VfGH vom 30.09.1987, B357/87

VfGH vom 30.09.1987, B357/87

Sammlungsnummer

11460

Leitsatz

Individualantrag auf Aufhebung

der ProstitutionsV Linz-Graben vom ; belangte Behörden sind der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz (V-erlassende Behörde) und die oö. Landesregierung (zuständige oberste Verwaltungsbehörde des Landes iS des § 58 Abs 1 VerfGG); von Beamten des Amtes der Landesregierung gefertigten Äußerungen liegen keine Beschlüsse des Kollegiums Landesregierung zugrunde; zur Vertretung eines angefochtenen Landesgesetzes ist die Landesregierung als Kollegium berufen, auch Verordnungen der Landesregierung sind von ihr als Kollegium vor dem VfGH zu verantorten; hier hat die oö. Landesregierung iS des Art 19 Abs 1 und 101 Abs 1 B-VG als oberste (Aufsichts-)Behörde neben der V-erlassenden Behörde die V mitzuverantworten; wer hier für die Landesregierung auftreten kann, richtet sich nach dem BVG über die Ämter der Landesregierungen, BGBl. 289/1925 und den landesgesetzlichen Vorschriften; Übertragung der Abgabe einer Äußerung im Wege der GO der Landesregierung an eine einzelnes Landesregierungsmitglied oder im Wege der GO des Amtes der Landesregierung an einen einzelnen Beamten zulässig

Untätigkeit der Behörde - keine Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

Individualantrag auf Aufhebung des § 2

Abs1 und 5 Oö PolizeistrafG; Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerinnen nicht durch die bekämpfte Gesetzesstelle, sondern erst durch die Erlassung einer V nach § 2 Abs 2 - Mangel der Antragslegitimation

PrositutionsV Linz-Graben vom ; Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerinnen durch die V, die die weitere Ausübung der Prostitution in der gemieteten Wohnung untersagt;

Provokation eines Verwaltungsstrafverfahrens nach § 2 der V iVm § 2 Abs 3 und § 10 Abs 1 litb Oö PolizeistrafG nicht

zumutbar; Zulässigkeit des Antrages; Qualifikation als V;

Unbedenklichkeit der in § 2 Abs 2 Oö PolizeistrafG angeordneten Rechtsform der V; sich aus dem unterschiedlichen Wesen der Rechtssatztypen der Verordnung und der Bescheide ergebende Differenzierungen sind nicht unsachlich, sondern unvermeidbar; kein Verstoß gegen Art 83 Abs 2 B-VG durch die V-Ermächtigung in § 2 Abs 2 leg. cit.; kein Widerspruch dieser Bestimmung zu Art 18 Abs 2 B-VG; Voraussetzungen für die V-Erlassung waren gegeben; keine Bedenken gegen die V

Spruch

1. Die Beschwerden und die Gesetzesprüfungsanträge werden zurückgewiesen.

2. Die Verordnungsprüfungsanträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Das O.ö. Polizeistrafgesetz, LGBl. 36/1979, idF der Nov. LGBl. 94/1985, (im folgenden kurz: PolStG) regelt im § 2 die Prostitution.

Die hier in Betracht zu ziehenden Bestimmungen lauten:

"§2

(1) Wer beabsichtigt, für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken (Prostitution) ein Gebäude, eine Wohnung oder einzelne Räumlichkeiten zu nutzen oder für solche Zwecke zur Verfügung zu stellen, hat dies, soweit es nicht nach Abs 3 litc verboten ist, der Gemeinde mindestens zwei Monate vor Aufnahme der Prostitution anzuzeigen. Die Gemeinde hat die Verwendung zu diesem Zweck innerhalb von zwei Monaten ab Einlangen der Anzeige mit Bescheid zu untersagen, wenn auf Grund der örtlichen oder sachlichen Verhältnisse zu befürchten ist, daß dadurch die Nachbarschaft in unzumutbarer Weise belästigt oder das örtliche Gemeinwesen gestört wird oder sonstige öffentliche Interessen, insbesondere solche der Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder des Jugendschutzes verletzt werden.

(2) Die Gemeinde kann die Nutzung bestimmter Gebäude, Gebäudeteile oder Gruppen von Gebäuden des Gemeindegebietes zum Zweck der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution durch V untersagen, wenn durch diese Tätigkeit die Nachbarschaft in unzumutbarer Weise belästigt oder das örtliche Gemeinwesen gestört wird oder sonstige öffentliche Interessen, insbesondere solche der Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder des Jugendschutzes verletzt werden.

(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht,

a) ......

e) wer einer Untersagung gemäß Abs 1 oder 2 zuwiderhandelt.

(4) .....

(5) Zur Verhinderung von Verwaltungsübertretungen nach Abs 3 litc und e können Personen am Betreten von Gebäuden, Wohnungen, einzelnen Räumlichkeiten, Wohnwagen, Wasserfahrzeugen und dgl., in denen die Anbahnung oder Ausübung der Prostitution gemäß Abs 1,2 oder 3 litc untersagt ist, - erforderlichenfalls unter Anwendung körperlichen Zwanges - gehindert werden, wenn der begründete Verdacht einer beabsichtigten Verwaltungsübertretung besteht und die betreffenden Personen nicht glaubhaft machen, daß sie die betreffende Räumlichkeit zu Zwecken betreten wollen, die mit der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution nichts zu tun haben.

(6) ....".

2. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Linz übertrug mit V vom gemäß § 43 Abs 2 des Statutes für die Landeshauptstadt Linz 1980, LGBl. 10, die Zuständigkeit zur Erlassung von Verordnungen gemäß § 2 Abs 2 PolStG dem Stadtsenat.

3. Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz beschloß am - gestützt auf § 2 Abs 2 des PolStG und die soeben wiedergegebene Übertragungs-V des Gemeinderates vom - folgende

"Verordnung

§1

Die Nutzung des Hauses Linz, Graben 5, zum Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution ist verboten.

§2

Wer diesem Verbot zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 200.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 6 Wochen zu bestrafen.

§3

Diese V tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz in Kraft."

Dieser Beschluß wurde am im Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz Nr. 6/1987 kundgemacht.

II. 1. Die vier Einschreiterinnen üben ihren eigenen Angaben zufolge in Linz im Haus Graben Nr. 5 die Prostitution aus. Sie stellen in gesonderten, jedoch gleichlautenden Eingaben gestützt auf Art 144 Abs 1 B-VG (Antrag a), Art 140 Abs 1 B-VG (Antrag b) und Art 139 Abs 1 B-VG (Antrag c) - die Anträge:

"a) Der VfGH möge aussprechen, daß die Bf. dadurch, daß ihr am die Bestätigung der Untersuchung in ihrem 'Prostituiertenausweis' im Sinne des § 2 der V des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom ohne gesetzliche Grundlage verweigert wurde im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbstätigkeit verletzt wurde.

b) Der VfGH wolle weiters § 2 Abs 2 sowie § 2 Abs 5 des O.ö. Polizeistrafgesetzes i.d.F. LGBl. Nr. 94/1985 als verfassungswidrig aufheben.

c) Der VfGH wolle die V des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom , Nr. 6/87, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz vom als gesetzwidrig aufheben."

Außerdem wird der Zuspruch von Kosten begehrt.

2. Zu den Verordnungsprüfungsanträgen erstatteten der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz (als verordnungserlassende Behörde) und die O.ö. Landesregierung (als zuständige oberste Verwaltungsbehörde des Landes iS des § 58 Abs 1 VerfGG) Äußerungen, in denen begehrt wird, diese Anträge abzuweisen.

Zu den von einem Beamten des Amtes der O.ö. Landesregierung gefertigten Äußerungen ist zu bemerken, daß ihnen keine Beschlüsse des Kollegiums Landesregierung zugrundeliegen.

Dennoch sind sie der Landesregierung zuzurechnen: Der VfGH hat zwar in den Erkenntnissen VfSlg. 10690/1985 S. 647, 10739/1985 S. 915, sowie VfSlg. 10036/1986, dargetan, daß Landesgesetze und von der Landesregierung als Kollegium beschlossene Verordnungen im verfassungsgerichtlichen Normenprüfungsverfahren (Art139 und 140 B-VG) von der Landesregierung als Kollegium zu vertreten sind; er sieht sich nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Sie kann aber nicht auf Normenprüfungsverfahren übertragen werden, deren Gegenstand die von einer Gemeindebehörde (hier vom Stadtsenat Linz) erlassene V ist:

§ 63 Abs 1 VerfGG ordnet explizit an, daß zur Vertretung eines angefochtenen Landesgesetzes die Landesregierung berufen ist. Diese - aufgrund des Art 148 B-VG erlassene, das Verfahren vor dem VfGH regelnde - Bestimmung ist (wie schon im Erkenntnis VfSlg. 5573/1967 ausgeführt wurde) dahin auszulegen, daß die damit der Landesregierung übertragene Zuständigkeit vom Kollegium zu handhaben ist und nicht etwa von einem einzelnen Landesregierungsmitglied wahrgenommen werden kann (vgl. auch VfSlg. 10598/1985).

Der das Verordnungsprüfungsverfahren regelnde § 58 Abs 1 VerfGG spricht zum einen von der "Verwaltungsbehörde, die die V erlassen hat". Tritt als solche das Kollegium Landesregierung auf, so gilt das soeben für die Vertretung im Gesetzesprüfungsverfahren Gesagte; das VerfGG ordnet also zwingend an, daß Verordnungen der Landesregierung auch von ihr als Kollegium vor dem VfGH zu verantworten sind. Zum anderen spricht die zitierte Bestimmung des VerfGG von der "zuständigen obersten Verwaltungsbehörde des Bundes oder des Landes, die zur Vertretung der angefochtenen V berufen ist"; diese Behörde hat neben der verordnungserlassenen Behörde als Oberbehörde oder als Aufsichtsbehörde (vgl. zB VfSlg. 8283/1978) die V mitzuverantworten. Die erwähnte Wendung verweist auf die Organisationsnormen, aus denen sich ergibt, wer die zuständige oberste Verwaltungsbehörde ist und wer sie im Verordnungsprüfungsverfahren zu vertreten hat.

Im vorliegenden Verfahren hat den Art 19 Abs 1 und 101 Abs 1 B-VG zufolge die o.ö. Landesregierung als oberste (Aufsichts-)Behörde einzuschreiten. Wer hier für die Landesregierung auftreten kann, richtet sich nach dem Bundesverfassungsgesetz vom , BGBl. 289, betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierungen außer Wien und den auf der Grundlage dieses BVG ergangenen maßgebenden landesrechtlichen Vorschriften. Es ist also zulässig, hier die Abgabe einer Äußerung im Wege der Geschäftsordnung der Landesregierung einem einzelnen Landesregierungsmitglied oder aufgrund der Geschäftsordnung des Amtes der Landesregierung einem Beamten zu übertragen.

III. Der VfGH hat erwogen:

1. Zu den Beschwerden

a) Die Bf. behaupten, Ausweise gemäß § 2 der V des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom , BGBl. 314, zu besitzen. Obgleich sie sich der vorgeschriebenen amtsärztlichen Untersuchung nach dem § 1 dieser

V unterzogen hätten und frei von Geschlechtskrankheiten befunden worden seien, habe die Behörde im erwähnten Ausweis am - entgegen dem § 3 der V - keine Bestätigung über die vorgenommene Untersuchung erteilt; dies mit der Begründung, daß nach der V des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom (s.o. I.3. - im folgenden kurz: PrV Linz-Graben) die Ausübung der Prostitution im Haus Graben Nr. 5, Linz, verboten ist.

b) Nichts spricht dafür, daß die Behörde etwa einen die Ausstellung der Bestätigung verweigernden, mündlich verkündeten Bescheid erlassen hätte.

Nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 6470/1971, 9025/1981, 9503/1982) liegt ein gemäß Art 144 Abs 1 zweiter Satz B-VG beim VfGH anfechtbarer, in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ergangener Verwaltungsakt dann nicht vor, wenn - wie auch hier die Behörde bloß untätig blieb, weil sie in dieser Beziehung nicht von ihrer Befehls- und Zwangsgewalt Gebrauch gemacht hat.

Die Beschwerden waren daher wegen Nichtzuständigkeit des VfGH zurückzuweisen.

Dies konnte gemäß § 19 Abs 3 Z 2 lita VerfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

2. Zu den Gesetzesprüfungsanträgen

a) Aus den Anträgen ist erkennbar, daß sich die Antragstellerinnen ausschließlich deshalb in ihrer Rechtssphäre beeinträchtigt erachten, weil sie aufgrund der PrV Linz-Graben gehindert werden, weiterhin in dem von ihnen gemieteten Haus Graben Nr. 5 der Prostitution nachzugehen.

Dieser Eingriff in ihre Rechtssphäre tritt aber nicht unmittelbar durch die bekämpften Gesetzesstellen (§2 Abs 2 und 5 PolStrG) ein, sondern wird erst durch die Erlassung einer V nach § 2 Abs 2 PolStrG aktualisiert. Es ist demnach

ausgeschlossen, daß die Antragstellerinnen durch das Gesetz unmittelbar in ihren Rechten iS des Art 140 Abs 1 letzter Absatz B-VG verletzt werden können (siehe VfSlg. 8978/1980). Eine allenfalls angenommene Verfassungswidrigkeit des Gesetzes, auf das die Durchführungsverordnung gegründet ist, die die Antragstellerinnen tatsächlich aktuell rechtlich belastet, kann im Verordnungsprüfungsantrag geltend gemacht werden.

Die Gesetzesprüfungsanträge waren daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

Dies konnte gemäß § 19 Abs 3 Z 2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

3. Zu den Verordnungsprüfungsanträgen

a) aa) Die Antragstellerinnen behaupten, daß ihnen durch die PrV Linz-Graben die bisher von ihnen im Haus Graben Nr. 5 in Linz ausgeübte Prostitution verboten werde.

bb) Der angefochtene Beschluß des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom ist eine V (siehe hiezu unten III.3.c).

Den Antragstellerinnen wird durch die angefochtene V tatsächlich untersagt, in der von ihnen gemieteten Wohnung weiterhin die Prostitution auszuüben. Dieser Eingriff in ihre Rechtssphäre bedarf keines weiteren rechtskonkretisierenden Aktes und beeinträchtigt aktuell die Rechtsposition der Antragstellerinnen. Unter den Umständen des vorliegenden Falles kann der VfGH nicht finden, daß den Antragstellerinnen ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung stünde, um die durch die behauptete Rechtswidrigkeit der V bewirkte Rechtsverletzung abzuwehren. Es wäre bei der Lage des Falles den Antragstellerinnen nicht zumutbar, durch Verstoß gegen die Verordnungsbestimmung des § 1 PrV Linz-Graben ein Verwaltungsstrafverfahren nach § 2 PrV Linz-Graben iVm § 2 Abs 3 und § 10 Abs 1 litb PolStG, zu provozieren, um auf diese Art einen der Anfechtung zugänglichen Bescheid zu erwirken (vgl. VfSlg. 8396/1978, 9253/1981, 10185/1984).

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Anträge zulässig.

b) aa) Die Antragstellerinnen begründen ihre Behauptung, die PrV Linz-Graben sei rechtswidrig, einerseits damit, es handle sich hiebei um eine unzulässige, den Gleichheitsgrundsatz verletzende verschleierte Verfügung in Verordnungsform, andererseits damit, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung einer derartigen V nicht vorgelegen seien.

bb) Zum ersten Vorwurf ist auf die ständige Judikatur des VfGH (zB 9254/1981, 10.184/1984, 10.185/1984, 10.186/1984, 10.187/1984; ) hinzuweisen, wonach Beschlüsse nach § 2 PolStrG Verordnungen sind; der angefochtene Beschluß ist seinem Inhalt nach eine (nicht in Gesetzesform) ergangene generelle Rechtsnorm; sie wendet sich nicht an individuell bezeichnete Personen, sondern an einen unbestimmten Personenkreis (vgl. zB VfSlg. 2465/1953, 3142/1957, 7585/1975, 8119/1977, 9061/1981); die Verordnungsform entspricht der ausdrücklichen Anordnung des § 2 Abs 2 PolStG.

Das leugnen im übrigen auch die Antragstellerinnen nicht. Sie meinen jedoch, eben diese gesetzliche Anordnung sei verfassungswidrig. Der VfGH teilt diese Bedenken nicht und sieht sich daher auch nicht bestimmt, aus Anlaß dieser Verordnungsprüfungsverfahren von amtswegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs 2 PolStG einzuleiten:

Durchführungsverordnungen und Bescheide stellen gleicherweise Verwaltungsakte dar, die ein Gesetz näher konkretisieren und iwS "vollziehen"; die Prämisse der Antragstellerinnen, nur eine V präzisiere das Gesetz, nur ein Bescheid vollziehe es, ist daher verfehlt; die darauf aufbauenden Folgerungen gehen sohin ins Leere.

Das Verbot, in bestimmten Gebäuden oder auch in einem einzigen Haus die Prostitution auszuüben, wendet sich typischerweise nicht an eine (mehrere) individuell bestimmte Person(en), sondern an einen unbestimmten Personenkreis, nämlich an jede Person, die derzeit oder in Zukunft in diesem (diesen) Gebäude(n) der Prostitution nachgehen will und die der Behörde gar nicht bekannt sein muß oder gar nicht bekannt sein kann. An einen unbestimmten Personenkreis gerichtete generelle Normen unterhalb der Gesetzesstufe sind nun - wie dargetan Verordnungen iS des Art 18 Abs 2 B-VG. Mit der Unterscheidung zwischen Bescheid und nichtnormativem individuellen Verwaltungsakt hat die Frage der Unterscheidung zwischen V und Bescheid - entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen überhaupt nichts zu tun.

Die Antragstellerinnen meinen weiter, daß die von einer V nach § 2 Abs 2 PolStG betroffenen Personen gegenüber jenen Personen, gegen die sich ein Bescheid nach § 2 Abs 1 leg.cit. richtet, unsachlich - und damit gleichheitswidrig - benachteiligt würden; im Verfahren zur Erlassung einer V habe nämlich der Betroffene - anders als im Verfahren zur Erlassung eines Bescheides - keine Parteistellung; diese mangelnde Parteistellung verletze auch das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Die Bundesverfassung unterscheidet ausdrücklich zwischen Verordnungen und Bescheiden (siehe etwa Art 139 und Art 144 B-VG). Diese Rechtssatztypen setzen - wie oben dargetan - einen unterschiedlichen Adressatenkreis voraus, was wiederum ein unterschiedliches Verfahren, insbesondere auch in Ansehung der Mitwirkung der Betroffenen, bedingt. Derartige, sich aus dem unterschiedlichen Wesen der Rechtssatztypen ergebenden Differenzierungen sind nicht unsachlich, sondern geradezu unvermeidbar. Fraglich kann nur sein, ob die eine oder die andere Rechtsform verfassungsrechtlich angemessen ist. Daß in dieser Hinsicht gegen § 2 Abs 2 PolStG keine Bedenken bestehen, wurde oben ausgeführt. Das Gesetz läßt keinen Zweifel offen, wer zur Verordnungserlassung kompetent ist; Art 83 Abs 2 B-VG wurde also nicht verletzt.

§ 2 Abs 2 PolStG bestimmt - entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen - auch den Inhalt der V auf eine dem Art 18 Abs 2 B-VG ausreichende Weise voraus. So ist es dem VfGH durchaus möglich, die inhaltliche Übereinstimmung einer auf diese Gesetzesstelle gegründeten Durchführungsverordnung mit dem Gesetz zu überprüfen (siehe die folgende litc).

c) Auch der zweite Vorwurf der Antragstellerinnen, es seien die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 PolStG für die Erlassung der PrV Linz-Graben nicht vorgelegen, trifft nicht zu: Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz teilt in seinen in den Verordnungsprüfungsverfahren erstatteten Äußerungen mit, daß die PrV Linz-Graben vor allem aufgrund des Berichtes der Bundespolizeidirektion Linz vom erlassen worden sei.

Dieser Bericht lautet:

"In dem am im Hause Linz, Graben Nr. 5 unter der Bezeichnung 'Sexy World' neueröffneten Eroscenter wird von durchschnittlich acht bis zehn Prostituierten in zwei Stockwerken die Gewerbsunzucht ausgeübt. Im Erdgeschoß befindet sich ein sogen. 'American Telefon-Sex'.

Das Gebäude befindet sich im Stadtzentrum im geschlossen verbauten Gebiet an einer Durchzugs- und Geschäftsstraße. In unmittelbarer Umgebung befinden sich die Häuser Pfarrplatz Nr. 11, 12 und 13, sowie Graben Nr. 2, 4, 6, 8, 10, 12, 14 und 16 und Graben Nr. 1, 3, 7, 9 und 11 mit teilw. im EG etablierten Geschäftslokalen und Wohnungen in den oberen Stockwerken. Auf die gen. 16 Häuser in unmittelbarer Umgebung des 'Eroscenters' entfallen sechs bis 12 Wohneinheiten pro Objekt sodaß im Durchschnitt von acht Wohneinheiten pro Haus, ca. 100 Wohneinheiten für die nähere Umgebung dieses Eroscenters, gerechnet werden können.

Von den in unmittelbarer Umgebung situierten Geschäftslokalen wurde von mehreren Inhabern, so vor allem von dem gegü. dem Eingang z. Eroscenter situierten Uhrmachermeister E über laute Musik aus den im EG befindl. Räumlichkeiten des 'American Telefon-Sex' geklagt und auch verschiedenen Kunden sei das Lokal mitten in der Stadt und in der Nähe der Pfarrkirche nicht angenehm. Die Stadtpfarrkirche befindet sich auch nur ca. 100 m vom Eroscenter entfernt. Laut Gottesdienstordnung (Anschlag an d. Kirche) werden zu folgenden Zeiten Messen gelesen:

Sonn- und Feiertag: 7,30 Uhr,

8,45 Uhr (Kindermesse),

10,00 Uhr,

11,15 Uhr,

18,30 Uhr (Vorabendmesse), Wochentags:

6,30 Uhr,

18,30 Uhr,

18,00 Uhr tägl. Rosenkranz

Im Hause Graben Nr. 2 befindet sich außerdem noch der Seniorenclub der Stadt Linz, geöffnet außer Mo. und Do. von 13,00 - 18,00 Uhr.

Nicht nur, daß sich das Eroscenter 'Sexy World' in einem überwiegend mit Wohngebäuden bebauten Stadtgebiet in der Linzer Innenstadt befindet und dadurch die Nachbarschaft unzumutbar belästigt und das öffentl. Gemeinwesen gestört wird, befindet es sich auch in der Nähe einer Kirche. Im Pfarrhaus, Pfarrplatz Nr. 4, befindet sich überdies ein Pfarrcaritas-Kindergarten und in der Eisenbahngasse Nr. 10 das Jugendzentrum 'come together'. Sowohl der Kindergarten auch das Jugendzentrum befinden sich in der näheren Umgebung des Eroscenters, sodaß durch die Tätigkeit auch Interessen des Jugendschutzes verletzt werden können.

Aus den oa. Gründen erscheint es wünschenswert, die Nutzung des Gebäudes Linz, Graben Nr. 5, zum Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution i.S. des § 2 Abs 2 O.ö. Polizeistrafgesetz zu untersagen."

Aus diesem Bericht - dessen Sachverhaltsschilderung die Antragstellerinnen gar nicht in Abrede stellen - ergibt sich, daß durch die Begleitumstände, die mit der Ausübung der Prostitution in Linz, im Haus Graben Nr. 5 verbunden sind - unabhängig davon, wer dort der Prostitution nachgeht -, die Nachbarschaft in unzumutbarer Weise belästigt und das örtliche Gemeinwesen gestört wird (dies insbesondere wegen der Nähe der Stadtpfarrkirche und des Seniorenclubs der Stadt Linz) sowie auch Interessen des Jugendschutzes verletzt werden (insbesondere wegen des nahe gelegenen Kindergartens und Jugendzentrums).

Die Voraussetzungen nach § 2 Abs 2 PolStG für die Verordnungserlassung waren also gegeben (vgl. die ähnlich gelagerten Fälle betreffende Vorjudikatur, zB VfSlg. 9252/1981, 9253/1981, 9254/1981, 10184/1984, 10185/1984, 10186/1984, 10187/1984).

Unerheblich für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit der V ist - entgegen dem Vorbringen der Antragstellerinnen -, ob die Umstände, die jetzt zu ihrer Erlassung führten, schon längere Zeit bestanden und ob in anderen, gleichgelagerten Fällen eine V nach § 2 Abs 2 PolStG erlassen wurde oder nicht.

d) Die gegen die PrV Linz-Graben vorgebrachten Bedenken treffen sohin insgesamt nicht zu.

Die Verordnungsprüfungsanträge waren mithin abzuweisen.