OGH vom 23.08.1995, 9ObA140/95

OGH vom 23.08.1995, 9ObA140/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Bauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Friedrich Weinke und Friedrich Wienerroither als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Hermann K*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Alfred Thewanger ua, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei E***** ***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Bernd Itzlinger, Rechtsanwalt in Wels, wegen 629.760 S sA (Revisionsstreitwert 128.015,14 S sA), infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 4/95-14, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 15 Cga 66/94h-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit 7.605 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.267,50 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die Begründung des angefochtenen Urteils zutrifft, genügt es, auf ihre Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers noch folgendes zu erwidern:

Eine Pflicht des Arbeitgebers zur Aufforderung des Arbeitnehmers, dieser solle während der mindestens drei Monate betragenden Kündigungsfrist seinen Urlaub verbrauchen, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. § 4 Abs 1 UrlG bestimmt lediglich, daß der Zeitpunkt des Urlaubsantrittes zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu vereinbaren sei. Eine derartige Vereinbarung kann auch schlüssig im Sinne des § 863 ABGB zustandekommen (siehe Klein/Martinek, Urlaubsrecht 65; Cerny, Urlaubsrecht6 86; Kuderna, UrlG § 4 Rz 5 mwH). Zufolge des Gleichstellungsgrundsatzes bezüglich ausdrücklicher und schlüssiger Willenserklärungen (siehe Rummel in Rummel ABGB2 I § 863 Rz 9) kann auch das Anbot des Arbeitgebers zum Abschluß einer Urlaubsvereinbarung schlüssig erfolgen. In einer Dienstfreistellung während einer Kündigungsfrist von mindestens drei Monaten - mit der der Arbeitgeber hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, daß der Urlaubsverbrauch von betrieblicher Seite möglich (und erwünscht) sei (vgl Dusak, Anm zu ZAS 1986/2, 15) - ist daher das unbefristete Anbot des Arbeitgebers zum Abschluß von Urlaubsvereinbarungen während der Dienstfreistellung nach Belieben des Arbeitnehmers enthalten. Dieses Anbot kann der Arbeitnehmer durch einseitige Erklärung annehmen, auch im Sinne einer Realannahme gemäß § 864 ABGB lediglich durch tatsächliche Entsprechung. Im Sinne der bereits zu 8 Ob A 282/95 ergangenen Entscheidung ist daher bei einer Dienstfreistellung während einer mindestens dreimonatigen Kündigungsfrist eine ausdrückliche Aufforderung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer möge seinen Urlaub verbrauchen, nicht erforderlich.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in den Entscheidungen ZAS 1991/7 (krit Pfeil) und SZ 61/196 ausgesprochen hat, gebührt für den trotz Zumutbarkeit nicht verbrauchten Resturlaub aus früheren Jahren auch keine Urlaubsabfindung.

Soweit Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht5 465, einen untragbaren Wertungswiderspruch darin erblicken, daß selbst bei verschuldetem vorzeitigen Austritt dem Arbeitnehmer die Urlaubsentschädigung für unverbrauchten Urlaub vergangener Urlaubsjahre gebührt, während - bei Zugrundelegung der vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung ZAS 1991/7 vertretenen Meinung - die Kündigung durch den Arbeitgeber einen rückwirkenden Verfall dieser Urlaubsentschädigung bewirken könne, ist ihnen zu erwidern, daß nicht die Kündigung durch den Arbeitgeber zum Verlust der Urlaubsentschädigung führt, sondern der Nichtverbrauch des Urlaubs in natura während des zwar im Auflösungsstadium befindlichen, aber noch aufrechten Dienstverhältnisses trotz Möglichkeit, Zumutbarkeit und eines längeren zur Verfügung stehenden Zeitraumes.

Pfeil räumt in seiner kritischen Stellungnahme zur Entscheidung ZAS 1991/7 immerhin ein, daß kein Anhaltspunkt dafür zu erblicken sei, warum die Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Z 4 UrlG für Urlaubsansprüche aus früheren Jahren nicht gelten sollten; bejahe man daher in diesem Fall die Möglichkeit und Zumutbarkeit des Urlaubsverbrauches, könne konsequenterweise auch keine Urlaubsentschädigung gebühren. Würde man dem Arbeitnehmer aber für den Resturlaub auch keine Urlaubsabfindung zubilligen, würde die bloße Weigerung, den Urlaub während der Kündigungsfrist zu verbrauchen, strenger sanktioniert als ein unberechtigter Austritt. Dies führe zu einem unhaltbaren Wertungswiderspruch. Trotz des plausiblen Einwandes, daß die Anwendung des § 10 Abs 1 UrlG auf "alte" Urlaube sinnlos wäre, da die Abfindung die gleiche Höhe hätte wie die Urlaubsentschädigung, hält Pfeil diese Lösung für vertretbar, weil der Arbeitnehmer diesen Abfindungsanspruch anders als den Entschädigungsanspruch im Falle eines unberechtigten vorzeitigen Austrittes verlieren könnte. Kernpunkt dieser Kritik ist der angebliche Wertungswiderspruch zwischen den Folgen eines ungerechtfertigten Austrittes und eines bloßen Nichtverbrauches des Urlaubes während der Kündigungsfrist. Dem ist zu erwidern, daß damit völlig verschiedene Tatbestände verglichen werden; der Austritt führt zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit zur Unmöglichkeit des vom Gesetzgeber bevorzugten Verbrauches des Urlaubs in natura. Hingegen führt die Kündigung durch den Arbeitgeber nicht zur sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses und ermöglicht es damit grundsätzlich, den Urlaub in natura zu verbrauchen. Mit der Regelung des § 9 Abs 1 Z 4 UrlG soll der Arbeitnehmer lediglich zum noch möglichen Naturalverbrauch des Urlaubs veranlaßt werden. Würde man für den trotz Zumutbarkeit nicht verbrauchten Resturlaub Urlaubsabfindung in Höhe der Urlaubsentschädigung zubilligen, wäre die Vorschrift des § 9 Abs 1 Z 4 UrlG für Arbeitnehmer mit nicht ganz unerheblichen Resturlaubsansprüchen aus früheren Urlaubsjahren obsolet, da Urlaubsansprüche aus früheren Urlaubsjahren vor jenen aus dem laufenden Urlaubsjahr zu verbrauchen sind (siehe Kuderna aaO § 4 Rz 34 mwH) und für den trotz Zumutbarkeit nicht verbrauchten Resturlaub Urlaubsabfindung in Höhe der Urlaubsentschädigung zu leisten wäre. Damit hätten bei einem Verstoß gegen § 9 Abs 1 Z 4 UrlG nur die Arbeitnehmer mit einer Beeinträchtigung ihrer Ansprüche auf Urlaubsentschädigung zu rechnen, die entsprechend der in § 4 Abs 1 Satz 2 UrlG klar dokumentierten Absicht des Gesetzgebers den Urlaub in dem Jahr verbraucht haben, in dem er entstanden ist und daher ohnehin nur relativ geringe Ansprüche auf Urlaubsentschädigung haben. Hingegen müßten jene Arbeitnehmer, die entgegen der Absicht des Gesetzgebers Urlaubsansprüche aus früheren Jahren in erheblichem Umfang gehortet haben, bei einem Verstoß gegen § 9 Abs 1 Z 4 UrlG keinerlei Beeinträchtigung ihrer naturgemäß höheren Ansprüche auf Urlaubsentschädigung befürchten. Diese Auslegung führt nicht nur zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis, das durch die nur im seltenen Ausnahmsfall des unberechtigten Austrittes des Arbeitnehmers zwischen Kündigung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Tragen kommende unterschiedliche Bestandfestigkeit von Urlaubsentschädigung und Urlaubsabfindung in keiner Weise ausgeglichen wird, sondern widerspricht auch der insbesondere in den §§ 4 Abs 1 Satz 2 und 7 UrlG zum Ausdruck kommenden Absicht des Gesetzgebers.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.