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OGH vom 18.09.2009, 16Ok9/09

OGH vom 18.09.2009, 16Ok9/09

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Kartellrechtssache des Antragstellers F*****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin B***** AöR, *****, vertreten durch Mag. Dr. Axel Reidlinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Antrags nach § 2 NVG, über den Rekurs der K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Nikolaus Wörgetter, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom , GZ 25 NaV 1, 2/07-63, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Antragsteller begehrt, gestützt auf § 7 Abs 2 Z 2 iVm § 2 NVG, die Antragsgegnerin dazu zu verpflichten, es zu unterlassen, Sägewerke der K***** Gruppe beim Bezug von Sägerundholz im Verhältnis zu anderen Sägewerken, die gesetzliche Mitglieder des Antragstellers sind, bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen durch die Gewährung von sachlich nicht gerechtfertigten Sägerundholzpreisen und/oder sonstigen Sonderkonditionen zu bevorzugen, insbesondere durch

1. die Belieferung mit Sägerundholz zu Preisen, die unter Berücksichtigung sämtlicher Skonti, Rabatte und sonstiger Preisvorteile mehr als 5 % unter dem Einkaufspreis anderer Holzabnehmer der Antragsgegnerin für die vertragsrelevanten Holzarten (Fichte und Kiefer) und Holzqualitätssortimente (Qualitäten SL B, SL D und SL BC, jeweils der Stärkeklassen 1b, 2a und 2b+) liegen; und/oder

2. die Zusicherung der Belieferung mit einer Mindestmenge an ausschließlich hochwertigem und ungeschädigtem Sägerundholz; und/oder

3. die Einräumung eines Vorkaufsrechts für das im Einkaufsgebiet von K***** GmbH anfallende Käferholz.

Zum bisherigen Verfahrensgang kann auf den Aufhebungsbeschluss vom , 16 Ok 3/08, und den Beschluss des Kartellobergerichts vom , 16 Ok 2/09, 16 Ok 3/09, verwiesen werden.

Mit Schriftsatz vom verkündete die Antragsgegnerin der K***** GmbH den Streit und forderte diese auf, dem Verfahren auf Seiten der Antragsgegnerin als Nebenintervenientin beizutreten.

Bereits mit Schriftsatz vom erklärte die K***** GmbH ihren Beitritt als Nebenintervenientin auf Seiten der Antragsgegnerin.

In der Tagsatzung vom (ON 62) fasste die Vorsitzende des Kartellgerichts den Beschluss auf Zurückweisung der Streitverkündigung und der Nebenintervention. Außerdem gab die Vorsitzende bekannt, dass die Parteistellung von K***** GmbH auch amtswegig, jedoch mit negativem Ergebnis überprüft worden sei (AS 117 = S 1 in ON 62).

Von der Einführung des Instituts der Nebenintervention habe der Gesetzgeber im Außerstreitverfahren explizit abgesehen. Dies werde auch in der Literatur nicht in Frage gestellt. Nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG solle nur eine „rechtlich geschützte Stellung", die durch eine gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst werde, zu einer Parteistellung im Außerstreitverfahren führen. Ein Kartellverfahren diene aber nicht dem Schutz von Kartellvereinbarungen, sodass eine materielle Parteistellung von Kartellmitgliedern bzw Personen, die daraus Rechte ableiten, zu verneinen sei. Nichts anderes könne für das Nahversorgungsgesetz gelten.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Vorweg ist festzuhalten, dass der angefochtene Beschluss abgesondert anfechtbar ist. Dabei handelt es sich um keine bloß verfahrensleitende Entscheidung im Sinne des § 45 AußStrG, wird damit doch die Nebenintervenientin endgültig von ihrer Beteiligungsmöglichkeit am Verfahren ausgeschlossen. Auch im Streitverfahren, dessen Regelung des aufgeschobenen Rekurses Vorbild für die Bestimmung des § 45 AußStrG war (vgl die ErläutRV zu § 45 AußStrG, abgedruckt bei Fucik/Kloiber, AußStrG 176), war die Zurückweisung der Nebenintervention stets abgesondert anfechtbar. Seit der Aufhebung des § 18 Abs 4 ZPO durch Art III Z 2 ZVN 2009 gilt dies auch für die Zulassung der Nebenintervention. Vor diesem Hintergrund ist die abgesonderte Anfechtbarkeit der Zurückweisung einer Nebenintervention auch im Außerstreitverfahren zu bejahen, zumal der Oberste Gerichtshof die abgesonderte Anfechtbarkeit bereits in einer Reihe von Entscheidungen - wenn auch ohne nähere Erörterung - implizit bejaht hat (vgl 10 Ob 29/06x; 6 Ob 236/06h; 1 Ob 147/07k).

2. Die Auffassung des Erstgerichts, dass der Rekurswerberin keine materielle Parteistellung zukommt, wird im Rekurs nicht bekämpft, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist. Der Rekurs wendet sich vielmehr ausschließlich gegen die vom Erstgericht angenommene Unzulässigkeit der Nebenintervention.

3. Der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht billigt die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass uneingeschränkt darauf verwiesen werden kann (§ 60 Abs 2 AußStrG).

4. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

4.1. Bereits das Erstgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber entgegen mehrfachen Vorschlägen im Schrifttum (Rechberger, LBI XVI, 30; Klicka, LBI XX, 33) im Außerstreitverfahren die Verankerung des Instituts der - nach der bisherigen Rechtslage in der Lehre teilweise für möglich gehaltenen (Burstaller in Jabornegg, HGB § 18 FBG Rz 5; Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren3 Rz 32; vgl auch 6 Ob 121/00p) - Nebenintervention ausdrücklich abgelehnt hat (ErläutRV AußStrG 2003, 224 BlgNR 22. GP 23; abgedruckt bei Fucik/Kloiber, AußStrG 43). Für ein derartiges Institut bestünden - zumindest im allgemeinen Teil - keine überzeugenden Bedürfnisse. Derjenige, dessen rechtliches Interesse nicht durch das Verfahren geschützt sei, solle im Allgemeinen keine Verfahrensrechtsstellung haben (ErläutRV AußStrG 2003, 224 BlgNR 22. GP 23; G. Kodek/G. Nowotny, Das neue Außerstreitgesetz und das Verfahren vor dem Firmenbuchgericht, NZ 2004, 257 [260]). Aus diesem Grund wurde auch die noch im Kralik-Entwurf enthaltene Bestimmung, wonach dem Außerstreitverfahren als Nebenintervenient beitreten kann, wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass der Standpunkt einer Partei durchdringe, nicht in das Gesetz aufgenommen (vgl Rechberger, Bemerkungen zum allgemeinen Teil des Ministerialentwurfs für ein AußStrG 2000, NZ 2001, 60 [62]).

4.2. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 10 Ob 29/06x (= Zak 2006/445 = FamZ 2006/63 [Deixler-Hübner]) die Zulässigkeit der Streitverkündigung in einem Aufteilungsverfahren nach §§ 81 ff EheG verneint. Diese Entscheidung wurde von Deixler-Hübner in einer Anmerkung gebilligt (FamZ 2006/63, 175).

4.3. Auch in einer Reihe weiterer Entscheidungen hat der Oberste Gerichtshof durchwegs die Nebenintervention bzw die Streitverkündigung nach dem AußStrG 2003 für unzulässig angesehen (6 Ob 236/06h = SZ 2006/164; 1 Ob 147/07k; 6 Ob 282/07z). Die Entscheidungen betrafen dabei so heterogene Materien wie das Aufteilungsverfahren (10 Ob 29/06x), den Erbrechtsstreit nach §§ 162 ff AußStrG (6 Ob 236/06h und 6 Ob 282/07z) und das Wasserrechtsverfahren nach § 117 WRG (1 Ob 147/07k).

4.4. Dies entspricht auch der einhelligen Auffassung im Schrifttum (Rechberger in Rechberger, AußStrG § 2 Rz 3; Deixler-Hübner in Rechberger, AußStrG § 82 Rz 12).

4.5. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die neue Regelung des Außerstreitverfahrens von der Absicht des Gesetzgebers getragen war, eine Angleichung an den im Streitverfahren bestehenden Rechtsschutzstandard und die dort gegebenen Möglichkeiten zur Sachverhaltsfeststellung zu erreichen (Kodek, Die Anforderungen an ein modernes Verfahren am Beispiel von Strukturfragen des Außerstreitgesetzes, in Rechberger, Außerstreitverfahren zwischen 1854 und 2005 [2006] 41 [52]). Diese Verfahrensgarantien betreffen nämlich ausschließlich den unmittelbaren Verfahrensgegenstand und nicht zwangsläufig auch damit allenfalls verbundene Reflexwirkungen (6 Ob 236/06h). Aus diesem Grund kann auch die Bestimmung des Art 6 MRK an der vorliegenden Beurteilung nichts ändern (zu dessen Bedeutung für die Außerstreitreform allgemein Kodek aaO 47 ff).

5.1. Gründe für eine abweichende Lösung dieser Frage im Verfahren nach dem KartG bzw dem NVG sind nicht ersichtlich. Das Argument der Rekurswerberin, das NVG sei älter als das AußStrG 2003, sodass der Gesetzgeber bei Erlassung des NVG nicht auf die verfahrensrechtliche Rechtslage nach dem neuen AußStrG habe Rücksicht nehmen können, ist nicht stichhaltig. Vielmehr hat der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Erlassung des AußStrG und des AußStrBeglG die gesamte Rechtsordnung nach einem allfälligen Anpassungsbedarf geprüft und, sofern ein solcher Bedarf gesehen wurde, durch das AußStrBeglG die erforderlichen Anpassungen vorgenommen. Vor allem aber ist das - aufgrund des Verweises in § 6 NVG auch auf das Verfahren nach dem NVG anzuwendende - KartG 2005 insgesamt jünger als das AußStrG 2003, wurde dieses doch erst durch BGBl I 2005/61 eingeführt. Das Nahversorgungsgesetz wurde durch die Wettbewerbsnovelle 2005, BGBl I 2005/62, novelliert, ohne dass der Gesetzgeber eine Notwendigkeit zur Anpassung an das neue AußStrG gesehen hätte.

5.2. Dazu kommt, dass zahlreiche Bestimmungen des KartG 2005 auf die Besonderheiten des Kartellverfahrens Rücksicht nehmen und entsprechende Abweichungen vom AußStrG normieren. Hierzu gehören neben der abweichenden Zuständigkeit und Bestimmungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (§ 39 KartG, § 47 Abs 1 Satz 2 KartG) gerade auch Bestimmungen über die Parteistellung von Amtsparteien (§ 40 KartG) und die Möglichkeit für Kammern und Regulatoren, Stellungnahmen in allen Kartellverfahren zu erstatten (§§ 45, 46 KartG).

5.3. Die Antragslegitimation im Kartellverfahren unterscheidet sich von § 2 AußStrG insofern, als nicht nur die Amtsparteien und Kammern sowie Regulatoren antragslegitimiert sind, sondern auch jeder Unternehmer und jede Unternehmervereinigung, der oder die ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung hat (§ 36 Abs 4 Z 4 KartG 2005,§ 7 Abs 2 Z 3 NVG). Hingegen sah der Gesetzgeber keinen Grund, auch auf der Antragsgegnerseite eine entsprechende Erweiterung der Passivlegitimation vorzusehen. Ein bloß wirtschaftliches Interesse reicht daher für die Aktivlegitimation, nicht aber für die Passivlegitimation aus. Durch die Erweiterung der Antragslegitimation soll offenbar die Anrufung des Kartellgerichts erleichtert werden, während für eine korrespondierende Erweiterung der Passivlegitimation schon deshalb kein Bedarf besteht, weil hier im Regelfall das Eigeninteresse des Antragsgegners ausreichend Gewähr dafür bietet, dass dieser sich gegen den Antrag entsprechend zur Wehr setzt.

5.4. Vor diesem Hintergrund bleibt aber für die Annahme einer planwidrigen Lücke, die Voraussetzung für die analoge Anwendung von Bestimmungen aus dem Streitverfahren wäre, kein Raum.

6.1. Nicht überzeugend ist auch der Einwand der Rekurswerberin, beim Verfahren nach dem NVG handle es sich in Wahrheit um ein „streitiges" Außerstreitverfahren, dessen Verweisung in das Außerstreitverfahren „einzig" auf den Gesetzgeber zurückzuführen sei. Die darin anklingende Differenzierung zwischen Rechtsfürsorgeverfahren und „streitigen" Außerstreitverfahren hat der Oberste Gerichtshof implizit aber bereits in einer Reihe von Entscheidungen abgelehnt, betreffen doch auch das Aufteilungsverfahren (10 Ob 29/06x), der Erbrechtsstreit (6 Ob 236/06h; 6 Ob 282/07z) und die Kostenersatzpflicht nach dem WRG (1 Ob 147/07k) nicht klassische Rechtsfürsorgeverfahren, sondern „streitige" Außerstreitverfahren (dazu Rechberger in Rechberger, AußStrG § 1 Rz 4). Dazu kommt, dass die Zulassung der Nebenintervention gerade auch vor dem Hintergrund des Charakters des Kartellverfahrens als Mehrparteienverfahren die Übersichtlichkeit des Verfahrens und damit letztlich die Prozessökonomie beeinträchtigen würde.

6.2. Im Übrigen werden die Interessen der Rekurswerberin durch die Entscheidung im vorliegenden Verfahren gerade nicht unmittelbar berührt: Das NVG sieht lediglich die Abstellung der Zuwiderhandlung und die Verpflichtung zum Vertragsabschluss (§ 4 NVG) sowie die Versorgungspflicht (§ 5 NVG) vor, nicht aber die Entscheidung über die zivilrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen die Bestimmungen des NVG (vgl zum Kartellgesetz hierzu bereits 16 Ok 13/08). Aus diesem Grund hat der Oberste Gerichtshof bereits im Kartellverfahren ausgesprochen, dass für eine Nichtigerklärung der zwischen der Antragsgegnerin und Dritten abgeschlossenen Verträge im Kartellverfahren keine Grundlage besteht (16 Ok 14/04; 16 Ok 13/08).

6.3. Im vorliegenden Fall würde mit der Stattgebung des Begehrens des Antragstellers nicht der Abschluss oder die Einhaltung des mit der K***** GmbH geschlossenen Vertrags verboten, sondern nur die einseitige Diskriminierung von Mitgliedern des Antragstellers durch die Antragsgegnerin (16 Ok 2/09, 16 Ok 3/09). Erst durch ihr einseitiges Verhalten, durch welches andere (Groß-)Kunden ohne sachliche Rechtfertigung wesentlich schlechter behandelt werden, verstieß die Antragsgegnerin gegen § 2 NVG (16 Ok 2/09, 16 Ok 3/09). Die Antragsgegnerin kann dem Unterlassungsgebot daher auch dadurch entsprechen, dass sie den Mitgliedern des Antragstellers dieselben Konditionen wie der Rekurswerberin einräumt. Für die Annahme der Notwendigkeit eines besonderen verfahrensrechtlichen Schutzes eines allfälligen Interesses der Rekurswerberin an der Verhinderung der günstigen Belieferung anderer Mitbewerber durch die Antragsgegnerin besteht vor dem Hintergrund der Zielsetzungen des NVG jedenfalls keine Grundlage.

7.1. Der angefochtene Beschluss erweist sich daher als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Rekurs ein Erfolg zu versagen war.

7.2. Dabei war über den Rekurs gegen den von der Vorsitzenden des Kartellgerichts (§ 62 Abs 1 KartG) erlassenen Beschluss in der Besetzung des § 62 Abs 2 KartG zu entscheiden (vgl auch § 37 Z 11 Geo und Solé, Verfahren vor dem Kartellgericht, Rz 17).

7.3. Die Einholung einer Rekursbeantwortung erübrigte sich, weil die Entscheidung über die Zulässigkeit der Nebenintervention weder eine Entscheidung über die Sache noch über die Kosten des Verfahrens darstellt (§ 48 Abs 1, § 68 Abs 1 AußStrG). Auch aus Sicht der MRK ist die Zulässigkeit der Nebenintervention eine rein prozessuale Frage, sodass die Garantien des Art 6 MRK hier nicht anzuwenden sind (6 Ob 236/06h). Ein Recht auf Beitritt als Nebenintervenient bzw dessen Abwehr ist von der MRK nicht geschützt (vgl Kodek, Zur Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens ÖJZ 2004, 534, 589 [592]; 6 Ob 236/06h).