OGH vom 29.03.2016, 8Ob23/16i

OGH vom 29.03.2016, 8Ob23/16i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun Mohr als weitere Richter in der Insolvenzsache des Schuldners D***** B*****, vertreten durch Mag. Franz Doppelhofer, Rechtsanwalt in Seiersberg, wegen Bestätigung des Zahlungsplans, über den Revisionsrekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom , GZ 21 R 257/15i 23, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Korneuburg vom , GZ 8 S 32/15t 12, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Mit Beschluss des Erstgerichts vom wurde über das Vermögen des Schuldners das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Die Eigenverwaltung wurde dem Schuldner nicht entzogen. Er bot einen Zahlungsplan mit einer Quote von 1,1 % an, zahlbar durch einen Einmalbetrag binnen 4 Wochen nach Annahme.

Im Verfahren meldeten 14 Gläubiger Forderungen von insgesamt 3.190.069,75 EUR an. Neben Rückstandsausweisen öffentlich rechtlicher Körperschaften, einer Rechnung über Energielieferungen und einer Dienstnehmerforderung handelt es sich durchwegs um Kredit und Darlehensforderungen.

In der Tagsatzung vom anerkannte der Schuldner alle angemeldeten Forderungen. Die spätere Rekurswerberin war in der Tagsatzung durch einen bevorrechteten Gläubigerschutzverband vertreten und nahm ebenfalls keine Forderungsbestreitung vor. Sie sprach sich gegen den Zahlungsplan aus, der jedoch mit der gesetzlichen Kopf und Summenmehrheit angenommen wurde.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom bestätigte das Erstgericht den Zahlungsplan. Er entspreche den gesetzlichen Voraussetzungen, ein Versagungsgrund nach § 195 IO liege nicht vor.

Über Rekurs der Gläubigerin zu PN 4 änderte das Rekursgericht diesen Beschluss dahin ab, dass es dem Zahlungsplan die Bestätigung versagte.

Die Rekurswerberin habe zu Recht als Verfahrensmangel beanstandet, dass das Erstgericht dem Schuldner nicht die Eigenverwaltung entzogen und einen Insolvenzverwalter bestellt habe. Nach § 186 IO habe das Gericht diese Maßnahme zu ergreifen, wenn die Vermögensverhältnisse des Schuldners nicht überschaubar seien, wenn Umstände bekannt seien, die erwarten lassen, dass die Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen werde, oder wenn der Schuldner kein genaues Vermögensverzeichnis vorgelegt habe. Angesichts der Anzahl und Höhe der angemeldeten Forderungen mangle es an der Überschaubarkeit der Vermögensverhältnisse, überdies zeige die Rekurswerberin zu Recht auf, dass die Forderungsanmeldungen zu PN 8 bis 10 in mehrfacher Hinsicht höchst dubios seien und einer genaueren Prüfung bedurft hätten.

Die Nichtbestellung eines Insolvenzverwalters sei unter diesen Umständen ein wesentlicher und nicht behebbarer Verfahrensmangel im Sinne des § 195 Z 2 IO, der zur Versagung der Bestätigung des Zahlungsplans führen müsse. Die Rekurswerberin habe die in ihrem Rechtsmittel geltend gemachten Umstände in der Prüfungstagsatzung noch nicht geltend machen können, weil die Urkunden zu den Forderungsanmeldungen den Insolvenzgläubigern grundsätzlich nicht bekannt seien.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage bestehe, ob die Nichtentziehung der Eigenverwaltung unter den Versagungsgrund des § 195 Z 2 IO zu subsumieren sei.

Der Revisionsrekurs des Schuldners strebt die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung an.

Das Rekursgericht habe die Voraussetzungen für eine Entziehung der Eigenverwaltung rechtsirrig angenommen, jedenfalls aber nicht beachtet, dass es Sache der zur Prüfungstagsatzung geladenen und dort auch vertretenen Rekurswerberin gewesen wäre, selbst die im Rekurs beanstandeten Gläubigerforderungen zu bestreiten.

Soweit im Rekurs auch eine Verletzung der Verwertungspflicht und eine Sonderbegünstigung einzelner Gläubiger behauptet worden sei, handle es sich um tatsachenwidrige Mutmaßungen. Die Behauptung, die Quote entspreche nicht der Einkommenslage des Schuldners in den nächsten fünf Jahren, beruhe auf unrealistischen Gehaltsprognosen, jedenfalls aber rechtfertige der Vorteil einer Barquote die behauptete minimale (0,122 %) Unterschreitung der möglichen Quote.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil der Entscheidung des Rekursgerichts eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zugrundeliegt. Der Revisionsrekurs ist dementsprechend auch berechtigt.

Das Insolvenzgericht hat im Zahlungsplanverfahren den Antrag des Schuldners einer Vorprüfung zu unterziehen. Nach Abschluss des Vorprüfungsverfahrens besteht keine amtswegige Überprüfungsmöglichkeit mehr, ob Einleitungshindernisse vorlagen und ob der vorgelegte Zahlungsplan zulässig ist (8 Ob 56/01w; 8 Ob 81/02y = ZIK 2002/296; 8 Ob 36/04h). Den Gläubigern steht es jedoch zu, ihre Einwendungen über die Zulässigkeit des Zahlungsplans in der Prüfungstagsatzung zu erheben und substanziiert vorzubringen, dass und warum der angebotene Zahlungsplan gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt.

Ein entsprechender Antrag eines Gläubigers ist Voraussetzung dafür, dass das Gericht das Hindernis in diesem Verfahrensstadium noch wahrnehmen kann. Mangels rechtzeitiger Geltendmachung wird ein bestehender Mangel saniert und kann in der Folge nicht mehr als Grund für die Versagung der Bestätigung des Zahlungsplans herangezogen werden (8 Ob 81/02y mwN).

Nach § 259 Abs 2 IO können Anträge, Erklärungen und Einwendungen, zu deren Anbringung eine Tagsatzung bestimmt ist, von den nicht erschienenen, gehörig geladenen Personen nachträglich nicht mehr vorgebracht werden. Diese Rechtsfolge gilt auch für Personen, die zwar zur Tagsatzung erschienen sind, aber dort geschwiegen haben, und beschränkt die im Rekursverfahren ansonsten bestehende Neuerungszulässigkeit (8 Ob 56/01w; 8 Ob 36/04h).

Im vorliegenden Fall hat die Rekurswerberin sich laut Protokoll der Tagsatzung vom erst nach erfolgter Abstimmung gegen den Zahlungsplan ausgesprochen, weil er „nicht zulässig sein soll“. Eine substanziierte Darlegung der Gründe für die behauptete Unzulässigkeit ist dem Protokoll nicht zu entnehmen.

Es stand der Gläubigerin frei, die zweifelhaften Forderungspositionen zu bestreiten. Dem Argument des Rekursgerichts, sie habe die den Anmeldungen zugrundeliegenden Beilagen nicht gekannt, hält der Revisionsrekurs zu Recht entgegen, dass es Gläubigern nach § 104 Abs 5 IO möglich ist, in die Forderungsanmeldungen samt Beilagen Einsicht zu nehmen. Im Rekursverfahren kann die Unterlassung einer rechtzeitigen Bestreitung bzw eines substanziierten Vorbringens, aus welchen Gründen dem Zahlungsplan die Bestätigung zu versagen gewesen wäre, wegen des insoweit geltenden Neuerungsverbots nicht mehr nachgeholt werden.

Auf die im Zulassungsausspruch des Rekursgerichts angesprochene Rechtsfrage, ob eine unterbliebene Entziehung der Eigenverwaltung überhaupt ein Grund sein kann, dem Zahlungsplan die Bestätigung zu versagen, kommt es daher nicht mehr an.

Den Ausführungen des Rekursgerichts ist allerdings insofern beizupflichten, als die Forderungsanmeldungen PN 8 bis 10 objektiv den Verdacht einer Manipulation rechtfertigen.

Die angemeldeten Darlehensforderungen sollen in den Jahren 1998, 1999 und 2000 ausschließlich, ohne Erwähnung einer weiteren Währung, in sechsstelligen runden Eurobeträgen gewährt worden sein, obwohl die Euro Umstellung erst im Jahre 2002 erfolgt ist und Euromünzen und -geldscheine erst seit September 2001 erhältlich waren. Die Gläubigerin zu PN 8, die dem Schuldner im Jahre 2000 ein Darlehen gewährt haben soll, wurde überhaupt erst 2012 als Gesellschaft errichtet. Jene Person, deren Unterschrift auf allen Darlehensurkunden und Forderungsanmeldungen PN 8 bis 10 aufscheint, war nie vertretungsberechtigter Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Eine Bevollmächtigung wurde nicht behauptet. Auffallend ist aber auch, dass schon auf das erste Darlehen aus dem Jahre 1998 keinerlei Rückzahlung erfolgt sein soll, dennoch aber in den Folgejahren weitere Darlehen in Höhe sechsstelliger Eurobeträge und offenbar ohne Besicherung ausbezahlt worden sein sollen.

Gemäß § 261 Z 3 IO hat das Insolvenzgericht der Staatsanwaltschaft Anzeige zu erstatten, wenn der Verdacht einer vom Schuldner begangenen strafbaren Handlung vorliegt. Nach § 156 Abs 1 StGB begeht das Delikt der betrügerischen Krida, wer eine nicht bestehende Verbindlichkeit vorschützt oder anerkennt oder sonst sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder schmälert.

Das Erstgericht wird daher zu entscheiden haben, ob es angesichts der aufgezeigten Verdachtsgründe nach § 261 Z 3 IO vorzugehen hat. Jedenfalls steht aber auch der betroffenen Gläubigerin die Möglichkeit einer Strafanzeige offen.

Gemäß § 158 Abs 1 IO hebt eine Verurteilung des Schuldners wegen betrügerischer Krida, wenn sie innerhalb zweier Jahre nach der Bestätigung des Sanierungsplans rechtskräftig wird, für alle Gläubiger den im Sanierungsplan gewährten Nachlass sowie die sonstigen Begünstigungen auf, ohne den Verlust der Rechte nach sich zu ziehen, die ihnen der Sanierungsplan gegenüber dem Schuldner oder dritten Personen einräumt.

Dem Revisionsrekurs des Schuldners war aufgrund des maßgeblichen Sachverhalts aus den dargelegten Gründen Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00023.16I.0329.000