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OGH vom 15.07.2009, 16Ok7/09

OGH vom 15.07.2009, 16Ok7/09

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende, die Hofräte Dr. Vogel und Dr. E. Solé sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Bauer und Dr. Haas als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin Bundeswettbewerbsbehörde, Wien 2, Praterstraße 31, wider die Antragsgegnerin R***** Aktiengesellschaft, *****, wegen § 12 Abs 1 und 3 WettbG iVm Art 22 Abs 1 VO (EG) 1/2003, über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom , GZ 24 Kt 15/09-2, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie nunmehr zu lauten hat:

„Hausdurchsuchungsbefehl

Im kartellrechtlichen Ordnungswidrigkeitenverfahren des Bundeskartellamts ua gegen die deutschen Unternehmen R***** GmbH und R***** KG wegen vermuteten Verstoßes gegen Art 81 Abs 1 EG durch wettbewerbswidrige Absprachen wird auf Antrag der um Amtshilfe ersuchten Bundeswettbewerbsbehörde gemäß § 12 Abs 1 und 3 WettbG iVm Art 22 Abs 1 VO (EG) 1/2003 eine Hausdurchsuchung in den Geschäftsräumlichkeiten der R***** Aktiengesellschaft, *****, angeordnet.

Mit der Durchführung der Hausdurchsuchung wird die Bundeswettbewerbsbehörde beauftragt."

Text

Begründung:

Die Antragstellerin beantragte am , das Kartellgericht möge gemäß § 12 Abs 1 und 3 WettbG iVm Art 22 Abs 1 VO (EG) 1/2003 eine Hausdurchsuchung in den Geschäftsräumlichkeiten der R***** Aktiengesellschaft (in der Folge: verdächtigtes Unternehmen), beginnend am , anordnen. Das deutsche Bundeskartellamt habe die Antragstellerin von einer in Österreich notwendigen Nachprüfung unterrichtet, die gegen das verdächtigte Unternehmen gerichtet sei, das an wettbewerbswidrigen Absprachen beteiligt sein soll. Betroffen sei der Markt für Feuerwehrfahrzeuge (vor allem ab 7,5 t) und für Aufbauten für solche Fahrzeuge in Deutschland, für die es einen sehr eingeschränkten Anbieterkreis gebe. Am habe das Bundeskartellamt an sechs Standorten von vier Anbietern auf dem betroffenen Markt, darunter einem deutschen Tochterunternehmen des hier verdächtigten Unternehmens, Hausdurchsuchungen durchgeführt. Nach Auswertung der dabei sichergestellten Unterlagen habe sich der ursprüngliche Verdacht auf Submissionsabsprachen noch um den Verdacht auf Absprachen über Quoten, Gebiete und Preise erweitert. Eine Zeugenaussage weise auf eine direkte Verstrickung des Vorstandsvorsitzenden des verdächtigten Unternehmens in die Absprachen hin. Aufgrund des Anfangsverdachts und der bisher sichergestellten Beweismittel sei die beantragte Hausdurchsuchung erforderlich und angemessen, um weitere Beweismittel zu finden. Nach Auffassung des Bundeskartellamts sei der zwischenstaatliche Handel schon deshalb berührt, weil das verdächtigte Unternehmen einerseits zwei Tochtergesellschaften in Deutschland besitze, die an mutmaßlichen Absprachen beteiligt gewesen sein sollen, andererseits selbst an den Wettbewerbswidrigkeiten teilgenommen habe. Das Bundeskartellamt wende daher in diesem Verfahren Art 81 EG iVm anderen Bestimmungen des GWB an; auch die VO (EG) 1/2003 sei anwendbar.

Der Bundeskartellanwalt hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Art 22 Abs 1 VO (EG) 1/2003 erlaube der Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts im Namen und für Rechnung der Wettbewerbsbehörde eines anderen Mitgliedstaats alle Nachprüfungen und sonstigen Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung durchzuführen, um festzustellen, ob eine Zuwiderhandlung gegen Art 81 oder 82 des Vertrags vorliegt. Gemäß § 24 Abs 2 KartG sei das Kartellgesetz nur anzuwenden, soweit sich ein Sachverhalt auf den inländischen Markt auswirkt, unabhängig davon, ob er im Inland oder im Ausland verwirklicht worden ist. Aus den Tatsachenbehauptungen der Antragstellerin ergebe sich keine Auswirkung der zu untersuchenden Verhaltensweisen auf den inländischen Markt; eine solche ergebe sich auch nicht aus den mit dem Antrag vorgelegten Beilagen. Österreichisches Kartellrecht sei daher vom Kartellgericht hier nicht anzuwenden; solches werde auch weder von der Antragstellerin noch von der ersuchenden deutschen Behörde behauptet. Gemäß Art 3 Abs 1 VO (EG) 1/2003 dürften die nationalen Wettbewerbsbehörden das EU-Wettbewerbsrecht nur dann anwenden, wenn auf den Sachverhalt grundsätzlich auch das nationale Wettbewerbsrecht anzuwenden ist, wenn also die tätig werdende Wettbewerbsbehörde nach nationalem Recht überhaupt zuständig ist. Damit solle ausgeschlossen werden, dass etwa im Falle eines spanischen Kartells, das Auswirkungen auch auf Frankreich, Italien und Portugal habe, beispielsweise die finnische Wettbewerbsbehörde einschreite und wegen der zu bejahenden Zwischenstaatlichkeit (nur) das EG-Wettbewerbsrecht anwende. Dass das verdächtigte Unternehmen zwei Tochtergesellschaften in Deutschland habe, berühre den zwischenstaatlichen Handel ebenso wenig wie die Mutmaßungen, der Vorstandsvorsitzende habe selbst an Treffen in der Schweiz und in Deutschland teilgenommen. Aus dem Antrag ergebe sich auch nicht, dass die vermuteten wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen den gesamten Markt für Feuerwehrfahrzeuge und Aufbauten für Feuerwehrfahrzeuge in Deutschland beträfen; aus Beil ./A sei zu erschließen, dass nur die deutschen Bundesländer Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen betroffen seien. Mangels Anwendbarkeit österreichischen Kartellrechts könnten davon losgelöst auch Art 81 und 82 EG nicht nach Art 3 Abs 1 VO (EG) 1/2003 angewendet werden. Die Antragstellerin habe nicht konkret behauptet, es liege ein begründeter Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen §§ 1, 5 oder 17 KartG 2005 vor. Das Kartellgericht könne Art 81 und 82 EG nicht losgelöst vom nationalen Kartellrecht anwenden. Dem Antrag auf Hausdurchsuchung im Rahmen eines nationalen Verfahrens zur Durchführung der europäischen Wettbewerbsregeln nach § 12 Abs 1 WettbG sei daher nicht stattzugeben.

Im Übrigen sei die Bescheinigungskraft der mit dem Antrag vorgelegten Unterlagen über weite Strecken „bescheiden". Schriftstücke, die nach ihrem Erscheinungsbild dem Bundeskartellamt zuzuordnen sein sollten, seien in den seltensten Fällen unterfertigt (so etwa Anlage 6 in Beil ./A, die weder datiert noch von der vernehmenden Person oder der vernommenen Person unterfertigt sei). Manche Schriftstücke seien in sich widersprüchlich: So werde im Vermerk vom (Anlage 2 erste Seite Beil ./A) ausgeführt, die übermittelten Informationen seien zwar ein Indiz für Preisabsprachen, rechtfertigten jedoch noch keinen hinreichenden Anfangsverdacht (ebenso der Besprechungsvermerk vom , Anlage 2 vorletzte Seite Beil ./A). Diese Ausführungen widersprächen dem Antrag auf Erlass von Durchsuchungsbeschlüssen vom , in dem - entgegen den Ausführungen aus den Jahren 2001 und 2002 - die Beobachtungen der Beschaffungsgesellschaft und des hessischen Ministeriums des Inneren (Anlage 2) als verlässlich und aussagekräftig bezeichnet würden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass dem Antrag stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Die Antragstellerin macht geltend, Art 22 Abs 1 VO (EG) 1/2003 sei unmittelbar und direkt anwendbar und sehe Amtshilfe zwischen nationalen Wettbewerbsbehörden beim Vollzug von Art 81 und 82 EG vor. Mit der dezentralen Anwendung der Art 81 und 82 EG bestehe ein Netzwerk nationaler Kartellbehörden, die Informationen im Weg der Amtshilfe erlangen und austauschen könnten. Das Kartellgericht verkenne, dass in diesen Fällen nicht die ersuchte Behörde konkret für die Anwendung einer materiellen Norm (hier: Art 81 EG) zuständig sein müsse. Das Recht auf Amtshilfe bestehe schon im Rahmen der abstrakten Kompetenz des ersuchten Organs, die hier gemäß Art 22 Abs 1 VO (EG) 1/2003 iVm §§ 1 bis 4 WettbG und § 83 KartG vorliege, sofern nur die ersuchende Behörde konkret zuständig sei. Alle nach nationalem Recht vorgesehenen Ermittlungsbefugnisse der Antragstellerin stünden auch für das Amtshilfeverfahren zur Verfügung. Die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten untereinander (Art 10 EG) bedinge, dass die ersuchte Behörde ein auf nicht ausreichende Informationen gestütztes Amtshilfeersuchen nicht sofort zurückweisen dürfe, sondern der ersuchten Behörde ihre Bedenken mitzuteilen und einen ergänzenden Informationsaustausch einzuleiten habe.

Diesen Ausführungen ist zuzustimmen:

1. Art 3 Abs 1 VO (EG) 1/2003 verpflichtet Kartellbehörden und Gerichte der Mitgliedstaaten, neben ihrem nationalen Recht stets auch die Art 81 und/oder 82 EG anzuwenden, sofern das fragliche Unternehmensverhalten zur Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten geeignet ist. Die korrespondierende Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichte zur Anwendung der Art 81 und/oder 82 EG ist in Art 5 und 6 VO (EG) 1/2003 geregelt. Die alleinige Anwendung einzelstaatlichen Rechts in Fällen mit Zwischenstaatlichkeitsbezug ist somit ausgeschlossen, während die alleinige Anwendung des Gemeinschaftsrechts stets möglich bleibt (Sura in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht II10 Art 3 VO 1/2003 Rz 8 mwN).

2. Diese (gegebenenfalls parallele) Anwendung der Art 81 und/oder 82 EG führt dazu, dass die Vorschriften in Kapitel IV der VO (EG) 1/2003 über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten zum Tragen kommen. Eingerichtet wurde damit ein Netzwerk der Wettbewerbsbehörden in der Gemeinschaft zur dezentralen Anwendung der Art 81 und/oder 82 EG. Einzelstaatliche Wettbewerbsbehörden sind demnach ua befugt, gemäß Art 12 VO (EG) 1/2003 mit der Kommission und anderen einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden Informationen auszutauschen und als Beweismittel zu nutzen. Sie können auch unter den Voraussetzungen von Art 22 VO (EG) 1/2003 Amtshilfe erbitten (Dalheimer in Dalheimer/Feddersen/Miersch, EU-Kartellverfahrensverordnung, Art 3 Rz 7).

3. Durch diese Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts werden die nationalen Wettbewerbsbehörden in die Lage versetzt, Fällen nachzugehen, in denen sich Beweismittel in anderen Mitgliedstaaten befinden. Diese Möglichkeit hätten sie ohne die Unterstützung durch andere Behörden nicht, da die Eingriffsbefugnisse jeder nationalen Behörde wegen des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips auf das eigene Hoheitsgebiet beschränkt sind (Sura aaO Art 22 Rz 1 f).

4.1. Gemäß Art 22 VO (EG) 1/2003 darf jede mitgliedstaatliche Wettbewerbsbehörde im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats im Namen und für Rechnung einer anderen mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörde alle Nachprüfungen und sonstigen Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung durchführen, um festzustellen, ob eine Zuwiderhandlung gegen Art 81 und/oder 82 EG vorliegt. Die Befugnisse und Verfahrensregeln für derartige Maßnahmen richten sich ausschließlich nach nationalem Recht (Art 22 Abs 1 VO (EG) 1/2003; Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden, ABl C 101 vom , S 43, Rz 29).

4.2. Art 22 VO (EG) 1/2003 ermächtigt demnach die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten, die in ihren nationalen Rechten vorgesehenen Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung auch für eine andere Wettbewerbsbehörde durchzuführen und die auf diese Weise erhaltenen Informationen an diese Behörde weiterzuleiten. Entgegenstehendes nationales Recht ist aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts unwirksam (de Bronett, Kommentar zum europäischen Kartellverfahrensrecht, Art 22 Rz 2). Die Ermittlungshilfe ist auf Verfahren begrenzt, in denen es um eine mögliche Verletzung von Art 81 und/oder 82 EG geht. Wettbewerbsverfahren außerhalb des Anwendungsbereichs der VO (EG) 1/2003 sind damit nicht umfasst, insbesondere nicht Verfahren zur Untersuchung möglicher Verletzungen nationaler Vorschriften (Miersch in Dalheimer/Feddersen/Miersch, EU-Kartellverfahrensverordnung, Art 22 Rz 6).

4.3. Die VO (EG) 1/2003 enthält keine Vorgaben, wann eine nationale Wettbewerbsbehörde ein Ersuchen nach Art 22 stellen darf. Ein solches Ersuchen wird aber jedenfalls nur dann berechtigt sein, wenn die Voraussetzungen für einen entsprechenden innerstaatlichen Ermittlungsakt nach dem nationalen Recht der ersuchenden Behörde (insbesondere ein Anfangsverdacht) gegeben sind; Ermittlungsakte im Ausland sollen damit nicht niedrigeren Anforderungen unterliegen als im Inland. Die ersuchende Wettbewerbsbehörde wird daher Angaben zu sämtlichen Umständen zu machen haben, die nach dem nationalen Recht der ersuchten Behörde erforderlich sind, um das Vorliegen der danach benötigten Eingriffsvoraussetzungen prüfen zu können. Insbesondere werden die betroffenen Unternehmen sowie Hinweise auf einen Anfangsverdacht, der Gegenstand und der Zweck der Untersuchung zu spezifizieren sein (Barthelmeß in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht I VerfVO Rz 7 f).

4.4. Der Wortlaut von Art 22 VO (EG) 1/2003 legt nahe, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden nur unverbindliche Ersuchen aneinander richten, aber keine rechtlich verbindlichen Ansprüche auf Durchführung von Ermittlungen geltend machen können. Selbst wenn jedoch eine solche Verpflichtung bejaht wird, muss die ersuchte Wettbewerbsbehörde jedenfalls berechtigt sein, in begründeten Ausnahmefällen ein Ersuchen abzulehnen, insbesondere wenn die ersuchende Behörde nicht in der Lage ist, überzeugend darzulegen, dass ein legitimer Anlass für eine Ermittlung besteht und die Ermittlung verhältnismäßig ist (Bechtold/Bosch/Brinker/Hirsbrunner, EG-Kartellrecht² Art 22 VO 1/2003 Rz 2).

5. Auf dem Boden dieser Rechtslage hat das Kartellgericht dem über die Antragstellerin eingebrachten Amtshilfeersuchen des Bundeskartellamts aus unzutreffenden Gründen nicht stattgegeben.

5.1. Das Amtshilfeersuchen wurde von einem Mitglied im Netzwerk der Wettbewerbsbehörden in der Gemeinschaft an die Antragstellerin als einem anderen Mitglied dieses Netzwerks gerichtet. Ihm liegt nach dem durch Urkunden bescheinigten Sachverhalt ein kartellrechtliches Ordnungswidrigkeitenverfahren der ersuchenden Behörde ua gegen zwei deutsche Tochterunternehmen des verdächtigten Unternehmens wegen vermuteten Verstoßes gegen Art 81 Abs 1 EG durch wettbewerbswidrige Absprachen bzw abgestimmte Verhaltensweisen zu Grunde.

5.2.1. Hinreichend behauptet und durch Urkunden bescheinigt ist, dass die ersuchende Behörde neben ihrem nationalen Recht auch Art 81 EG anzuwenden hat. Nach dem bescheinigten Sachverhalt gibt es auf dem betroffenen Markt für große Feuerwehrfahrzeuge (vor allem ab 7,5 t) und für Aufbauten für solche Fahrzeuge in Deutschland einen sehr eingeschränkten Anbieterkreis. Das Verfahren der ersuchenden Behörde richtet sich gegen vier der auf diesem Markt führenden Anbieter, die verdächtigt werden, sich seit 2001 bei der Abgabe von Angeboten abzusprechen (Beil ./A, S 4 f).

5.2.2. Nach den Leitlinien der Kommission über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Art 81 und 82 EG (LLBeeintr; ABl Nr C 101 vom , S 81) sind Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, die auf einen einzigen Mitgliedstaat begrenzt sind und nicht direkt Einfuhren und Ausfuhren betreffen, insbesondere dann geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, wenn sie eine Marktabschottung bewirken und so Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten den Zutritt zum nationalen Markt erschweren (Rz 84).

5.2.3. Nach der Rechtsprechung des EuGH hat ein Kartell, das sich auf das Gesamtgebiet eines Mitgliedstaats erstreckt, schon seinem Wesen nach die Wirkung, die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen; es verhindert somit die vom Vertrag gewollte gegenseitige wirtschaftliche Durchdringung und schützt die inländische Produktion (Nachweise bei Schröter in Schröter/Jakob/Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, Art 81 Abs 1 Rz 202 FN 925). So kann ein Kartell oder ein abgestimmtes Verhalten von Versicherungsgesellschaften, das in einem gegenseitigen Informationsaustausch besteht, der eine durch die Marktbedingungen nicht gerechtfertigte Erhöhung der Prämien für die Kfz-Haftpflichtversicherung ermöglicht, und das gegen die nationalen Vorschriften über den Schutz des Wettbewerbs verstößt, auch gegen Art 81 EG verstoßen, wenn unter Berücksichtigung der Merkmale des relevanten nationalen Markts eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass das betreffende Kartell oder abgestimmte Verhalten den Abschluss dieser Versicherungen in dem betreffenden Mitgliedstaat durch Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell beeinflussen kann und dieser Einfluss nicht nur geringfügig ist (, Manfredi, Rz 52).

5.2.4. Nach diesen Grundsätzen besteht kein Zweifel, dass kartellrechtswidrige Absprachen zwischen vier von einigen wenigen marktführenden Unternehmen auf einem nationalen Markt geeignet sind, den zwischenstaatlichen Handel iSd Art 81 Abs 1 EG spürbar zu beeinträchtigen. Die vorliegenden Verdachtsmomente sprechen zunächst auch dafür, dass sich die vermuteten Absprachen auf das gesamte Gebiet Deutschlands erstrecken. Dem steht nicht entgegen - worauf das Erstgericht verweist -, dass im Amtshilfeersuchen Ermittlungsergebnisse (nur) für drei bestimmte deutsche Bundesländer dargestellt werden. Die ersuchende Behörde wendet daher in ihrem Ermittlungsverfahren zutreffend auch Art 81 EG an (Art 3 Abs 1 VO (EG) 1/2003).

5.3. Inhalt des Ersuchens ist die Durchführung einer Hausdurchsuchung in den inländischen Geschäftsräumlichkeiten des verdächtigten Unternehmens. Die ersuchte Behörde ist nach dem anzuwendenden inländischen Kartellrecht zu einer derartigen Ermittlungshandlung befugt, kann sie doch - wenn dies zur Erlangung von Informationen aus geschäftlichen Unterlagen erforderlich ist - beim Kartellgericht bei Vorliegen des begründeten Verdachts einer Zuwiderhandlung gegen ua Art 81 oder 82 EG eine Hausdurchsuchung beantragen (§ 12 Abs 1 und 3 WettbG). Entgegen der Auffassung des Erstgerichts ist es für die Bewilligung eines Amtshilfeersuchens hingegen unerheblich, ob die ersuchte Behörde dafür zuständig ist, den ihr von der ersuchenden Behörde bekanntgegebenen Sachverhalt im Rahmen eines von ihr selbst geführten inländischen Verfahrens unter Anwendung nationalen Kartellrechts zu untersuchen.

5.4. Die ersuchende Wettbewerbsbehörde hat schließlich auch dargelegt und durch Urkunden hinreichend bescheinigt, dass die nach dem nationalen Recht der ersuchten Behörde erforderlichen Eingriffsvoraussetzungen vorliegen. So werden im Amtshilfeersuchen die betroffenen Unternehmen, die bisher vorliegenden Hinweise auf einen Anfangsverdacht (der sich nach Durchführung von Hausdurchsuchungen in Deutschland noch auf andere Tatbestände erweitert hat) sowie der Gegenstand und der Zweck der Untersuchung plausibel und nachvollziehbar dargestellt. Auch ein ausreichender Tatverdacht gegenüber dem verdächtigten Unternehmen ist nachgewiesen, soll doch der Vorstandsvorsitzende des verdächtigten Unternehmens selbst an Treffen der vermuteten Kartellanten in der Schweiz und Deutschland teilgenommen haben, bei denen Quoten für die beteiligten Unternehmen (darunter zwei Tochterunternehmen des verdächtigten Unternehmens) vereinbart worden sein sollen (Beil ./A, S 6 und 8; Zeugenaussage in Anlage 6).

6. Dem Rekurs war daher Folge zu geben und die im Amtshilfeweg beantragte Hausdurchsuchung zu genehmigen.