OGH vom 16.07.2008, 16Ok7/08
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin A***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Änderung einer Auflage gemäß § 12 Abs 3 KartG, über den Kostenrekurs des Bundeskartellanwalts gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom , GZ 29 Kt 59/07-13, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Mit Beschluss des Kartellgerichts vom , 29 Kt 5/04-39, wurde der angemeldete Zusammenschluss des Erwerbs der alleinigen Kontrolle über F***** SA, *****, durch die A***** AG, *****, unter Erteilung von Auflagen nicht untersagt. Nachdem bereits mit Beschluss des Kartellgerichts vom der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Auflagen geändert worden war, beantragte die Rechtsnachfolgerin der Erwerberin im nun vorliegenden Verfahren eine Änderung der Auflagen, die mit Beschluss des Kartellgerichts vom antragsgemäß bewilligt wurde.
Mit dem bekämpften Beschluss sprach das Erstgericht aus, dass im vorliegenden Verfahren über den Antrag auf Änderung der Auflagen nach § 12 Abs 3 KartG 2005 keine Gerichtsgebüh zu entrichten sei. Gemäß § 80 Z 10a KartG 1988 sei für die Änderung oder Aufhebung von Beschränkungen oder Auflagen eine Rahmengebühr mit einer Untergrenze von 750 EUR vorgesehen gewesen. Das neue Kartellgesetz 2005 sehe - neben anderen nicht in Frage kommenden Gebührentatbeständen - in § 50 Z 1 für ein Verfahren über die Prüfung eines Zusammenschlusses (§ 11) die Entrichtung einer Gerichtsgebühr bis 30.000 EUR vor. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage sei der Schluss zu ziehen, dass die Gebühr für die Änderung oder Aufhebung von Beschränkungen oder Auflagen entfallen sei. Bestimmungen über Gerichtsgebühren seien zwar der Auslegung zugänglich, im Zweifel aber nicht ausdehnend auszulegen und auch eine analoge Anwendung scheide grundsätzlich aus. Der Tatbestand des § 50 Z 1 KartG enthalte den ausdrücklichen Verweis auf § 11 KartG und könne daher objektiv nur als klare Abgrenzung von anderen mit einem Prüfungsverfahren zusammenhängenden bzw diesem nachgelagerten Verfahren, wie etwa jenen nach § 12 Abs 3 Satz 2 KartG 2005, verstanden werden. Insbesondere aus dem Verweis sei zu schließen, dass der Gebührenpflicht nur das Prüfungsverfahren im engeren Sinn, nicht aber ein nachfolgendes Verfahren auf Änderung einer Auflage unterliege.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Bundeskartellanwalts mit dem Abänderungsantrag, eine Rahmengebühr von zumindest 750 EUR festzusetzen; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Antragstellerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Wie bereits vom Erstgericht dargelegt, sah § 80 Z 10a KartG 1988 eine Rahmengebühr in drei Fällen vor: 1. für das Verfahren über die Anmeldung eines Zusammenschlusses, 2. für die Einleitung eines Prüfungsverfahrens nach § 42b KartG 1988 und 3. für die Änderung oder Aufhebung von Beschränkungen oder Auflagen nach § 42b Abs 4 KartG 1988 dahin, dass eine von der Rahmengebühr für das Prüfungsverfahren abweichende Untergrenze der Gebühr festgesetzt wurde.
In § 50 KartG 2005 wird nun die Pauschalgebühr im Zusammenhang mit Zusammenschlussverfahren in dessen Z 1 dahin geregelt, dass für ein Verfahren über die Prüfung eines Zusammenschlusses eine Rahmengebühr bis zu 30.000 EUR vorgesehen wird. Dabei verweist das Gesetz in seinem Klammerausdruck ausdrücklich auf § 11 KartG. Die EB (926 der BlgNR 22. GP 10) führen zu den §§ 50 bis 57 des neuen Kartellgesetzes aus, dass die Bestimmungen über die Gebühren weitgehend den Regelungen der §§ 80 bis 87 KartG 1988 folgen und, abgesehen von Anpassungen an die geänderte Rechtsgrundlage, Änderungen dahin vorgenommen werden, dass auf Festsetzung einer Untergrenze der Rahmengebühr verzichtet wird, die Lücke hinsichtlich des fehlenden Gebührentatbestands für Geldbußenverfahren geschlossen und die neu geschaffene Möglichkeit der Verhängung von Zwangsgeldern gebührenrechtlich berücksichtigt werde.
Bezogen auf § 80 Z 10a KartG 1988 liegt die Anpassung an die geänderte Rechtsgrundlage darin, dass die Anmeldung von Zusammenschlüssen beim Kartellgericht durch das Kartellgesetz 2005 entfiel und daher im neuen Gebührentatbestand des § 50 KartG eine derartige Gerichtsgebühr fehlt. Eine Gebühr ist nach wie vor für das Verfahren über die Prüfung eines Zusammenschlusses zu entrichten. Dem Rekurswerber ist zuzugestehen, dass § 80 Z 10a KartG 1988 von einer Rahmengebühr für „ein Prüfungsverfahren nach § 42b" ausging und nur die Untergrenze der Rahmengebühr veränderte.
Im neuen Kartellgesetz 2005 ist aber die Änderung oder Aufhebung von Beschränkungen oder Auflagen nicht mehr im selben Paragrafen wie der Antrag auf Prüfung eines Zusammenschlusses (§ 11 KartG) geregelt, sondern in § 12 Abs 3 KartG 2005, auf den die Gebührenbestimmung beim Verfahren über die Prüfung eines Zusammenschlusses nicht verweist. Insoweit ist durch die Aufspaltung der Bestimmung auf nunmehr zwei Paragrafen in der gebührenrechtlichen Regelung eine Lücke entstanden.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist im Bereich des Gebührenrechts eine Analogie regelmäßig ausgeschlossen (VwGH 97/16/0344; 92/16/0018; 90/16/0035). Auch eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insofern entfernt, als sie über das Fehlen eines Elements des im Gesetz umschriebenen Tatbestands, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme hievon geknüpft ist, hinwegsieht, ist unzulässig (VwGH 91/16/0029; 90/16/0175; 89/16/0022).
Richtig ist der Hinweis des Rekurswerbers, dass sich diese ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) auf das Gerichtsgebührengesetz (GGG) bezieht und darauf, dass dort bewusst an formale äußere Tatbestände angeknüpft wird, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten (VwGH 91/19/0029; 89/16/0022). Die Gebührentatbestände des Kartellrechts sind dagegen nicht im GGG, sondern im Kartellgesetz geregelt und auch ihre möglichst einfache, formalisierte Handhabung ist im Hinblick darauf, dass die Gebühr ohnehin in jedem Einzelfall vom vorsitzenden Richter bestimmt wird, nicht vordringlich.
Allerdings hat sich das Kartellobergericht schon in Okt 25/74 = ÖBl 1974/90 und Okt 1/77 = ÖBl 1977, 133 der Judikatur des VwGH insoferne angeschlossen, als es zu den auch damals im Kartellgesetz geregelten Gebühren des kartellgerichtlichen Verfahrens aussprach, dass diese Bestimmungen zwar einer Auslegung zugänglich seien, aber verbleibende Zweifel nicht zu Lasten des Beteiligten gehen und sie im Zweifel nicht ausdehnend ausgelegt werden könnten. Die Rechtsansicht des Erstgerichts, im Zweifel sei von einer Gebührenpflicht auszugehen, sei daher nicht haltbar.
Eine Auslegung dahin, den Gebührentatbestand des § 50 Z 1 KartG auch auf Verfahren nach § 12 Abs 3 KartG anzuwenden, wäre im Hinblick auf die ausdrückliche Bezugnahme des Gesetzes auf § 11 KartG aber eine ausdehnende und damit im Sinne der oben aufgezeigten Judikatur unzulässige Auslegung.
In Anbetracht dieser jahrzehntealten Rechts- und Judikaturlage ist daher im Sinne von Rechtssicherheit und -klarheit davon auszugehen, dass Verfahren über die Änderung oder Aufhebung von Beschränkungen oder Auflagen nach § 12 Abs 3 KartG 2005 von einer Gebührenpflicht befreit werden sollten, weil ansonsten nur der ausdrückliche Hinweis auf § 11 KartG 2005 entfallen hätte müssen. Dass damit auch andere im Zusammenhang mit Zusammenschlüssen mögliche kartellgerichtliche Verfahren, wie zum Beispiel jenes nach § 16 KartG oder § 19 Abs 3 KartG gebührenfrei gestellt wurden, sei nur am Rande bemerkt.
Soweit der Rekurs ein Absehen von Gerichtsgebühren im Ergebnis als unbillig ansieht, weil im vorliegenden Fall bereits einmal eine Auflagenänderung zu einer Rahmengebührfestsetzung führte, ist auf die zwischenzeitig veränderte Rechtslage zu verweisen. Ob nach der Zusammenschlussanmeldung bzw Freigabe eintretende Ereignisse von der ursprünglichen Rahmengebühr abgedeckt sein sollten oder für im Zusammenhang damit notwendig werdende kartellgerichtliche Verfahren eine gesonderte Rahmengebühr zu entrichten ist, ist letztlich eine rechtspolitische Frage, die der Gesetzgeber durch entsprechende gesetzliche Regelung zu lösen hat.
Dem Erstgericht ist daher darin zuzustimmen, dass für das vorliegende Verfahren nach § 12 Abs 3 KartG 2005 keine Gerichtsgebühr zu entrichten ist.