OGH 22.10.2002, 10ObS239/02y
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und DI Walter Holzer (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ivica E*****, Taxiunternehmer, *****, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84 - 86, 1051 Wien, vertreten durch Dr. Paul Bachmann und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 115/02m-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 2 Cgs 79/01y-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am geborene Kläger hat den Lehrberuf eines Autoelektrikers erlernt und war von 1987 bis 1998 als Taxiunternehmer ohne Beschäftigte tätig.
Dem Kläger sind nur mehr leichte bis mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen möglich, wobei Haltungsstereotypien im Sitzen oder Stehen die Möglichkeit zu bedarfsweiser Haltungsänderung erfordern. Nach etwa 30 - 60-minütiger Haltungskonstanz ist eine kurzfristige, 3 - 5 Minuten dauernde Haltungsänderung zu ermöglichen. Danach kann wieder die ursprüngliche Körperhaltung eingenommen werden. Ausgeschlossen sind Arbeiten mit häufigem oder längerdauerndem Vornüberneigen des Kopfes, Bücken oder Vornüberneigen des Rumpfes, Arbeiten mit Tragen von Lasten über 10 kg sowie Heben von Lasten über 20 kg zu den üblichen Arbeitszeiten und Arbeitspausen.
Wenn der Kläger länger als 30 - 60 Minuten in einem Zug durchsitzt, ohne dass er Ausgleichsbewegungen machen kann, so ist dies zwar möglich, aber gesundheitsschädlich; der Kläger bekommt dabei Schmerzen. Der Kläger ist nicht in der Lage, ganztags im Sitzen unter Einhaltung der üblichen Pausen zu arbeiten, sondern er braucht jedenfalls spätestens nach 30 - 60 Minuten im Sitzen einen mindestens 3 - 5 Minuten dauernden Lagewechsel. Während dieser Zeit kann er zwar andere Arbeiten verrichten, aber keinerlei Arbeiten im Sitzen. Wenn eine Taxifahrt nicht unterbrochen werden kann und zwei Stunden dauert, was gelegentlich vorkommen kann, so muss der Kläger dann auch mindestens 15 Minuten Ausgleichsbewegungen machen und darf nicht sitzen. Die Belastung beim Taxifahren ist weniger in der Lendenwirbelsäule als vor allem in der Halswirbelsäule gegeben. Der Kläger war bis 1998 selbständiger Taxiunternehmer ohne Beschäftigte. Die Tätigkeit eines Taxiunternehmers ohne Beschäftigte sowie ähnliche selbständige Erwerbstätigkeiten sind dem Kläger nicht weiter möglich, weil das medizinische Leistungskalkül hiebei mehrfach überschritten wird. Einerseits wird die Gewichtsbelastung beim Einladen von Koffern und Tragen von Koffern überschritten, andererseits kommt es vor, dass Fahrten länger als 60 Minuten dauern und nicht abgebrochen werden können oder dass unmittelbar nach einer Fahrt eine zweite Fahrt anzutreten ist und dann die Gesamtdauer mehr als 60 Minuten beträgt.
Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom auf Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeitspension mit der Begründung ab, dass Erwerbsunfähigkeit nicht vorliege.
Das Erstgericht gab der dagegen erhobenen Klage statt und sprach dem Kläger eine Erwerbsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab zu, weil auf ihn die Voraussetzungen des § 133 Abs 2 GSVG zuträfen.
Gegen dieses Urteil erhob die beklagte Partei Berufung aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. In der Berufungsschrift hat die beklagte Partei unter Berufung auf in anderen Verfahren ergangene Entscheidungen im Wesentlichen die Ansicht vertreten, dass der Kläger sehr wohl in der Lage sei, nach einfachen Umorganisationsmaßnahmen und unter Inkaufnahme gewisser Einkommenseinbußen die Tätigkeit eines Taxiunternehmers ohne Beschäftigte weiterhin auszuüben.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass der beklagten Partei aufgetragen wurde, dem Kläger ab bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von EUR 500,-- monatlich zu erbringen. In rechtlicher Hinsicht folgte es der Auffassung des Erstgerichts, dass dem Kläger unter Bedachtnahme auf das medizinische Leistungskalkül und das Berufsanforderungsprofil die Tätigkeit eines selbständigen Taxiunternehmers ohne Beschäftigte nicht mehr zumutbar sei. § 24 Abs 1 der Wiener Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung LGBl 1993/71 und LGBl 2000/36 sehe grundsätzlich eine Beförderungspflicht vor. Auch habe der Taxilenker gemäß § 27 dieser Verordnung dem Fahrgast beim Auf- und Abladen des Gepäcks behilflich zu sein und älteren oder körperlich behinderten Fahrgästen beim Ein- und Aussteigen die notwendige Hilfeleistung zu gewähren. Müsse der Kläger das Einladen von Gepäck mit einem Gewicht von über 20 kg oder das Tragen von Koffern von über 10 kg ablehnen und sich vor Übernahme eines Fahrtauftrages danach erkundigen, ob derartige Hebe- und Trageleistungen erforderlich sein würden, so sei er im Verein mit den notwendigen Pausen zur Haltungsänderung als erwerbsunfähig im Sinne des § 133 Abs 2 GSVG anzusehen, weil er nicht mehr als Taxiunternehmer tätig sein könne und Verweisungstätigkeiten nicht existierten.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Klagsabweisung. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Der Kläger hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision, in der im Wesentlichen das Berufungsvorbringen wiederholt wird, ist nicht berechtigt.
Die beklagte Partei ist in ihrer wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung nicht von der erstgerichtlichen Feststellung ausgegangen, wonach dem Kläger die Tätigkeit eines Taxiunternehmers ohne Beschäftigte sowie ähnliche selbständige Erwerbstätigkeiten dem Kläger nicht weiter möglich sind, weil das medizinische Leistungskalkül hiebei mehrfach überschritten wird. Im Rahmen der Rechtsrüge hat die beklagte Partei nur mehrfach ausgeführt, dass dem Kläger die weitere Berufsausübung möglich wäre, wenn er seinen Betrieb in einfacher Weise umorganisieren und gewisse Einkommenseinbußen in Kauf nehmen würde.
Da die Rechtsrüge aber nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgegangen ist, ist sie als nicht gesetzmäßig ausgeführt anzusehen. In diesem Fall kann die rechtliche Beurteilung auch im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden (RIS-Justiz RS0043231/T4 uva, zuletzt etwa 10 ObS 5/02m). Ungeachtet des § 87 Abs 1 ASGG gilt dieser Grundsatz auch im Verfahren in Sozialrechtssachen (RIS-Justiz RS0043480).
Der Revision ist allein schon aus diesem Grund ein Erfolg zu versagen und es muss dahingestellt bleiben, ob die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass bei Prüfung der Voraussetzungen für die Erwerbsunfähigkeitspension nach § 133 Abs 2 GSVG ausschließlich auf das Unternehmen eines selbständigen Taxifahrers ohne Beschäftigte abzustellen sei, zutreffend ist.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2002:010OBS00239.02Y.1022.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAD-97173