OGH vom 09.12.1996, 16Ok6/96
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Birgit Langer als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr.Fidelis Bauer, Dkfm.Joachim Lamel, Hon.Prof.Dr.Walter Fremuth und Dr.Thomas Lachs in der Kartellrechtssache der Einschreiterinnen 1.) W***** Aktiengesellschaft*****, 2.) F***** Gesellschaft mbH, *****
3.) G*****gesellschaft mbH, *****, alle vertreten durch Schuppich, Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Anzeige bzw Anmeldung eines Zusammenschlusses, infolge Rekurses der Einschreiterinnen gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom , GZ 25 Kt 818/95-18, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
2. Der Antrag auf Anrufung des Verfassungsgerichtshofes wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Ersteinschreiterin, eine Aktiengesellschaft, steht im Alleineigentum des Landes B*****. Dieses Bundesland ist an einer großen Anzahl von Unternehmen (- die Ersteinschreiterin legte eine Liste von 16 Unternehmen vor -) mit den unterschiedlichsten Unternehmensgegenständen mit zumindest 25 %, an etlichen Unternehmen mit 100 % oder zumindest mehrheitlich beteiligt. Das Land erzielte aus den Beteiligungen an der B*****, deren Alleineigentümer es ist, im Geschäftsjahr 1994/95 Umsatzerlöse von S 1.678,743.975,78 aus dem Stromgeschäft; bei deren Tochtergesellschaften wurden im Geschäftsjahr 1994 Umsatzerlöse im Betrag von gerundet S 676,000.000,-- erreicht. Bei der B***** Krankenanstaltengesellschaft mbH, die ebenfalls zu 100 % im Eigentum des Landes steht, wurden im Geschäftsjahr 1994 Umsatzerlöse von S 790,192.748,55 erzielt. Die E*****-Bank ***** AG, an der das Land zu 51 % beteiligt ist, wies im Geschäftsjahr 1994 eine Bilanzsumme von S 24.254,000.000,-- aus; gerundet auf 5 % ergibt sich nach § 2a Z 2 KartG ein Betrag von S 1.212,700.000,--.
Die Einschreiterinnen zeigten an, daß die Ersteinschreiterin den Geschäftsanteil der bisherigen Alleingesellschafterin F***** Gesellschaft mbH (Zweiteinschreiterin) an der G*****gesellschaft mbH (Dritteinschreiterin) erworben habe. Letztere habe im letzten Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluß Umsatzerlöse in der Höhe von S 190,313.976,-- erzielt; die Ersteinschreiterin habe solche von S 1,892.131,--, und 31 Unternehmen, an denen die Ersteinschreiterin beteiligt sei bzw bei welchen die Geschäftsführung zur Hälfte mit der Geschäftsführung der Ersteinschreiterin ident sei, solche von S 601,068.682,-- erzielt.
Die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte vertrat in ihrer Äußerung die Ansicht, daß der vorliegende Sachverhalt einen "Anmeldefall" begründe. Die Ersteinschreiterin stehe zu 100 % im Eigentum des Landes, die Umsatzerlöse des Landes überschritten zusammen mit denen der gemäß § 41 KartG mit ihm verbundenen Unternehmen jedenfalls die im § 42a Abs 1 Z 1 und 2 genannten Beträge. Auch die Umsatzerlöse der erworbenen Dritteinschreiterin seien 1994 wesentlich höher als die im § 42a Abs 1 Z 1 KartG genannte Summe gewesen.
Die Einschreiterinnen vertraten in einer Stellungnahme zu dieser Äußerung den Standpunkt, das Land sei kein Unternehmer, mangels welcher Eigenschaft auch keine Zusammenrechnung von irgendwelchen Umsätzen zu erfolgen habe. Sinn und Zweck des § 2a Z 1 KartG sei es nicht, in der Realität nicht existente Unternehmensgruppen zu erfinden, die keine organisatorische und wirtschaftliche Einheit bildeten. Die Einschreiterinnen erklärten lediglich für den Fall, daß die Anzeige des Zusammenschlusses - entgegen ihrer Rechtsansicht - nicht ausreichend sein sollte, den Zusammenschluß anzumelden.
Das Erstgericht faßte den Beschluß, die Meldung des Zusammenschlusses durch Erwerb aller Geschäftsanteile an der Dritteinschreiterin durch die Ersteinschreiterin, soweit diese als Anzeige eines zustandegekommenen Zusammenschlusses erfolgt sei, zurückzuweisen. Der Zusammenschluß sei nach § 42a Abs 1 KartG anmeldebedürftig. Es forderte die Einschreiter daher auf, bei sonstiger Zurückweisung der Anmeldung, diese binnen vier Wochen durch eine dem § 68a KartG entsprechende Anmeldung - insbesondere durch nähere Angaben zu dem vom Zusammenschluß betroffenen Markt - zu verbessern.
In der rechtlichen Beurteilung dieses Beschlusses führte das Erstgericht aus, daß - von dem durch § 5 Abs 1 Z 3 und 4 KartG vom Anwendungsbereich des Kartellgesetzes ausgenommenen öffentlichen Unternehmen abgesehen - die übrigen Unternehmen der öffentlichen Hand ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform Adressaten des Kartellgesetzes seien; unbedeutend sei in diesem Zusammenhang, ob die öffentliche Hand selbst oder über juristische Personen des Handelsrechtes oder über öffentlich-rechtliche Körperschaften unternehmerisch (privatwirtschaftlich) tätig sei. Jeder Beteiligungsinhaber, dem die Möglichkeit der Ausübung eines beherrschenden Einflusses auf ein Unternehmen zukomme, sei für die kartellgesetzlichen Bestimmungen über Zusammenschlüsse (§ 41 ff KartG) als Unternehmer zu qualifizieren; somit sei auch das Land aufgrund der festgestellten mehrheitlichen Beteiligungen an Unternehmen im Rahmen der Zusammenschlußkontrolle als Unternehmer anzusehen.
Zur Beantwortung der Frage, ob ein Zusammenschluß anzeigepflichtig (§ 42 KartG) oder anmeldebedürftig (§ 42a KartG) sei, verweise das Kartellgesetz auf die Umsatzerlöse der beteiligten Unternehmer bzw Unternehmen im Geschäftsjahr vor dem Zusammenschluß. Als unmittelbar beteiligt seien das erwerbende und das erworbene Unternehmen (bzw deren Rechtsträger) anzusehen. Neben den Umsatzerlösen der am Zusammenschluß unmittelbar beteiligten Unternehmen seien auch die Umsatzerlöse der verbundenen Unternehmen in die Berechnung einzubeziehen, weil bei der Berechnung der Umsatzerlöse nach § 2a Z 1 KartG Unternehmen, die in der im § 41 KartG erwähnten Art miteinander verbunden seien, als ein einziges Unternehmen gelten. Es seien auch die Schwestergesellschaften einzubeziehen und Umsatzerlöse von Unternehmen, die lediglich über eine 25 %ige Beteiligung ohne die Möglichkeit eines beherrschenden Einflusses miteinander verbunden seien. Da alle Anteile der die Dritteinschreiterin erwerbenden Ersteinschreiterin dem Land gehörten, seien bei der Berechnung der Umsatzerlöse der am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen auch alle Umsatzerlöse aus einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit des Landes und alle Umsatzerlöse der mit dem Land durch einen Zusammenschluß iSd § 41 KartG verbundenen Unternehmens berücksichtigen, also insbesondere die Umsatzerlöse aller Unternehmen, an denen das Land eine Beteiligung von zumindest 25 % halte. Mit den oben festgestellten Umsatzerlösen (bzw der festgestellten Bilanzsumme) der am Zusammenschluß beteiligten und der mit diesen verbundenen Unternehmen würden somit die Schwellenwerte des § 42a Abs 1 KartG überschritten. Es liege ein anmeldebedürftiger Zusammenschluß vor, der nicht nach § 42 KartG nach seinem Zusammenkommen anzuzeigen, sondern zur Erreichung der notwendigen kartellgerichtlichen Freigabe (§ 42a Abs 4 KartG) anzumelden sei (§ 42a Abs 1 KartG).
Gegen den Beschluß der Erstgerichtes richtet sich der Rekurs der Einschreiterinnen mit dem Antrag 1. den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß a) festgestellt werde, daß kein gemäß § 42a Abs 1 KartG anmeldebedürftiger, sondern vielmehr nur ein gemäß § 42 Abs 1 KartG anzeigepflichtiger Zusammenschluß vorliege, und b) die Zurückweisung der Anzeige des Zusammenschlusses aufgehoben werde, in eventu den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen; 2. gegebenenfalls, soweit die Bestimmung des § 2a KartG-je nach dessen Auslegung - relevant sei, gemäß Art 139 B-VG beim Verfassungsgerichtshof den Antrag zu stellen, § 2a KartG als verfassungswidrig aufzuheben.
Die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte beantragt in ihrer Gegenäußerung dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die Rekurswerberinnen bringen vor, daß es zu einer Zusammenrechnung von Umsatzerlösen gemäß § 2a Z 1 KartG nur dann kommen könne, wenn alle drei in dieser Bestimmung genannten Bedingungen erfüllt seien. Für die vom Kartellgericht vorgenommenen Zusammenrechnung von Umsatzerlösen fehle es an allen drei Bedingungen, sodaß eine solche unzulässig sei; sie wäre nur zulässig, wenn sämtliche Unternehmen, an denen das Land beteiligt sei, über eine übergeordnete unternehmerische "Superkonzernspitze" zu verbundenen Unternehmen würden. Dies sei nicht der Fall; es handle sich vielmehr um völlig verschiedene und vor allem unabhängige Wirtschaftsbetriebe, die unter keiner einheitlichen oder auch nur koordinierten Leitung stünden. Auch die Europäische Kommission habe in der Bekanntmachung vom über die Berechnung des Umsatzes iSd FKVO (94/C 385/04) in Punkt I.3.5.klargestellt, daß Unternehmen, die sich in Staatsbesitz befänden, nur dann als verbunden angesehen werden könnten, wenn diese Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit unter einheitlicher Führung bildeten. Nur in einem solchen Fall könne der Staat (das Land) als übergeordneter "verbindender" Unternehmer angesehen werden und iSd Art 5 FKVO eine Zusammenrechnung von Umsätzen erfolgen. Nichts anderes könne für die Umsatzberechnung gemäß § 2a KartG gelten, welche Umsatzberechnung ja Art 5 FKVO nachgebildet sei.
Im übrigen meinen die Rekurswerberinnen, selbst wenn man den sinnlosen Verweis auf § 41 KartG in § 2a KartG dahin "umdeuten" wollte, daß darunter (vor allem) das Halten eines Anteiles von mehr als 25 % an einem Unternehmen (und nicht das Erwerben einer solchen Beteiligung) zu verstehen wäre, reiche das bloße Halten einer Beteiligung nicht aus, um eine Zusammenrechnung von Umsätzen nach sich zu ziehen. § 2a Z 1 KartG spräche nämlich nicht von Unternehmen, die in der in § 41 beschriebenen Form miteinander "zusammengeschlossen" seien, sondern verlange, daß diese Unternehmen auch verbunden seien. Damit habe der Gesetzgeber klargestellt, daß für die Zusammenrechnung von Umsätzen - qualitativ - "mehr" vorliegen müsse, als eine schlichte Beteiligung von über 25 %; und zwar sei nach der Legaldefinition der "verbundenen Unternehmen" gemäß § 228 Abs 3 iVm § 244 Abs 1 HGB die einheitliche Leitung der (Tochter-)Unternehmen erforderlich.
Diese Ausführungen zeigen, daß die Rekurswerberinnen das Wesen und den Zweck der Zusammenschlußkontrolle iSd §§ 41 ff KartG offensichtlich mißdeuten. Es sollen - abhängig von der Größe der Umsätze der beteiligten Unternehmen - Zusammenschlüsse von Unternehmen einer potentiellen Kontrolle unterworfen werden, bei denen als Nebenfolge der veränderten Unternehmensstruktur die Wahrscheinlichkeit einer Beschränkung des Wettbewerbs besteht (in diesem Sinn zur alten Rechtslage Koppensteiner, Wettbewerbsrecht I**2 102 f). Zweck der Fusionskontrolle ist es, das Entstehen oder die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung zu verhindern (§ 42b Abs 2 Z 2 KartG), sofern nicht ausnahmsweise hiefür rechtfertigende Gründe iSd Abs 3 vorliegen. Unbedeutende Zusammenschlüsse ("kartellrechtlich uninteressante") werden vom Kartellrecht daher gar nicht erfaßt; solche, die kartellrechtlich interessant sind, müssen dem Kartellgericht angezeigt und in das Kartellregister eingetragen werden (§ 42 KartG); solche, die "kartellrechtlich verdächtig" sind, müssen sich einer kartellgerichtlichen Kontrolle stellen und sind infolgedessen anmeldebedürftig im Sinn des § 42a KartG (RV 1096 BlgNR 18. GP, 19). Wann ein solcher Zusammenschluß vorliegt, der bei entsprechender Größe der Umsätze angezeigt bzw angemeldet und allenfalls auch geprüft werden muß, bestimmt § 41 KartG. Dort ist ua in Abs 1 Z 3 angeordnet, daß der unmittelbare oder mittelbare Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft, die Unternehmer ist, durch einen anderen Unternehmer sowohl dann, wenn dadurch ein Beteiligungsgrad von 25 %, als auch dann, wenn dadurch ein solcher von 50 % erreicht und überschritten wird, ein Zusammschlußtatbestand ist.
Für die Berechnung, ob "kartellrechtlich interessante" bzw "kartellrechtlich verdächtige" Zusammenschlüsse vorliegen, ordnet § 2a KartG (ua) an, daß nicht nur die Umsatzerlöse der unmittelbar am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen, sondern auch solcher Unternehmen einzubeziehen sind, die ihrerseits mit den zusammenzuschließenden Unternehmen in der im § 41 KartG beschriebenen Form verbunden sind. Daß diese für die Einbeziehung des Umsatzerlöses derart verbunden sein müßten, daß eine einheitliche Leitung iSd handelsrechtlichen Konzernrechnungsvorschriften des § 228 Abs 3 iVm § 244 Abs 1 HGB vorliegen müsse, verlangt das Kartellgesetz nicht; die kartellrechtliche Zusammenschlußkontrolle setzt bereits bei einer niedrigeren Organisationsstufe an. Der kartellrechtliche Begriff der verbundenen Unternehmen iSd § 2a KartG ist nämlich ein eigenständiger und ergibt sich aus dem ausdrücklichen Verweis auf § 41 KartG.
Es kann im vorliegenden Fall die bisher von der Rechtsprechung noch nicht gelöste Frage weiterhin dahingestellt bleiben, ob bereits eine Minderheitsbeteiligung mit Sperrminoritätswirkung (25 %ige Beteiligung plus eine Stimme) ohne beherrschenden Einfluß einen Zusammenschlußtatbestand nach § 41 Abs 1 Z 3 KartG verwirklicht - also seinem Wortlaut entsprechend der "abstrakte Gefährdungstatbestand" ausreicht und daher auf den Nachweis einer konkreten Beherrschungsmöglichkeit zu verzichten ist - (so Wessely,
Das Recht der Fusionskontrolle und Medienfusionskontrolle 45 ff, sowie in ecolex 1995, 188; zum alten Recht Koppensteiner aaO 279 f; Gugerbauer, Komm KartG**2 Rz 9 zu § 41 läßt dem Wortlaut folgend eine 25,0 %ige Beteiligung genügen), oder ob bei einer solchen Minderheitsbeteiligung auch die Möglichkeit bestehen muß, aufgrund der gegebenen Umstände einen beherrschenden Einfluß auszuüben (so Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechts5, 7; Barfuß, ecolex 1992, 345 und 1995, 191; Barfuss/Wollmann/Tahedl, österreichisches Kartellrecht 114 f), und daher auch bei der Zusammenrechnung der Umsatzerlöse der in Form des § 41 KartG verbundenen Unternehmen auf die eine oder andere Variante abzustellen ist (vgl Lindinger, ecolex 1995, 105 ff [107 f]).
Bei Mehrheitsbeteiligungen oder gar einer 100 %igen Beteiligung liegt die Möglichkeit, beherrschenden Einfluß auszuüben, jedenfalls vor, sodaß in einem solchen Fall der Zusammenschlußtatbestand iSd § 41 Abs 1 Z 3 KartG zweifelsfrei vorliegt und daher bei solcherart verbundenen Unternehmen die Umsätze zusammenzurechnen sind. Im vorliegenden Fall steht das erwerbende Unternehmen zu 100 % im Eigentum des Landes, wobei die Unternehmen, die im Alleineigentum des Landes stehen oder an denen dieses mehrheitlich beteiligt ist, jedenfalls die Umsatzgrößen des § 42a KartG überschreiten. Da auch Unternehmen die in verschiedenen Sparten tätig sind (EB aaO; Wessely Fusionskontrolle 104), sowie Schwestergesellschaftenin die Berechnung einzubeziehen sind (ausführlich Wessely, ecolex 1994, 475 ff [478]), liegt ein anmeldebedürftiger Zusammenschluß vor.
Der Hinweis der Rekurswerberinnen auf P I.3.5. der Bekanntmachung der Kommission vom (ABl EU 94/C385/04) über die Berechnung des Umsatzes iSd FKVO (Nr. 4064/89) von Unternehmen im Staatsbesitz ist nicht zielführend. Die Kommission teilt zwar in dieser Bekanntmachung über die von ihr gepflogene Behandlung von Unternehmen im Staatsbesitz unter Hinweis auf den 12. Erwägungsgrund der FKVO mit, daß sie nur solche Umsätze von Unternehmen zurechne, die eine mit einer autonomen Entscheidungsbefugnis ausgestaltete wirtschaftliche Einheit bildeten. Es trifft auch zu, daß die österreichische KartG-Nov 1993, dem Vorbild der FKVO und anderen nationalen Rechten der Mitgliedstaaten der EU folgend, wegen der leichteren Handhabung vom Marktanteil auf den Umsatz umgestellt hat. Im übrigen ist aber die Fusionskontrolle nach EU-Recht und nationalem Recht klar abgegrenzt:
Nach § 21 Abs 2 FKVO wenden die Mitgliedstaaten ihr innerstaatliches Wettbewerbsrecht nicht auf Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung an. Daraus folgt, das Unternehmenszusammenschlüsse, die nicht unter diese Verordnung fallen, grundsätzlich dem Zuständigkeitsbereich der Mitgliedsstaaten unterliegen; diese bleiben für Zusammenschlüsse iSd FKVO von geringerer als gemeinschaftsweiter Bedeutung zuständig. Sie sind aber nach Art 21 Abs 3 FKVO auch berechtigt, andere als die in Art 3 FKVO tatbestandsmäßig umschriebenen Zusammenschlüsse als solche im Sinn des jeweiligen nationalen Rechtes zu qualifizieren, sofern dies mit den allgemeinen Grundsätzen und den übrigen Bestimmungen des EU-Rechts vereinbar ist; insofern muß also das nationale Fusionsrecht nicht dem EU-Recht angepaßt werden (Lindinger aaO 105 f; Barfuß/Wollmann/Tahedl aaO 157 f).
Auf Österreich übertragen bedeutet dies, daß in den Fällen, in denen die europäische Fusionskontrolle eingreift, die Anmelde- bzw Anzeigepflicht nach den §§ 42 und 42a KartG entfällt; unterliegt der Zusammenschluß hingegen nicht der FKVO, ist das österreichische Fusionsrecht der §§ 41 ff KartG anzuwenden (Barfuss/Wollmann/Tahedl aaO 157 f). In diesem Bereich gibt es weder eine unmittelbare Anwendung von EU-Recht, noch sind die inhaltlich teilweise abweichenden EU-rechtlichen Fusionskontrollbestimmungen analog anzuwenden. Im österreichischen Kartellrecht existieren - außer der Sonderregelung des § 5 KartG, wonach gewisse öffentliche Unternehmen aus Gründen, die hier nicht einschlägig sind, vom Anwendungsbereich des KartG überhaupt ausgenommen sind - keine Sonderregelungen für Unternehmen der öffentlichen Hand oder solchen, an denen diese beteiligt ist (Koppensteiner aaO 102). Solche gibt es auch nicht für Unternehmenszusammenschlüsse, sodaß die interpretative Einschränkung der Kommission nicht greifen kann. Eine Unvereinbarkeit der in diesem Zusammenhang umfänglich weiteren Fusionskontrolle des österreichischen Rechts mit den Grundsätzen des EU-Rechts ist nicht erkennbar.
Da es nicht Aufgabe des erkennenden Gerichts sein kann, Überlegungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit einer derart weiten Fusionskontrolle über Unternehmen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist, und über eine allfällige Anpassung an das europäische Kartellrecht de lege ferenda anzustellen, ist der erstgerichtliche Beschluß zu bestätigen.
Was den Antrag der Rekurswerberinnen anlangt, das Kartellgericht möge die Verfassungsmäßigkeit des § 2a KartG beim Verfassungsgerichtshof überprüfen lassen, ist dieser mangels subjektiven Rechts einer Verfahrenspartei zur Stellung eines solchen Antrages zurückzuweisen (EvBl 1980/191; WBl 1989, 377; JBl 1994, 57 uva). Da der erkennende Senat keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung hat, sieht er sich auch nicht von amtswegen veranlaßt, die angebliche Verfassungswidrigkeit überprüfen zu lassen. Es ist nicht zu erkennen, warum es dem Sachlichkeitsgebot widersprechen und daher verfassungswidrig sein soll, daß nach § 2a KartG bei der Berechnung der Umsatzerlöse Unternehmen, die in der im § 41 KartG beschriebenen Form miteinander verbunden sind, als ein einziges Unternehmen zu gelten haben. Der Gesetzgeber hatte - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - durchaus sachliche Gründe, warum er zwecks Zusammenschlußkontrolle die Umsätze aller der in der in § 41 KartG beschriebenen Form miteinander verbundenen Unternehmen - und nicht nur solche, die echt konzernmäßig unter einheitlicher Leitung verbunden sind - zusammengerechnet haben will. Dahinter steht die Überlegung, daß durch eine Unternehmensverbindung der in § 41 KartG genannten Art die Wettbewerbsbedingungen durch das Entstehen oder die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung beeinträchtigt werden können, sodaß die Zusammenschlüsse bei Überschreiten gewisser Umsatzgrößen der potentiellen kartellgerichtlichen Kontrolle unterzogen werden können sollen.