OGH vom 28.04.2015, 8ObA35/15b

OGH vom 28.04.2015, 8ObA35/15b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann Prentner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei I***** S*****, vertreten durch die Freimüller/Obereder/Pilz Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei A***** S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Jappel, Rechtsanwalt in Wien, wegen 6.262,43 EUR brutto sA und 4.309,80 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 114/14g 37, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und die geltend gemachten Feststellungsmängel liegen wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat nicht vor.

2.1 Die beklagte und widerklagende Partei (im Folgenden die Beklagte) bestreitet die Anwendbarkeit des § 4 DHG und damit die Schadenszufügung gegenüber einem Dritten („Drittschaden“). Der Schaden im Eigentum der ***** U***** GmbH sei aufgrund der (konzernmäßigen) Verbindung mit der Beklagten Letzterer zuzuordnen, sodass von einer Schadenszufügung gegenüber der Beklagten („Eigenschaden“) auszugehen sei.

Im gegebenen Zusammenhang hat die Beklagte in erster Instanz (nur) vorgebracht, dass die Eigentümerin des am beschädigten LKW die mit der Beklagten im Konzern unter einheitlicher Leitung verbundene ***** U***** GmbH der Beklagten den gesamten Schaden weiterverrechnet habe, weshalb eine bloße Schadensverlagerung vorliege. Die „einheitliche Leitung“ erklärt die Beklagte in der außerordentlichen Revision damit, dass eine Personalunion hinsichtlich des Geschäftsführers beider Gesellschaften bestehe.

Damit wird eine konzernmäßige Verbindung zwischen beiden Gesellschaften allerdings nicht schlüssig zum Ausdruck gebracht.

2.2 Personelle Verflechtungen stellen zwar ein mögliches Mittel für eine Zusammenfassung mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen (2 Ob 112/12b) unter einheitlicher Leitung dar. Die bloße Möglichkeit einheitlicher Leitung genügt für das Vorliegen eines Konzerns allerdings noch nicht. Vielmehr müssen die Leitungsfunktionen tatsächlich planmäßig koordiniert werden und entsprechende Einflussnahmen erfolgen, sodass eine wirtschaftliche Einheit vorliegt ( Jabornegg in Jabornegg/Strasser , AktG 5 § 15 Rz 14 f; Torggler in Straube , GmbHG § 115 Rz 13; vgl auch 8 Ob 104/11v).

Abgesehen von diesen Überlegungen ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren klar, dass sie die behauptete „Schadensverlagerung“ lediglich darauf bezieht, dass ihr die ***** U***** GmbH als Eigentümerin des beschädigten LKW den Schaden „weiterverrechnet“ habe. Dazu hat sie ausgeführt, dass der Kläger teils ihre eigenen LKW und teils Fremdeigentum beschädigt und dadurch massive Schäden in ihrem Vermögen angerichtet habe.

Mangels ausreichenden Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren vermag die Beklagte mit dem Hinweis auf eine konzernmäßige Verbindung keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Frage, ob eine solche Verbindung zu einem „Eigenschaden“ in der Diktion der Beklagten im Sinn des § 2 DHG (Schadenszufügung bzw Verletzung eigener Rechtsgüter) führen könnte, stellt sich nicht.

3. Das Berufungsgericht hat auch frei von einem Rechtsirrtum erkannt, dass sich die Beklagte nicht auf die Entscheidung 8 ObA 2186/96w berufen kann. Für diese Entscheidung war hinsichtlich der Zuordnung eines Fahrzeugs zur Sphäre des Arbeitgebers maßgebend, dass das Fahrzeug der klagenden Arbeitnehmerin beschädigt wurde, die ihr eigenes Fahrzeug im Interesse des (funktionell gemeinsamen) Arbeitgebers dem Beklagten überlassen hatte. Die Entscheidung stellte den Schutzgedanken des DHG in den Vordergrund. Das mit der Verwendung eines Kraftfahrzeugs für betriebliche Zwecke verbundene Risiko solle keinesfalls auf den (fahrenden) Dienstnehmer überwälzt werden. Derjenige, der sein Fahrzeug dem Dienstgeber für die Verwendung durch die Dienstnehmer zur Verfügung stelle, könne nicht in weiterem Umfang Ansprüche gegen den (fahrenden) Dienstnehmer geltend machen, als der Dienstgeber selbst.

Die Aussage in dieser Entscheidung, dass derjenige (gemeint: derjenige Arbeitnehmer), der sein Eigentum an die Stelle des Arbeitgebereigentums setze, in das System des innerbetrieblichen Schadensausgleichs eingebunden werde, weil er in Kauf nehme, dass sein Eigentum im betrieblichen Produktionsprozess von Personen, die den Schutz des DHG genießen, benützt und bedient werde, und der insoweit dem Dienstgeber zuzuordnen sei, bezieht sich auf eine Klagsführung durch den die Betriebsmittel zur Verfügung stellenden Dritten (gemeint: anderen Arbeitnehmer). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Die zitierte Entscheidung, die einen Sonderfall betrifft, gilt jedenfalls nicht für eine Konstellation, die explizit in § 4 DHG geregelt ist. Die Weiterverrechnung des Schadens durch die ***** U***** GmbH gegenüber der Beklagten führt daher nicht dazu, dass von einer Schadenszufügung des Dienstnehmers gegenüber seinem Dienstgeber auszugehen ist.

4. Die von der Beklagten angesprochene „Schadensverlagerung“, die nur ausnahmsweise anerkannt wird, wenn ein Schaden, der typischerweise bei einer ersatzberechtigten Person (dem unmittelbar Angegriffenen) eintritt, aufgrund eines hinzutretenden Sachverhaltselements aber atypischerweise bei einer anderen, prinzipiell nicht ersatzberechtigten Person eingetreten ist, betrifft Fälle, in denen der Eigentümer (der unmittelbar Angegriffene) in seinem absoluten Recht verletzt wird, der Schaden aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher (Gefahrtragungs )Regelungen aber von vornherein nicht bei ihm, sondern bei einem Dritten eintritt. Der Dritte wiederum wird nicht in einem absoluten Recht verletzt, hat aber einen Vermögensschaden (vgl 8 Ob 287/01s).

Die Frage, ob auch § 1014 ABGB (Pflicht des Auftraggebers zum Aufwands- und Schadenersatz) als derartige Gefahrtragungsregelung in Betracht kommen kann, muss schon deshalb nicht geprüft werden, weil die Beklagte die Rechtsgrundlage für die Überlassung des LKW durch die ***** U***** GmbH nicht offengelegt hat. Wie bereits erwähnt, spricht das Vorbringen der Beklagten für eine nachträgliche Weiterverrechnung eines Schadens durch die ***** U***** GmbH und dementsprechend dafür, dass die Beklagte für das Verhalten ihres Dienstnehmers gemäß § 1313a ABGB einzustehen hat. Entgegen den Ausführungen der Beklagten wird der Dienstnehmer durch die Regelung in § 4 DHG auch nicht von der Haftung befreit. Vielmehr wird diese Haftung aufgrund des besonderen Schutzgedankens des DHG besonderen Voraussetzungen und formellen Kautelen unterworfen.

5. Woraus die Beklagte ein Einverständnis des Klägers zur Zahlung des Schadensbetrags für den LKW an die ***** U***** GmbH im Sinn des § 4 Abs 2 DHG ableiten will, ist nicht ersichtlich. Die vom Einzelfall geprägte Beurteilung des Berufungsgerichts, dass aufgrund des Schreibens der Vertretung des Klägers vom als Reaktion auf die Aufrechnungserklärung der Beklagten mit Schreiben vom auch nicht von einem konkludenten Einverständnis des Klägers ausgegangen werden könne, ist jedenfalls nicht korrekturbedürftig.

6. Insgesamt gelingt es der Beklagten nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:008OBA00035.15B.0428.000