevisums für eine afghanische Mutter von vier Kindern und Ehefrau des in Österreich aufenthaltsberechtigten Vaters; kein Eingehen auf die spezifische Fallkonstellation im Hinblick auf das Familienleben

Spruch

I. Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde, Vorverfahren

1. Die Beschwerdeführerin, eine afghanische Staatsangehörige, stellte am für sich und ihre vier Kinder (geboren 2000, 2001, 2003 und 2005) in Pakistan bei der Österreichischen Botschaft Islamabad Anträge auf Erteilung von Visa zur Einreise nach Österreich gemäß § 35 Abs 3 Asylgesetz 2005, um das Familienleben auch mit ihrem Ehemann in Österreich fortzusetzen. Der Ehemann der Beschwerdeführerin, der zugleich der Vater der vier Kinder ist, ist afghanischer Staatsangehöriger und in Österreich seit Oktober 2010 als subsidiär Schutzberechtigter befristet aufenthaltsberechtigt.

Im Verfahren vor der Österreichischen Botschaft Islamabad gab die Beschwerdeführerin an, im Jänner 1999 ihren Ehemann in Pakistan geheiratet zu haben; davor habe sie in Afghanistan gelebt.

2. Nach Weiterleitung der Anträge auf Einreiseerlaubnis an das Bundesasylamt teilte dieses der Österreichischen Botschaft Islamabad mit, dass es wahrscheinlich sei, dass den Kindern der Beschwerdeführerin in Österreich derselbe Schutz wie ihrem Ehemann gewährt werde, weshalb ihnen Visa zur Einreise nach Österreich auszustellen seien.

Hingegen erachtete es das Bundesasylamt für nicht wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführerin in Österreich derselbe Status wie ihrem Ehemann zuerkannt werde. Als Grund dafür wurde angeführt, dass die Beschwerdeführerin keine "Familienangehörige" im Sinne der Definition des § 2 Abs 1 Z 22 Asylgesetz 2005 sei, da ihre Ehe nicht im Herkunftsland Afghanistan, sondern in Pakistan geschlossen worden sei. Von dieser negativen Wahrscheinlichkeitsprognose wurde die Beschwerdeführerin per E-Mail informiert.

In einer Stellungnahme vom teilte die Beschwerdeführerin der Österreichischen Botschaft Islamabad mit, dass ihre Ehe zwar in Pakistan geschlossen worden sei, diese aber auch im Herkunftsstaat Afghanistan bestanden habe, da sie sich mit ihrem Ehemann nach der Eheschließung öfters, etwa zur Geburt ihrer Kinder, in Afghanistan aufgehalten habe.

3. Mit einem als "Ablehnung" betitelten Schreiben der Österreichischen Botschaft Islamabad vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Visums zur Einreise nach Österreich unter Verwendung eines Formularvordrucks abgelehnt.

Einleitend wird festgehalten, dass die Beschwerdeführerin einen Antrag gemäß § 35 Asylgesetz 2005 eingebracht habe, der gleichzeitig als Antrag auf Erteilung eines Visums gelte. In Folge wird die Beschwerdeführerin davon informiert, dass unter Hinweis auf Art 15 iVm Art 5 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom der Antrag abgelehnt worden sei, da sie die in Art 5 Abs 1 des zitierten Übereinkommens festgelegten Voraussetzungen nicht erfülle.

Durch Ankreuzen der Z 2 des Abs 1 in § 21 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), der die allgemeinen Voraussetzungen zur Erteilung von Visa regelt, wird weiters zu erkennen gegeben, dass der Antrag deshalb abgelehnt wurde, weil die Wiederausreise der Beschwerdeführerin aus Österreich nicht gesichert erscheine. Nach einer Rechtsmittelbelehrung ist am Ende des Formulars die Österreichische Botschaft Islamabad als Ausstellerin angeführt. Neben dem Ausstellungsdatum und dem Ausstellungsort findet sich die Paraphe eines namentlich genannten Organwalters.

4. Gegen diese "Ablehnung" richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art 8 EMRK (iVm Art 14 EMRK) und im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander, sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich § 2 Abs 1 Z 22 Asylgesetz 2005, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt werden.

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde zum Schutz des Familienlebens verpflichtet gewesen wäre, der Beschwerdeführerin trotz negativer Mitteilung des Bundesasylamtes ein Visum zur Einreise nach Österreich zu erteilen. Zudem sei das Abstellen auf den Zeitpunkt der Eheschließung in § 2 Abs 1 Z 22 Asylgesetz 2005 für die Frage der Visumserteilung sachlich nicht gerechtfertigt. Abgesehen davon, erfülle die Beschwerdeführerin ohnehin die Definition des § 2 Abs 1 Z 22 Asylgesetz 2005, da sie sich mit ihrem Ehemann nach der Eheschließung öfters und für längere Zeit in Afghanistan aufgehalten habe.

5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie ausführt, dass sie der Beschwerdeführerin mangels positiver Mitteilung des Bundesasylamtes nach § 35 Abs 4 Asylgesetz 2005 kein Visum erteilen habe können. Ebenso habe eine gesonderte Prüfung ergeben, dass der Beschwerdeführerin kein Visum nach § 21 Abs 1 FPG zu erteilen gewesen sei, weil Grund zur Annahme bestanden habe, dass die Beschwerdeführerin nach Ablauf des Visums Österreich nicht unaufgefordert verlassen werde. Eine Nachprüfung der vom Bundesasylamt erteilten "negativen Wahrscheinlichkeitsprognose" in der Mitteilung nach § 35 Abs 4 Asylgesetz 2005 durch die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland komme jedenfalls nicht in Betracht, da die Vertretungsbehörde gemäß , an die Mitteilung des Bundesasylamtes nach § 35 Abs 4 Asylgesetz 2005 gebunden sei.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. § 2 Abs 1 Z 22 Asylgesetz 2005, BGBl I 100 idF BGBl I 135/2009, lautet:

"Begriffsbestimmungen

§2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

1. bis 21. […]

22. Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

23.-25. […]

(2) und (3) […]"

§34 Asylgesetz 2005, BGBl I 100 idF BGBl I 135/2009, und § 35 Asylgesetz 2005, BGBl I 100 idF BGBl I 122/2009, lauten:

"Familienverfahren im Inland

§34. (1) Stellt ein Familienangehöriger (§2 Abs 1 Z 22) von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist (§2 Abs 3);

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist (§2 Abs 3);

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist;

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) und (5) […]

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. […]

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.

Anträge auf Einreise bei Berufsvertretungsbehörden

§35. (1) Der Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Berufsvertretungsbehörde im Ausland (Berufsvertretungsbehörde) stellen.

(2) Befindet sich der Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs 4.

(3) Wird ein Antrag nach Abs 1 und Abs 2 gestellt, hat die Berufsvertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Berufsvertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesasylamt zuzuleiten.

(4) Die Berufsvertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§24 Abs 4 FPG), wenn das Bun desasylamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bun desasylamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§7 und 9) und

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art 8 Abs 2 EMRK nicht widerspricht.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs 5 FPG gehemmt. Die Berufsvertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs 1 und 2 zu informieren."

2. § 21 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I 100, und § 24 Fremdenpolizeigesetz BGBl I 100 idF BGBl I 122/2009, lauten:

"Erteilung von Visa

§21. (1) Visa dürfen einem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn

1. dieser ein gültiges Reisedokument besitzt;

2. die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint;

3. öffentliche Interessen der Erteilung des Visums nicht entgegenstehen, es sei denn, die Interessen des Fremden an der Erteilung des Visums wiegen schwerer, als die öffentlichen Interessen, das Visum nicht zu erteilen und

4. kein Versagungsgrund (Abs7) wirksam wird.

(2) – (4) […]

(5) Öffentliche Interessen stehen der Erteilung eines Visums insbesondere dann entgegen, wenn

1. der Fremde nicht über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder er im Gesundheitszeugnis gemäß § 23 eine schwerwiegende Erkrankung aufweist;

2. der Fremde nicht über ausreichende eigene Mittel für seinen Unterhalt und für die Wiederausreise verfügt;

3. der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines vor der Einreise bestehenden gesetzlichen Anspruchs;

4. der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;

5. der Aufenthalt des Fremden die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat beeinträchtigen würde;

6. Grund zur Annahme besteht, der Fremde werde außer im Rahmen von Geschäftsreisen oder in den Fällen des § 24 eine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet beabsichtigen;

7. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde einer kriminellen Vereinigung oder einer kriminellen Organisation (§§278 und 278a StGB) oder terroristischen Vereinigung (§278b StGB) angehört oder angehört hat;

8. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

9. der Fremde öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(6) […]

(7) Die Erteilung eines Visums ist zu versagen (Abs1 Z 4),

1. wenn gegen den Fremden ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht;

2. wenn ein Vertragsstaat einen Zurückweisungsgrund mitgeteilt hat;

3. insoweit dies geboten ist, weil für ein Flugtransit-, Reise- oder Durchreisevisum ein Reisedokument vorgelegt wird, das nicht alle Vertragsstaaten anerkennen;

4. insoweit ein Reisevisum in Verbindung mit einem bereits abgelaufenen Reisevisum einen drei Monate übersteigenden Aufenthalt innerhalb des der ersten Einreise folgenden Halbjahres ermöglichen würde oder

5. wenn der Fremde im Verfahren zur Erteilung eines Visums über seine wahre Identität, seiner Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente zu täuschen versucht hat.

(8) […]

Sonderbestimmungen zur Erteilung von Visa zu Erwerbszwecken

§24. (1) bis (3) […]

(4) Teilt das Bundesasylamt gemäß § 35 Abs 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne weiteres ein Aufenthaltsvisum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

III. Erwägungen

Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskri minierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs 1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn die Behörde dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn sie bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2. Ein solcher Fehler ist der belangten Behörde unterlaufen:

2.1. Dem vorliegenden Fall liegt die Konstellation zugrunde, dass einem Fremden, der Vater der gemeinsamen Kinder und Ehemann der Beschwerdeführerin ist, als subsidiär Schutzberechtigten in Österreich eine (bereits einmal verlängerte) befristete Aufenthaltsberechtigung zukommt. Damit ist den im Ausland verbliebenen Familienangehörigen (hier: Ehefrau und vier gemeinsamen Kinder) – von wenigen Ausnahmen abgesehen – gemäß § 35 Abs 2 und 3 Asylgesetz 2005 die Einreise nach Österreich zu gewähren.

Demgemäß erhielten die vier Kinder der Beschwerdeführerin eine positive Mitteilung des Bundesasylamtes nach § 35 Abs 4 Asylgesetz 2005. Die vier minderjährigen Kinder erfüllen daher die Voraussetzungen für die Erteilung eines Einreisevisums nach Österreich.

Der Mutter der Kinder, der Beschwerdeführerin, wurde hingegen die Einreise nach Österreich mit dem als "Ablehnung" titulierten Schreiben verwehrt, da die Ehe der Beschwerdeführerin mit dem Vater der Kinder nicht "im Herkunftsstaat bestanden" habe (§2 Abs 1 Z 22 Asylgesetz 2005).

Das Ablehnungsschreiben der Österreichischen Botschaft Islamabad, dem normativer Charakter zukommt (vgl. zur Bescheidqualität von Erledigungen von Vertretungsbehörden VfSlg 13.723/1994 und 17.033/2003), basiert auf einer Mitteilung des Bundesasylamtes an die Österreichische Botschaft Islamabad und teilt der Beschwerdeführerin im Ergebnis mit, dass ihr kein Visum nach § 21 Abs 1 Z 2 FPG zu erteilen sei.

2.2. Abgesehen davon, dass der angefochtene Bescheid die für die Ablehnung des Antrages der Beschwerdeführerin maßgebliche Rechtsgrundlage des § 35 Abs 4 Asylgesetz 2005 nicht zitiert (vgl. zur Aufhebung derartiger Bescheide , und , 2013/21/0235), übersieht die belangte Behörde, dass es im vorliegenden Fall nach Art 8 EMRK geboten sein könnte, dass die Beschwerdeführerin als Mutter der vier Kinder, denen die Einreiseerlaubnis – wie in § 35 Abs 2 Asylgesetz 2005 vorgesehen – nach Österreich erteilt wurde, das Familienleben mit ihrem Ehemann und ihren Kindern in Österreich fortsetzt; eine dies verweigernde Entscheidung hätte die Gründe dafür entsprechend darlegen müssen.

Auf diese spezifische Konstellation des Falles ist weder in der Mitteilung des Bundesasylamtes eingegangen worden noch ist diese mit der Beschwerde führerin im Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde in Islamabad in geeigneter Weise erörtert worden (vgl. dazu VfSlg 17.013/2003 sowie zur Rechtsverfolgung ).

Indem die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Einreise nach Österreich in der vorliegenden Konstellation verweigert hat, belastet sie den angefochtenen Bescheid mit Willkür.

IV. Ergebnis

1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

2. Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.