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OGH vom 05.06.2008, 9ObA143/07f

OGH vom 05.06.2008, 9ObA143/07f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Georg Eberl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Hofmann & Brandstätter, Rechtsanwälte KEG in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) Ö*****, vertreten durch Dr. Günter Zeindl, Rechtsanwalt in Innsbruck, 2.) A*****, vertreten durch Dr. Christian Fuchshuber, Rechtsanwalt in Innsbruck, 3.) W*****, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 15.495,81 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), infolge Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse 1.039,04 EUR) sowie der zweit- und der drittbeklagten Partei (Revisionsinteresse je 18.936,67 EUR), gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 15 Ra 32/07d-46, mit dem infolge Berufung der zweit- und der drittbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 46 Cga 146/05d-39, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen der zweit- und drittbeklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird der Revision der klagenden Partei Folge gegeben und das Urteil des Berufungsgerichts dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts ausgenommen im Punkt 4 des Berufungsurteils wiederhergestellt wird.

Die zweit- und drittbeklagte Partei sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagevertreters die mit 1.625,91 EUR (darin enthalten 270,99 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.420,95 EUR (403,49 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe :

Die zweitbeklagte Baugesellschaft war von der erstbeklagten Gletscherbahngesellschaft beauftragt, Bauarbeiten an einem Straßentunnel einer Gebirgsstraße durchzuführen. Die Gebirgsstraße ist eine Privatstraße, die von der Erstbeklagten gehalten wird. Sie ist ab einer Seehöhe von 1.950 m zwischen 17.00 Uhr und 8.00 Uhr morgens für den Verkehr gesperrt. Die Tätigkeiten an der Straße wurden von zwei Partien durchgeführt. Diesen standen drei Fahrzeuge zur Verfügung, um nach Schichtende von der Baustelle ins Tal zu kommen. Die Fahrzeuge waren keiner bestimmten Person zugeordnet, vielmehr war jeder Mitarbeiter, der einen Führerschein besaß, zur Inbetriebnahme berechtigt. Die zweitbeklagte Baugesellschaft ließ bei Dienstantritt die Mitarbeiter grundsätzlich eine Fahrunterweisung unterschreiben, die die Nutzung auf ihre Mitarbeiter einschränkte, wobei jedoch nicht alle Mitarbeiter die Unterschrift leisteten.

Auf dieser Gebirgsstraße ereignete sich am gegen 23.00 Uhr nachts in einer Seehöhe von 2.650 m ein Verkehrsunfall, bei dem fünf Mitarbeiter der Zweitbeklagten in einem bei der drittbeklagten haftpflichtversicherten VW-Pritschenwagen verunglückten. Zwei Fahrzeuginsassen starben.

Von den fünf Mitarbeitern, die verunglückten, hatten weder der Fahrer noch der Beifahrer einen Führerschein und hätte nach den betriebsinternen Vorschriften der Zweitbeklagten überhaupt keiner der Arbeiter dieser Partie den Unfallwagen lenken dürfen, weil der einzige Arbeiter, der einen Führerschein hatte, nur „Leasingarbeiter" war. Der Fahrer des Unfallfahrzeugs gab gegenüber seinen Kollegen an, dass er einen Führerschein habe, und hatte auch bereits davor mehrmals Dienstfahrzeuge bei der Zweitbeklagten gelenkt. Zwischen dieser und der erstbeklagten Gletscherbahngesellschaft war vereinbart, dass letztere ständig einen Mitarbeiter für Streu- und Räumtätigkeiten zur Verfügung stelle, der per Diensthandy abrufbar war. Den Mitarbeitern der Baugesellschaft wurde die Handynummer auch mitgeteilt, sie war auch im Mannschaftscontainer ausgehängt.

Am Tag des Unfalls gab es zwar keine Niederschläge, die Straße war aber teilweise, insbesondere im Kurvenbereich stärker vereist. An der Unfallstelle weist sie ein Gefälle von 13 % auf, ist 7,5 bis 8 m breit und fällt leicht mit etwa 2 % zur Kurveninnenseite mit einer Felswand ab. An der Kurvenaußenseite befindet sich ohne Bankett ein steil abfallender Hang. Der Kurvenradius beträgt zwischen 100 und 120 m. Eine Absicherung durch eine Leitplanke besteht nicht.

Noch vor dem Fahrantritt war der Fahrer des Unfallwagens auf die Vereisung hingewiesen worden und lenkte das Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 23 bis 35 km/h in der Mitte der Straße. Dies bewirkte bei dem Kurvenradius eine Querbeschleunigung von 0,5 bis 1 m/sec2, was bei durchschnittlichem Fahrkönnen als unkritisch zu bewerten ist. Auch bei der örtlichen Vereisung wäre ein Durchfahren der Kurve mit dieser Geschwindigkeit ohne zusätzliches Bremsen möglich gewesen. Der Fahrer leitete jedoch eine starke Bremsung ein, wodurch es zu einem Blockieren der Räder und zur mangelnden Lenkbarkeit des Fahrzeugs kam. Dieses geriet mit einer Geschwindigkeit von etwa 25 km/h über den rechten Fahrbahnrand mit einem 10 bis 15 cm hohen Asphaltabsatz und stürzte dann in die Tiefe. Die Einleitung des Bremsmanövers war ein Fahrfehler, der jedoch auch Personen mit Lenkerberechtigung mit einem durchschnittlichen Fahrkönnen unterlaufen kann. Der Unfall hätte vermieden werden können, indem entweder die Kurve ohne zu bremsen durchfahren wird oder nach dem Blockieren die Bremsen wieder gelöst werden. Das Durchfahren der Kurve ohne zu bremsen wäre jedem durchschnittlichen Lenker leicht möglich gewesen, hingegen wäre das bewusste Lösen der Bremsen nur von einem Lenker mit außergewöhnlichen Fahrkenntnissen zu bewerkstelligen gewesen. Für den bei dem Unfall tödlich verunglückten Fahrer leistete die klagende Unfallversicherungsanstalt einen Teilersatz für die Bestattungskosten in Höhe von 1.559,14 EUR. Ferner leistete sie für den ebenfalls tödlich verunglückten Beifahrer einen Teilersatz in Höhe von 2.023,06 EUR an Bestattungskosten sowie Überführungskosten in Höhe von 2.048,61 EUR und hat auch die Kosten der Waisenrente für die Tochter des verunglückten Beifahrers zu tragen. Die Drittbeklagte hatte als Haftpflichtversicherung für die drei weiteren mitfahrenden Arbeitnehmer 1.600 EUR an Zahnersatzkosten, 6.850 EUR an Schmerzengeld, Kleiderschaden, Nebenspesen und Vergleichskosten sowie an andere Versicherungsgesellschaften 15.538,70 EUR, 435,51 EUR und 692,22 EUR sowie 447,39 EUR zu zahlen.

Mit ihrer Klage begehrt die klagende Unfallversicherungsanstalt 15.495,81 EUR sA sowie die Feststellung der solidarischen Ersatzpflicht gemäß § 332 ASVG. Sie nahm die erstbeklagte Gletscherbahngesellschaft, hinsichtlich der das Klagebegehren bereits rechtskräftig abgewiesen wurde, als Straßenerhalterin und allenfalls auch Vertragspartnerin der zweitbeklagten Baugesellschaft in Anspruch. Die Haftung der zweitbeklagten Baugesellschaft stützte sie darauf, dass diese das Unfallfahrzeug im Ergebnis einem nicht lenkerberechtigten Fahrer anvertraut habe. Der Zweitbeklagten sei auch ein Verschulden daran anzulasten, dass sie das Fahrzeug einem Dienstnehmer überlassen habe, ohne sich vom Vorhandensein einer Lenkerberechtigung zu überzeugen. Im Übrigen hafte die Zweitbeklagte auch nach § 6 Abs 2 EKHG. Die Drittbeklagte sei die Haftpflichtversicherung. Die Ausnahme des § 6 Abs 1 EKHG für Schwarzfahrer komme nicht zur Anwendung. Die Zweitbeklagte treffe ein Organisationsverschulden. Es bestehe auch ein Anspruch des Geschädigten nach § 26 KHVG. Ein allfälliger Regressanspruch könne nicht Gegenstand dieses Prozesses sein.

Die Zweitbeklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete vor allem ein, dass eine konkrete Überlassung an einen der Mitarbeiter nicht erfolgt sei und die Überlassung an einen nicht qualifizierten Lenker diesen zum Schwarzfahrer im Sinne des § 6 EKHG mache. Die Inbetriebnahme des Unfallfahrzeugs sei nicht mit Willen der Zweitbeklagten erfolgt. Es habe dazu keine individuelle Weisung eines Organs der Zweitbeklagten gegeben. Auch reiche das theoretische Bestehen einer Haftpflichtversicherung nicht für die Erfüllung der Ausnahme vom Haftungsprivileg im Sinne des § 333 Abs 3 ASVG.

Die Drittbeklagte wendete ein, dass sie als Haftpflichtversicherer nicht für den von einem „Schwarzfahrer" verursachten Unfall im Sinne des § 6 EKHG zu haften habe. Vielmehr stünden der Drittbeklagten gemäß § 67 VersVG Regressrechte gegenüber der Verlassenschaft des Beifahrers zu. Auch machte die Drittbeklagte noch Ausführungen zur Höhe der Waisenrente und wendete auf sie behauptetermaßen gemäß § 67 VersVG übergegangene Ansprüche eines anderen Geschädigten für Zahnersatz in Höhe von 1.600 EUR ein. Sie stützte sich schließlich auf das Quotenvorrecht der Sozialversicherung, ohne dies näher zu begründen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in Höhe von 14.975,71 EUR gegenüber der Zweit- und Drittbeklagten statt und stellte fest, dass diese für alle künftigen Pflichtleistungen begrenzt mit der Deckung in der Haftpflichtversicherungssumme ersatzpflichtig sind. Dabei stellte es auch fest, dass die Gegenforderungen der Drittbeklagten nicht zu Recht bestehen und wies ein Mehrbegehren von 519,72 EUR sowie die Klage gegenüber der Erstbeklagten ab. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass hier die Ausnahme vom Haftungsprivileg nach § 333 ASVG im Hinblick auf die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung zum Tragen komme und die Zweitbeklagte für jedes Verschulden sowie für die Gefährdungshaftung nach dem EKHG - ausgenommen für den Lenker - einzustehen habe. Die Ausnahme für Schwarzfahrten im Sinne des § 6 Abs 1 EKHG komme nicht zur Anwendung, da das Fahrzeug der Arbeiterpartie pauschal überlassen worden sei und diese sich einvernehmlich auf den Lenker geeinigt habe. Im Übrigen treffe die Zweitbeklagte im Hinblick auf die mangelnde Organisation aber ohnehin Verschuldenshaftung, da nach den betriebsinternen Vorschriften überhaupt kein Mitglied der Arbeiterpartie zum Lenken des Firmenwagens berechtigt gewesen wäre und auch das Vorliegen der Lenkerberechtigungen nicht effektiv kontrolliert worden sei. Weiters habe die Zweitbeklagte auch die Möglichkeiten der Straßenräumung und Streuung nicht im erforderlichen Ausmaß bekannt gemacht. Hinsichtlich des Lenkers sei allerdings im Hinblick auf die mangelnde Lenkerberechtigung von einem Mitverschuldensanteil von einem Drittel auszugehen. Die Drittbeklagte hafte entsprechend den Bestimmungen des § 26 KHVG. Eine allfällige Obliegenheitsverletzung im Hinblick auf die mangelnde gültige Lenkerberechtigung, die wegen der mangelnden Überprüfung der Zweitbeklagten zuzurechnen sei, ändere nichts an der Verpflichtung gegenüber der Klägerin.

Das Berufungsgericht gab den gegen dieses Urteil erhobenen Berufungen der Zweit- und Drittbeklagten teilweise Folge und wies die Ansprüche, soweit sie die Schadenersatzansprüche hinsichtlich des Lenkers betreffen, ab. Es ging dabei rechtlich zusammengefasst davon aus, dass keine Schwarzfahrt im Sinne des § 6 Abs 1 EKHG vorliege und wies darauf hin, dass die Zweitbeklagte keinerlei Vorsorge dafür getroffen habe, dass ein zur Lenkung des Firmenfahrzeugs Befugter für die Nachtschicht eingeteilt wurde und sich die Arbeitspartie auf den Lenker geeinigt hatte. Die Zweit- und die Drittbeklagte treffe entsprechend den Regelungen des § 333 Abs 3 ASVG sowohl eine Verschuldens- als auch eine Gefährdungshaftung, wovon nur entsprechend § 3 Z 3 EKHG der „beim Betrieb" tätige Lenker auszunehmen sei.

Nach § 103 Abs 1 Z 3 lit a KFG habe die Zweitbeklagte als Zulassungsbesitzerin das Lenken des VW-Pritschenwagens nur einer Person überlassen dürfen, welche die erforderliche Lenkerberechtigung habe. Der Zulassungsbesitzer habe alles ihm Mögliche zu unternehmen, um das Lenken durch eine Person, die nicht über eine solche Lenkerberechtigung verfüge, hintanzuhalten. Der Dienstgeber müsse auch eine entsprechende Überprüfung vornehmen. Dies habe die Zweitbeklagte aber hinsichtlich der Mitglieder der Arbeitspartie verabsäumt. Den Gegenbeweis hinsichtlich der Maßgeblichkeit der Verletzung der Schutznorm habe die Zweitbeklagte nicht erbracht. Allerdings könne das Verschulden der Zweitbeklagten nicht den Lenker selbst erfassen, weil § 103 Abs 1 Z 3 KFG nur den Schutz der Allgemeinheit, nicht aber den Schutz des Fahrers selbst oder jener Personen, die trotz Kenntnis des Umstands, dass der Fahrer keinen Führerschein hat, mit dem von ihm gelenkten Fahrzeug mitfahren, bezwecke. Hinsichtlich des Lenkers komme auch nicht der Verschuldenseinwand betreffend die mangelnde Unterweisung über die Möglichkeiten des Räum- und Streudienstes zur Anwendung, da die Klägerin insoweit ein konkretes ausreichendes Vorbringen im erstgerichtlichen Verfahren gar nicht erstattet habe. Insgesamt sei von einer Berechtigung der Ansprüche, die auf den Tod des Beifahrers zurückzuführen seien, auszugehen, nicht jedoch hinsichtlich jener des Lenkers. Die Haftung der Drittbeklagten ergebe sich eindeutig aus den Bestimmungen des KHVG. Die Einwendung von Kompensandoforderungen scheitere schon am ausreichenden Vorbringen hinsichtlich der Aufrechenbarkeit mit den geltend gemachten Ansprüchen.

Die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, da es sich um versicherungsrechtliche Problemstellungen handle und keine Rechtsprechung zur Bedeutung des § 103 Abs 1 Z 3 KFG im vorliegenden Zusammenhang vorhanden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Klägerin ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig und im Ergebnis auch berechtigt, jene der Zweit- und Drittbeklagten ist nicht berechtigt.

Zutreffend releviert die Klägerin, dass bei der Beurteilung eines Verschuldens der Zweitbeklagten gegenüber dem Lenker des Kraftfahrzeugs nicht allein auf die Bestimmung des § 103 Abs 1 Z 3 KFG über die mangelnde Zulässigkeit des Lenkens eines Kraftfahrzeugs ohne eine entsprechende Lenkerberechtigung abgestellt werden könne (RIS-Justiz RS0065833), sondern auch von § 1157 ABGB betreffend die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers und den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes auszugehen sei.

Allgemein voranzustellen ist, dass entsprechend § 333 Abs 3 ASVG die Einschränkung der Haftung des Dienstgebers bei Arbeitsunfällen auf Vorsatz dann nicht zum Tragen kommt, wenn der Arbeitsunfall durch ein Verkehrsmittel eingetreten ist, für dessen Betrieb aufgrund gesetzlicher Vorschriften eine erhöhte Haftpflicht besteht. Die Haftung ist - außer bei Vorsatz - bis zur Höhe der aus der Haftpflichtversicherung zur Verfügung stehenden Versicherungssumme eingeschränkt. Damit wird zwar kein neuer Haftungsgrund geschaffen, jedoch führt dies dazu, dass der Dienstgeber entsprechend den allgemeinen Regeln für Verschuldens- und Gefährdungshaftung einzustehen hat (vgl dazu etwa Neumayr in Schwimann ABGB3 § 333 ASVG Rz 56; RIS-Justiz RS0108192 mwN etwa 8 ObA 117/02t; RIS-Justiz RS0085140 mwN). Entsprechend § 2 des Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsgesetzes 1994 (KHVG 1994) umfasst die Versicherung die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Ersatzansprüche die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen erhoben werden, wenn durch die Verwendung des versicherten Fahrzeugs Personen verletzt oder getötet werden, Sachen beschädigt oder zerstört werden oder abhanden gekommen sind und ein Vermögensschaden verursacht worden ist, der weder Personen- noch Sachschaden ist.

Dass der Schaden hier durch die Verwendung des versicherten Fahrzeugs entstanden ist, ist nicht weiter strittig.

Die Klägerin macht im Ergebnis zutreffend eine Verschuldenshaftung der zweitbeklagten Baugesellschaft aus einem Organisationsverschulden im Zusammenhang mit dem Betrieb dieses Kraftfahrzeugs geltend. Allgemein bestimmt § 1157 ABGB, dass der Arbeitgeber die Dienstleistungen so zu regeln und bezüglich der von ihm beigestellten Räume und Gerätschaften auf seine Kosten dafür zu sorgen hat, dass Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer soweit es nach der Natur der Arbeitsleistung möglich ist, geschützt werden (vgl auch RIS-Justiz RS0021267; RIS-Justiz RS0021261 jeweils mwN). Die den Arbeitgeber treffenden Fürsorgepflichten erstrecken sich dabei nicht nur auf die direkt beim Arbeitgeber „angestellten" Arbeitnehmer, sondern auch auf im Rahmen des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes überlassene Arbeitnehmer (vgl § 6 AÜG, aber etwa auch RIS-Justiz RS0119354 = SZ 2004/133; umgekehrt auch zur Anwendung des Dienstgeberhaftungsprivilegs Neumayr aaO Rz 31 f mwN).

§ 1157 ABGB verpflichtet also auch zu einer entsprechenden Organisation des Betriebs im Sinn von orts- und branchenüblichen Vorkehrungen sofern nicht ohnehin konkretisierende gesetzliche Arbeitnehmerschutzvorschriften bestehen (vgl dazu Krejci in Rummel ABGB3 § 1157 Rz 9; ähnlich Pfeil in Schwimann ABGB3 § 1157 Rz 6; RIS-Justiz RS0021660).

Nach § 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (zum Schutznormcharakter RIS-Justiz RS0029542 mwN; 8 ObA 308/00b) ist der Arbeitgeber verpflichtet, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer in Bezug auf alle Aspekte, die die Arbeit betreffen zu sorgen. Er hat dabei ua auch eine geeignete Organisation und die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen (§ 3 Abs 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz). Insbesondere hat der Arbeitgeber bei Baustellen oder auswärtigen Arbeitsstellen, an denen er nicht im notwendigen Umfang selbst anwesend ist, dafür zu sorgen, dass eine geeignete Person beauftragt ist , die auf die Durchführung und Einhaltung der notwendigen Schutzmaßnahmen achtet (§ 3 Abs 6 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz). Die Unterweisungspflicht wird dann im § 14 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz noch einmal betont und im Wesentlichen dahin konkretisiert, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, für eine ausreichende Unterweisung der Arbeitnehmer über Sicherheit und Gesundheitsschutz zu sorgen.

Gegen diese Organisations- und Unterweisungsverpflichtungen hat die Zweitbeklagte verstoßen. Sie hat keinerlei effektive Vorkehrungen getroffen, um den Rücktransport der Arbeitnehmer durch einen qualifizierten Fahrer zu gewährleisten. Sie hat sich keinen Überblick über die tatsächlich vorhandenen Lenkerberechtigungen und die Qualifikation der potentiellen Fahrer verschafft und auch nicht geregelt, wer die Arbeitnehmer zurückzubringen hat, obwohl diese Frage gerade bei einer Nachtfahrt in besonders exponiertem Gelände, auf einer gesperrten Straße bei erschwerten Fahrbedingungen im Hochgebirge von besonderer Bedeutung ist. Dadurch, dass sie keinerlei organisatorische Vorkehrungen getroffen hat, sondern dies einfach der „Gruppendynamik" in einer Extremsituation überließ, hat sie die im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz konkretisierte allgemeine Fürsorgeverpflichtung verletzt. Diese Verletzung bezieht sich aber auch auf den konkret durch den gruppendynamischen Prozess dann „erkorenen" nicht qualifizierten Lenker, dessen Lenkertätigkeit die Zweitbeklagte ohne entsprechende Überprüfung auch davor bereits mehrmals zugelassen und ihn damit aus dem Blickwinkel der Gruppe als qualifizierten Lenker hervorgehoben hat. Dass sich der Lenker nicht gegen seine „Wahl" unter Hinweis auf die mangelnde Lenkerberechtigung gestellt hat, ist ihm zwar - wie vom Erstgericht zutreffend ausgeführt wurde - als Mitverschulden anzurechnen, ändert aber nichts am Verschulden der Zweitbeklagten auch ihm gegenüber. Aus diesen Überlegungen heraus ist daher der Berufung der Klägerin stattzugeben und das erstgerichtliche Urteil in diesem Sinne wiederherzustellen.

Die Revisionen der Zweit- und der Drittbeklagten sind vorweg auf diese Ausführungen zu verweisen.

Die Zweit- und Drittbeklagte stützen sich im Wesentlichen auf § 6 Abs 1 EKHG und machen geltend, dass eine „Schwarzfahrt" im Sinne dieser Bestimmung vorliege. Dazu kann im Wesentlichen auf die Ausführungen der Vorinstanzen verwiesen werden. Die Inbetriebnahme des Kraftfahrzeugs durch den Lenker war durch die Überlassung der Entscheidungsbefugnis an die Gruppe im Ergebnis der Zweitbeklagten zuzurechnen. Im Hinblick auf die Bejahung der Verschuldenshaftung ist auf die weiteren Voraussetzungen einer Gefährdungshaftung auch nicht weiter einzugehen (vgl allgemein etwa Schauer in Schwimann ABGB3 § 3 Rz 18 f); darauf ist auch die drittbeklagte Haftpflichtversicherung mit ihren Ausführungen zu verweisen. Die von ihr herangezogene Entscheidung zu 7 Ob 303/05t bezog sich auf die Frage der Mitversicherung des Lenkers nach § 2 Abs 2 KHVG und nicht auf die hier vorweg maßgebliche Frage der Haftung der Drittbeklagten als Haftpflichtversicherer gegenüber den Geschädigten. Im übrigen war damals die „Gruppe" von Entlehnern, an die das Fahrzeug überlassen wurde, nicht weiter definiert, während hier die Zweitbeklagte das Fahrzeug ihren Arbeitspartien überlassen hat und der später getötete Lenker auch bereits mehrmals mit Fahrzeugen fuhr. Zu dem von den Beklagten hervorgehobenen Umstand der „Fahrunterweisung" kann auch noch darauf hingewiesen werden, dass diese gar nicht allen Dienstnehmern erteilt wurde.

Auch die herangezogene Entscheidung zu 7 Ob 196/99w bezog sich auf einen nicht vergleichbaren Sachverhalt und zeigt aber auch auf, dass das eigene rechtswidrige Verhalten (damals Überlassung an nicht lenkerberechtigte alkoholisierte Freundin, hier Inbetriebnahme ohne Lenkerberechtigung) bei einem schuldhaften Verhalten des Halters/Lenkers (damals Fahrfehler; hier Organisationsverschulden gegenüber dem in den Betrieb eingebunden Arbeitnehmer) noch nicht zwingend zu einem Haftungsausschluss führt.

Soweit die Drittbeklagte geltend macht, dass die Klägerin kein ausreichendes Vorbringen zu ihrer Haftung erstattet hätte, ist sie ebenfalls auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen, das dies bereits widerlegt hat. Dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn die hier maßgeblichen Schutzgesetze nicht verletzt worden wären, konnten die Beklagten nicht nachweisen (RIS-Justiz RS0027364).

Weitere Einwendungen wurden im Revisionsverfahren nicht mehr aufrechterhalten.

Insgesamt ist also von einem Verschulden der Zweitbeklagen an dem Unfall auszugehen und von einem Mitverschulden des Lenkers in dem vom Erstgericht angenommenen Umfang. Es ist damit das erstgerichtliche Urteil ausgenommen die unbekämpfte Klarstellung der Haftungsbegrenzung durch das Berufungsgericht im Feststellungsbegehren im Punkt 4 wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO. Gerichtsgebühren waren vom Kläger nicht zu entrichten (Anm 5 zu TP 3 GGG).

Im Berufungsverfahren war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nur eine der im Wesentlichen identen Berufungsbeantwortungen erforderlich. In der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung 1 Ob 186/97b wurde dies nicht releviert.